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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 29.08.2001
Aktenzeichen: 10 W 23/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 412
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 2 S. 2
ZPO § 406 Abs. 5 2. Hs.
BGB § 121 Abs. 1 S. 1
1. Wird ein Sachverständiger aufgrund des Inhalts seines Gutachtens bzw. aufgrund einer darin enthaltenen Äußerung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens gestellt werden, wobei der Partei eine dem Umständen des Falles angepasste Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist einhellige Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte der sich auch der erkennende Senat anschließt.

2. Als angemessene Überlegungsfrist ist grundsätzlich eine Zeit von wenigen Tagen ausreichend; jedenfalls entspricht diese Frist nicht der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine sachliche Auseinandersetzung mit den Inhalt des Gutachtens gerade nicht erfordert.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 23/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Neuwirth, den Richter am Oberlandesgericht Rüge und den Richter am Landgericht Wiedemann

am 29. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 06. April 2001, 9 O 944/98, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 25.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Zahlung des Kaufpreises für von ihm gelieferte Materialien zur Modernisierung der Heizungs- und Schornsteinanlage im Mehrfamilienhaus des Beklagten. Die Klageforderung belief sich ursprünglich auf 45.011,19 DM und ist nunmehr wegen einer zwischenzeitlichen Teilleistung in Höhe von 26.844,66 DM am 06.07.1998 auf den Restbetrag von 18.166,53 DM beschränkt worden. Zudem begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Klage in ursprünglicher Höhe anfangs zulässig und begründet war und erst durch die oben genannte Zahlung unbegründet geworden ist.

Der Beklagte hat sich gegen die Klageforderung unter anderem mit Mängelrügen und der Geltendmachung von Folgeschäden aus mangelhaften Leistungen des Klägers verteidigt. Das Landgericht hat insoweit Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens, inzwischen ergänzt durch insgesamt drei gutachterliche Stellungnahmen desselben Sachverständigen. Der Kläger hatte bereits im September 1999 Zweifel an der Sachkunde des gerichtlich bestellten Sachverständigen erhoben (vgl. Bl. 78 Bd. II GA) und ausdrücklich ein Ablehnungsgesuch angebracht (vgl. Bl. 82 Bd. II GA). Hierüber hat das Landgericht nicht entschieden.

In der Folgezeit hat sich der Kläger weiter inhaltlich mit den erstatteten Gutachten bzw. gutachterlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt, ohne auf eine Entscheidung seines Ablehnungsgesuches zu bestehen.

Unter dem 18.01.2001 erstellte der gerichtlich bestellte Sachverständige seine dritte ergänzende gutachterliche Stellungnahme; diese wurde unter anderem auch dem Kläger am 15.02.2001 zugestellt. Mit Verfügung vom 02.02.2001 hatte das Landgericht insoweit eine Frist zur Stellungnahme auf diese gutachterliche Ergänzung im Umfang von drei Wochen ab Zustellung gesetzt.

Mit Schriftsatz vom 06.03.2001, beim Landgericht vorab per Fax eingegangen am gleichen Tage, hat der Kläger inhaltliche Einwendungen gegen die dritte ergänzende gutachterliche Stellungnahme erhoben und zugleich einzelne Ausführungen des Sachverständigen in dieser letztgenannten Stellungnahme als unsachlich gerügt. Hierauf hat er ein Ablehnungsgesuch gestützt.

Das Landgericht hat dieses Ablehnungsgesuch mit Beschluss vom 06.04.2001 zurückgewiesen. Seine Entscheidung hat das Landgericht dabei im Wesentlichen darauf gestützt, dass das Ablehnungsgesuch bereits verspätet im Sinne von § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO analog eingereicht worden sei, weil der Kläger die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen nicht unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift geltend gemacht habe. Im Übrigen hat das Landgericht ausgeführt, dass eine Ablehnung des Sachverständigen auch in der Sache nicht gerechtfertigt wäre.

Der Kläger hat gegen diesen, ihm am 03.05.2001 zugestellten Beschluss mit einem am 16.05.2001 beim Landgericht Magdeburg vorab per Fax eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung über dieses Rechtsmittel vorgelegt. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vor dem Senat erhielten die Parteien Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig; sie ist nach § 406 Abs. 5 2. Hs. ZPO statthaft und wurde fristgerecht eingelegt.

2. Das Rechtsmittel hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

2.1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Ablehnungsgesuch des Klägers bereits mangels rechtzeitiger Erhebung verspätet und damit unzulässig ist.

Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen erst nach dessen Bestellung, so ist der Ablehnungsantrag nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 S. 1 BGB zu stellen, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangung vom Ablehnungsgrund. Wird ein Sachverständiger aufgrund des Inhalts seines Gutachtens bzw. aufgrund einer darin enthaltenen Äußerung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens gestellt werden, wobei der Partei eine dem Umständen des Falles angepasste Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist einhellige Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Frankfurt/M., OLGR Frankfurt 1998, 181 sowie 1995, 139 f.; OLG München, OLGR München 1994, 237 f. sowie 2000, 211 f.; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 470 f.; OLG Köln, OLGR Köln 1995, 147; OLG Rostock, OLGR Rostock 1997, 42 f.; Thüringer OLG, OLGR Jena 2000, 113 bis 116; Brandenburgisches OLG, OLGR Brandenburg 2000, 275 bis 278; ebenso Greger in: Zöller, Komm. z. ZPO, 22. Auflage 2001, § 406 Rdn. 10 m.w.N.), der sich auch der erkennende Senat anschließt. Als angemessene Überlegungsfrist ist grundsätzlich eine Zeit von wenigen Tagen ausreichend; jedenfalls entspricht diese Frist nicht der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine sachliche Auseinandersetzung mit den Inhalt des Gutachtens gerade nicht erfordert (vgl. OLG München, OLGR 1994, 237 f.; Thüringer OLG, OLGR Jena 2000, 113, 115 f.).

Nach diesen Maßstäben war das Ablehnungsgesuch des Klägers hier verspätet. Der Kläger hatte bereits im Verlaufe des Rechtsstreits mehrfach die Sachkunde des Sachverständigen in Zweifel gestellt, was grundsätzlich nicht zu dessen Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit, sondern eher zu einem Antrag auf Beauftragung eines weiteren Sachverständigen nach § 412 ZPO führen mag. Im Zusammenhang damit hatte der Kläger jedoch auch ein Ablehnungsgesuch angebracht. Unabhängig davon, dass das Landgericht bisher über dieses Ablehnungsgesuch nicht entschieden hat und dieses nunmehr unzulässig geworden sein dürfte, hatte der Kläger aus seiner Sicht ganz besondere Veranlassung, jede weitere gutachterliche Stellungnahme des Sachverständigen auf das Vorliegen eines Befangenheitsgrundes zu prüfen und diesen umgehend geltend zu machen. Dies hat er hinsichtlich der gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen vom 18.01.2001 versäumt.

2.2. Dem Landgericht ist jedoch auch darin zu folgen, dass selbst dann, wenn der Kläger sein Ablehnungsgesuch rechtzeitig angebracht hätte, diesem kein Erfolg beschieden gewesen wäre.

Ein objektiver Grund, der bei vernünftiger Betrachtung aus Sicht des Klägers die Besorgnis hätte rechtfertigen können, dass der Sachverständige sein Gutachten nicht unvoreingenommen und unparteilich erstattet, liegt hier nicht vor. Der Sachverständige hat vielmehr auch in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 18.01.2001 eine sachliche Auseinandersetzung mit den Argumenten des Klägers geführt; er hat insbesondere für die von ihm in Ansatz gebrachten Lohnkosten die Grundlagen der Berechnung erneut dargelegt und ausgeführt, woraus die Differenzen zu den Vergleichsberechnungen des Klägers resultieren. Im Zuge dieser Auseinandersetzung ist es durchaus als sachliches Argument anzusehen, wenn der Sachverständige mit der inkriminierten Äußerung letztlich die Unauskömmlichkeit der vom Kläger zur Schadensbeseitigung behaupteten Kosten anspricht. Die Art der Formulierung erscheint bei vernünftiger Betrachtung kaum angreifbar. Selbst wenn hierin eine für den Kläger ehrenrührig klingende Formulierung gelegen hätte, wovon der Senat nicht ausgeht, hielte sich dies in den Grenzen einer angemessenen Reaktion auf die ständigen Angriffe des Klägers gegen die Sachkunde des Sachverständigen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens findet ihre Grundlage in §§ 12 Abs. 1 S. 1, 14 Abs. 1 S. 1, 22 Abs. 1, 25 Abs. 2 S. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Der Senat setzt den Wert des Beschwerdeverfahrens bei der Ablehnung eines Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit in ständiger Rechtsprechung nach dem Streitwert der Hauptsache fest, weil der Ausgang des Verfahrens im Falle einer Beweiserhebung im Wesentlichen von den tatsächlichen Feststellungen des Gerichts abhängt und diese wiederum von den Ausführungen des Sachverständigen entscheidend beeinflusst werden. Der Senat hat hier neben dem aufrecht erhaltenen Zahlungsantrag in Höhe von 18.166,53 DM für die Bemessung des Streitwertes auch das Kosteninteresse des Klägers herangezogen, welches Hintergrund der einseitigen Erledigterklärung auf die am 06.07.1998 erfolgte Teilzahlung ist.



Ende der Entscheidung

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