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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 24.05.2005
Aktenzeichen: 10 W 25/05
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 45
ZPO § 45 Abs. 1
ZPO § 45 Abs. 2
ZPO § 46 Abs. 2
ZPO § 129
ZPO § 129 Abs. 1
ZPO § 132
ZPO § 160
ZPO § 160 a Abs. 3 S. 2 Nr. 1
ZPO § 282 Abs. 2
ZPO § 283
ZPO § 296
ZPO § 348
ZPO § 348 Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
ZPO § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 2
ZPO § 349
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568 Abs. 1 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1
GVG § 75
GVG § 105
GVG § 105 Abs. 1
Für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch, das gegen den Einzelrichter beim Landgericht gerichtet ist, ist der geschäftsplanmäßige Vertreter als Einzelrichter zuständig. Die Weigerung eines Richters, ergänzende Erklärungen zur Sach- und Rechtslage in das Protokoll der mündlichen Verhandlung aufzunehmen, rechtfertigt ohne weitere Anhaltspunkte nicht die Besorgnis seiner Befangenheit.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 25/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 24. Mai 2005 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO)

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Magdeburg vom 2. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerde trägt der Beklagte.

Gründe:

I.

In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin, die Steuerberaterin ist, von dem Beklagten, der Schausteller ist, Vergütung für die in seinem Auftrag erfolgte Tätigkeit. Am 16. Dezember 2004 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf der Beklagte einen Befangenheitsantrag gegen den abgelehnten Richter stellte und eine schriftliche Begründung ankündigte. Wegen der Sitzungsniederschrift wird auf Bl. 104 ff. d. A. Bezug genommen.

Der Einzelrichter hat sich am 12. Dezember 2004 zu dem Ablehnungsgesuch des Beklagten dienstlich geäußert. Diesbezüglich wird auf Bl. 110 d. A. Bezug genommen. Durch Verfügung des Kammervorsitzenden vom 22. Dezember 2004 wurde dem Beklagten bis zum 14. Januar 2005 Gelegenheit gegeben, das Ablehnungsgesuch zu begründen und eine Glaubhaftmachung vorzunehmen. Nach einem Verlängerungsgesuch erfolgte am 31. Januar 2005 der Eingang der schriftlichen Begründung der Ablehnung.

Mit Beschluss vom 2. Februar 2005 hat der geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreter des Einzelrichters das Ablehnungsgesuch des Beklagten für unbegründet erklärt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Beklagte habe sein gesamtes, nicht offenkundiges Vorbringen nicht glaubhaft gemacht. Selbst eine anwaltliche Versicherung liege nicht vor. Anhaltspunkte für einen Ablehnungsgrund ergäben sich unter Berücksichtigung des Protokolls nicht. Erklärungen der Parteien seien dort in ungewöhnlich großem Umfang protokolliert worden. Der Beklagte habe nicht konkret vorgetragen, was konkret falsch protokolliert worden sei. Ein Berichtigungsantrag liege nicht vor.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beklagte mit der am 25. Februar 2005 bei dem Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er rügt unter Hinweis auf die Rechtsprechung und die einschlägigen Vorschriften der ZPO die funktionelle Zuständigkeit des Richters am Landgericht E. , als Einzelrichter über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden. Die unter Bezug genommenen Entscheidungen seien ihm nicht bekannt. Auch bitte er um Mitteilung, ob der entsprechende Tonträger der Sitzung vom 16. Dezember 2004 noch vorhanden sei. Das Protokoll der Sitzung sei in mehreren Punkten zu berichtigen. Nach den Aufzeichnungen seines Prozessbevollmächtigen und seiner eigenen Erinnerung hätten die Parteivertreter ihr Einverständnis zur Löschung des Tonträgers nach Übertragung nicht erteilt. Hätte der abgelehnte Richter nach einem solchen Einverständnis gefragt, so wäre dies nicht erteilt worden. Ein Vorabverständnis wäre logisch unsinnig und verfassungsmäßig sehr bedenklich. Auch am Ende der Sitzung hätte sein Prozessbevollmächtigter einer Löschung des Tonträgers in Ansehung des Prozessverlaufs niemals zugestimmt. Er behalte sich vor, Berichtigungsanträge betreffend das Protokoll zu stellen. Wegen des weiteren Vorbringens des Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 14. Januar 2005, 28. Januar 2005, 25. Februar 2005 und 17. März 2005 Bezug genommen.

Der Einzelrichter der 9. Zivilkammer hat der sofortigen Beschwerde des Beklagten mit Beschluss vom 7. April 2005 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach § 46 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Für die Entscheidung ist die Einzelrichterin des Senats gemäß § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständig. Sachlich ist die sofortige Beschwerde indes nicht gerechtfertigt.

Insbesondere ist der angefochtene Beschluss nicht deshalb rechtswidrig, weil über das Ablehnungsgesuch statt die Kammer in ihrer gerichtsverfassungsmäßigen Besetzung mit drei Richtern der geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreter des abgelehnten Richters als Einzelrichter entschieden hat.

Zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter ist gemäß § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 ZPO ebenfalls der Einzelrichter berufen.

Von dieser Zuständigkeitszuweisung geht der Senat in Übereinstimmung mit einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Vordringen begriffenen Ansicht (vgl. KG, NJW 2004, 2104 f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2003, 523; in der neueren Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich - allein anderer Auffassung: OLG Frankfurt, OLGR 2004, 271) und in Abkehr zur älteren Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, JMBl. NW 1978, 68; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 256; OLG Hamburg, NJW 1992, 1462, 1463) und zu der in der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 45 ZPO Rn. 1 f. m. w. N.) aus (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29. Dezember 2004, 10 W 35/04; Beschluss vom 18. Januar 2005, 10 W 82/04).

Soweit in der Kommentarliteratur nach wie vor die Ansicht vertreten wird, dass über das gegen einen Einzelrichter angebrachte Ablehnungsgesuch nach § 45 Abs. 1 ZPO der gesamte Spruchkörper ohne dessen Mitwirkung zu entscheiden hat, vermag diese Ansicht mit Blick auf die gesetzgeberische Entscheidung des Reformgesetzgebers in dem Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juni 2001 für den originären Einzelrichter (§ 348 Abs. 1 S. 1 ZPO) keine Stütze im Gesetz mehr zu finden. Gemäß § 75 GVG sind, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessordnung anstelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat, die Zivilkammern des Landgerichts mit drei Mitglieder einschließlich des Vorsitzenden besetzt. Nach § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO entscheidet die Zivilkammer durch eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter, sofern nicht eine der in § 348 Abs. 1 S. 2 ZPO abschließend aufgeführten Ausnahmen vorliegt. Der Gesetzesanwendungsbereich des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO erstreckt sich dabei nicht nur auf das eigentliche Erkenntnisverfahren, sondern auch auf Nebenverfahren, zu denen auch die Entscheidung über Ablehnungsgesuche zählt. Der Senat vermag weder dem Wortlaut des § 45 ZPO, noch dem in den Gesetzgebungsmaterialien niedergelegten Willen des Gesetzgebers, der systematischen Stellung der Vorschrift oder dem Sinn und Zweck des Ablehnungsrechts eine Sonderregelung zu entnehmen, die eine Abweichung von der in § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten allgemeinen Regelung über die Zuständigkeit des Einzelrichters rechtfertigt.

Mit der Neufassung des § 348 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ist der Einzelrichter vollständig und vorbehaltlos an die Stelle des Kollegiums getreten (Zöller/Greger, ZPO, 25. Auflage, § 348 Rn. 2; Münchener Kommentar/Deubner, ZPO, 2. Auflage, Aktualisierungsband, § 348 Rn. 6). Er stellt das erkennende Gericht dar und ist der (alleinige) gesetzliche Richter. Dabei erfasst die Regelung des § 348 Abs. 1 ZPO nicht nur das eigentliche Erkenntnisverfahren, sondern sie erstreckt sich grundsätzlich auch auf alle Nebenverfahren. Dies ergibt sich aus der systematischen Einordnung in dem Abschnitt 1 des Buches 2 der ZPO unter der amtlichen Überschrift "Verfahren vor den Landgerichten". "Verfahren vor den Landgerichten" sind nämlich auch die in anderen Büchern der ZPO geregelten Nebenverfahren. Hiermit steht im Einklang, dass sich nach allgemeiner Auffassung die Zuständigkeitsregelung des § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO auch die in anderen Büchern der ZPO geregelte Nebenverfahren umfasst, wie etwa das im Buch 1 geregelte Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO), das selbstständige Beweisverfahren (§§ 485 ff. ZPO), die im 8. Buch geregelten dem Prozessgericht übertragenen Zwangsvollstreckungsverfahren (§§ 887 f., 890), außerdem die ebenfalls in diesem Buch geregelten Verfahren auf Erlass eines Arrestes (§§ 916 ff. ZPO) und einer einstweiligen Verfügung (§§ 935 ff. ZPO). Selbst wenn man mit einer vereinzelt in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht (Zöller/-Vollkommer, a. a. O., § 45 Rn. 1) annehmen wollte, dass sich das Ablehnungsverfahren als ein vom Erkenntnisverfahren losgelöstes, selbständiges Zwischenverfahren darstellt, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Der Regelungssystematik des § 348 Abs. 1 ZPO lässt sich nämlich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber für verschiedene Verfahrensarten, nämlich das Hauptsacheverfahren einerseits und ein hiermit im Zusammenhang stehendes Neben- oder Zwischenverfahren andererseits unterschiedliche Regelungen über die jeweilige Besetzung des Gerichts selbständig nebeneinander stellen wollte. Stattdessen hat er in § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO als Grundsatz normiert, dass die Kammer durch den originären Einzelrichter entscheidet. Die Fälle, in denen abweichend von diesem Grundsatz ausnahmsweise die Kammer in der Besetzung mit drei Kammermitgliedern als erkennendes Prozessgericht zuständig sein soll, hat er kraft gesetzlichen Vorbehalts in § 348 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO abschließend geregelt (vgl. Zöller/Greger, a. a. O., § 348 ZPO Rn. 1).

Auch für die Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen den Einzelrichter wäre daher nur dann die Kammer als Kollegium zuständig, wenn dies durch eine der allgemeinen Regelung des § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorangehende Sonderregelung normiert würde. Dies ist nicht der Fall. Die Entscheidungszuständigkeit nach § 45 Abs. 1 ZPO ist nicht als ein Ausnahmefall in dem Katalog des § 348 Abs. 1 S. 2 ZPO aufgeführt und stellt sich - entgegen der in der Kommentarliteratur vertretenen Ansicht und der älteren Rechtsprechung - auch im übrigen nicht als eine Sonderregelung zu der durch § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO n. F. angeordneten Regelzuständigkeit des Einzelrichters dar.

Die ältere Rechtsprechung, die sich - wie dargestellt - einheitlich für eine Zuständigkeit des Kollegialgerichts für die Entscheidung über Befangenheitsgesuche ausgesprochen hat, kann zur Stützung der Gegenposition der Arrestbeklagten nicht mehr herangezogen werden, denn sie beruht auf der nicht mehr geltenden, alten Gesetzeslage vor Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes. Nach der Neufassung des § 348 ZPO ist - wie bereits dargelegt - die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters nicht mehr von den Befugnissen der Zivilkammer abgeleitet; sie ist stattdessen originär und entspricht dem gesetzlichen Regelfall. Das nach altem Recht geltende Regel-Ausnahme-Verhältnis hat sich umgekehrt. Die heutige Formulierung des § 348 ZPO spricht folgerichtig auch nicht mehr von der "Entscheidung des Rechtsstreits", sondern nur allgemein von "entscheidet". Auch hiermit kommt zum Ausdruck, dass die Entscheidungsbefugnis des Einzelrichters weder abgeleitet noch begrenzt ist.

Eine Kammerzuständigkeit kann seit Inkrafttreten des Zivilprozessreformgesetzes schließlich auch nicht mehr aus einem systematischen Zusammenhang mit der für das Amtsgericht geltenden Zuständigkeitsregelung des § 45 Abs. 2 ZPO hergeleitet werden. Denn § 45 Abs. 2 ZPO ist durch das Zivilprozessreformgesetz ebenfalls geändert worden und ordnet in seiner Neufassung nunmehr an, dass anstelle des abgelehnten Amtsrichters ein anderer Amtsrichter und nicht mehr das Landgericht als Kollegialgericht über das Ablehnungsgesuch zu entscheiden hat. Aus dieser Vorschrift lässt sich daher nicht mehr folgern, dass der Gesetzgeber davon ausgeht, über ein Ablehnungsgesuch soll (etwa aus Gründen der größeren Objektivität oder um eine höhere Akzeptanz zu erreichen) stets ein Kollegium zu entscheiden haben. Es ist überdies kein Grund ersichtlich, weshalb für die Entscheidung über die Ablehnung des Amtsrichters ein einzelner Richter, für die Entscheidung über die Ablehnung des Einzelrichters am Landgericht aber die Kammer in Dreierbesetzung entscheiden sollte.

Teilweise führt die Kommentarliteratur allerdings den Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO zur Begründung ihrer Ansicht an (so offenbar Feiber, in: MünchKommZPO, 2. Aufl. Aktualisierungsband, § 45 Rn. 17; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Auflage, § 45 Rn. 4; wohl auch OLG Frankfurt, OLGR 2004, 271). Der Wortlaut des § 45 Abs. 1 ZPO könnte hingegen nur dann gegen eine Entscheidung durch den Vertreter des Einzelrichters sprechen, wenn man begrifflich als "Gericht" im Sinne der zitierten Norm die "Kammer" in ihrer Besetzung nach § 75 GVG erfasst. Ist der Einzelrichter der "Abgelehnte" im Sinne dieser Norm, wird man für das Gericht eine übergeordnete Einheit einsetzen müssen, da man nur dieser "angehören" kann. Wie aber bereits das Kammergericht (KG, NJW 2004, 2104) zu Recht ausgeführt hat, ist es keineswegs zwingend, als "Gericht" im Sinne der Norm den jeweiligen Spruchkörper in der Besetzung mit drei Kammermitgliedern anzusehen. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 45 Abs. 2 und 3 ZPO lässt sich nämlich ebenso überzeugend herleiten, dass ebenso wie dort auch in § 45 Abs. 1 ZPO das Gericht im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinn gemeint ist, also hier das Landgericht, dem zweifelsfrei auch der Einzelrichter "angehört". Ob "Gericht" im Sinne des § 45 Abs. 1 ZPO im gerichtsverfassungsrechtlichen Sinne zu verstehen ist, kann der Senat letztlich dahin gestellt sein lassen. Denn selbst wenn man als "Gericht" im Sinne dieser Vorschrift die Kammer annehmen wollte, rechtfertigt dies nicht die Schlussfolgerung, dass stets auch die Kammer in Dreierbesetzung über das gegen den Einzelrichter angebrachte Ablehnungsgesuch entscheiden müsse. Nach der Neufassung des § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO seit Anfang 2002 ist nämlich die Entscheidung des Einzelrichters ebenso eine Entscheidung der Kammer wie jene des Kollegiums in der Besetzung mit drei Richtern. Die "Kammer" einerseits und den "Einzelrichter" andererseits sprachlich als zwei voneinander zu unterscheidende Kategorien zu begreifen, widerspricht der seit der Novellierung Anfang 2002 insoweit eindeutigen Fassung des § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO, nach der die Zivilkammer durch einen ihrer Mitglieder als Einzelrichter entscheidet.

Die Tatsache, dass bei einer Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen "Gericht" im Sinne des § 45 Abs. 1 ZPO demgegenüber nach wohl einhelliger Auffassung stets die vollbesetzte Kammer für Handelssachen unter Mitwirkung des Vorsitzendenvertreters und der beiden nach der Geschäftsverteilung zuständigen Handelsrichter bedeutet, steht der von dem Senat vertretenen Ansicht gleichfalls nicht entgegen. Dass über einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen stets der Spruchkörper in voller Besetzung zu entscheiden hat, lässt sich nämlich ohne weiteres der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung aus § 105 GVG in Verbindung mit § 349 ZPO entnehmen. Gemäß § 105 Abs. 1 GVG entscheidet die Kammer für Handelssachen regelmäßig auch außerhalb der mündlichen Verhandlung in voller Spruchkörperbesetzung, also in der Besetzung mit zwei Handelsrichtern und dem Vorsitzenden, es sei denn, der Vorsitzende ist gemäß § 349 ZPO zur alleinigen Entscheidung berufen. Abweichend von dem Regel-Ausnahmeverhältnis des § 348 Abs. 1 ZPO gehen § 105 GVG in Verbindung mit § 349 ZPO von einer Regelzuständigkeit der Kammer für Handelssachen in voller Spruchkörperbesetzung aus, nur ausnahmsweise in den in § 349 ZPO abschließend geregelten Fällen ist die alleinige Entscheidungskompetenz des Vorsitzenden begründet. Für die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen sieht § 349 ZPO indessen keine Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzendenvertreters vor.

Der in den Gesetzgebungsmaterialien niedergelegte Wille des Gesetzgebers lässt gleichfalls nicht den Schluss zu, dass der Gesetzgeber nach wie vor Entscheidungen über Befangenheitsgesuche einem vollbesetzten Spruchkörper vorbehalten wollte. Aus den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich vielmehr entnehmen, dass der Gesetzgeber die Entscheidung über Ablehnungsgesuch in der Regel nicht als schwierig angesehen hat und überdies im Interesse der Prozessökonomie unnötige Verzögerungen vermeiden wollte. Diese Erwägungen sprechen eher dafür, dass Ablehnungsgesuche gegen Einzelrichter auch von Einzelrichtern beschieden werden sollen.

Schließlich zwingt auch der Sinn und Zweck des Ablehnungsverfahrens nicht dazu, die Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch notwendig dem Kollegium vorzubehalten. Rechtspolitisch mag man es zwar als wünschenswert ansehen, wenn die Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch von einem Kollegialgericht gefällt würde, weil eine Entscheidung des Kollegiums wegen der höheren Richtigkeitsgewähr bei den Verfahrensbeteiligten in der Regel größere Akzeptanz findet. Dieses Argument war aber im Gesetzgebungsverfahren zur ZPO-Novelle 2002 im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren Gegenstand der Erörterung. Der Gesetzgeber ist dieser Erwägung nicht gefolgt und hat sich stattdessen bewusst für eine generelle Entscheidungskompetenz des Einzelrichters ausgesprochen. So wichtig eine Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch auch sein mag, so kann man doch nicht sagen, dass sie für die Parteien bedeutsamer sei, als die Sachentscheidung in der Hauptsache selbst.

Der Senat geht demnach davon aus, dass für die Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen einen Einzelrichter gemäß § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO der geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreter als Einzelrichter berufen ist.

Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten auch in der Sache zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.

Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält; maßgebend ist vielmehr allein, ob genügend objektive Gründe vorliegen, die von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BVerfGE 73, 330, 335; BVerfGE 82, 30, 37; BGHZ 77, 70, 72; BGH, NJW-RR 2003, 1220, 1221; BGH, NJW 2004, 164; BayObLGZ 86, 252; BayOblGZ 87, 217; BayOblG, NJW 1999, 1875; OLG Dresden MDR 2005, 106; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 42 ZPO Rn. 9). Entscheidend ist, ob die von dem Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen nach der Meinung einer besonnen und vernünftig denkenden Partei geeignet erscheinen, berechtigte Zweifel in die - unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Art.101 Abs. 1 S. 2 GG zu fordernde, zweifelsfreie, auch den Anschein der Voreingenommenheit ausschließende (BayOblG, DRiZ 1977, 244 m. w. N.) - Unparteilichkeit und Neutralität des Richters zu wecken. Vorliegend sind Ablehnungsgründe indes nicht ersichtlich.

Zunächst kann nicht davon ausgegangen werden, dass der abgelehnte Richter aus welchen Gründen auch immer - womöglich zum Nachteil des Beklagten - eine Protokollfälschung vorgenommen hat, indem er das Einverständnis der Parteivertreter mit der Löschung des Tonträgers nach der Übertragung in das Protokoll protokolliert hat. Der Beklagte hat die diesem Vorwurf zugrunde liegenden Tatsachen nicht glaubhaft gemacht.

Gemäß § 45 Abs. 2 ZPO ist der Ablehnungsgrund glaubhaft zu machen. Die Pflicht zur Glaubhaftmachung entfällt nur bei Offenkundigkeit (§ 291 ZPO) und bei Unterstellung der geltend gemachten Tatsachen als wahr. Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor. Der Klägervertreter hat mit Schriftsatz vom 4. April 2005 ausgeführt, dass das Protokoll in diesem Punkt nicht zu beanstanden sei. Insofern wäre es Sache des Beklagten gewesen, Mittel zur Glaubhaftmachung beizubringen, was indes bis heute nicht geschehen ist.

In diesem Zusammenhang sei jedoch bemerkt, dass das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2004 dem Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses seines Prozessbevollmächtigten am 10. Januar 2005 zugestellt worden ist. Es mutet befremdlich an, dass der Beklagte mit Schriftsatz vom 28. Januar 2005, durch den er den Befangenheitsantrag schriftlich begründete, mit keinem Wort erwähnte, dass das Protokoll im Hinblick auf den eingangs vorhandenen Löschungshinweis unrichtig sein soll. Er fragte lediglich nach, ob der Tonträger noch vorhanden sei. Erst nachdem die Mitteilung erfolgte, dass dies nicht der Fall sei, erhob er den Vorwurf, dass das Protokoll in diesem Punkt unrichtig sei.

Nach Auffassung des Senats sollten indes Organe der Rechtspflege, zu denen bekanntlich nicht nur Richter, sondern auch Rechtsanwälte zählen, derart starke Vorwürfe, wie ihn der Vorwurf der Protokollfälschung darstellt, nicht leichtfertig erheben. Schließlich kann als wahr unterstellt werden, dass dem Beklagtenvertreter die Vorgehensweise der Protokollierung auf Tonträger und Zustimmung zur Löschung nicht bekannt ist. Insofern wird er aber darauf hingewiesen, dass es in Ansehung der Einsparung von Protokollführern in Zivilrechtsstreitigkeiten im gesamten Bundesgebiet üblich ist, die Sitzungsniederschrift auf Tonträger zu diktieren, und das Einverständnis der Parteien mit der Löschung nach Übertragung einzuholen. Auch wird der Beklagtenvertreter auf § 160 a Abs. 3 S. 2 Nr. 1 ZPO und die einschlägigen Kommentierungen hingewiesen.

Da Mittel zur Glaubhaftmachung von dem Beklagten nicht zu den Akten gereicht worden sind, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der abgelehnte Richter in der mündlichen Verhandlung geäußert hat, keine Lust zu haben, sich weiter mit der Sache zu beschäftigen. Dem steht die Stellungnahme des Klägervertreters mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2004 entgegen, so dass wiederum keine Offenkundigkeit der von dem Beklagten vorgebrachten Tatsachen vorliegt.

Dass der abgelehnte Richter bei einer Terminsdauer in einer wie vorliegend einfach gelagerten Zivilrechtsstreitigkeit von bereits über einer Stunde auf die als nächstes anstehende Sache hingewiesen ist, ist in keiner Weise geeignet, den Vorwurf seiner Parteilichkeit erheben zu können. Die rund 10 Seiten umfassende Anspruchsbegründungsschrift wurde dem Beklagten am 29. März 2004 zugestellt.

Die Erwiderungsschrift von rund 3 Seiten ging bei dem Landgericht am 19. Mai 2004 ein. Der Schriftsatz der Klägerin vom 11. Juni 2004 wurde am 14. Juni 2004 an den Beklagten übersandt. Weder danach, noch nach der Zustellung der Ladung am 29. Oktober 2004 bis zur mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2004 erfolgte seitens des Klägers ergänzender Vortrag, obwohl gemäß § 129 ZPO in Anwaltsprozessen die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet wird. Auch rügte der Beklagte vor der mündlichen Verhandlung nicht, dass ihm irgendwelche Unterlagen nicht vorliegen würden.

Ferner bestimmt § 132 ZPO auch ohne gesetzte richterliche Frist grundsätzlich, dass die vorbereitenden Schriftsätze so rechtzeitig einzureichen sind, dass sie mindestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung zugestellt werden können. Diese Vorschriften dienen der Erleichterung der mündlichen Verhandlung. Das Fehlen eines gemäß § 129 Abs. 1 ZPO vorbereitenden Schriftsatzes kann zur Präklusion gemäß §§ 282 Abs. 2, 296 ZPO und zum Recht des Gegners auf einseitige schriftliche Erwiderung zum mündlichen Vortrag gemäß § 283 ZPO führen. Die Partei, die - wie vorliegend der Beklagte - auf ergänzenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung baut, kann nicht erwarten, dass dieser vollständig protokolliert wird, denn § 160 ZPO bestimmt die notwendigen Feststellungen des Protokolls, wozu Ausführungen einer Partei zur Sach- und Rechtslage nicht gehören. Die Beteiligten können zwar beantragen, dass bestimmte Vorgänge oder Äußerungen in das Protokoll aufgenommen werden, das Gericht kann aber von der Aufnahme absehen, wenn es auf die Feststellung des Vorgangs oder der Äußerung nicht ankommt (§ 160 Abs. 4 ZPO). Dies dürfte für die Ausführungen des Beklagten zur allgemeinen Situation des Schaustellergewerbes zutreffen.

Ob der abgelehnte Richter gehalten gewesen wäre, Erörterungen mit dem von dem Beklagten vorgetragenen Inhalt zu den Besonderheiten der Buchhaltung seines Schaustellerbetriebes zu ermöglichen, kann dahinstehen. Wie hoch allerdings die Umsätze des Beklagten in der für die Abrechnung der Klägerin relevanten Zeit nach dem Klägervortrag waren und welchen Arbeitsaufwand die Klägerin abgerechnet hatte, ergab sich aus den in den Jahren 2001 2002 und 2003 erteilten Rechnungen, die diese bereits mit der Anspruchsbegründungsschrift vorgelegt hatte. Insofern hätte der Beklagte hierzu seit deren Zustellung Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt. Dass es dem Beklagten bzw. seinem Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung aber hierum ging, ist unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 4. April 2005 nicht offenkundig und wiederum von dem Beklagten nicht glaubhaft gemacht worden.

Ungeachtet der fehlenden Glaubhaftmachung rechtfertigt das prozessuale Vorgehen eines Richters erst dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn es einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder wenn es sich von der normalerweise geübten Verfahrenspraxis so weit entfernt, dass sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung geradezu aufdrängen muss (BayObLG, DRiZ 1977, 245 m. w. N.; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 193; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 46; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2000, 36). Das ist der Fall, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und mit seiner Prozessführung die in der Verfassung wurzelnden elementaren Regeln zum Schutz der Grundrechte, insbesondere des Persönlichkeitsrechts, verletzt und das Vorgehen des Richters aus diesem Grunde den Anschein der Willkür erweckt (BVerfGE 5, 13, 15; 4, 1, 7).

Vorliegend ist der Beklagte durch die Verfahrensgestaltung des abgelehnten Einzelrichters entsprechend den obigen Ausführungen weder in der Ausübung seiner Parteirechte, die er bis zur mündlichen Verhandlung nur in einem sehr geringen Umfang wahrgenommen hatte, in erheblicher Weise behindert worden, noch hat er eine willkürliche Benachteiligung erfahren.

Ungeachtet der Verfahrensgestaltung geht der Senat auch nicht davon aus, dass der abgelehnte Richter sich dem Beklagten gegenüber aggressiv, feindselig und völlig gereizt (Schriftsatz vom 28. Januar 2005) verhalten hat. Dass ein Richter grundsätzlich erwartet, dass eine anwaltlich vertretene Partei ihrer ihr obliegenden allgemeinen Prozessförderungspflicht nachkommt (§ 282 Abs. 2 ZPO), liegt auf der Hand und ist ihm nicht vorzuwerfen. Dass die Reaktion auf das Verhalten des Beklagten indes überzogen und unangemessen war, ergibt sich aus dem Vorbringen des Beklagten nicht, denn diesem fehlt für diese Annahme die erforderliche Substanz und Glaubhaftmachung.

Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde des Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, 1 GKG in Verbindung mit § 1 GKG, 1811 KV.

Ende der Entscheidung

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