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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 23.05.2005
Aktenzeichen: 10 W 29/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 42 Abs. 2 | |
ZPO § 45 Abs. 1 | |
ZPO § 46 Abs. 2 | |
ZPO § 319 | |
ZPO § 348 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 568 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 569 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
10 W 29/05 OLG Naumburg
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 23. Mai 2005 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO)
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Magdeburg vom 7. April 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Beklagte.
Gründe:
I.
In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsverfahren begehrt die Klägerin im Wege einer Teilklage die Rückzahlung eines fällig gestellten Überziehungssaldos. Im vorangegangenen Mahnbescheidsantrag vom 31. Juli 2003 bezeichnete die Klägerin die Beklagte als Firma p. jk Aktiengesellschaft, Herr C. G. , R. - Str. 8, M. . Als Anlage zur Anspruchsbegründungsschrift legte die Klägerin einen Handelsregisterauszug vom 4. Februar 2004 betreffend die Beklagte vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2004 beschloss der Einzelrichter mit Zustimmung der Parteien den Übergang ins schriftliche Verfahren und bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 17. Februar 2005. Mit am 17. Februar 2005 bei dem Landgericht Magdeburg eingegangenen Schriftsatz beantragte die Klägerin, das Passivrubrum zu berichtigen und bezog sich auf einen beigefügten Zeitungsausschnitt.
In der Magdeburger Volksstimme vom 14. Februar 2005 findet sich unter der Rubrik Handelsregister Eintragungen folgende Anzeige:
HRB ... - 02.02.2005
p. projekt jk Aktiengesellschaft, M.(R. - Str. 8).
Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 27.08.2003 hat die Gesellschaft die Satzung in § 1 Ziffer 1 (Firma) geändert.
Neue Firma: D. AG
In dem am 17. Februar 2005 verkündeten Urteil erfolgte die Parteibezeichnung der Beklagten sodann entsprechend dem klägerischen Antrag. Mit am 7. März 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Antrag hat die Beklagte den Einzelrichter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und gleichzeitig einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt. Zur Begründung bezog sie sich auf das Verhalten des Einzelrichters im Zusammenhang mit der Rubrumsberichtigung. Sie führte aus, der abgelehnte Richter habe, ohne sie im Geringsten zu beteiligen, eine eklatant fehlerhafte Entscheidung getroffen.
Der Einzelrichter hat sich am 8. März 2005 zu dem Ablehnungsgesuch der Beklagten dienstlich geäußert und ausgeführt, er habe das Rubrum im noch nicht verkündeten Urteil berichtigt, um einem Rubrumsberichtigungsanspruch vorzubeugen.
Mit Beschluss vom 7. April 2005 hat der geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreter des Einzelrichters das Ablehnungsgesuch der Beklagten für unbegründet erklärt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der abgelehnte Richter habe auf Grund der irrtümlichen Mitteilung des Klägervertreters angenommen, dass es auf Seiten der Beklagten eine Änderung der Firma gegeben habe. Zu einer vorherigen Anhörung habe aus Sicht des abgelehnten Richters irrtumsbedingt keine Veranlassung bestanden.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beklagte mit der am 26. April 2005 bei dem Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Sie rügt, dem abgelehnten Richter sei ein derart grober Fehler unterlaufen, dass er aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei schlechthin unverständlich sei. Kritiklos sei der Vortrag der Klägerin als richtig akzeptiert worden, obgleich sich aus diesem und der vorgelegten Unterlage die Unrichtigkeit ergeben habe. Für die Beklagte bestehe daher die Besorgnis, dass sich der abgelehnte Richter auch künftig an dem Klägervortrag orientieren werde. Auch sei der abgelehnte Richter in seiner dienstlichen Stellungnahme mit keinem Wort auf den Vorwurf der Verletzung des rechtlichen Gehörs eingegangen. Daraus könne nur geschlussfolgert werden, dass er dem Vorwurf nicht entgegentreten könne. Wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 7. März 2005, 29. März 2005 und 26. April 2005 Bezug genommen.
Der Einzelrichter der 9. Zivilkammer hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 28. April 2005 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach § 46 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Für die Entscheidung ist die Einzelrichterin des Senats gemäß § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO zuständig. Sachlich ist die sofortige Beschwerde indes nicht gerechtfertigt.
Insbesondere ist der angefochtene Beschluss nicht deshalb rechtswidrig, weil über das Ablehnungsgesuch statt die Kammer in ihrer gerichtsverfassungsmäßigen Besetzung mit drei Richtern die geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreterin des abgelehnten Richters als Einzelrichter entschieden hat.
Zur Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch gegen einen Einzelrichter ist gemäß § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 45 Abs. 1 ZPO ebenfalls der Einzelrichter berufen.
Von dieser Zuständigkeitszuweisung geht der Senat in Übereinstimmung mit einer in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte im Vordringen begriffenen Ansicht (vgl. KG, NJW 2004, 2104 f.; OLG Karlsruhe, OLGR 2003, 523; in der neueren Rechtsprechung bislang - soweit ersichtlich - allein anderer Auffassung: OLG Frankfurt, OLGR 2004, 271) und in Abkehr zur älteren Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, JMBl. NW 1978, 68; OLG Karlsruhe, OLGZ 1978, 256; OLG Hamburg, NJW 1992, 1462, 1463) und zu der in der Literatur vertretenen gegenteiligen Auffassung (Zöller-Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 45 ZPO Rn. 1 f. m. w. N.) aus (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29. Dezember 2004, 10 W 35/04; Beschluss vom 18. Januar 2005, 10 W 82/04). Der Senat geht demnach davon aus, dass für die Entscheidung über Ablehnungsgesuche gegen einen Einzelrichter gemäß § 348 Abs. 1 S. 1 ZPO der geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreter als Einzelrichter berufen ist.
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch der Beklagten auch in der Sache zu Recht als unbegründet zurückgewiesen.
Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt nicht darauf an, ob der abgelehnte Richter tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält; maßgebend ist vielmehr allein, ob genügend objektive Gründe vorliegen, die von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BVerfGE 73, 330, 335; BVerfGE 82, 30, 37; BGHZ 77, 70, 72; BGH, NJW-RR 2003, 1220, 1221; BGH, NJW 2004, 164; BayObLGZ 86, 252; BayOblGZ 87, 217; BayOblG, NJW 1999, 1875; OLG Dresden MDR 2005, 106; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 42 ZPO Rn. 9). Entscheidend ist, ob die von der Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen nach der Meinung einer besonnen und vernünftig denkenden Partei geeignet erscheinen, berechtigte Zweifel in die - unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu fordernde, zweifelsfreie, auch den Anschein der Voreingenommenheit ausschließende (vgl. BayOblG, DRiZ 1977, 244 m. w. N.) - Unparteilichkeit und Neutralität des Richters zu wecken. Vorliegend sind Ablehnungsgründe indes nicht ersichtlich.
Insbesondere bietet der Umstand, dass der abgelehnte Einzelrichter im Urteil eine Rubrumsberichtigung vorgenommen hatte, ohne der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, aus der Sicht einer objektiv verständig urteilenden Partei keinen Anlass, an dessen Unparteilichkeit und Objektivität Zweifel zu hegen.
Das prozessuale Vorgehen eines Richters rechtfertigt erst dann die Besorgnis der Befangenheit, wenn es einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt oder wenn es sich von der normalerweise geübten Verfahrenspraxis so weit entfernt, dass sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung geradezu aufdrängen muss (BayObLG, DRiZ 1977, 245 m. w. N.; OLG Oldenburg, FamRZ 1992, 193; OLG Karlsruhe FamRZ 1994, 46; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2000, 36). Das ist der Fall, wenn der abgelehnte Richter die seiner richterlichen Tätigkeit gesetzten Schranken missachtet und mit seiner Prozessführung die in der Verfassung wurzelnden elementaren Regeln zum Schutz der Grundrechte, insbesondere des Persönlichkeitsrechts, verletzt und das Vorgehen des Richters aus diesem Grunde den Anschein der Willkür erweckt (BVerfGE 5, 13, 15; 4, 1, 7).
Vorliegend ist die Beklagte durch die Verfahrensgestaltung des abgelehnten Einzelrichters weder in der Ausübung ihrer Parteirechte in erheblicher Weise behindert worden, noch hat sie durch die erfolgte Rubrumsberichtigung eine willkürliche Benachteiligung erfahren. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der unzweifelhaft vorhandene Namensähnlichkeit zwischen der aus dem Rubrum dieses Beschlusses zu entnehmenden "richtigen" Beklagten und der Firma, deren Namensänderung versehentlich zu der von dem Einzelrichter vorgenommenen Rubrumsberichtigung geführt hat.
Dabei ist nicht zu verkennen, dass die diversen Gesellschaften der P. Gruppe letztlich von der Klägerin bereits auf Seite 3, Mitte Anspruchsbegründungsschrift vom 15. März 2004 dargestellt worden sind (Bd. I Bl. 18 d. A.). Allerdings tauchte die unrichtige Bezeichnung der Beklagten als p. Projekt jK AG bereits erstmals im Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 9. Juni 2004 (Bd. I Bl. 51 d. A.) auf. Eine Korrektur fand sodann unter dem 16. Juni 2004 statt. Auch den Klägervertretern unterlief diese Unrichtigkeit, und zwar im Schriftsatz vom 13. September 2004. Sodann kann eine weitere Unrichtigkeit in der Kurzrubrumsbezeichnung der Sitzungsniederschrift vom 25. November 2004 festgestellt werden, denn in dieser findet sich wiederum die Beklagtenbezeichnung p. Projekt jK AG. Mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2004 trug die Beklagte zwar ergänzend vor, rügte indes die Unrichtigkeit des Protokolls nicht und stellte insbesondere keinen Berichtigungsantrag. Der Beklagtenvertreter selbst nahm im Rahmen des Akteneinsichtsgesuchs vom 24. Februar 2005 die Kurzbezeichnung der Beklagten mit p. projekt jk AG vor und wiederholte diese Wortwahl auch bei seinem Schriftsatz vom 3. März 2005. Erst in seinem Ablehnungsgesuch vom 7. März 2005 verwandte er wieder die Bezeichnung p. jk AG.
In Ansehung dieser festzustellenden Irrtümer und Defizite bei der Kenntnis des Akteninhalts, die jedenfalls zeitweise auch bei den Parteivertretern festgestellt werden kann, kann vorliegend aus dem konkreten Verhalten des abgelehnten Richters keine ablehnende Haltung zu Lasten der Beklagten hergeleitet werden.
Zwar hat der abgelehnte Richter durch die ohne Anhörung der Beklagten erfolgte Rubrumsberichtigung deren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, auch dies führt jedoch vorliegend wegen der konkreten Umstände des Falls nicht dazu, einen Ablehnungsgrund annehmen zu können. Letztlich stellt die Rubrumsberichtigung nämlich eine der Beklagten günstige Entscheidung dar, da sie im Rubrum des Urteils derzeit nicht aufgeführt ist, so dass die Klägerin gegen sie eine Vollstreckungsmaßnahme nicht einleiten kann. Ungeachtet dessen ist zu berücksichtigen, dass das Faxschreiben der Klägervertreter vom 16. Februar 2005 bei dem Landgericht erst am 17. Februar 2005 eingegangen war und der Geschäftsstelle ausweislich des Eingangsstempels erst um 10.40 Uhr vorlag. Zu dieser Zeit befand sich der abgelehnte Richter ohnehin bereits im Verzug mit der Verkündung des Urteils, die für 9.30 Uhr angesetzt war. Insofern stand der abgelehnte Richter vor der Wahl, entweder den Verkündungstermin zu verschieben, um der Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Berichtigung zu gewähren, oder den vorgesehenen Verkündungstag zu halten und die Rubrumsberichtigung ohne Beteiligung der Beklagten durchzuführen. Dass er zu der Entscheidung gelangte, das Verkünden der Entscheidung mit berichtigtem Rubrum läge zur Vermeidung unnötiger Verzögerungen im Interesse beider Parteien, ist nachvollziehbar, auch wenn es verfahrensfehlerhaft war. Entsprechend den obigen Ausführungen führt aber nicht jedes verfahrensfehlerhaft Verhalten zu der Annahme der Besorgnis der Befangenheit eines Richters.
Dass der abgelehnte Richter in seiner Stellungnahme auf die Rüge der Gehörsverletzung nicht eingegangen ist, ist unerheblich, denn dass eine solche in seiner Verfahrensweise zu erblicken ist, liegt auf der Hand und es ist kein Grund ersichtlich, wieso er dies im Sinne eines Selbstvorwurfs nochmals hätte erwähnen müssen.
Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde der Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.
Nur ergänzend sei bemerkt, dass eine am Rechtsstreit nicht beteiligte Person nicht durch eine Rubrumsberichtigung in den Rechtsstreit einbezogen werden kann, denn bezogen auf diese Person liegt weder Anhängigkeit noch Rechtshängigkeit einer Klageschrift vor. Eine andere Frage ist, wie der Rechtsschein einer Beteiligung der vorliegend durch die fehlerhafte Rubrumsberichtigung gesetzt worden ist, beseitigt werden kann. Der abgelehnte Richter wollte aber ein Urteil gegen die im Rubrum des hiesigen Beschlusses benannte Beklagte verkünden und ging lediglich von einer Namensänderung aus. Gegen die personenverschiedene Firma, der er fehlerhaft im Rubrum des Urteils bezeichnet hat, wollte er jedenfalls ein Urteil nicht verkünden. Insofern steht einer erneuten Rubrumsberichtigung wie von der Klägerin beantragt kein Hindernis entgegen, denn eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne des § 319 ZPO liegt vor, wenn sie sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung ergibt und ohne weiteres erkennbar ist (BGH, MDR 1993 382). Die unrichtige Bezeichnung der Beklagten im Urteil ergibt sich vorliegend ohne weiteres aus dem Rubrum des Urteils und aus den im Tatbestand des Urteils (Seite 4) in Bezug genommenen Schriftsätzen und Anlagen andererseits, insbesondere dem Handelsregisterauszug, den die Klägerin mit der Anspruchsbegründungsschrift zu den Akten gereicht hatte.
Wegen der Voraussetzungen für eine Rubrumsberichtigung in Fällen wie dem vorliegenden wird auf den Beschluss des 10. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 3. Juni 2003 (BGHReport 2003, 1168 f.) Bezug genommen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, 1 GKG in Verbindung mit § 1 GKG, 1811 KV.
Ende der Entscheidung
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