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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: 10 W 31/01
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 227 Abs. 1
ZPO § 46 Abs. 2 2. Halbs.
ZPO § 577 Abs. 1 u. 2
ZPO § 567 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 42 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 3
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
GKG § 14 Abs. 1 Satz 1
GKG § 22 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 2 Satz 1
1. Für die Beurteilung der Frage, ob die Zurückweisung eines oder mehrerer Terminsverlegungsanträge einer Partei die Ablehnung des Richters zu rechtfertigen vermag, kommt es nicht vornehmlich auf eine Überprüfung der Richtigkeit dieser Entscheidung an, sondern darauf, ob sich aus der tatsächlich verweigerten Terminsverlegung der Eindruck einer sachwidrigen, auf Behinderung der Ausübung der Parteirechte gerichteten Verfahrensleitung ergeben konnte.

2. Anzeichen für eine willkürliche Benachteilung einer Partei ergeben sich nicht daraus, dass der Richter generell keinen erheblichen Grund iSv. § 227 Abs. 1 ZPO darin sieht, dass der Terminstag in anderen Bundesländern als in demjenigen, in dem das erkennende Gericht seinen Sitz hat, ein gesetzlicher Feiertag ist.

3. Auch eine aus der subjektiven Sicht der die Terminsverlegung begehrenden Prozesspartei unzureichende Berücksichtigung der Urlaubspläne eines ihrer Prozessbevollmächtigten und der Unzumutbarkeit der Terminswahrnehmung durch einen anderen Rechtsanwalt ist objektiv nicht willkürlich, wenn sie auf einer umfassenden Interessenabwägung beruht, bei der letztlich dem Interesse des Prozessgegners an der Vermeidung (weiterer) Verfahrensverzögerungen höheres Gewicht beigemessen wird.


BESCHLUSS

10 W 31/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Neuwirth, den Richter am Oberlandesgericht Rüge und den Richter am Landgericht Wiedemann

am 09. August 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 27. Juni 2001, Az.: 5 O 538/99, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 127.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren vom Beklagten die Zahlung von 119.200,00 DM nebst Prozesszinsen als Vorschuss auf die Kosten einer Mängelbeseitigung an einem Bauwerk sowie von weiteren 7.800,00 DM nebst Prozesszinsen als Minderung des Werklohns aus einem zwischen den Parteien des Rechtsstreits geschlossenen Bauvertrag.

Im schriftlichen Vorverfahren hat das Landgericht Halle am 08.03.2000 ein antragsgemäßes Versäumnisurteil erlassen. Hiergegen hat der Beklagte form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. Mit Beschluss vom 08.05.2000 hat das Landgericht überdies auf Antrag des Beklagten die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 08.03.2000 gegen Sicherheitsleistung einstweilig eingestellt. Hinsichtlich des auf den 22.06.2000 anberaumten Termins zur Verhandlung über den Einspruch hatte der Beklagte Terminsverlegung beantragt, weil der Terminstag ein gesetzlicher Feiertag in Nordrhein-Westfalen, in dem die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Beklagten ansässig ist, war; dem Antrag wurde nicht entsprochen.

Im Ergebnis des Verhandlungstermins hat die Kammer die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen; dieses ist am 12.03.2001 beim Landgericht eingegangen. Nach Anhörung der Prozessparteien zum Inhalt des Gutachtens hat der Vorsitzende der 5. Zivilkammer (im Folgenden: abgelehnter Vorsitzender) mit Verfügung vom 07.05.2001 als Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung den 14.06.2001 bestimmt; die Parteien wurden entsprechend geladen. Der Beklagte hat beantragt, den Termin vom 14.06.2001 zu verlegen, weil es sich bei diesem Tag um einen gesetzlichen Feiertag in Nordrhein-Westfalen handele und der Sachbearbeiter der Prozessbevollmächtigten des Beklagten in der Zeit vom 14. bis 16.06.2001 einen längerfristig geplanten Kurzurlaub antrete. Auf gerichtlichen Hinweis der Berichterstatterin vom 11.05.2001, dass die Kammer hinsichtlich der Terminierung grundsätzlich auf die Feiertagsordnung des Landes Sachsen-Anhalt abstelle und ggfs. die Bestellung eines Vertreters erforderlich sei, hat der Beklagte die Begründung seines Verlegungsantrages dahin ergänzt, dass ein baurechtlich erfahrener Vertreter in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten des Beklagten nicht zur Verfügung stehe und die Übertragung der Terminswahrnehmung auf einen baurechtlich unerfahrenen Kollegen vom Mandanten nicht akzeptiert werde. Der Einschaltung anderer Rechtsanwälte in Wohnortnähe des Beklagten stehe der gesetzliche Feiertag entgegen. Der abgelehnte Vorsitzende hat mit Verfügung vom 06.06.2001 den Terminsverlegungsantrag zurückgewiesen, weil "auch die Gründe im Schriftsatz vom 21.05. 2001" keine Veranlassung zur Terminsverlegung gäben.

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2001 hat der Beklagte den Vorsitzenden der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle sowie die Berichterstatterin wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und zur Begründung seines Gesuches ausgeführt, dass seiner Auffassung nach sein Antrag auf Terminsverlegung hinreichend begründet gewesen sei, so dass ihm stattzugeben gewesen wäre. Zumindest aber hätten bei einer ablehnenden Entscheidung die von ihm angeführten Verhinderungsgründe ausführlich beschieden werden müssen. Auf dieses Gesuch hin hat die Vertreterin der abgelehnten Richter den Termin vom 14.06.2001 aufgehoben. Ein neuer Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ist noch nicht bestimmt.

Die abgelehnten Richter haben in ihren dienstlichen Äußerungen die Sachdarstellung des Beklagten hinsichtlich des objektiven Verfahrensverlaufs bestätigt.

Die 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten mit ihrem Beschluss vom 27.06.2001 als unbegründet zurück gewiesen. Zur Begründung hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zurückweisung eines Terminsverlegungsantrages regelmäßig nicht geeignet sei, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Die Terminsbestimmung und -verlegung liege im Organisationsermessens des Richters. Ausnahmen von diesem Grundsatz könnten nur gelten, wenn sich aus besonderen Gründen der Eindruck einer sachwidrigen Benachteiligung aufdränge. Ein solcher Ausnahmefall liege hier nicht vor.

Gegen diesen, dem Beklagten am 02.07.2001 zugestellten Beschluss hat der Beklagte mit einem am 11.07.2001 beim Landgericht Halle eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Senat haben die Prozessparteien Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme erhalten.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 46 Abs. 2 2. Halbs., 577 Abs. 1 und 2, 567 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

2. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch des Beklagten zu Recht für unbegründet erklärt. Das Beschwerdevorbringen des Beklagten führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.

2.1. Wegen der Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung einer Richterin bzw. eines Richters statt, wenn nach den Umständen des konkreten Falles ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin bzw. des Richters zu rechtfertigen, § 42 Abs. 2 ZPO. Maßgebend ist nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus genügende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der betreffende Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BVerfGE 82, 30, 38; BGHZ 77, 70, 72; KG OLGZ 1994, 86, 87; Vollkommer in: Zöller, Komm. z. ZPO, 21. Aufl. 1999, § 42 Rn.. 9; Smid in: Musielak, Komm. z. ZPO, 1999, § 42 Rn. 4; Bork in: Stein-Jonas, Komm. z. ZPO, 21. Aufl. 1993, § 42 Rn. 2; Hartmann in: Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, Komm. z. ZPO; 58. Aufl. 2000, § 42 Rn. 10; Feiber in: MüKo. ZPO, § 42 Rn. 4; jeweils m.w.N.). Durch die Ablehnung wegen Befangenheit soll der Gefahr unsachlicher Beweggründe bei der Bildung oder Beibehaltung einer bestimmten Meinung in der Rechtsprechung begegnet werden, wobei gleichzeitig zu berücksichtigen ist, dass eine zu weitgehende Bejahung der Besorgnis der Befangenheit das Verfassungsprinzip des gesetzlich festgelegten Richters tangiert und, soweit es sich um eine Reaktion auf das Verhalten des Richters handelt, u.U. auch dessen Unabhängigkeit beeinträchtigen kann (vgl. Bork, a.a.O.).

Gründe, die geeignet sind, an der Unvoreingenommenheit der beiden hier abgelehnten Richter zu zweifeln, liegen vom Standpunkt des Beklagten bei vernünftiger Betrachtung der Sache nicht vor. Solche Gründe ergeben sich insbesondere nicht aus der Behandlung seines Terminsverlegungsantrages, bezogen auf den Termin vom 14.06.2001.

2.2. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es nicht vornehmlich darauf an, ob nach richtiger Auffassung dem Antrag auf Terminsverlegung hätte stattgegeben werden müssen oder nicht; maßgeblich ist - auch nach der vom Beklagten zitierten Rechtspechung -, ob sich aus der tatsächlich erfolgten Ablehnung dieses Antrages der Eindruck einer sachwidrigen, auf Behinderung der Ausübung der Parteirechte des Beklagten gerichteten Verfahrensleitung ergeben konnte. Das Landgericht hat in seinem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt, dass die Zivilprozessordnung dem Vorsitzenden bzw. der ihn vertretenden Berichterstatterin hinsichtlich der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag auch bei Vorliegen erheblicher Gründe iSv. § 227 Abs. 1 ZPO einen Ermessensspielraum einräumt, so dass nur im Ausnahmefall, nämlich im Falle willkürlicher Benachteiligung einer Prozesspartei, der Eindruck einer sachwidrigen Verfahrensleitung entstehen kann. Hierzu ist das Vorliegen besonderer, diese Willkür zumindest indizierenden Umstände erforderlich, wie sie hier gerade nicht vorliegen.

a) Anzeichen für eine willkürliche Benachteiligung des Beklagten ergeben sich nicht daraus, dass die abgelehnten Richter übereinstimmend keinen erheblichen Grund iSv. § 227 Abs. 1 ZPO darin gesehen haben, dass der Terminstag in anderen Bundesländern als Sachsen-Anhalt ein gesetzlicher Feiertag ist. Diese Wertung ist vielmehr allgemeine Übung in der 5. Zivilkammer des Landgerichts, wie senatsbekannt ist. Dies war aber auch dem Beklagten bekannt, und zwar sowohl aus der Behandlung seines Terminsverlegungsantrages vom Juni 2000 als auch aus dem Hinweis der Berichterstatterin vom 11.05.2001. Der Beklagte hat sich im Übrigen hierauf auch eingestellt und seinen Verlegungsantrag zusätzlich damit begründet, dass der Sachbearbeiter seiner Prozessbevollmächtigten bereits vor Erhalt der Terminsladung für diese Zeit einen Kurzurlaub geplant habe.

b) Auch sonst bietet die Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag ihrem Inhalte nach keine Anhaltspunkte für eine willkürliche Benachteiligung des Beklagten.

Soweit der Beklagte die aus seiner Sicht unzureichende Berücksichtigung der Urlaubspläne eines seiner Prozessbevollmächtigten sowie der vermeintlichen Unmöglichkeit der Terminswahrnehmung durch einen anderen Rechtsanwalt rügt, liegt darin objektiv allenfalls eine prozessrechtlich fehlerhafte, jedoch keinesfalls eine unvertretbare Entscheidung. Dem Interesse des Beklagten an einer sachgerechten Prozessvertretung und dem Interesse des Sachbearbeiters der Prozessbevollmächtigten des Beklagten auf Berücksichtigung seiner privaten Belange steht das Allgemeininteresse an einer funktionierenden Rechtspflege gegenüber. Gerade angesichts des weit gehenden Falls der Postulationsgrenzen kann eine allzu großzügige Verlegungspraxis des Gerichts dazu führen, dass ein Gericht nahezu (ver)handlungsunfähig wird und die Rechtsstreitigkeiten nicht mehr in angemessener Zeit erledigen kann. Dies wird auch im vorliegenden Fall deutlich: Der Rechtsstreit dauert aus verschiedenen Gründen, die überwiegend weder von den Prozessparteien noch vom Gericht zu vertreten sind, in erster Instanz bereits mehr als eineinhalb Jahre an, was aus Sicht der Kläger eine zunehmende Härte darstellt. Über ihr Klagebegehren ist noch nicht abschließend entschieden. Die Zwangsvollstreckung aus dem frühzeitig ergangenen Versäumnisurteil ist gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt, so dass den Klägern, die vor allem einen Vorschuss zur Beseitigung angeblicher Baumängel begehren, der (vorläufige) Zugriff auf die titulierte Forderung verwehrt ist. Eine neuer Termin wird - ohne anderweitige Zustimmung der Prozessbevollmächtigten der Parteien und in Abhängigkeit von der Terminslage der Kammer - nicht vor September 2001 anberaumt werden können. Bei der Entscheidung über einen Terminsverlegungsantrag dürfen solche Erwägungen ebenso Berücksichtigung finden, wie die vom Beklagten angeführten.

Dabei kommt es für die Entscheidung des Senats aus o.g. Gründen auch nicht darauf an, ob die abgelehnten Richter diese oder andere Erwägungen tatsächlich angestellt haben.

c) Die vom Beklagten zum Anlass seines Ablehnungsgesuches genommenen Entscheidungen der abgelehnten Richter erscheinen auch nicht deshalb willkürlich, weil sie keine umfassende Bescheidung des gesamten Vorbringens des Beklagten beinhalten. Die Entscheidung nach § 227 Abs. 1 ZPO unterliegt keinem gesetzlichen Begründungszwang; sie ist isoliert nicht anfechtbar. Selbst wenn aber eine Begründung solcher Entscheidung tunlich wäre, was der Senat hier nicht zu entscheiden braucht, ergäbe sich allein aus dem Unterlassen dieser Begründung kein Anhaltspunkt für eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter in der Sache.

2.3. Schließlich sind auch außerhalb der schriftlich abgefassten, den Terminsverlegungsantrag des Beklagten ablehnenden Entscheidung der abgelehnten Richter keine Anhaltspunkte dafür aktenkundig oder vorgetragen, dass das ursprüngliche Festhalten am Termin vom 14.06.2001 auf unsachgemäße, den Beklagten benachteiligende Erwägungen zurückzuführen sei.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens findet ihre Grundlage in §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Satz 1, 22 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Der Senat legt in ständiger Rechtsprechung den Wert des Beschwerdeverfahrens bei der Ablehnung eines Richters nach dem Wert der Hauptsache fest.

Ende der Entscheidung

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