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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 10 W 34/05
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RPfIG, BRAGO, RVG


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
RPfIG § 11 Abs. 1
RPfIG § 21 Nr. 1
BRAGO § 28
RVG § 61 Abs. 1
Nur weil Spezialkenntnisse eines Rechtsanwalts für die Vertretung einer Partei nützlich sind, heißt dies noch nicht, dass dessen ansonsten nicht notwendige Gebühren und Auslagen auf Kosten des Prozessgegners erstattet werden müssen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 34/05 OLG Naumburg

In der Beschwerdesache

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Amtsgericht Westerhoff als Einzelrichterin am 15. Dezember 2005

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau - Rechtspfleger - vom 07. April 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die von der Klägerin an die Beklagten zu 1. und 2. zu erstattenden Kosten werden auf 1.782,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 10.02.2005 festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen 63 %, die Klägerin 37 % der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 230,20 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin hat die in R. wohnhaften Beklagten auf Schadensersatz aufgrund des Todes ihres Pferdes, welches aufgrund eines Pensionsvertrags bei den Beklagten untergestellt war, verklagt.

Die Klage wurde am 20.11.2003 beim Landgericht Dessau eingereicht. Die Beklagten haben Rechtsanwalt Bn. - öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Pferdezucht und -haltung - von der Kanzlei Br. und Partner in V. zur Vertretung im Rechtsstreit beauftragt. Dieser hat zwei Termine zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Dessau wahrgenommen.

Nachdem die Klage mit Urteil vom 28.01.2005 vollumfänglich abgewiesen wurde und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt wurden, hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit Schriftsatz vom 08. Februar 2005 den Antrag auf Kostenfestsetzung und dabei unter anderem Reisekosten und Abwesenheitsgeld für die Wahrnehmung der Gerichtstermine durch ihn in Höhe von 230,20 Euro in Ansatz gebracht.

Der Rechtspfleger der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07. April 2005 die Kosten in Höhe von 1.697,57 Euro festgesetzt, wobei er die Gebühren um 10 % ermäßigt und die Reisekosten und Abwesenheitsgelder des Prozessbevollmächtigten in vollem Umfang nicht berücksichtigt hat.

Gegen diesen, den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 28. April 2005 zugestellten Beschluss haben diese mit einem am 02. Mai 2005 bei dem Landgericht Dessau eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wenden sich mit ihrem Rechtsmittel gegen die vollständige Absetzung der Reisekosten und Abwesenheitsgelder, die sie für erstattungsfähig erachten, und tragen hierzu vor, dass es im vorliegenden Rechtsstreit um eine Spezialmaterie gegangen sei, die nur von sehr wenigen Rechtsanwälten im Bundesgebiet bearbeitet werde.

Zumindest die fiktiven Reisekosten eines am Wohnort der Partei ansässigen Rechtsanwalts seien erstattungsfähig.

Der Rechtspfleger der 6. Zivilkammer des Landgerichts Dessau hat am 01. Juni 2005 beschlossen, der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abzuhelfen und diese dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung in der Sache vorzulegen.

II.

Die gemäß §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPfIG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

1. Die Erstattungsfähigkeit der im Streit befindlichen Reisekosten des am Prozessgericht nicht zugelassenen, aber postulationsfähigen (§ 78 ZPO) auswärtigen Anwalts richtet sich nach § 91 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 ZPO (ständige Rechtsprechung des BGH: vgl. BGH, Beschluss vom 18.12.2003, NJW-RR 2004, 855; BGH, Beschluss vom 11.03.2004, NJW-RR 2004, 858).

Sie sind dementsprechend nur dann erstattungsfähig, wenn sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (BGH a.a.O). Dies hat das Landgericht zutreffend verneint. Die Beauftragung der in V. ansässigen Rechtsanwaltskanzlei als Hauptbevollmächtigte durch die Beklagten stellt sich nicht als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 2 ZPO dar. Die Klägerin hätte sich im Interesse einer Kostenersparnis eines am Ort des Prozessgerichts in Dessau residierenden Rechtsanwaltes als Hauptbevollmächtigten bedienen müssen.

Die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sind, hat sich danach auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte unternehmen. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleich gearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen (vgl. BGH MDR 2004, 539, 540).

Bei der diesbezüglichen Prüfung ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass eine vernünftige und kostenbewusste Partei, die im Anwaltsprozess am eigenen Gerichtsstand verklagt wird, einen beim Prozessgericht zugelassenen Anwalt beauftragt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2002, NJW 2003, 901 ff). Eine solche Beauftragung empfiehlt sich schon allein wegen der geringeren Kosten und der einfacheren Möglichkeit der Unterrichtung und Besprechung.

Zwar kann es von dieser Regel auch Ausnahmen geben, insbesondere kann grundsätzlich die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Anwalts notwendig erscheinen, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (BGH a.a.O.). Dies wurde von verschiedenen Gerichten bereits für einige rechtliche Sondergebiete bejaht und beispielsweise im Patentrecht sogar gesetzlich niedergelegt, kann aber nicht dazu führen, dass bei jeder rechtlichen Besonderheit und Schwierigkeit des Streitstoffs die Zuziehung eines "Spezialanwalts" vollumfänglich erstattungsfähig ist. Zwar ging es vorliegend tatsächlich um eine Spezialmaterie, für die hippologische Kenntnisse sicher von Vorteil wären.

Jedoch ist zum einen nicht dargelegt, dass ein Rechtsanwalt mit Kenntnissen im Pferderecht nicht auch im Gerichtsbezirk Dessau zu finden wäre, zum anderen haben sich nach allgemeiner Rechtssprechung Prozessbevollmächtigte grundsätzlich mit sämtlichen auftretenden Problemen vertraut zu machen und selbst auseinander zu setzen (vgl. u. a. OLG Frankfurt MDR 1992, 193; OLG Karlsruhe MDR 1990, 159, MünchKom, 2. Aufl. § 91 Rdnr. 77). Es ist vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich, dass es sich hier um eine solch schwierige Rechtsmaterie handelte, dass die Hinzuziehung eines auswärtigen Anwalts mit besonderen Fachkenntnissen unumgänglich war. Ein Rechtsanwalt soll in Rechtsfragen beraten und nicht in Sachfragen, zumal die Beklagten selbst als Betreiber eines Reitstalls über weitgehende Kenntnisse verfügen dürften.

Selbstverständlich bleibt es jeder Partei unbenommen, den Rechtsanwalt ihres Vertrauens zu beauftragen, sie muss allerdings ggfls. auch damit rechnen, die hierdurch entstehenden Mehrkosten selbst tragen zu müssen.

2. Jedoch sind die Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz der Beklagten oder Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig (vgl. u. a. BGH, Beschluss vom 11.03.2004, NJW-RR 2004, 858f, OLG Frankfurt, MDR 2000, 1215 f). Diese Kosten hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Anforderung des Rechtspflegers mit Schriftsatz vom 10.03.2005 dargelegt und von der Klägerin unwidersprochen mit 84,91 Euro beziffert, diese wurden aber bei der Festsetzung nicht berücksichtigt.

Hinsichtlich der Höhe bestehen gem. §§ 28 BRAGO, 61 Abs. 1 RVG keine Bedenken, so dass insofern der Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern und zu ergänzen war.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Beschwerdewertes findet ihre Grundlage in § 63 GKG iVm § 3 ZPO und richtet sich nach der Differenz zwischen dem mit dem Rechtsmittel geltend gemachten Festsetzungsbetrag und dem tatsächlich erstinstanzlich festgesetzten Erstattungsbetrag.

Ende der Entscheidung

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