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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.02.2005
Aktenzeichen: 10 W 5/05
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG


Vorschriften:

ZPO § 91
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2 S. 2
ZPO § 568 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1 S. 2
ZPO § 569 Abs. 2
RPflG § 11 Abs. 1
Die Überprüfung, ob und in welcher Höhe eine Pflicht zur Versicherungsleistung besteht, gehört zu den originären Betriebsaufgaben eines Versicherers. Ist zur Zeit der Beauftragung eines Sachverständigen durch den Versicherer von einem Rechtsstreit noch keine Rede, ist eine Prozessbezogenheit nicht anzunehmen; die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten im Kostenfestsetzungsverfahren kommt nicht in Betracht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 5/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 7. Februar 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Dessau - Rechtspflegerin - vom 11. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.248,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beklagten haben mit am 25. März 2004 bei dem Landgericht Dessau eingegangenen Schriftsatz beantragt, die der Zweitbeklagten entstandenen Kosten in Höhe von 3.248,00 Euro für die Einholung eines Schadensberichts gegen das klagende Land festzusetzen und dabei auf die Rechung des I. Ingenieur-Büros vom 23. April 2002 Bezug genommen.

Das Landgericht Dessau - Rechtspflegerin - hat die beantragte Festsetzung mit Beschluss vom 11. Januar 2005 abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die als Haftpflichtversicherung sachkundige Beklagte zu 2) habe das Gutachten vorprozessual eingeholt. Selbst wenn dieses im Rechtsstreit eine Bedeutung gespielt hätte, seien die Kosten nicht erstattungsfähig. Ungeachtet dessen sei das Gutachten erst- und zweitinstanzlich ohne Belang gewesen.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beklagten mit der sofortigen Beschwerde und legen dar, die Beklagte zu 2) habe nur durch die gutachterlichen Äußerungen feststellen können, in welcher Form sie sich gegen die vorgerichtlichen und dann gerichtlich geltend gemachten Ansprüche wehren konnte. Andernfalls hätte sie nicht zu dem Klagebegehren substantiiert Stellung nehmen können. Ferner sei auf die Rechtsprechungen der Oberlandesgerichte Frankfurt und Hamm zu verweisen, die auch die Kosten für ein vom Versicherer vorprozessual eingeholtes Gutachten als Vorbereitungskosten erstattungsfähig qualifizierten. Ohne das Gutachten hätten sie mit völlig leeren Händen dagestanden und wären nicht in der Lage gewesen, substantiiert zu erwidern.

Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 21. Januar 2005 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die nach §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2; 569 Abs. 1 S. 1 u. 2, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässige und gemäß § 568 S. 1 ZPO von der Einzelrichterin zu entscheidende sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat mit im Ergebnis zutreffenden Gründen die Auslagen der Beklagten für das Privatgutachten nicht festgesetzt.

Das klagende Land hat die den Beklagten erwachsenen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren (§§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 1, 103 Abs. 1 ZPO). In Rechtsprechung und Literatur besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die Kosten eines Privatgutachtens, sei es vorprozessual oder prozessbegleitend eingeholt, nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2002, Az: VI ZB 56/02, veröffentlicht auch in NJW 2003, 1398, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Mai 2001, Az: 1 W 16/01, OLG Bamberg, Beschluss vom 26. Februar 1999, Az: 4 W 16/99, jeweils zitiert nach juris und jeweils mit weiteren Nachweisen).

Insofern genügt es nicht, wenn das Gutachten im Rechtsstreit verwendet wird, sondern es muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind die Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, nicht erstattungsfähig (BGH, NJW 2003, 1398 m.w.N.).

Umstritten ist, ob für die Annahme der Prozessbezogenheit schon ein sachlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit ausreichend ist (OLG Frankfurt, OLGR 2000, 11 f.; OLG Hamburg, MDR 1992, 194 f.), oder ob zusätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang erforderlich ist (OLG Hamburg, JurBüro 1988, 761 f.; OLG Hamm, OLG R 1994, 142 f.) und ein langer zeitlicher Zwischenraum ein Indiz für den fehlenden sachlichen Zusammenhang darstellt (OLG München, JurBüro 1992, 172 f.). Welcher Auffassung zu folgen ist, kann für die Entscheidung im hiesigen Verfahren indes dahinstehen, da weder ein zeitlicher, noch ein sachlicher Zusammenhang anzunehmen ist.

Im vorliegenden Fall war den Beklagten die Klageschrift am 29. Oktober 2002 zugestellt worden. Mit ihrer Klageerwiderung haben sich die Beklagten umfassend zu der geltend gemachten Klageforderung geäußert und sich im Hinblick auf die angemessenen Schadenshöhe auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens berufen. Ferner habe sie einen Schadensbericht des von der Beklagten zu 2) beauftragen Ingenieurbüros vom 23. April 2002 zu den Akten gereicht. Damit ist jedenfalls ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Sachverständigentätigkeit und dem Rechtsstreit nicht gegeben.

Auch eine Prozessbezogenheit in der Folge eines sachlichen Zusammenhangs kann vorliegend jedoch nicht angenommen werden. Ein Privatgutachten wird nämlich nicht schon durch Vorlage im Rechtsstreit prozessbezogen. Durch die klare Regelung des § 91 ZPO, die als erstattungsfähige Kosten die Kosten des Rechtsstreits erfasst, soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht. Insbesondere sind allgemeine Betriebskosten einer Partei nicht erstattungsfähig. Die Kosten eines Privatgutachtens, das beispielsweise einer etwaigen außergerichtlichen Schadensfeststellung dient und nicht etwa die Position der das Gutachten in Auftrag gegebenen Partei in einem angedrohten Rechtsstreit stützen soll, sind demnach nicht prozessbezogen (vgl. BGH, NJW 2003, 1398, 1399 m.w.N.). Vorliegend erfolgte die Beauftragung des Ingenieurbüros ersichtlich ohne jeden Zusammenhang zu einem etwaigen Rechtsstreit, weil von einem solchen zu dieser Zeit noch überhaupt keine Rede war. Vielmehr sah sich die Beklagte zu 2) nach dem Anspruchsschreiben des klagenden Landes vom 6. März 2002 und der bereits unstreitigen Haftung dem Grunde nach veranlasst, zu Überprüfung der Höhe der berechtigten Versicherungsleistung gutachterliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es kann dahinstehen, ob dies eine verständige Partei überhaupt für notwendig erachtet hätte, denn zur Überprüfung der Kosten der Fahrbahnsanierung wäre z.B. auch die Einholung von (kostengünstigeren) Kostenvoranschlägen in Betracht gekommen. Die Überprüfung, ob und in welcher Höhe eine Pflicht zur Versicherungsleistung besteht, gehört jedoch zu den originären Aufgaben im Geschäftsbetrieb eines Versicherers, deren Kosten jedenfalls grundsätzlich von den Versicherungsprämien der Gemeinschaft der Versicherten abgedeckt werden. Da zur Zeit der Beauftragung des Ingenieurbüros von der Notwendigkeit eines Rechtsstreits in keiner Weise ausgegangen werden musste und konnte, fehlt es vorliegend an der Prozessbezogenheit der allgemeinen Betriebskosten der Beklagten zu 2).

Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde der Beklagten zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 100 Abs.1 ZPO, 1 GKG i.V.m. Nr. 1811 KV. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 2, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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