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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 13.11.2006
Aktenzeichen: 10 W 52/05 (Hs)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
Wegen des Ausnahmecharakters des § 93 ZPO obliegt dem Beklagten die Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass er keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Im wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsrechtsstreit obliegt dem abgemahnten Schuldner die Beweislast für den Nichtzugang des Abmahnschreibens.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 52/05 (Hs) OLG Naumburg

In der Beschwerdesache

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Handke und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel

am 13. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen das am 30. August 2005 verkündete Kostenschlussurteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Gründe:

A.

Die Kläger haben die Beklagte auf Unterlassung einer für wettbewerbswidrig erachteten Werbung in Anspruch genommen.

Die Kläger sind Gesellschafter einer in der Rechtsform der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts geführten Anwaltskanzlei mit Sitz in H. . Die Beklagte ist Inhaberin der Rechtsanwaltskanzlei R. in H. .

Am 18. Juli 2004 schaltete die Beklagte in der in H. vertriebenen Anzeigenzeitung "S. " eine Annonce, in der neben ihr der Assessor B. F. unter Darstellung dessen Interessenschwerpunkten und dem Tätigkeitsschwerpunkt "Ordnungswidrigkeiten" aufgeführt war.

Da die Kläger diese Werbeanzeige wegen Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BRAO und § 8 BRAO für gesetzes- und standeswidrig und damit zugleich auch für wettbewerbswidrig erachteten, verfassten sie am 26. Juli 2004 ein an die Beklagte adressiertes Abmahnschreiben, in dem sie die Beklagte aufforderten, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.

Die am 24. November 2004 zugestellte Unterlassungsklage hat die Beklagte mit der am 15. Dezember 2004 eingegangenen Klageerwiderungsschrift unter Verwahrung auf die Kostenlast vorbehaltlos anerkannt. Das Landgericht hat daraufhin mit dem am 10. Februar 2005 verkündeten Anerkenntnis- und Teilurteil die Beklagte in der Hauptsache antragsgemäß auf Unterlassung verurteilt und die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Kläger sind der Meinung gewesen, die Beklagte können den Kostenvorteil der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO nicht für sich in Anspruch nehmen, denn sie habe den Klägern durch ihr vorprozessuales Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung geboten. Hierzu haben sie behauptet, sie hätten die Beklagte mit anwaltlichen Schreiben vom 26. Juli 2004 ordnungsgemäß abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung sowie Erstattung der Abmahnkosten aufgefordert. Die Abmahnung sei noch am gleichen Tage gegen 14.33 Uhr der Beklagten unter deren Telefax-Nummer per Telefax übermittelt worden. Sie haben die Ansicht vertreten, dass das vorgelegte Faxprotokoll mit dem Sendevermerk einen Beweis des ersten Anscheins begründe, dass die Beklagte das Schreiben auch tatsächlich über ihr Telefaxgerät empfangen habe. Wäre das Faxgerät der Beklagten seinerzeit außer Funktion gewesen, so hätte der Sendebericht nämlich nicht ausgedruckt werden können. Die Möglichkeit eines Datenverlustes aufgrund eines etwaigen Bedienungsfehlers bei dem Wechseln des Farbbandes sowie eines Stromausfalles haben sie in Abrede gestellt. Sie haben des weiteren behauptet, dass das Schreiben anschließend in den Postausgang der Kanzlei gelangt und dort die Absendung in dem Postausgangsbuch vermerkt worden sei, eine Mitarbeiterin habe das Schreiben in einem Briefumschlag eingetütet und zum Zwecke der Übersendung durch Einwurf in das Gerichtsfach der Beklagten bei dem Landgericht Halle in ein hierfür separat vorgehaltenes Ablagefach für die Landgerichtspost eingelegt. Die Landgerichtspost sei - so wie üblich - am Folgetag durch die hierfür zuständigen Mitarbeiterin der Kanzlei zum Landgericht verbracht und in das Gerichtsfach eingelegt worden.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte in die Kosten des Verfahrens zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

den Klägern die Kosten des Rechtsstreites aufzuerlegen.

Sie hat den Zugang des Abmahnschreibens vom 26. Juli 2004 bestritten und insofern behauptet, dass sie weder per Telefax noch per Post ein Aufforderungsschreiben mit einer Unterlassungsverpflichtungserklärung erhalten habe. Für das Fehlschlagen der Telefaxübermittlung seien ganz unterschiedliche Fehlerquellen denkbar, wie beispielsweise ein Bedienungsfehler bei dem Einlegen eines neuen Farbbandes. Am 26. Juli 2004 sei in den Kanzleiräumen im übrigen eine Stromunterbrechung bzw. ein Stromausfall aufgetreten, wie sich aus dem vorgelegten Stromunterbrechungsprotokoll ihres Faxgerätes ergebe. Aus dem Stromunterbrechungsbericht gehe hervor, dass die Daten im Sende- und Empfangsspeicher vollständig gelöscht worden seien. Auch über das Gerichtsfach habe sie das Abmahnschreiben in der hierfür fraglichen Zeit nicht empfangen. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Kläger von einer Zustellung von Anwalt zu Anwalt abgesehen hätten. Das Vorbringen der Kläger hierzu sei überdies widersprüchlich, da diese zunächst behauptet hätten, das Schreiben sei per Post übersandt worden.

Das Landgericht hat die prozessleitend geladene Zeugin S. Z. vernommen. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08. August 2005 Bezug genommen. Mit dem am 30. August 2005 verkündeten Schlussurteil hat das Landgericht der Beklagten die Kosten des Rechtsstreites auferlegt. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte zwar die Klageansprüche sofort anerkannt habe, gleichwohl würden ihr nicht die Vorzüge der Kostenvorschrift des § 93 ZPO zugute kommen, weil sie tatsächlich Anlass zur Klageerhebung gegeben habe. Den ihr obliegenden Beweis der negativen Tatsache, dass ihr das Abmahnschreiben vom 26. Juli 2004 tatsächlich nicht zugegangen sei, habe sie nämlich nicht erbringen können. Zwar habe das Landgericht auf der Grundlage des vorgelegten Stromunterbrechungsprotokolls vom 26. Juli 2004 die Überzeugung gewonnen, dass es wegen der dokumentierten Stromstörung nicht mehr zu dem Ausdruck des Schreibens gekommen sei, die Daten im Empfängerspeicher vielmehr gelöscht worden seien. Das Landgericht habe allerdings im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht einen ausreichenden Grad an Gewissheit gewinnen können, dass auch der Zugang über das Gerichtsfach fehlgeschlagen sei. Denn es habe sich nicht erweisen lassen, dass die Zeugin Z. die Postsendungen auch am fraglichen Tage dem Gerichtsfach entnommen habe. Der Verbleib des Schreibens auf dem Postwege sei letztlich unaufgeklärt geblieben, dieses Beweisergebnis müsse aber zu Lasten der insoweit beweispflichtigen Beklagten gehen.

Gegen dieses, der Beklagten am 05. September 2005 zugestellte Kostenurteil hat sie mit einem bei dem Landgericht Halle am 19. September 2005 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts und vertritt die Ansicht, dass das Landgericht die Aussage der Zeugin Z. nicht hinreichend berücksichtigt habe. In der Beschwerdeinstanz trägt sie erstmals ergänzend vor, dass die Zeugin Z. seinerzeit allein für den Posteingang zuständig gewesen sei. Eine Nachprüfung in der Kanzlei habe nämlich nun ergeben, dass zur fraglichen Zeit keine Praktikantin in der Kanzlei der Beklagten beschäftigt gewesen sei. Die Zeugin Z. und nicht die Praktikantin habe seinerzeit daher auch den Gerichtsbriefkasten geleert; die Möglichkeit, dass eine Praktikantin das Schreiben verloren habe, scheide demnach aus. Sie schließe auch aus, dass das Schreiben in ihrer Kanzlei falsch zugeordnet worden sei. Das Landgericht hat am 29. September 2005 beschlossen, der sofortigen Beschwerde der Beklagten nicht abzuhelfen und das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach § 99 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 567 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO).

Das Rechtsmittel gegen das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen ist nicht dem Einzelrichter, sondern dem Senat in seiner gemäß § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Kollegium zur Entscheidung angefallen. Denn der nach § 349 Abs. 2, Abs. 3 ZPO an Stelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist - nach der eindeutigen Terminologie des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung - aufgrund seiner erstinstanzlichen Entscheidungstätigkeit nicht "Einzelrichter". Die die Einzelrichterbefugnisse des Richters einer normalen Zivilkammer regelnden §§ 348, 348 a ZPO sind in § 349 Abs. 4 ZPO ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt worden. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 105 Abs. 1 GVG, § 349 ZPO) verkörpert bei seiner Alleinentscheidung als "Vorsitzender" vielmehr die Kammer als Prozessgericht, "an deren Stelle" er entscheidet (§ 349 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Ein Anwendungsfall des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO liegt dementsprechend nicht vor (vgl. BGH NJW 2004, 856; Gummer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 568 ZPO Rdn. 3 m.w.N.).

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung die Kosten des ersten Rechtszuges der Beklagten zu Recht nach § 91 ZPO auferlegt. Die Voraussetzungen für eine Kostentragungspflicht der Kläger nach § 93 ZPO liegen nicht vor.

Das Beschwerdevorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Gemäß § 93 ZPO können - in Abweichung von dem in § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO Ausdruck findenden Grundsatz des Kostenrechts, wonach derjenige, der unterliegt, auch die jeweiligen Verfahrenskosten zu tragen hat - dem obsiegenden Kläger die Kosten dann auferlegt werden, wenn der Beklagte den gerichtlich geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt und er darüber hinaus durch sein prozessuales Verhalten dem Kläger keine Veranlassung gegeben hat, gerichtliche Schritte gegen ihn einzuleiten.

Die Beklagte hat die Unterlassungsklage unstreitig "sofort" im Sinne des § 93 ZPO, nämlich bereits mit ihrer Klageerwiderung, anerkannt.

Ungeachtet dessen scheidet hier eine Anwendung des § 93 ZPO aus, weil die Beklagte dem Kläger, wie das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend festgestellt hat, durch ihr vorprozessuales Verhalten Veranlassung zur Klageerhebung geboten hat.

1. Diese Voraussetzung des § 93 ZPO ist erfüllt, wenn der Kläger bei objektiver Würdigung der Sachlage und des Verhaltens des in Anspruch Genommenen - ohne Rücksicht auf ein Verschulden oder die materielle Rechtslage - zu dem Ergebnis gelangen kann, er werde sein berechtigtes Begehren nicht ohne gerichtliche Hilfe durchsetzen können. Ob der Kläger Grund zu der Annahme hatte, er werde ohne Anrufung des Gerichts nicht zu seinem Recht kommen, ist dabei aus seiner Sicht zu beurteilen (vgl. OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 1996, 42, 43; OLG Köln MDR 2004, 58 - 60; KG Berlin, WRP 1994, 39 - 40; OLG Dresden WRP 1997, 1201, 1203; Herget in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 93 ZPO Rdn. 3 m.w.N.). Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüchen ist diese Annahme in der Regel dann gerechtfertigt ist, wenn der Verletzer von dem Verletzten zuvor erfolglos abgemahnt worden ist. In Wettbewerbsstreitigkeiten ist der Verletzte im eigenen Interesse daher grundsätzlich gehalten, den Verletzer vor Klageerhebung anzuschreiben und zur Unterlassung des Wettbewerbsverstoßes aufzufordern, um nicht mit den Kosten des Verfahrens nach § 93 ZPO belastet zu werden. Der Schuldner eines wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs gibt dann Veranlassung zur Klageerhebung, wenn er auf ein den allgemeinen Anforderungen genügendes Abmahnschreiben des Verletzten nicht reagiert. Aus dem Ausbleiben einer Reaktion des Abgemahnten darf der Verletzte den Schluss ziehen, dieser wolle es tatsächlich auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen lassen (vgl. OLG Karlsruhe WRP 1997, 477 - 478 zitiert nach juris; KG Berlin, WRP 1994, 39 - 40; OLG Dresden WRP 1997, 1201, 1202; Herget in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 93 ZPO Rdn. 6 Stichwort "Wettbewerbsstreitigkeiten"; Fezer, UWG, Bearbeitung 2005, § 12 UWG Rdn. 3, Bornkamm in Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, UWG, 24. Aufl., § 12 UWG Rdn. 1.8).

2. Dieser Grundsatz gilt auch hier. Aufgrund der fehlenden Reaktion der Beklagten auf das Abmahnschreiben nebst Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 26. Juli 2004 durften die Kläger annehmen, dass sie ihre Rechte gegenüber der Beklagten nur im Klagewege durchsetzen können.

a) Das Schreiben der Kläger vom 26. Juli 2004 genügt inhaltlich den an eine Abmahnung zu stellenden materiellen Anforderungen. Der Gegenstand der Beanstandung war exakt beschrieben und die Beklagte wurde zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert.

b) Soweit die Beklagte demgegenüber behauptet hat, das Abmahnschreiben vom 26. Juli 2004 habe sie nicht - weder per Telefax noch als einfache Post - empfangen, hat sie dieses streitige Tatsachenvorbringen indessen nicht zu beweisen vermocht.

aa) Die Frage, wer die Darlegungs- und Beweislast für einen erfolgten oder aber fehlenden Zugang der Abmahnung trägt, ist in Rechtsprechung und Rechtsliteratur sehr umstritten. Während einige Oberlandesgerichte und Teile des Schrifttums meinen, dass der Verletzte im Bestreitensfall den tatsächlichen Zugang nachzuweisen habe, um das Risiko des § 93 ZPO auszuräumen (vgl. OLG Dresden WRP 1997, 1201, 1203; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2001, 199, 200 obiter dictum; OLG Zweibrücken OLGR Zweibrücken 1997, 23 - 24; Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 UWG, Rdn. 1.31 m.w.N.), stehen die Mehrzahl der Oberlandesgerichte und die meisten Stimmen in der Rechtslehre auf dem Standpunkt, nicht der abmahnende Gläubiger, sondern der abgemahnte Schuldner trage das Beweislastrisiko für die streitige Zugangsfrage (vgl. OLG Braunschweig NJW 2005, 372 - 373 zitiert nach juris; OLG Köln MDR 2004, 648 zitiert nach juris; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2001, 270 - 271 zitiert nach juris; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 1996, 42 - 45 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe WRP 1997, 477 - 478 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe WRP 2003, 1146 - 1147; OLG Stuttgart WRP 1996, 477 - 479 zitiert nach juris; OLG Naumburg NJW-RR 2000, 1666 - 1667 zitiert nach juris; Büscher in Fezer, UWG, Bearbeitung 2005, § 12 UWG Rdn. 6; Deutsch in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 1 V., Rdn.101; Teplitzky, Kap. 41 Rdn. 5, 10).

bb) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Meinung an.

(1) Auszugehen ist von der der Kostenvorschrift des § 93 ZPO zugrunde liegenden Beweislastverteilung. Danach obliegt wegen des Ausnahmecharakters des § 93 ZPO gegenüber der Grundregel des § 91 ZPO, dem Beklagten die Darlegung und gegebenenfalls auch der Beweis für die ihm günstige Tatsache, keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben zu haben. Will er den Kostenvorteil aus der Ausnahmevorschrift des § 93 ZPO für sich in Anspruch nehmen, muss er darlegen und erforderlichenfalls auch beweisen, dass er keinen Anlass zur Anrufung des Gerichts gegeben hat (vgl. OLG Köln MDR 2004, 648; OLG Frankfurt NJW-RR 1996, 62; OLG Naumburg JurBüro 1999, 431 - 432 zitiert nach juris; Herget in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 93 ZPO Rdn. 6 Stichwort "Beweislast"). Dass dies auch dann zu gelten hat, wenn die Veranlassung zur Klageerhebung von materiell-rechtlichen Voraussetzungen abhängt, für die bei der Sachentscheidung der Kläger die Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat, erscheint nahe liegend, bedarf hier aber keiner abschließenden Entscheidung des Senats; denn bei dem Zugang des Abmahnschreibens handelt es sich nicht zugleich für eine materiell-rechtliche Tatbestandsvoraussetzung für den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch (ebenso OLG Köln MDR 2004, 648; OLG Naumburg JurBüro 1999, 431 - 432 zitiert nach juris).

(2) Nach dem Wortlaut des § 93 ZPO wird dem Beklagten zwar ein Negativbeweis auferlegt. Der Umstand, dass es sich bei der fehlenden Klageveranlassung um eine negative Tatsache handelt und der Beweis des Nichtvorliegens einer bestimmten Tatsache schwierig, im Einzelfall sogar unmöglich sein mag, rechtfertigt indessen keine Umkehr der Beweislast, sondern führt allenfalls zu einer abgeschichteten Verteilung der Darlegungslast: Der Beklagte kann sich zunächst auf eine pauschale Behauptung der negativen Tatsache beschränken. Der Kläger ist sodann im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast gehalten, im einzelnen substantiiert darzulegen, woraus er die Klageveranlassung herleitet. Ihm obliegt mithin die Darlegung konkreter Umstände, welche gegen das negative Tatbestandselement sprechen, um der beweisbelasteten Partei überhaupt erst die Möglichkeit zur widerlegenden Beweisführung zu eröffnen. Erst im Anschluss hieran muss der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte den Vortrag des Klägers zur Klageveranlassung widerlegen. Bleibt das Beweisergebnis hierbei zu einzelnen Umständen offen, so ist der erforderliche Negativbeweis nicht geführt (vgl. OLG Köln MDR 2004, 648; OLG Naumburg JurBüro 1999, 597 - 598 zitiert nach juris; OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 1996, 42, 43).

(3) An dieser grundsätzlichen Darlegungs- und Beweislastverteilung zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 ZPO ändert sich auch dann nichts, wenn - wie hier - der Erhalt eines vorprozessualen Aufforderungsschreibens zwischen den Parteien streitig ist.

Der Gegenansicht ist zwar zuzubilligen, dass sie im Einklang mit den im allgemeinen Teil des BGB entwickelten Wertungen zu § 130 BGB steht: Auch wenn man die Abmahnung nicht als eine materiell-rechtliche Willenserklärung, sondern als rechtsgeschäftsähnliche oder prozessuale Handlung wertet, kann § 130 BGB zumindest sinngemäße Anwendung finden, zumal ohne Kenntniserlangung durch den Verletzer eine Abmahnung ihre Wirkungen nicht entfalten kann. Nicht bestreiten lässt sich überdies, dass die Abmahnung ihren Warnzweck nur dann erfüllen kann, wenn das Abmahnschreiben dem Verletzer auch tatsächlich zugeht (vgl. OLG Dresden WRP 1997, 1201, 1202).

Aus der Rechtsnatur der Abmahnung und deren Sinn und Zweck lässt sich die Frage, wer das Risiko eines ungeklärten streitigen Zugangs zu tragen hat, allerdings nach Auffassung des Senates nicht abschließend beurteilen. Hierfür ist vielmehr eine allgemeine Risikoabwägung unter Berücksichtigung der wettbewerbsrechtlichen Funktion der Abmahnung und der Interessen der Parteien erforderlich (vgl. Büscher in Fetzer, UWG, Bearbeitung 2005, § 12 UWG Rdn. 6).

Der Abmahnung kommt die Funktion einer im Schuldnerinteresse liegenden Warnung und Aufforderung zur Streitbeilegung durch Unterwerfung zu. Die Abmahnlast des Verletzten soll Zeit und Kosten sparen und eine unnötige Inanspruchnahme der Gerichte verhindern, was insbesondere auch im Interesse des Schuldners des abmahnenden Gläubigers liegt. Zwar kann die Warnwirkung, auf die es bei dieser Funktion der Abmahnung besonders ankommt, nur dann erreicht werden, wenn der zu Warnende die Abmahnung tatsächlich auch erhält. Bei der Warnung kann es sich allerdings nur um eine Obliegenheit des Verletzten eines Wettbewerbsverstoßes handeln, dem im Interesse des Verletzers Handlungspflichten auferlegt werden, deren Außerachtlassung lediglich nachteilige Kostenfolgen nach sich ziehen kann. Die an den Verletzten zu stellenden Anforderungen dürfen daher nicht überspannt werden, zusätzliche Benachteiligungen des Gläubigers zugunsten des Abgemahnten erscheinen nur begrenzt zumutbar (vgl. OLG Braunschweig NJW 2005, 372 - 373; OLG Stuttgart WRP 1996, 477 - 479). Das von dem Gläubiger zu fordernde Verfahren sollte nämlich grundsätzlich praktikabel bleiben und darf eine rasche Durchsetzung berechtigter Interessen des Unterlassungsgläubigers nicht behindern. An der Gegenansicht, die dem Gläubiger die Beweislast für den streitigen Zugang des Abmahnschreibens auferlegen wollen, ist demgegenüber zu bemängeln, dass sie diese Grenzen der Zumutbarkeit vernachlässigt und an der praktischen Wirklichkeit vorbei geht. Für den Verletzter ist es nämlich ein Leichtes, den Zugang des Abmahnschreibens in Abrede zu stellen; den Nachweis der Unrichtigkeit dieser Behauptung wird dagegen der Kläger als Gläubiger der Unterlassungsforderung nur selten führen können (vgl. ebenso Deutsch in Ahrens, Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kapitel 1 V. Rdn. 96).

Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass ein effektiver Rechtsschutz bei Wettbewerbsverstößen, insbesondere bei zeitlich begrenzten Werbeaktionen, nur bei einem schnellen Vorgehen des Verletzten zu erreichen ist. Wenn aber dem Verletzten schon im Interesse des Verletzers zugemutet wird, diesen unter Setzung einer angemessenen Frist abzumahnen und die Frist abzuwarten, bevor er das Gericht anruft, so würde es eine Überspannung der an ihn zu stellenden Anforderungen bedeuten, wenn er vor Klageerhebung zunächst den Zugang der Abmahnung sicher stellen müsste. Wollte man dem Gläubiger auch den Nachweis des Zugangs aufbürden, so würde dies zu Verzögerungen des Verfahrens führen. Dies wiederum könnte zur Folge haben, dass im Einzelfall früher als üblich zugunsten des Verletzten von der Unzumutbarkeit einer Abmahnung vor Klageerhebung auszugehen wäre (vgl. OLG Stuttgart WRP 1996, 477 - 479; OLG Braunschweig NJW 2005, 372 - 373).

(4) Die von dem Senat favorisierte Auffassung zur Beweislast der Klageveranlassung berührt schließlich auch nicht die Frage, ob durch die Abmahnung zwischen dem Gläubiger und Schuldner ein gesetzliches Schuldverhältnis entsteht, das Treuepflichten und im Verletzungsfalle Schadensersatzpflichten auslösen kann. Dass ein solches Schuldverhältnis im Streitfall den Nachweis des Zugangs nach § 130 BGB erfordert, ist nicht von der Hand zu weisen. Diese Frage stellt sich jedoch nicht im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 93 ZPO (vgl. OLG Stuttgart WRP 1996, 477 - 479).

Die Beweislast für die negative Tatsache, dass das wettbewerbsrechtliche Abmahnschreiben nicht zugegangen sei, obliegt nach alledem der Beklagten. Den geforderten Nachweis hat sie nicht zu führen vermocht.

cc) Die Kläger sind im Hinblick auf die negative Tatsache des fehlenden Zuganges der Abmahnung ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem sie behauptet haben, das Abmahnschreiben vom 26. Juli 2004 zunächst per Telefax an die Beklagte übermittelt zu haben und im Anschluss an den Ausdruck des positiven Sendeberichts das ordnungsgemäß adressierte Schreiben als einfache Post in das Gerichtsfach der Beklagten eingelegt zu haben. Sie haben schlüssig und hinreichend substantiiert dargelegt, dass der Ausgang des ordnungsgemäß adressierten Schreibens im Postbuch der Kanzlei vermerkt worden, danach sei das Schreiben in einem Briefumschlag eingetütet und in das separat gehaltene Ablagefach mit der Landgerichtspost eingelegt worden, von wo es am Folgetag zu dem Landgerichtsfach verbracht worden sei. Hierin ist zugleich die Behauptung enthalten, das Schreiben an die Beklagte ordnungsgemäß abgesandt zu haben.

dd) Das Landgericht hat zwar den Beweis für geführt angesehen, dass das Schreiben nicht vorab per Telefax übermittelt worden ist, weil ein Ausdruck der Daten durch das Empfängergerät aufgrund der Stromunterbrechung scheiterte. Die Beweiswürdigung des Landgerichts, auf die wegen der Einzelheiten zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, erachtet auch der Senat für zutreffend und richtig.

Dass sich das Landgericht bei seiner Überzeugungsbildung in erster Linie auf das zur Akte gereichte Stromunterbrechungsprotokoll vom 26. Juli 2004 gestützt hat, ist nicht zu beanstanden. Der Stromunterbrechungsbericht des Telefaxgerätes belegt, dass am 26. Juli 2004 vor 15.03 Uhr an dem Empfangsgerät ein Stromausfall aufgetreten ist, der zum Verlust der Daten im Empfangsspeicher geführt habe. Die Richtigkeit und Authenzität des Protokolls haben die Kläger nicht mit Substanz angegriffen. Objektivierbare Anhaltspunkte, die den Verdacht begründen könnten, an dem Bericht sei manipuliert worden, sind weder dargetan noch nach Aktenlage ersichtlich. Die Richtigkeit des diesbezüglichen Tatsachenvorbringens der Beklagten wird überdies zusätzlich durch die Aussage der Zeugin Z. bekräftigt, die bekundet hat, dass sie zwar an eine Stromunterbrechung am 26. Juli 2004 keine konkrete Erinnerung habe, ein Fax sei jedoch jedenfalls seinerzeit nicht in der Kanzlei eingegangen. Die Glaubhaftigkeit der Bekundung der Zeugin begegnet keinen Bedenken. Sie hat die an sie gerichtete Beweisfrage eindeutig und bestimmt zu beantworten vermocht. Ihre Angaben sind hinreichend detailliert, in sich stimmig und frei von inneren Widersprüchen.

Die Beklagte hat danach den Beweis geführt, dass sie wegen eines vorübergehenden Defektes ihres Telefaxgerätes das Abmahnschreiben der Kläger nicht empfangen konnte.

ee) Dass das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme demgegenüber nicht den nach § 286 Abs. 1 ZPO gebotenen Grad an Überzeugung gewinnen konnte, dass das Abmahnschreiben der Beklagten auch über das Gerichtsfach nicht zugegangen ist, ist gleichfalls nicht zu beanstanden.

Die Angriffe der Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gehen insgesamt fehl.

Die Zeugin Z. hat die streitige Tatsachenbehauptung der Beklagten, dass das Abmahnschreiben vom 26. Juli 2004 auch nicht per Brief in der Kanzlei der Beklagten eingegangen sei, zwar bestätigt. Die insoweit glaubhafte Aussage der Zeugin ist allerdings allenfalls zum Beweis geeignet, dass das Schreiben seinerzeit nicht in den eigenen Wahrnehmungsbereich der Zeugin gelangt ist. Damit ist allerdings noch nicht zugleich zweifelfrei erwiesen, dass das Schreiben nicht aber zumindest in das Gerichtsfach eingelegt worden ist. Die Zeugin hat nämlich gleichfalls bekundet, dass zur nämlichen Zeit, insbesondere auch am 26. Juli 2004, in der Kanzlei eine Praktikantin beschäftigt gewesen sei, die unter anderem mit dem Leeren des Gerichtsfaches betraut worden sei. Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass mit Blick auf die von der Zeugin bekundete kanzleiinternen Aufgabenverteilung letztlich nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, dass das Schreiben nicht möglicherweise bei der Leerung des Gerichtsfaches durch die Praktikantin verloren gegangen sein könnte.

Zwar hat die Beklagte nunmehr in der Beschwerdeinstanz behauptet, dass eine kanzleiinterne Nachprüfung ergeben habe, dass zur nämlichen Zeit eine Praktikantin in der Kanzlei nicht tätig gewesen sei und daher ausschließlich die Zeugin Z. für die Leerung des Gerichtsbriefkasten zuständig gewesen sei. Diese neue Tatsachenbehauptung ist in der Beschwerdeinstanz grundsätzlich zu berücksichtigen (§ 571 Abs. 2 ZPO), rechtfertigt aber kein von der landgerichtlichen Beweiswürdigung abweichendes Beweisergebnis. Das neue Beschwerdevorbringen steht nicht mit dem eigenen erstinstanzlichen Sachvortrag der Beklagten in Übereinstimmung. Die Beklagte hat nämlich zunächst zur Begründung der nachträglichen Vorlage des Stromunterbrechungsprotokolls in erster Instanz vorgetragen, dass in ihrer Kanzlei im Sommer 2004 eine Praktikantin gearbeitet habe, die den Stromausfallbericht vom 26. Juli 2004 versehentlich in einen Ablagestapel abgelegt und nicht eingeheftet habe, so dass man das Protokoll erst einige Zeit später per Zufall aufgefunden habe. Die Beklagte mag zwar an ihrem früheren Vortrag nunmehr in der Beschwerdeinstanz nicht mehr festhalten wollen, das neue Vorbringen fügt sich allerdings nicht in das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ein. Die neue Behauptung lässt sich insbesondere nicht mehr mit den glaubhaften Angaben der Zeugin Z. in Übereinstimmung bringen. Denn die Zeugin Z. hat ausweislich des Sitzungsprotokolls in ihrer Vernehmung den gerichtlichen Vorhalt, dass im Sommer 2004, insbesondere auch am 26. Juli 2004, eine Praktikantin in der Kanzlei tätig gewesen sei, die auch mit der Leerung des Gerichtsfaches betraut war, ausdrücklich als richtig bestätigt. Der Senat sieht auch keinen Anlass, die Richtigkeit der Bekundung der Zeugin Z. insoweit in Zweifel zu ziehen.

Diese Unstimmigkeit zwischen der Aussage der Zeugin Z. und ihrem neuen Beschwerdevorbringen hat die Beklagte auch in der Beschwerdeinstanz nicht aufzuklären versucht.

Nach Würdigung sämtlicher unstreitiger und festgestellter Umstände hat sich auch der Senat nicht mit einem ausreichenden Grad an Gewissheit davon überzeugen können, dass das streitige Abmahnschreiben den Herrschaftsbereich der Beklagten tatsächlich nicht erreicht hat. Die Beklagte hat die Behauptung der Kläger, die Abmahnung nebst Unterlassungserklärung in das Gerichtsfach der Beklagten eingelegt zu haben, im Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei widerlegen können.

Die dem Senat verbleibenden Zweifel und die Ungewissheit gehen hier zulasten der Beklagten; denn diese trägt das Risiko einer non-liquet Situation, da ihr die objektive Beweislast für den streitigen Zugang der Abmahnung und damit zugleich das behauptete Fehlen einer Klageveranlassung obliegt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage durften aber die Kläger aus ihrer maßgeblichen Sicht davon ausgehen, dass die Beklagte, die auf das an sie ordnungsgemäß abgesandte Schreiben nicht reagierte, es auf einen Streit ankommen lassen wollte.

Insofern bleibt es somit aber bei dem Regelfall des § 91 ZPO, wonach der Beklagten die Verfahrenskosten aufzuerlegen sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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