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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.08.2006
Aktenzeichen: 10 W 52/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RPflG


Vorschriften:

BGB § 247
ZPO § 91
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 104 Abs. 3 S. 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 568 S. 1
ZPO § 569
RPflG § 11 Abs. 1
Zu den Voraussetzungen, unter denen prozessvorbereitende und prozessbegleitende Privatgutachten und Stellungnahmen (hier: eines Wirtschaftsberatungsunternehmens) im Kostenfeststellungsverfahren als notwendige Kosten zur Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung Berücksichtigung finden können.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 52/06 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 30. August 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau vom 13. Juli 2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die auf Grund des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 24. Januar 2006 von der Streitverkündeten an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Berufungsrechtszuges werden auf 13.550,38 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 20. März 2006 festgesetzt. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Gerichtskosten der Beschwerde in Höhe von 37,50 Euro.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 3/4 und die Streitverkündete zu 1/4.

Der Beschwerdewert beträgt 7.722,12 Euro.

Gründe:

I.

Das Landgericht Dessau - Rechtspflegerin - hat mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13. Juli 2006 die von der Streitverkündeten an die Klägerin zu erstattenden Kosten des Berufungsrechtszuges auf 11.552,86 Euro festgesetzt und zur Festsetzung beantragte Kosten in Höhe von 7.722,12 Euro abgesetzt. Bei diesem Betrag handelt es sich um Kosten, die der Klägerin durch die Beauftragung der B. AG mit der Erstellung von drei betriebswirtschaftlichen Kurzstellungnahmen erwachsen sind.

Gegen diese Absetzung wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde und legt dar, die Rechtspflegerin habe übersehen, dass für die Erstattungsfähigkeit der in Rede stehenden Kosten nicht die Steuerberatergebührenverordnung maßgeblich sei. Die Stellungnahmen der B. hätten nicht steuerrechtliche, sondern vielmehr betriebswirtschaftliche Fragestellungen zum Gegenstand gehabt. Auch habe die Rechtspflegerin zu Unrecht angenommen, die vorgelegten Rechnungen seien nicht nachprüfbar. Sie habe Beweis dafür angeboten, dass die gezahlten Honorare gerechtfertigt gewesen seien. Der Inhalt der drei Rechnungen sei nachprüfbar und nachvollziehbar.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 S.1 ZPO, 569 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig.

Die sofortige Beschwerde hat indes in der Sache nur teilweise Erfolg. Nach der Auffassung des Senats kann die Klägerin nur Ersatz der Kosten aus der Rechnung vom 1. März 2004 über 1.997,52 Euro beanspruchen. Die Kosten der Rechnungen vom 15. Juli 2004 und vom 8. Februar 2006 über 2.192,40 Euro und über 3.532,20 Euro kann die Klägerin nicht ersetzt verlangen.

Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die im Verfahren unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Hierzu gehören auch die Kosten, die dem Prozessgegner erwachsen sind, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren, wobei dies aus der Sicht einer verständigen Prozesspartei beurteilt werden muss. Es muss sich um Kosten handeln, die eine verständige Partei unter Berücksichtigung der objektiv gegebenen Prozesslage sinnvoller Weise aufwendet, um den von ihr verfolgten Zweck eines Obsiegens zu erreichen. Denn es muss einer Partei zugestanden werden, dass sie alle die Maßnahmen vornimmt und damit auch alle die Kosten aufwendet, die in einer bestimmten Prozesslage für eine verständige Partei sachlich geboten erscheinen, um den Prozesserfolg zu erreichen. Nach diesen Grundsätzen sind nach § 91 ZPO von der unterliegenden Partei der obsiegenden Partei auch die tatsächlich gemachten Aufwendungen für ein von einem Sachverständigen erstelltes Privatgutachten zu erstatten, wenn das Gutachten zur sachgerechten Wahrnehmung des Interesses der Partei am Obsiegen im Prozess erforderlich gewesen ist und die gemachten Aufwendungen zur Erlangung dieses Gutachtens notwendig waren.

Vorliegend sind zu Gunsten der Klägerin unter Berücksichtigung dieser Erwägungen nur die Kosten der ersten gutachterlichen Stellungnahme, die die B. Aktiengesellschaft (im Folgenden B. genannt) im Auftrag der Klägerin unter dem 26. Februar 2004 erstellt hat, zu ersetzen. Bei dieser betriebswirtschaftlichen Kurzstellungnahme geht der beschließende Senat davon aus, dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung gegen die Berufung der Streitverkündeten aus Sicht der Klägerin geboten war. Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hatte in dem Hinweisbeschluss vom 28. Oktober 2003 und zuvor in der mündlichen Verhandlung vom 30. September 2003 zum Ausdruck gebracht, dass es bei der Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblich auf die Vermögensverhältnisse der Streithelferin und auf eine etwaige Verantwortlichkeit der Klägerin für diese ankommen würde. Die Streitverkündete machte in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 15. Januar 2004 über nahezu 19 Seiten Ausführungen zu ihren Vermögensverhältnissen, zu einem etwaigen Vermögensverfall und zu der Möglichkeit, Kredite für die Fortführung ihres Unternehmens erlangen zu können. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass es sich bei der Klägerin um eine Körperschaft öffentlichen Recht handelt und einem Rechtsanwalt gewisse Grundkenntnisse in wirtschaftlichen Fragen - jedenfalls zum grundlegenden Verständnis eines Parteivortrags - unterstellt werden können, war es aus Sicht der Klägerin in Ansehung des Vortrags der Streitverkündeten vom 15. Januar 2004 angemessen, ein Wirtschaftsberatungsunternehmen mit der Unterstützung im Hinblick auf die Fertigung eines angemessenen Gegenvortrags zu beauftragen. Die Firma B. hat mit der gutachterlichen Stellungnahme vom 28. Februar 2004 letztlich eine Bilanzanalyse des Jahresabschlusses des Unternehmens der Streitverkündeten vorgenommen, um durch Feststellung der betriebswirtschaftlichen Ausgangsparameter des Unternehmens der Streitverkündeten, insbesondere der Liquiditätsanalyse, zu überprüfen, inwieweit eine Kreditwürdigkeit gegeben war.

Auch der Höhe nach begegnet die für die genannten Leistungen der B. erteilte Rechnung vom 1. März 2004 keinen Bedenken. Ausgehend von einem Stundensatz von 105,00 Euro netto, der sich unter Heranziehung der beiden weiteren Rechnungen ergibt, errechnen sich insgesamt 16,4. Sowohl die Höhe des Stundensatzes als auch die Gesamtstundenanzahl begegnen für die Tätigkeit, die ein Wirtschaftsprüfer für die Erstellung der Stellungnahme vom 26. Februar 2004 aufwenden musste, keinen Bedenken. Erwähnt sei noch, dass bereits das JVEG für die gutachterliche Tätigkeit im Rahmen der Unternehmensbewertung einen Stundensatz von 95,00 Euro vorsieht.

Demnach ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss um einen Betrag in Höhe von 1.997,52 Euro zu Gunsten der Klägerin abzuändern.

Die Festsetzung weiterer Kosten für die beiden weiteren gutachterlichen Stellungnahmen der B. vom 8. Juli 2004 und vom 6. Januar 2006 kommt indes nicht in Betracht.

Entsprechend den obigen Ausführungen sind die Kosten eines vor oder während eines Rechtsstreits eingeholten Privatgutachtens oder die Kosten von hier in Rede stehenden gutachterlichen Stellungnahmen nur ausnahmsweise erstattungsfähig, nämlich dann, wenn eine ausreichende Grundlage für den Parteivortrag nur durch einen Sachverständigen beschafft werden konnte, das Gutachten also zur Durchführung des mit der Klage verfolgten Anspruches erforderlich war (Zöller/Herget, ZPO, 25. Auflage, § 91 Rn. 13 "Privatgutachten"). Insbesondere bei prozessbegleitenden Gutachten, um die es hier geht, ist ein strenger Maßstab an die Notwendigkeit der Beauftragung eines Sachverständigen anzulegen (Zöller/Herget, a.a.O.; OLG Koblenz, JurBüro 1992, 475; OLG Stuttgart, NJW-RR 1996, 255 ). Denn in diesem Verfahrensstadium ist es primär Sache des Gerichts, die erforderlichen Beweise einzuziehen (MünchKomm/Belz, ZPO, § 91 Rn. 55; Schneider; Die Erstattungsfähigkeit der Kosten für Privatgutachten, MDR 1965, 963). Kosten für private Gutachten dürfen daher im Kostenfestsetzungsverfahren nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, u.a. wenn die Sachkunde der Partei für die tatsächliche Erfassung des Sachverhaltes nicht ausreicht (schwierige technische, medizinische und wirtschaftliche Fragen), die zur Anspruchsbegründung/Verteidigung erforderlichen Tatsachen von einem Sachverständigen beschafft werden müssen (z.B. Marktumfrage) oder eine fachunkundige Partei einem Gegner gegenübersteht, der entweder sachkundig ist, oder selber Privatgutachten eingeholt hat ("Waffengleichheit").

Diese Voraussetzungen sind für die beiden weiteren gutachterlichen Stellungnahmen, die die Firma B. im Auftrag der Klägerin erstellt hat, nicht gegeben.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits war - wie ausgeführt - in erster Linie von Relevanz, wie sich die Vermögensverhältnisse der Streithelferin entwickelt hatten und ob Vermögensverfall angenommen werden konnte. Aufgabe der Klägerin war es in diesem Zusammenhang die für die Vermögensverhältnisse und den Vermögensverfall maßgebliche Tatsachen vorzulegen. Es ist kein Grund ersichtlich und von der Klägerin dargelegt worden, die den Schluss darauf ermöglichen könnte, dass sie den hierfür erforderlichen Vortrag - nach dem Vorliegen der ersten gutachterlichen Stellungnahme - nur mit Hilfe eines Wirtschaftsprüfers oder Steuerberaters ergänzen konnte. Aufgabe der Klägerin war es ferner nicht, den Beweis für den Vermögensverfall und die nicht gegebene Kreditwürdigkeit der Streitverkündeten zu führen, sondern die Tatsachen hierfür vorzutragen; Beweiserhebungen oblagen dem Gericht. Insofern waren die Bemühungen der Klägerin, mit der zweiten gutachterlichen Stellungnahme vom 8. Juli 2004 die erste gutachterliche Stellungnahme zu rechtfertigen, überflüssig.

Das Gleiche gilt für die dritte gutachterliche Stellungnahme. Diese erfolgte, nachdem das Oberlandesgericht durch den ausführlichen Prozesskostenhilfebeschluss vom 3. August 2005 die Sach- und Rechtslage für alle Prozessbeteiligten ausführlich dargelegt hatte. Insofern ist nicht nachzuvollziehen, wieso die Klägerin nochmals eine Rechtfertigung ihrer Darstellung der betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Streitverkündeten unternommen hat. Hätte der seinerzeit für die Entscheidung des Berufungsrechtsstreits zuständige Senat diesbezüglich Aufklärungsbedarf gesehen, wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten gewesen. Diesbezüglich bedurfte es einer Tätigkeit eines von der Klägerin beauftragten externen Wirtschaftsprüfers nicht.

Auch aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit lässt sich vorliegend keine Pflicht zur Kostenerstattung herleiten.

Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde der Klägerin vollumfänglich zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht folgt aus § 92 Abs.1 ZPO, 1 GKG sowie Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG.

Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 2, 3 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (§ 574 Absätze 2 und 3 ZPO).

Ende der Entscheidung

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