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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 09.11.2005
Aktenzeichen: 10 W 63/05
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 61 Abs. 1 S. 1
Zu den Anforderungen, die an die Anwendung der Regelungen der Rechtsanwaltsvergütungsordnung gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG nach der Übergangsregelung zu stellen sind.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 63/05 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 9. November 2005 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Mertens als Einzelrichterin

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Dessau vom 15. September 2005 betreffend die Kosten des ersten Rechtszugs wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.094,20 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Landgericht Dessau - Rechtspfleger - hat die von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszugs mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15. September 2005 auf 29.330,00 Euro festgesetzt. Dabei hat er entsprechend dem Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten vom 26. Mai 2005 Gebühren gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berücksichtigt. Hätte er die Gebühren nach der BRAGO festgesetzt, hätte sich der festzusetzende Betrag nur auf 19.235,80 Euro belaufen (9.581,40 Euro + 9.581,40 Euro Gebühren + 20,00 Euro Auslagenpauschale + 53,00 Euro Reisekosten).

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde und legt dar, der Rechtspfleger habe fehlerhaft die Vorschriften des RVG angewandt, denn der unbedingte Auftrag zur Vertretung der Beklagten im Rechtsstreit sei schon vor der Klageerhebung erteilt worden.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 568 S. 1 ZPO, 569 Abs. 1, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Es ist nicht zu beanstanden, dass der Rechtspfleger zugunsten der Beklagten von der Anwendung der Regelungen des RVG ausgegangen ist. Gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 RVG sind die Regelungen der BRAGO weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Die Klageerhebung erfolgte vorliegend erst im September 2004, so dass die letztgenannten Voraussetzungen nicht in Betracht kommen. Insofern kommt es darauf an, ob die außergerichtliche und vorprozessuale Tätigkeit, die die Prozessbevollmächtigten der Beklagten vorliegend unstreitig auch schon vor dem 1. Juli 2004 entfaltet haben, auf eine unbedingte Beauftragung schließen lassen. Allerdings stellen sich Aufträge zur außergerichtlichen Tätigkeit und eventueller Prozessführung als unbedingten Auftrag zur außergerichtlichen Tätigkeit und als bedingten (bedingt durch das Scheitern außergerichtlicher Verhandlungen) Auftrag zur Prozessführung dar (vgl. auch Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 16. Auflage, § 60 RVG, Rn. 7; Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, § 60 RVG, Rn. 8; OLG Bamberg, JurBüro 1989, 497 f.; OLG Saarbrücken, JurBüro 1996, 190).

Es sind vorliegend auch unter Berücksichtigung des vorprozessualen Schriftverkehrs keine Umstände dafür ersichtlich, dass die Beklagte ihre Prozessbevollmächtigten bereits vor dem 1. Juli 2004 unbedingt mit der Vertretung in einem gerichtlichen Verfahren beauftragt hat, das erstens noch nicht anhängig war und das zu dieser Zeit keinesfalls schon zwingend zu erwarten war. Gegenstand des von der Klägerin vorgelegten anwaltlichen Schreibens vom 7. März 2003 waren Forderungen aus einer Abschlags- bzw. Teilrechnung der Klägerin. Die Beklagte begehrte mit dem genannten Schreiben ausdrücklich noch die Erfüllung der vertraglichen Pflichten der Klägerin. Eine Klageerhebung stand noch in keiner Weise im Raum. Seit dem Schreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2003 ging es zunächst unter anderem darum, die Forderungen der Klägerin aus der zwischenzeitlich vorgelegten Schlussrechnung einer Überprüfung zu unterziehen, da die Beklagte bei Nichtzahlung die Klageerhebung erwartete. Keinesfalls war sich die Beklagte aber zu dieser Zeit schon sicher, dass sie nicht zahlen und eine Klageerhebung folgen würde. Ansonsten hätte ja eine Überprüfung der klägerischen Forderung auch keinen Sinn gemacht. Auch dem Schreiben der Klägervertreter vom 22. Juli 2004 ist zu entnehmen, dass jedenfalls zu dieser Zeit noch kein endgültiges Scheitern der Vergleichsverhandlungen angenommen werden konnte; andernfalls wäre die erneute Fristsetzung überflüssig gewesen.

Ferner kann unterstellt werden, dass die Beklagte im Falle einer Klageerhebung durch die Klägerin nicht beabsichtigte, ein andere Kanzlei mit der Wahrnehmung ihrer Rechte in einem etwaigen Rechtsstreit zu beauftragen. Solange ein solcher noch nicht unabwendbar zu erwarten war, war die Bedingung für die Beauftragung der gerichtlichen Vertretung nämlich noch nicht eingetreten.

Schließlich kann auch die Mitteilung des Vorhandenseins einer Zustellungsbevollmächtigung im Falle einer Klageerhebung nicht das Vorliegen eines schon unbedingten Auftrags der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vor dem 1. Juli 2004 begründen.

Sonstige Gründe, welche der sofortigen Beschwerde der Klägerin zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO, 1 GKG i.V.m. Nr. 1811 KV. Die Wertfestsetzung folgt aus §§ 2, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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