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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 10.10.2006
Aktenzeichen: 10 W 72/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
ZPO § 404
ZPO § 406 Abs. 1
ZPO § 406 Abs. 1 S. 1
ZPO § 406 Abs. 2
ZPO § 406 Abs. 2 S. 1
ZPO § 406 Abs. 2 S. 2
ZPO § 406 Abs. 5 2. HS
ZPO § 408 Abs. 3
ZPO § 412
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 569
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger auch bei harter Kritik an seiner Tätigkeit durch eine Partei seine Neutralität und sachliche Unabhängigkeit bewahrt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 72/06 OLG Naumburg

In der Beschwerdesache

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, die Richterin am Oberlandesgericht Mertens und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel

am 10. Oktober 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Stendal vom 18. August 2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird mit 28.688,90 Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Ausgangsprozess nimmt die Klägerin die Beklagten als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers im Zusammenhang mit einer TVT-Implantation in Anspruch.

Mit Beweisbeschluss vom 17. November 2004 hat das Landgericht die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens wegen des streitigen Behandlungsfehlers angeordnet und mit weiteren Beschluss vom 14. Januar 2005 den von der Ärztekammer Sachsen-Anhalt vorgeschlagenen Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde der Kreiskliniken A. Dr. med. H. zum Sachverständigen bestellt. Dieser hat sein Gutachten unter dem 26. April 2005 erstattet.

Wegen des Inhalts wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 26. April 2005 Band II Blatt 123 bis 130 d. A. Bezug genommen.

Die Klägerin hat das Gutachten des Sachverständigen inhaltlich angegriffen und den Sachverständigen erstmals mit einem am 08. Juni 2005 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Landgericht hat das Befangenheitsgesuch der Klägerin mit Beschluss vom 12. September 2005 als unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 25. Oktober 2005 (Geschäftszeichen 10 W 53/05), auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Der Sachverständige hat am 18. Januar 2006 sowie nach Vorlage der Originalkrankenunterlagen am 18. April 2006 zu den Einwendungen der Klägerin gegen sein Gutachten ergänzend Stellung genommen.

Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2006 hat sich die Klägerin erneut gegen die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen gewandt. Sie hält den Sachverständigen - auch wegen der Nähe zu den Beklagten - für schlicht überfordert und hat insbesondere beanstandet, dass der Sachverständige bislang versäumt habe, seine Feststellungen aus dem Erstgutachten zu der atypischen Lage des Darms zu erläutern. Sie hat zudem die Vermutung geäußert, dass der Sachverständige die Krankenakte nicht vollständig studiert habe, da er von dem Aufnahmedatum 28. Februar 2003 gesprochen habe.

Der Sachverständige hat sich in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 28. Juni 2006 erneut mit den Einwendungen der Klägerin auseinander gesetzt. Dabei hat er unter anderem ausgeführt, dass die Beurteilung der Lage des Darms, wie in seinem Gutachten geäußert, nicht zu beweisen sei, da der OP ein nicht visuelles Verfahren zugrunde liege; die ärztliche Dokumentation der Operation lasse die Vermutung zu, dass praeexistente Verwachsungen bestanden hätten.

Wegen der Einzelheiten wird auf die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 28. Juni 2006 - Band III Blatt 92 d. A. - Bezug genommen.

Mit dem am 14. Juli 2006 bei dem Landgericht Stendal eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin den Sachverständigen Dr. med. H. erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie meint, die Ausführungen des abgelehnten Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2006 belegten, dass er dem Rechtsstreit und insbesondere der Klägerin nicht unvoreingenommen gegenüber stehe. Die Anmerkung in dem Ergänzungsgutachten, dass "eine Beurteilung der Lage des Darms" nicht zu beweisen sei, dokumentiere, dass der Sachverständige in seinem Erstgutachten "phantasiert" und seine Feststellungen zur atypischen Lage des Darms auf reine Mutmaßungen gestützt habe. Die Klägerin habe daher jegliches Vertrauen in die Neutralität des Sachverständigen verloren, zumal er nicht offenbart habe, dass es sich bei seinen Ausführungen zu der Anormalie der Darmposition lediglich um eine bloße Vermutung gehandelt habe. Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen sei auch deshalb begründet, weil der Sachverständige offensichtlich seinen Fehler dadurch zu beschönigen versuche, dass er nunmehr ohne nähere Erläuterung das Vorliegen von Verwachsungen anführe. Der Sachverständige müsse schließlich auch deshalb abgelöst werden, weil er sich zur Auswertung der chirurgischen Protokolle nicht in der Lage zeige.

Der Sachverständige hat sich unter dem 28. August 2006 zu dem Ablehnungsgesuch schriftlich geäußert.

Mit dem am 18. August 2006 ergangenen Beschluss hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts das erneute Ablehnungsgesuch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin ihre Ablehnung erneut im wesentlichen auf Gründe stütze, die die Qualität des Gutachtens sowie die Qualifikation des Sachverständigen betreffen würden. Bedenken gegen die Sachverständigenqualifikation seien im Rahmen der §§ 404, 412 ZPO zu berücksichtigen, stellten jedoch keinen gesetzlichen Ablehnungsgrund dar.

Gegen diesen, der Klägerin am 25. August 2006 zugestellten Beschluss hat die Klägerin mit einen am 01. September 2006 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.

Sie ist der Meinung, dass der Beschluss des Landgerichts dem Anliegen der Klägerin nicht gerecht werde. Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens trägt sie vor, dass sie ihren Ablehnungsantrag auf die in dem gutachterlichen Ausführungen erkennbar gewordene Böswilligkeit des Sachverständigen stütze; denn dieser habe in seinem Gutachten willkürlich eine Aussage aufgestellt, ohne sie belegen zu können und ohne dass er darauf hingewiesen habe, dass es sich um eine bloße Vermutung handele. Die böswillige Tendenz des Sachverständigen ergebe sich zudem aus seinem plötzlichen Hinweis auf mögliche Verwachsungen. Auch bei seinen Ausführungen zur Steinschnittlage werde deutlich, dass der Sachverständige einseitig zu Lasten der Klägerin begutachte.

Das Landgericht hat am 19. September 2006 beschlossen, der sofortigen Beschwerde der Klägerin nicht abzuhelfen und das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen.

B.

Die nach § 406 Abs. 5 2. HS ZPO in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I.

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist zulässig; es ist insbesondere rechtzeitig im Sinne des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO angebracht worden. Gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ist die Sachverständigenablehnung zu einem späteren als dem in § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO genannten Zeitpunkt - zwei Wochen nach Verkündung oder Zustellung des Beschlusses - zulässig, wenn der Gesuchsführer glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Wird die Befangenheit aus einem schriftlichen Gutachten hergeleitet, so muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens gestellt werden, wobei der antragstellenden Partei eine Prüfungs- und Überlegungsfrist zuzubilligen ist (vgl. BGH NJW 2005, 1869; OLG Celle NJW-RR 2003, 135; OLG Nürnberg, Beschluss vom 12. Juni 2006, 5 W 980/06 zitiert nach juris m.w.N.). Die Klägerin leitet ihr neuerliches Ablehnungsgesuch aus der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 28. Juni 2006 ab, welches der Klägerin am 06. Juli 2006 zugestellt wurde. Sie hat insoweit dargelegt, dass sie erst aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen in dessen Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2006 erfahren habe, dass die Feststellungen zu der atypischen Lage des Darms in dem ursprünglichen Gutachten vom 26. April 2005 nicht auf einer fundierten Tatsachenbasis gestützt seien, sondern auf einer Vermutung beruhten. Soweit aber die Klägerin ihre Ablehnung auf Tatsachen stützt, die ihr erstmals aufgrund der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen zur Kenntnis gelangt sind, kann das erneute Ablehnungsgesuch nicht als verspätet im Sinne des § 406 Abs. 2 ZPO bewertet werden, selbst wenn hierdurch zugleich Ausführungen des Sachverständigen in seinem ersten Gutachten zu der atypischen Lage des Darms angegriffen werden.

Eine Pflicht, Nachforschungen hinsichtlich der Unparteilichkeit der Sachverständigen anzustellen, bei deren Versäumung das Ablehnungsrecht verloren ginge, besteht nicht; die fahrlässige Unkenntnis von dem Ablehnungssachverhalt steht der Kenntnis mithin nicht gleich (vgl. Damrau in Münchener Kommentar, ZPO, § 406 ZPO Rdn. 7).

II.

Das Landgericht hat das gegen den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. med. H. erneut gerichtete Ablehnungsgesuch der Klägerin jedoch zu Recht für unbegründet erachtet.

Denn die Klägerin hat auch in ihrem wiederholten Ablehnungsgesuch keine ausreichenden Gründe vorgetragen und nach § 408 Abs. 3 ZPO glaubhaft gemacht, die geeignet erscheinen, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen Dr. med. H. zu begründen (§ 406 Abs. 1 S. 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 1 ZPO).

1. Ein gerichtlich bestellter Sachverständiger kann nach § 406 Abs. 1 S. 1 ZPO aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Die Ablehnung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen setzt nicht voraus, dass der Sachverständige tatsächlich parteilich ist oder das Gericht selbst Zweifel an der Unvoreingenommenheit und sachlich-objektiven Haltung des Sachverständigen hegt. Für die Besorgnis der Befangenheit genügt vielmehr der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit. Maßgebend dafür ist allerdings die objektive Sicht einer vernünftig und verständig urteilenden Partei, es ist ein sog. parteiobjektiver Maßstab anzulegen (vgl. OLG Köln VersR 1992, 849, 850; OLG Klön VersR 1992, 517/518; OLG Koblenz NJW-RR 1992, 1470, 1471; OLG Rostock OLGR Rostock 2002, 79 - 80 zitiert nach juris; OLG Celle NJW-RR 1996, 1086 - 1088 zitiert nach juris; Damrau in Münchener Kommentar, ZPO, § 406 ZPO Rdn. 4; Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 406 ZPO Rdn. 8). Dementsprechend müssen objektive Gründe vorliegen, die von dem Standpunkt eines ruhig und besonnen denkenden Verfahrensbeteiligten nach Würdigung sämtlicher Umstände des Falles Anlass zu der Befürchtung geben, der Sachverständige stehe dem Streit der Parteien nicht neutral gegenüber und werde sein Gutachten nicht unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten (vgl. OLG Koblenz NJW-RR 1992, 1470, 1471; OLG Rostock OLGR Rostock 2002, 79 - 80 zitiert nach juris).

2. Bei Anlegung dieses Beurteilungsmaßstabes erweist sich auch das erneute Ablehnungsgesuch der Klägerin als nicht gerechtfertigt.

a) Die Angriffe der Klägerin gegen den Inhalt des Gutachtens und der hierzu angefertigten ergänzenden Stellungnahmen bieten bei der gebotenen ruhigen und besonnenen Betrachtung keinen objektiven Grund zur Ablehnung.

aa) Insbesondere vermag der Vorwurf der Klägerin, der Sachverständige habe seine Voreingenommenheit dadurch demonstriert, dass er in seinem Erstgutachten vom 26. April 2005 die atypische Lage des Darms als eine feststehende Tatsache dargestellt habe, ohne dabei zu offenbaren, dass seinen Ausführungen hierzu keine gesicherten Erkenntnisse zugrunde gelegen hätten, und dass er erst in seinem Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2006 - auf nachhaltiges Insistieren der Klägerin - davon abgerückt sei, nicht zu überzeugen und kann insbesondere auch aus der verständigen Sicht der Klägerin eine Ablehnung nach § 406 Abs. 1 ZPO nicht begründen.

(1) Soweit sich die Klägerin auf eine Fehlerhaftigkeit und Unzulänglichkeit des Gutachtens beruft, vermag dies eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen. Mängel des Gutachtens, Unzulänglichkeiten oder die Fehlerhaftigkeit mögen das Gutachten zwar inhaltlich entwerten und sind im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zweifellos zu berücksichtigen, sie können jedoch nicht für sich betrachtet die Ablehnung des Sachverständigen begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 05. November 2002, X ZR 178/01 zitiert nach juris; OLG Celle NJW-RR 2003, 135; OLG München Rpfleger 1980, 303; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl. § 406 ZPO Rdn. 9 m.w.N.). Das Ablehnungsverfahren dient nicht dazu, sich gegen ein für unrichtig erachtetes Gutachten des Sachverständigen zu wehren. Die Befangenheitsablehnung ist nämlich kein Instrument der Verfahrens- oder Fehlerkontrolle (vgl. BGH NJW 2002, 2396 - 2397 zitiert nach juris; OLG Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2003, 362, 363; OLG Frankfurt NJW 2004, 621; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 28). Bei Bedenken gegen die Richtigkeit des Gutachtens sieht das Gesetz vielmehr das Verfahrensinstrumentarium des § 412 ZPO vor: Erachtet das Gericht das Gutachten des Sachverständigen für ungenügend und wenig überzeugend, so kann es eine neue Begutachtung durch denselben oder aber einen anderen Gutachter beschließen. Für eine Ablehnung nach § 406 ZPO ist daneben kein Raum. Der Klägerin ist es im übrigen unbenommen geblieben, die gutachterlichen Feststellungen - auch ohne Ablehnung des Sachverständigen - bis zur letzten mündlichen Verhandlung inhaltlich anzugreifen und alles geltend zu machen, um die Unzuverlässigkeit, die Unglaubwürdigkeit sowie Unrichtigkeit des Gutachtens darzutun oder auf eine Ergänzung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. med. H. im Hinblick auf ihre Beanstandungen hin zu wirken (vgl. OLG München Rpfleger 1980, 303; OLG Celle NJW-RR 2003, 135).

(2) Die Besorgnis der Befangenheit ist allerdings dann bei einem für fehlerhaft erachteten Gutachten gerechtfertigt, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die Unzulänglichkeit und Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Sachverständigen gegenüber einer Partei oder auf Willkür beruht (vgl. BGH NJW 2002, 2396 - 2397; OLG Saarbrücken OLGR Saarbrücken 2003, 362, 363; OLG Frankfurt NJW 2004, 621; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 28).

Dafür bestehen hier indessen keine Anhaltspunkte. Es kann nicht die Rede davon sein, dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. H. so grob fehlerhaft erscheint, dass es das Gepräge eines willkürlichen Handelns trägt. Insbesondere lassen auch die von der Klägerin angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen zu der atypischen Lage des Darms diese Wertung nicht zu.

Weder das Vorgehen des Sachverständigen noch seine gutachterlichen Ausführungen entbehren einer ausreichenden fachlichen Grundlage und entfernen sich von dem normalerweise geübten so sehr Verfahren, so dass sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängen müsste.

Die Tatsache, dass der Sachverständige in seinem Erstgutachten zunächst formuliert hat, dass es bei der Weichheit des Darms unwesentlich sei, "ob mit dem Instrument 1 mal oder 3-mal der Darm durch seine atypische Lage durchstoßen" werde, und in seinem Ergänzungsgutachten sodann in Beantwortung der Anfrage der Klägerin ergänzend ausgeführt hat, dass die Lage des Darms nicht nachgewiesen sei, zumal das Band mit einer nicht visuellen Methode angebracht worden sei, rechtfertigt nicht die Annahme, der Sachverständige habe seine die Klägerin benachteiligenden Angaben ins Blaue hinein gemacht und begegne den Beklagten mit unverhältnismäßigem Wohlwollen. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Sachverständige zu Ungunsten der Klägerin willkürlich haltlose Mutmaßungen angestellt habe, die jeglicher Tatsachenbasis entbehren.

Der Sachverständige hat vielmehr auf der Grundlage der von ihm ausgewerteten Krankenhausdokumentation und aller späteren Erkenntnisse mit seinem Fachwissen und seiner medizinischen Erfahrungen den Behandlungsverlauf und die Krankheitsanamnese der Klägerin zu rekonstruieren versucht, wobei ihm allein die Krankenhausunterlagen sowie die Verfahrensakte als Erkenntnisquelle zur Verfügung standen. Diese mögen zwar keinen zweifelsfreien Aufschluss über die Lage des Darms zulassen, dem Sachverständigen war aber aufgrund seines Erfahrungswissens durchaus möglich, die Darmsituation rückschauend zu beurteilen und ein Erklärungsmodell für die aufgetretenen Verletzungen zu entwerfen. Letzte Gewissheit über eine anormale Darmlage hätte der Sachverständige nämlich nur über eine OP erhalten können. (3) Den gutachterlichen Ausführungen sind auch im übrigen keine Anhaltspunkte, die auf eine einseitige Haltung und Parteilichkeit des Sachverständigen hinweisen könnten, zu entnehmen.

Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass der Sachverständige seine gutachterlichen Ausführungen in seinem Ergänzungsgutachten - insbesondere im Hinblick auf die Einwendungen der Klägerin - inhaltlich präzisiert, erläutert und im einzelnen zu verteidigen versucht hat. Dass er mit der Darlegung seiner Erkenntnisgrundlagen in dem Ergänzungsgutachten vom 28. Juni 2006 seine Ausführungen möglicherweise wiederum relativiert hat, spricht nicht für eine Parteilichkeit und Voreingenommenheit des Sachverständigen, sondern macht vielmehr deutlich, dass sich der Sachverständige seiner Verantwortung als neutraler Gehilfe des Gerichts bewusst ist und sich um eine gewissenhafte und richtige Begutachtung bemüht hat.

Der Sachverständige Dr. med. H. hat die einem Sachverständigen gezogenen Grenzen an keiner Stelle überschritten. Er ist mit seinen Feststellungen insbesondere nicht über den ihm erteilten Gutachtenauftrag hinaus gegangen, seine Bewertung ist vielmehr von dem Beweisbeschluss des Landgerichts gedeckt. Auch sein Umgang mit dem Prozessstoff und dem daraus von dem Gericht abgeleiteten Gutachtenauftrag ist nicht zu beanstanden und bietet insbesondere keinen Anlass für Misstrauen in seine Unparteilichkeit.

cc) Der pauschale Vorwurf der Böswilligkeit des Sachverständigen entbehrt jeglicher Grundlage und ist insbesondere nicht geeignet, ein Ablehnungsrecht nach § 406 ZPO zu begründen. Soweit die Klägerin behauptet, der Sachverständige habe "böswillig" den Eindruck entstehen lassen wollen, dass sein Gutachten auf gesicherten Erkenntnissen basiere, während dies hinsichtlich der Lage des Darms indessen gerade nicht der Fall gewesen sei, hat sie versäumt, im einzelnen konkret darzulegen, aus welchen Umständen sie Rückschlüsse auf die innere, "bösartige" Haltung des Sachverständigen zieht. Das Vorbringen der Klägerin erschöpft sich allein in dem durch nichts unterlegten, stark abwertenden Vorwurf der Böswilligkeit.

dd) Ebensowenig kann die Klägerin ihr Befangenheitsgesuch darauf stützen, dass der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten erstmals auf mögliche Verwachsungen im Bauchraum hingewiesen habe.

Dass sich der Sachverständige mit diesen Ausführungen in Widerspruch zu seinem Erstgutachten gesetzt habe, vermag der Senat schon nicht zu erkennen. Mögliche Verwachsungen hat er im übrigen bereits in seinem Gutachten vom 26. April 2005 angesprochen. So hat er unter Punkt 1) Buchstabe b) des medizinischen Gutachtens vom 26. April 2005 seinerzeit ausgeführt, dass es sich bei dem Darm um ein sehr weiches mobiles Organ handele, das eingeklemmt oder durch Verwachsungen fixiert sein könne. Auch dürften eine atypische Lage des Darms und die Möglichkeit von Verwachsungen durchaus auch nebeneinander möglich sein.

Der Senat vermag nicht zu erkennen, inwieweit die Ausführungen des Sachverständigen zu möglichen Verwachsungen im Bauchraum geeignet sein könnten, seine Unparteilichkeit bei der Erstattung des Gutachtens in Frage zu stellen.

b) Schließlich hat das Landgericht auch zu Recht in der angegriffenen Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin ihr Ablehnungsgesuch auch nicht auf die geltend gemachten Bedenken gegen die fachliche Qualifikation des Sachverständigen stützen kann. Fragen der Sachkunde und fachlichen Eignung des Sachverständigen sind für die nach § 404 ZPO durch das Gericht zu treffende Auswahl von Bedeutung, vermögen jedoch den Anschein einer Voreingenommenheit und Parteilichkeit des Sachverständigen nach § 406 Abs. 1 ZPO in keiner Weise zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 05. November 2002, X ZR 178/01 zitiert nach juris; Greger in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 406 ZPO Rdn. 9).

Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zudem ausgeführt hat, sieht das erkennende Gericht schließlich aber auch keine Anhaltspunkte, die nachhaltige Zweifel an der Eignung und Befähigung des Sachverständigen rechtfertigen könnten.

c) Letztlich vermag auch der Umstand, dass die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten das Gutachten und damit auch den abgelehnten Sachverständigen hart kritisiert hat, eine Befangenheit nicht zu begründen. Kritik an der Gutachtentätigkeit und an dem Verhalten des Sachverständigen ist in einem Zivilprozess ein übliches Phänomen, wobei es mitunter auch zu harten Vorwürfen kommt. Zu dem Amt des Sachverständigen gehört es, mit solcher Kritik in einer Weise umzugehen, dass er die ihm abverlangte Neutralität und sachliche Unabhängigkeit auch innerlich bewahrt. Damit soll nicht geleugnet werden, dass massive Kritik nicht selten, seelische Reaktionen auslöst, die den Willen zur Unparteilichkeit und Objektivität zu schaffen macht. Aufgabe des am Prozessgeschehen beteiligten Sachverständigen ist es dann, seine unvermeidlichen ersten inneren Reaktionen unverzüglich unter Kontrolle zu bringen und seine innere Unabhängigkeit und Neutralität wieder zu gewinnen. Dieses Verständnis von der Rolle des Sachverständigen im Spannungsverhältnis der Kritik und der Angriffe auf sein Verhalten gehört auch zu dem Horizont einer objektiv und vernünftig denkenden Partei (vgl. zu § 42 ZPO: OLG Saarbrücken NJW-RR 1994, 763, 767).

Dafür, dass der abgelehnte Sachverständige nicht in der Lage sein sollte, mit der gegen sein Gutachten geäußerten Kritik in der gebotenen Weise umzugehen und sich seine innere Unvoreingenommenheit zu bewahren, ist nach Aktenlage nichts ersichtlich.

Nach alledem sind genügend objektive Gründe, die einem am Verfahren Beteiligten bei vernünftiger und besonnener Würdigung aller Umstände des Falles Anlass bieten würden, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung der Sachverständigen Zweifel zu hegen, weder schlüssig dargetan noch ersichtlich.

Das Ablehnungsgesuch der Klägerin bleibt danach erfolglos.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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