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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 13.10.2006
Aktenzeichen: 10 W 79/06
Rechtsgebiete: StGB, ZPO, BGB


Vorschriften:

StGB § 263
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 406 Abs. 2 Satz 2
BGB § 121 Abs. 1 Satz 1
Befasst sich eine Partei zunächst schriftliche ausführlich mit inhaltlichen Fragen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, ist ein über eine Woche später bei Gericht eingegangenes Ablehnungsgesuch verspätet.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 79/06 OLG Naumburg

In dem selbstständigen Beweisverfahren

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Handke als Einzelrichter am 13. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau - Einzelrichterin - vom 05. September 2006 wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller halten den vom Gericht bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. S. B. für befangen.

Die Antragsteller begehren im Wege des selbstständigen Beweisverfahrens die Feststellung von Mängeln an einer Grenzwand und deren Ursachen. Sie vermuten in diesem Zusammenhang, dass die Mängel durch bauliche Veränderungen auf dem Nachbargrundstück hervorgerufen worden sind.

Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 23. Dezember 2004 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Der Sachverständige erstattete unter dem 01. November 2005 ein Gutachten.

Bereits in ihrer Stellungnahme vom 27. Januar 2006 haben die Antragsteller dem Sachverständigen Betrug im Sinne des § 263 StGB vorgeworfen und zu dem Gutachten in der Sache sehr umfangreich Stellung genommen.

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 17. März 2006 die mündliche Anhörung des Sachverständigen für den 07. Juni 2006 anberaumt. Der Sachverständige hat in Vorbereitung des Termins zu einigen Fragen der Antragsteller am 03. Mai 2006 schriftlich Stellung genommen. In diesem Schreiben heißt es u. a. wörtlich:

"Die Verfugung der Grenzwand an der Außenseite ist analog möglich (sh. Gutachten 4.2.2). Allerdings gibt es offenbar Schwierigkeiten, weil Herr W. den Zutritt zu seinem Grundstück verweigert. Aus welchem Grunde er dies tut, ist mir nicht bekannt, aber insofern verwunderlich, als er einerseits die Beseitigung dieses Zustandes fordert, andererseits jedoch die Realisierung behindert.

Auf Grund des geltend gemachten Nachbarschaftsrechtes kann die Duldung solcher Arbeiten auf dem Rechtswege erzwungen werden. Problematisch ist jedoch die nicht bekannte Tragsicherheit der zu begehenden Anbauten des Nachbargrundstücks Nr. 1, da bei den Reparaturarbeiten auch ein Kalkkasten und in einigen höheren Wandbereichen Bockgerüste aufgestellt werden müssen." (vgl. Bd. I Bl. 207 d. A.).

Zu der insgesamt 1 1/2 Seiten umfassenden Stellungnahme des Sachverständigen haben die Antragsteller mit Schreiben vom 24. Mai 2006 auf insgesamt 85 Seiten Stellung genommen.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 02. Juni 2006 haben sie dann ihr Ablehnungsgesuch vorgebracht. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Sachverständige mit der zitierten Passage ohne jegliche Einschränkung die Ausführungen der Gegenseite übernehme. Der Sachverständige bringe unmissverständlich den Vorwurf rechtsmissbräuchlichen bzw. treuwidrigen Verhaltens gegenüber den Antragstellern zum Ausdruck. Außerdem erteile der Sachverständige Rechtsberatung gegenüber der Antragsgegnerin, indem er behaupte, die Duldung solcher Arbeiten könne gerichtlich erzwungen werden.

Der Sachverständige hat zu den Vorwürfen mit Schriftsatz vom 19. Juni 2006 Stellung genommen. Die Antragsteller sehen die Befürchtung der Befangenheit durch diese Stellungnahme bestätigt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 05. September 2006 das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass das Gesuch bereits verspätet im Sinne des § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO analog eingereicht worden sei. Im Übrigen sei es auch unbegründet. Die Antragsteller haben gegen den ihnen am 05. September 2006 zugegangenen Beschluss am 19. September 2006 sofortige Beschwerde erhoben. Sie wiederholen und vertiefen darin ihre Auffassung.

Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 04. Oktober 2006 nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung dem Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Das Ablehnungsgesuch der Antragsteller ist bereits unzulässig, weil es verspätet eingelegt worden ist.

a) Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen - wie hier - erst nach dessen Bestellung, so ist der Ablehnungsantrag nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO unverzüglich im Sinne von § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB zu stellen, d. h. ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntniserlangen vom Ablehnungsgrund. Wird ein Sachverständiger auf Grund des Inhalts seines Gutachtens bzw. auf Grund der darin enthaltenen Äußerung wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, so muss der Ablehnungsantrag unverzüglich nach Kenntnis des Gutachtens gestellt werden, wobei der Partei eine den Umständen des Falles angepasste Prüfung und Überlegungsfrist zuzubilligen ist. Dies ist einhellige Auffassung in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Frankfurt/Main, OLGR Frankfurt 1998, 181 sowie 95, 139 f.; OLG München, OLGR München 1994, 237 f. sowie 2000, 211 f.; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 470 f.; OLG Köln, OLGR Köln 1995, 147; OLG Rostock, OLGR Rostock 1997, 42 f.; Thüringer OLG, OLGR Jena 2000, 113 ff.; Brandenburgisches OLG, OLGR Brandenburg 2000, 275 bis 278; ebenso Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 406 Rn. 11 m. w. N.). Als angemessene Überlegungsfrist ist grundsätzlich eine Zeit von wenigen Tagen ausreichend; jedenfalls entspricht diese Frist nicht der vom Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Inhalt des Gutachtens, da die Geltendmachung des Ablehnungsgrundes eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens gerade nicht erfordert (OLGR München 1994, 237 f.; OLGR Jena 2000, 113, 115 f.). Dem liegt das Bestreben um eine beschleunigte Durchführung gerichtlicher Verfahren zu Grunde, die bei Fristversäumung zu einem Ausschluss des Ablehnungsrechts führt.

b) Nach diesen Maßstäben war das Ablehnungsgesuch der Antragsteller hier verspätet. Nach eigenen Angaben ging ihnen die Stellungnahme des Gutachters vom 03. Mai 2006 bereits am 10. Mai 2006 zu. Sie haben sich mit dieser Stellungnahme eingehend auseinandergesetzt, wie der außerordentlich umfangreiche Schriftsatz (85 Seiten!) vom 24. Mai 2006 eindrucksvoll bekundet. Außerdem hatten sie dem Gutachter bereits mit Schriftsatz vom 27. Januar 2006 Betrug vorgeworfen. Demnach hatten sie bereits zu diesem Zeitpunkt Bedenken nicht nur gegen die Qualifikation, sondern auch gegen die Unparteilichkeit des Gutachters. Jedenfalls ist kein Grund ersichtlich, warum der Ablehnungsantrag nicht bereits mit dem Schriftsatz vom 24. Mai 2006 vorgebracht werden konnte.

2. Lediglich ergänzend verweist der Senat darauf, dass dem Ablehnungsgesuch auch in der Sache kein Erfolg beschieden gewesen wäre.

Ein objektiver Grund, der bei vernünftiger Betrachtung aus der Sicht der Antragsteller diese Besorgung hätte rechtfertigen können, liegt hier - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens - nicht vor. Der Senat verweist insoweit auf die ebenso kurzen wie zutreffenden Ausführungen des Landgerichts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats gemäß §§ 2, 3 ZPO, auch im Zwischenverfahren über die Sachverständigenablehnung nach dem Wert der Hauptsache (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., Rn. 16, Stichwort "Ablehnung"). Die Antragsteller haben in der Antragsschrift diesen Wert mit 10.000,00 EUR bezeichnet. Mangels weiterer Anhaltspunkte bringt der Senat diesen Betrag in Ansatz.

Ende der Entscheidung

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