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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 10 W 86/06 (Hs)
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 42 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 3
ZPO § 46 Abs. 2 2. HS
ZPO § 139
ZPO § 278
ZPO § 278 Abs. 1
ZPO § 348
ZPO § 348 a
ZPO § 349 Abs. 2
ZPO § 349 Abs. 3
ZPO § 349 Abs. 4
ZPO § 567 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO § 568 Abs. 1 S. 1
ZPO § 569 Abs. 1
GVG § 122
Reagiert ein Richter in der mündlichen Verhandlung auf die Erwartung einer Partei, im Rechtsstreit vollumfänglich zu obsiegen, mit den Worten: "Da werden Sie sich aber wundern", rechtfertigt dies für sich betrachtet noch nicht den Vorwurf der Befangenheit.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

10 W 86/06 (Hs) OLG Naumburg

In der Beschwerdesache

hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Schubert, den Richter am Oberlandesgericht Handke und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel

am 30. November 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Magdeburg vom 28. August 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass das Ablehnungsgesuch des Beklagten als unbegründet abgewiesen wird.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Gründe:

A.

In dem dem Ablehnungsverfahren zugrunde liegenden Hauptsacherechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung restlichen Werklohns aus einem Bauvertrag über eine Dachneueindeckung an dem Wohnhaus des Beklagten in Anspruch. Widerklagend verlangt der Beklagte von der Klägerin die Erstattung von Aufwendungen für die Beseitigung von Baumängeln.

Gemäß Beweisbeschluss vom 05. Dezember 2005 hat das Landgericht über das Vorliegen streitiger Werkmängel Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. In dem nach Eingang des Gutachtens anberaumten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 30. August 2006 hat der Vorsitzende der zweiten Kammer für Handelssachen erneut den Versuch unternommen, auf eine gütliche Einigung der Parteien hinzuwirken, und einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der vorsah, dass der Beklagte zur Abgeltung aller wechselseitigen Ansprüche an die Klägerin einen Betrag von 5.000,- Euro leistet. Der Beklagte hat den Vergleichsvorschlag kategorisch abgelehnt, weil er sich zu einer weiteren Zahlung an die Klägerin nicht mehr verpflichtet sieht. Darauf hat der Vorsitzende geäußert: "Da werden Sie sich aber wundern."

Wegen dieser Äußerung hat der Prozessbevollmächtigte des Beklagten den Vorsitzenden Richter am Landgericht O. wegen der Besorgnis der Befangenheit zu Protokoll des Gerichts abgelehnt. Er hat die Ansicht vertreten, dass in der Reaktion des Vorsitzenden Richters auf die Zurückweisung seines Vergleichsangebotes offenbar geworden sei, dass dieser dem Rechtsstreit und insbesondere auch dem Beklagten nicht mehr unvoreingenommen und unparteiisch gegenüberstehe.

Der Vorsitzende Richter am Landgericht O. hat sich am 30. August 2006 und ergänzend am 11. September 2006 zu dem Ablehnungsgesuch des Beklagten dienstlich geäußert. Er hat erklärt, dass der beanstandete Satz gefallen sei, nachdem der Beklagte jegliche Zahlung an die Klägerin kategorisch abgelehnt habe.

Mit Beschluss vom 28. September 2006 hat die geschäftsverteilungsplanmäßige Vertreterin des abgelehnten Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen den Befangenheitsantrag als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass das von dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten gestellte Ablehnungsgesuch bereits der Zulässigkeit entbehre. Denn ein Prozessbevollmächtigter sei in eigenem Namen nicht zur Ablehnung eines Richters berechtigt, das Ablehnungsrecht stehe vielmehr nach § 42 Abs. 3 ZPO ausschließlich den Parteien zu. Im übrigen sei der Befangenheitsantrag aber auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Die Äußerung des Vorsitzenden mag zwar in einem etwas saloppen Ton gefallen seien, sie weise jedoch keine abfällige, höhnische oder in sonstiger Weise kränkende und beleidigende Wortwahl auf. Zudem dürfe die Erklärung nicht isoliert betrachtet werden, sondern müsse im Zusammenhang gewürdigt werden. Mit dem unterbreiteten Vergleichsvorschlag habe der abgelehnte Vorsitzende zugleich seine Rechtsansicht zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten kund getan. Denn wie sich aus dem Vergleichsangebot ergebe, sei er nach Bewertung der Sach- und Rechtslage von einer Zahlungsverpflichtung des Beklagten jedenfalls in der genannten Größenordnung ausgegangen, denn anderenfalls hätte er nicht eine entsprechende Vergleichsregelung vorgeschlagen. Die Äußerung des Vorsitzenden, mit der er auf die kategorische Zahlungsverweigerung des Beklagten erwiderte, gebe daher nur die in dem Vergleichsangebot zum Ausdruck kommende rechtliche Bewertung des Vorsitzenden wieder.

Gegen diesen, dem Beklagten am 06. Oktober 2006 zugestellten Beschluss hat er mit einem am 16. Oktober 2006 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Er trägt vor, dass sein Prozessbevollmächtigter das Ablehnungsgesuch seinerzeit keineswegs im eigenen Namen abgegeben habe, sondern ihn - wie auch bei jeder anderen Prozesserklärung in dem rechtshängigen Verfahren - im Rahmen der erteilten Prozessvollmacht vertreten habe, sein Ablehnungsgesuch sei daher zulässig. Er meint, dass der Befangenheitsantrag auch in der Sache gerechtfertigt sei. Denn der abgelehnte Vorsitzende Richter habe mit dieser Äußerung zum Ausdruck gebracht, dass er sich trotz völlig offener Prozesslage bzw. ungeklärter Beweislage in der Sache bereits endgültig festgelegt habe. Denn er sei offenkundig schon zum Zeitpunkt der seinerzeitigen mündlichen Verhandlung überzeugt gewesen, dass den Beklagten in jedem Fall eine Zahlungspflicht treffen werde. Die Äußerung könne auch nicht als eine bloß vorläufige Würdigung der Sach- und Rechtslage verstanden werden.

Das Landgericht hat am 19. Oktober 2006 beschlossen, der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abzuhelfen und das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in der Sache vorzulegen.

B.

I.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist nach § 46 Abs. 2 2. HS ZPO in Verbindung mit §§ 567 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.

Das Rechtsmittel gegen den Beschluss der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen ist nicht dem Einzelrichter, sondern dem Senat in seiner gemäß § 122 GVG vorgeschriebenen Besetzung als Kollegium zur Entscheidung angefallen. Denn der nach § 349 Abs. 2, Abs. 3 ZPO an Stelle der Kammer entscheidende Vorsitzende der Kammer für Handelssachen ist - nach der eindeutigen Terminologie des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozessordnung - aufgrund seiner erstinstanzlichen Entscheidungstätigkeit nicht "Einzelrichter". Die die Einzelrichterbefugnisse des Richters einer normalen Zivilkammer regelnden §§ 348, 348 a ZPO sind in § 349 Abs. 4 ZPO ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt worden. Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (§ 105 Abs. 1 GVG, § 349 ZPO) verkörpert bei seiner Alleinentscheidung als "Vorsitzender" vielmehr die Kammer als Prozessgericht, "an deren Stelle" er entscheidet (§ 349 Abs. 2, Abs. 3 ZPO). Ein Anwendungsfall des § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO liegt dementsprechend nicht vor (vgl. BGH NJW 2004, 856; Gummer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 568 ZPO Rdn. 3 m.w.N.).

II.

Das zulässige Rechtsmittel bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Der Senat erachtet die angefochtene Entscheidung des Landgerichts im Ergebnis für zutreffend. Das Beschwerdevorbringen der Beklagten rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts begegnet die Zulässigkeit des Ablehnungsgesuches des Beklagten allerdings keinen Bedenken.

Es ist insbesondere nichts dafür ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte des Beklagen den Befangenheitsantrag im eigenen Namen hat anbringen wollen. Auch wenn die Erklärung keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthält, dass der Antrag im Auftrag des Beklagten gestellt worden ist, darf hier gleichwohl davon ausgegangen werden, dass Rechtsanwalt J. - entsprechend seiner Funktion als Prozessvertreter - das dem Beklagten nach § 42 Abs. 3 ZPO zustehende Ablehnungsrecht in dessen Namen und mit dessen Vollmacht ausgeübt hat.

Der Umstand, dass Rechtsanwalt J. bei Anbringung des Befangenheitsantrages seinen Willen, im Namen seines Mandanten zu handeln, nicht ausdrücklich zu Protokoll des Gerichts durch einen Vertreterzusatz hervorgehoben hat, lässt nicht schon den Schluss zu, er habe eine eigene Prozesserklärung aus eigenem Recht abgeben wollen. Denn die Fremdwirkung der Prozesserklärung hat sich hier ohne weiteres aus den Umständen, insbesondere aus seiner prozessualen Stellung als Prozessbevollmächtigter ergeben. Dass ein Rechtsanwalt, der gegenüber dem Gericht die Vertretung einer Partei allgemein angezeigt hat, prozessrelevante Erklärungen in der Regel im Namen seines Mandanten abgibt und für diesen in dem Rechtsstreit alle verfahrensnotwendigen Prozesshandlungen vornimmt und Anträge stellt, ohne dass jedesmal ein Vertreterzusatz erklärt werden muss, entspricht allgemeiner Verfahrensübung. Dass die Erklärungen der vertretenen Partei zuzuordnen sind, wird von den Verfahrensbeteiligten in der Regel auch aufgrund der Verfahrensstellung des Rechtsanwaltes so verstanden (vgl. OLG Karlsruhe NJW-RR 1987, 126, 127).

2. Das zulässige Ablehnungsgesuch ist jedoch nicht nach § 42 Abs. 1 ZPO begründet.

a) Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Wegen der Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.

Maßgebend ist hierbei nicht, ob der abgelehnte Richter wirklich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält, sondern allein, ob von dem Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung genügend objektive Gründe vorliegen, die die Befürchtung wecken können, der Richter stehe dem Rechtsstreit nicht mehr unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BVerfGE 73, 330, 335; BVerfGE 82, 30, 37; BGHZ 77, 70, 72; BGH NJW NJW-RR 2003, 1220, 1221; BGH NJW 2004, 164; BayObLGZ 86, 252; BayOblGZ 87, 217; BayOblG NJW 1999, 1875; OLG Dresden MDR 2005, 106; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 9). Es kommt mithin darauf an, ob die von dem Beklagten vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen nach der Meinung einer ruhig und vernünftig denkenden Partei geeignet erscheinen, berechtigte Zweifel an der - auch unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt des Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG zu fordernden, zweifelsfreien, auch nur den Anschein der Voreingenommenheit ausschließenden (vgl. BayOblG DRiZ 1977, 244 m.w.N.) - Unparteilichkeit und Neutralität des Richters zu begründen.

b) Gemessen an diesen Grundsätzen kann hier nicht von einer Befangenheit des abgelehnten Vorsitzenden Richters ausgegangen werden. Die beanstandete Äußerung ist nicht Ausdruck einer auf Unsachlichkeit und Parteilichkeit beruhenden negativen inneren Einstellung des Vorsitzenden Richters gegenüber dem Beklagten. Der abgelehnte Richter hat mit der gewählten Formulierung noch nicht die ihm durch das Gebot zur Neutralität und Sachlichkeit vorgegebene Grenze überschritten.

aa) Die Bemerkung mag zwar in der Ausdrucksform von den in ähnlichen prozessualen Lagen üblicherweise gebrauchten Wendungen abgewichen sein. Sie beruht jedoch inhaltlich weder auf Willkür noch auf einer unsachlichen Haltung.

Dass sich der Richter eines etwas saloppen Tonfalls bedient hat, mag der konkreten Prozesssituation im Rahmen einer hitzig geführten Vergleichsverhandlung geschuldet gewesen sein. Die Bemerkung des Vorsitzenden bewegt sich aber durchaus noch im Rahmen des vorhandenen Handlungsspielraums und der durch die Gebote der Höflichkeit bestimmten Umgangsformen und lässt insbesondere nicht in unsachlicher und unangemessener Weise den notwendigen Abstand zu den beteiligten Personen oder der Sache selbst vermissen. Die Äußerung weist keine gegen den Beklagten gerichtete Häme oder eine beleidigende, abfällige, höhnische oder in sonstiger Weise abwertende und kränkende Wortwahl auf, durch die sich der Beklagte desavouiert fühlen könnte. Der abgelehnte Richter hat vielmehr in pointierter Form klar und unmissverständlich seinen Standpunkt zu der Ansicht des Beklagten, er müsse keine Zahlungen mehr leisten, den Parteien mitgeteilt und damit zugleich auch zu den Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung des Beklagten und dessen Widerklage Stellung bezogen.

bb) Die mit der Äußerung mitgeteilte Einschätzung konnte aus der maßgeblichen Sicht einer rechtskundig vertretenen, verständigen Partei überdies nicht Anlass zu der Besorgnis geben, der Vorsitzende Richter habe sich bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage bereits endgültig festgelegt und sei weder bereit noch in der Lage, seinen Rechtsstandpunkt im Verlaufe des Verfahrens - etwa im Ergebnis der Beweisaufnahme - kritisch zu prüfen und erforderlichenfalls zu revidieren. Die in der Formulierung zum Ausdruck kommende Bestimmtheit der Meinungsäußerung über die Berechtigung des Klageanspruchs in zumindest der dem Vergleichsvorschlag entsprechenden Höhe erweckt als solches noch nicht den Anschein der Voreingenommenheit. Denn die Unparteilichkeit gebietet dem Richter nicht, dass er sich über den von ihm nach Prüfung der Sach- und Rechtslage erwartenden Ausgang nicht klar äußert, sondern ausschließlich in der Möglichkeitsform formuliert. Je nach Sachlage kann unter Abwägung der Gebote der §§ 139, 278 ZPO, insbesondere im Rahmen von Vergleichsverhandlungen (§ 278 Abs. 1 ZPO), nämlich durchaus Anlass bestehen, eindeutig Stellung zu beziehen (vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1987, 248; OLG München MDR 2004, 52 zitiert nach juris). Die Kundgabe der eigenen Meinung zum möglichen Prozessausgang bietet dabei als solches noch nicht einen Grund zu der Befürchtung, der Richter mache sich zum Sachwalter der Gegenpartei (vgl. BGH NJW 1998, 612 - 613 zitiert nach juris). Wenn der Richter in einem Verfahren seine Rechtsansicht darlegt und dabei eine von der Partei abweichende Auffassung vertritt, muss dies vielmehr hingenommen werden, zumal es in der Natur der Sache liegt, dass der Richter nur eine der unterschiedlichen Rechtsansichten zweier sich streitender Parteien für richtig halten kann (vgl. BGH NJW 1998, 612-613 zitiert nach juris; KG MDR 1999, 253 zitiert nach juris; KG MDR 2006, 1009 - 1010 zitiert nach juris; OLG Karlsruhe OLGZ 1987, 248; OLG Brandenburg FamRZ 1993, 1497, 1498; OLG München MDR 2004, 52; Vollkommer in Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 42 ZPO Rdn. 26).

Nicht etwa die Eindeutigkeit der Stellungnahme, sondern allenfalls die sie begleitenden Umstände, welche auf eine unsachliche Haltung des Richters hinweisen, könnten allenfalls eine Ablehnung rechtfertigen. Solche Umstände liegen etwa dann vor, wenn der Richter eindeutig und unmissverständlich zu erkennen gibt, er werde von der eingenommenen Haltung, völlig unabhängig von dem weiteren Verlauf des Verfahrens, nicht mehr abrücken (vgl. OLG Karlsruhe OLGZ 1987, 248). Nach Aktenlage bestehen für eine solche Befürchtung jedoch keine Anhaltspunkte. Die Äußerung des abgelehnten Richters zu den Erfolgsaussichten der Klage und Widerklage geschah nach Eingang des Sachverständigengutachtens und daher bei einem Verfahrensstand, der eine vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage unter vorsichtiger Würdigung der erhobenen Beweise bereits grundsätzlich zuließ. Sie ist nicht Ausdruck einer vorweggenommenen Urteilsbildung, sondern war Bestandteil eines Vergleichsgesprächs, bei der auch gerade die Erfolgsaussichten der gegenläufigen Rechtspositionen einer vorläufigen Würdigung unterzogen werden. Denn notwendige Voraussetzung für die Unterbreitung eines hinreichend überzeugenden richterlichen Vergleichsvorschlages ist eine vorangegangene sorgfältige Prüfung und Würdigung der Sach- und Rechtslage unter Bewertung der Erfolgschancen der in den Prozess wechselseitig eingeführten Angriffs- und Verteidigungsmittel. Die Würdigung der Sach- und Rechtslage bildete auch hier den Ausgangspunkt für den Vergleichsvorschlag des abgelehnten Vorsitzenden. Hinzu kommt, dass die Vorschrift des § 278 Abs. 1 ZPO es zugleich erforderlich macht, den Parteien die voraussichtliche weitere Entwicklung des Falls auch konkret aufzuzeigen und die vorläufige Rechtsmeinung darzulegen (vgl. BGH NJW 1998, 612 - 613 zitiert nach juris; KG MDR 1999, 253 zitiert nach juris). Mit seiner Bemerkung hat der abgelehnte Kammervorsitzende der für seinen Vergleichsvorschlag notwendigen Überzeugungsbildung daher nur erneut Ausdruck verliehen. Dabei erlaubt selbst eine mit Nachdruck vertretene und pointiert formulierte Rechtsmeinung noch nicht den Schluss auf ein parteiliches Verhalten, das Anlass zu Misstrauen geben könnte (vgl. OLG Frankfurt NJW 2004, 621).

Soweit der Beklagte meint, der abgelehnte Vorsitzende Richter werde im weiteren Verlauf dieses Rechtsstreites an seiner Auffassung zu seinem Nachteil festhalten, findet sich in der Akte hierfür kein Hinweis. Nach Lage der Akten ist nichts dafür ersichtlich, was darauf hindeuten könnte, dass der abgelehnte Richter nicht mehr bereit sein könnte, sich mit den Argumenten des Beklagten sachlich auseinander zu setzen. Der Beklagte durfte vielmehr darauf vertrauen, dass der Kammervorsitzende in der Lage sein wird, den eingenommenen Rechtsstandpunkt - entsprechend der weiteren Entwicklung des Verfahrens - einer kritischen Überprüfung zu unterziehen und erforderlichenfalls von diesem abzurücken. Im Gerichtsalltag ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die von einem Richter geäußerte Rechtsauffassung je nach Verfahrensstand nur vorläufig ist und bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Urteil verkündet wird, auch nur sein kann. Ein Richter muss insofern auch nicht bei jeder rechtlichen Äußerung ausdrücklich auf die Vorläufigkeit seiner Rechtsauffassung hinweisen und dabei gleichzeitig im einzelnen auf alle Gegenargumente ausdrücklich eingehen (vgl. KG MDR 1999, 253 zitiert nach juris).

cc) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen rechtfertigt auch eine Gesamtwürdigung sämtlicher von dem Beklagten vorgetragenen Umstände bei ruhiger und besonnener Betrachtung noch nicht die Besorgnis der Befangenheit.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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