Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 11 U 119/01
Rechtsgebiete: EGBGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

EGBGB § 14
EGBGB § 14 Abs. 1
EGBGB § 11 Abs. 4
EGBGB § 11 Abs. 3
EGBGB § 11 Abs. 2
BGB § 212
BGB § 209 Abs. 1
BGB § 212 Abs. 1
BGB § 212 Abs. 2
BGB § 212 Abs. 2 S. 1
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 2
ZPO § 321 Abs. 2
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
1. Ein Klageantrag wird auch dann gem. § 261 Abs. 2 ZPO durch Zustellung des ihn enthaltenden Schriftsatzes rechtshängig, wenn die Zustellung nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt.

2. Auch eine unzulässige Klageerweiterung unterbricht die Verjährung, wenn innerhalb von 6 Monaten nach rechtkräftiger Klageabweisung neu geklagt wird.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 119/01 OLG Naumburg

verkündet am: 11.09.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und den Richter am Amtsgericht Timm für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des klagenden Landes wird das am 23. Mai 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Stendal abgeändert.

Der Beklagten wird verurteilt, die Löschung der auf Blatt 252 des Grundbuchs des Amtsgerichts Gardelegen von M. in Abteilung III unter der laufenden Nummer 1 eingetragenen Grundschuld zu 30.000 DM für die Dresdner Bank AG in L. - Zweigniederlassung der Dresdner Bank AG mit Sitz in F. - zu bewirken.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM nicht.

Tatbestand:

Mit am 9. August 2000 verkündetem Urteil des Landgerichts Stendal (21 O 183/00) wurde der Beklagte verurteilt, die auf Blatt 68 des Grundbuchs von M. unter den laufenden Nummern 1 bis 4 und 6 bis 7 eingetragenen "Bodenreformgrundstücke" Flur 1, Flurstück 27/2, Flur 1, Flurstück 65/1, Flur 1, Flurstück 97/7, Flur 2, Flurstück 32/9, Flur 2, Flurstück 32/10 und Flur 5, Flurstück 26/1 unentgeltlich an das klagende Land aufzulassen. Das Urteil wurde nicht angefochten. Mit der am 12. Februar 2001 beim Landgericht Stendal eingegangenen Klage verlangt das klagende Land nunmehr die Löschung einer Grundschuld von 30.000 DM in der Form, dass der Beklagte die Löschungsbewilligung der Grundpfandgläubigerin, der Dresdner Bank, beschaffen und die Löschung selbst bewilligen und beantragen möge. Der Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Anspruch des klagenden Landes gemäß Art. 233 § 14 Abs.1 EGBGB seit dem 3. Oktober 2000 verjährt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe (GA 56 ff.) verwiesen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des klagenden Landes, das die Ansicht vertritt, Art. 233 § 14 EGBGB gelte nicht für Ansprüche gemäß Art. 233 § 11 Abs.4 EGBGB; hilfsweise verweist das klagende Land auf § 212 BGB sowie darauf, dass bereits im Vorprozess nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber vor Erlass des Urteils ein Antrag auf lastenfreie Übertragung der fraglichen Grundstücke anhängig gemacht worden sei (insoweit unstreitig). Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs.1 ZPO abgesehen. Die Akten LG Stendal 21 O 183/00 und AG Gardelegen, Grundbuch von M. Blatt 68 und Blatt 252 lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Aus den Grundakten ergibt sich, dass die streitigen Grundstücke am 9. Juli 2001 auf Blatt 252 des Grundbuches von M. übertragen worden sind und dort jetzt unter den Nummern 25 bis 30 geführt werden.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Dass dem klagenden Land grundsätzlich ein Anspruch auf lastenfreie Übertragung der streitigen Grundstücke - jetzt: auf Bewirkung der Löschung des Grundpfandrechtes, mit dem die mittlerweile auf das klagende Land umgeschriebenen Grundstücke nach wie vor belastet sind - zusteht, folgt aus Art. 233 § 11 Abs.3 und 4 EGBGB und wird von dem Beklagten auch nicht mehr in Zweifel gezogen. Dieser Anspruch ist nicht verjährt.

1. Die Verjährung des Anspruchs des Besserberechtigten aus Art. 233 § 11 Abs.2 und 4 EGBGB auf lastenfreie Übertragung des Bodesreformgrundstücks richtet sich nach Art. 233 § 14 EGBGB. Durch die Neufassung des Art. 233 § 14 EGBGB - der jetzt ausdrücklich "die Ansprüche nach den §§ 11 und 16" erfasst, während zuvor nur vom "Anspruch nach § 11 Abs.3 Satz 1" die Rede gewesen war - wurde klargestellt, dass die Verjährungsregelung des § 14 eben nicht nur, wie früher vertreten (MünchKomm/Eckert, BGB 3. Aufl. - Ergänzungsband - Art. 233 § 14 EGBGB Rn. 2), für den Auflassungsanspruch des Besserberechtigten, sondern auch für alle sonstigen Ansprüche aus § 11 Abs.4 gilt (MünchKomm/Eckert, BGB 3. Aufl. Bd. 11 Art. 233 § 14 EGBGB Rn. 2). Grundsätzlich wäre der Anspruch auf Bewirkung der Löschung also am 2. Oktober 2000 verjährt gewesen.

2. Die Verjährung ist jedoch durch die Zustellung der Klageerweiterung im Vorprozess unterbrochen worden.

a) Gemäß § 209 Abs.1 BGB wird die Verjährung unterbrochen, wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs Klage erhebt. Bei einer Klageerweiterung wird die Verjährung des mit ihr geltend gemachten Anspruchs nach § 209 Abs.1 BGB unterbrochen, wenn der Berechtigte den neuen Anspruch rechtshängig macht (BGHZ 103, 20, 25; vgl. auch BGH NJW 1960, 1947); die Rechtshängigkeit des erweiterten, erst im Laufe eines Prozesses erhobenen Teils tritt, falls er nicht bereits zuvor in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht worden ist, mit der Zustellung eines den Erfordernissen des § 253 Abs.2 Nr. 2 ZPO entsprechenden Schriftsatzes ein (§ 261 Abs. 2 ZPO; vgl. BGHZ 103, 20, 25). Der Antrag des klagenden Landes im Schriftsatz vom 13. Juli 2000 (BA 99), den Beklagten zur lastenfreien Auflassung der Grundstücke zu verurteilen, ist am 17. Juli 2000 beim Landgericht Stendal eingegangen und dem Beklagten am 24. Juli 2000 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis des Rechtsanwaltes D. BA 113). Der Schriftsatz vom 13. Juli 2000 genügte den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

b) Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist der Antrag gemäß Schriftsatz vom 13. Juli 2000 nicht deshalb nicht rechtshängig geworden, weil er erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung bei Gericht eingegangen ist. Der Senat hat die Kommentierungen Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. § 296a Rn. 2 und Stein/Jonas/Leipold, ZPO 21. Aufl. § 296a Rn. 16 zur Kenntnis genommen, wonach die Zustellung einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Klageerweiterung keine Rechtshängigkeit des in ihr enthaltenen Antrags begründet, weil über diesen Antrag auch nicht mehr entschieden werden dürfte. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 1997 (NJW-RR 1997, 1486), auf die inbesondere Zöller/Greger (a.a.O.) sich stützen, trägt diese Ansicht jedoch nicht. In jener Entscheidung hat der Bundesgerichtshof gerade umgekehrt unter Hinweis auf § 261 Abs. 2 ZPO ausgeführt, grundsätzlich werde die Klageerweiterung mit Zustellung des sie enthaltenden Schriftsatzes rechtshängig. Die Zustellung habe jedoch im zu entscheidenden Fall ersichtlich anderen Zwecken gedient, nämlich einer Teilklagerücknahme gegolten. Der vorliegende Fall liegt anders. Die Zustellung des Schriftsatzes vom 13. Juli 2000 ist ausdrücklich angeordnet und ausgeführt worden (vgl. die Verfügung vom 19. Juli 2000, BA 111). In dem vergleichbaren Fall einer nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen und zugestellten Widerklage hat der Bundesgerichtshof in einer neueren Entscheidung (NJW 2000, 2512, 2513) die Ansicht vertreten, die Widerklage sei unzulässig, nicht aber, sie sei nicht einmal rechtshängig geworden. Das entspricht auch dem Wortlaut des § 261 Abs. 2 ZPO, der nicht zwischen der Zustellung vor und nach Schluss der mündlichen Verhandlung unterscheidet (ebenso Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO 59. Aufl. § 261 Rn. 8; § 296a Rn. 6; OLG München MDR 1981, 502, 503).

c) Die Klageerweiterung gemäß Schriftsatz vom war unzulässig, weil sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgte. Auch eine unzulässige Klage ist jedoch geeignet, die Verjährungsfrist zu unterbrechen (BGHZ 78, 1, 5). Das folgt schon aus § 212 BGB sowie daraus, dass auch eine unzulässige Klage den Willen des Berechtigten erkennen lässt, die zugrundeliegende Forderung durchzusetzen. Gemäß § 212 Abs. 1 BGB gilt die Unterbrechung allerdings als nicht erfolgt, wenn die Klage durch ein nicht in der Sache selbst entscheidendes Urteil rechtskräftig abgewiesen wird. Erhebt der Berechtigte jedoch innerhalb von sechs Monaten von neuem Klage, so gilt die Verjährung als durch die Erhebung der ersten Klage unterbrochen (§ 212 Abs. 2 S. 1 BGB). Im vorliegenden Fall ist die Klageerweiterung nicht als unzulässig abgewiesen worden. Das Landgericht hat in den Urteilsgründen nur den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung abgelehnt. Eine Sachentscheidung ist damit jedoch ebenfalls nicht getroffen worden. Der nachträglich geltend gemachte Anspruch ist schlicht übergangen worden. Seine Rechtshängigkeit endete damit mit Ablauf der Frist, innerhalb derer ein Ergänzungsurteil gemäß § 321 Abs. 2 ZPO hätte beantragt werden können (vgl. MünchKomm/Lü-ke, ZPO 2. Aufl. § 321 Rn. 37; Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. § 261 Rn. 7; Thomas/Putzo, ZPO 23. Aufl. § 261 Rn. 9). Dieser Fall des "Nicht-Urteils" ist einem nicht in der Sache entscheidenden Urteil gleichzustellen.

d) Die Sechs-Monats-Frist des § 212 Abs. 2 BGB ist durch die jetzige Klage gewahrt worden. Das Urteil des Vorprozesses ist dem klagenden Land am 23. August 2000 zugestellt worden (BA 134). Bis zum 6. September 2000 hätte gemäß § 321 Abs. 2 ZPO die Ergänzung des Urteils beantragt werden können. Die Klage ist am 12. Februar 2001 eingegangen und am 17. Februar 2001 zugestellt worden.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs.1, 708 Ziff.10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück