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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.10.2001
Aktenzeichen: 11 U 127/01
Rechtsgebiete: UStG, BGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

UStG § 9
UStG § 9 Abs. 1
BGB § 125 S. 1
BGB § 313 S. 1
BGB § 313 S. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
EGBGB § 4 Abs. 1 S. 1
ZPO § 711
ZPO § 713
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Ziff. 10
ZPO § 546 Abs. 2
Im Falle eines Grundstückskaufvertrages kann bei Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung kein gesonderter Ausweis der Mehrwertsteuer verlangt werden.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 127/01 OLG Naumburg

verkündet am: 23.10.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und den Richter am Landgericht zur Nieden für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Juni 2001 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal (23 O 409/00) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer des Klägers übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Tatbestand:

Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag vom 28. August 1993 von der Beklagten einen 128er Kuhstall mit Doppelachtermelkstand und Bergeraum in K. , Ortsteil R. , an dem selbständiges Gebäudeeigentum der Beklagten bestand. Der Kaufpreis sollte dem Vertrag zufolge 175.000,00 DM betragen. Die Parteien hatten zuvor einen schriftlichen Vorvertrag geschlossen, demzufolge der Preis "175.000,00 DM incl. Mehrwert" betragen sollte. Unter dem 24. September 1993 stellte die Beklagte dem Kläger einen Rechnung über 148.750,00 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer in Höhe von 26.250,00 DM aus (GA 20). Der Kläger bezahlte die insgesamt 175.000,00 DM und machte gegenüber dem Finanzamt Vorsteuer in Höhe von 26.250,00 DM geltend. Eine Gebäudegrundbuchblatt wurde nicht mehr angelegt. Vielmehr verzichtete der Kläger, der auch Eigentum am Grund und Boden erworben hatte, auf das mit dem Gebäudeeigentum verbundene Nutzungsrecht, sodass das selbständige Gebäudeeigentum erlosch.

Im Dezember 1997 übersandte die Beklagte dem Kläger eine berichtigte Rechnung vom 5. Dezember 1997, in der es hieß (GA 21):

"In Berichtigung unserer Rechnung vom 24. 9. 93 unter Berufung auf die Richtlinie 148 Abs. 4 der Umsatzsteuerrichtlinie berechnen wir Ihnen (...) 175.000,00 DM. Wir bitten sie um Rückgabe der Rechnung mit offenem Umsatzsteuerausgleich."

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass die Beklagte steuerrechtlich berechtigt war, den Verzicht auf die Steuerbefreiung zu widerrufen. Sie streiten über die Frage, ob sie zivilrechtlich gegenüber dem Kläger verpflichtet war, es bei der ursprünglichen Rechnung mit offenen Mehrwertsteuerausweis zu belassen.

Der Kläger hat behauptet, der Verkauf habe unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung des § 9 UStG durchgeführt werden sollen. Er habe darauf bestanden, dass die Umsatzsteuer ausgewiesen wurde. So sei es von den Parteien vereinbart und gewollt gewesen. Seine Kalkulationsgrundlage sei ein Preis von 148.750,00 DM gewesen. Durch die Rücknahme der Rechnung sei ihm, dem Kläger, ein Steuerschaden von 26.250,00 DM entstanden. Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.250,00 DM zzgl. 10 % Zinsen seit dem 5. August 1999 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den notariellen Vertrag berufen und behauptet, der offene Umsatzsteuerausweis in der Rechnung vom 24. September 1993 sei versehentlich erfolgt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 26.250 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 13. Februar 2001 verurteilt. In der Begründung heißt es, der entsprechende Anspruch des Klägers folge aus positiver Vertragsverletzung. Eine ergänzende Auslegung des notariellen Vertrages vom 22. Februar 1993 unter Berücksichtigung des Vorvertrages vom 22. Februar 1993 und der Rechnung vom 24. September 1993 ergebe, dass die Parteien einen Kaufpreis von 148.750,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart hätten. Die Beklagte sei zivilrechtlich nicht berechtigt gewesen, den Kaufpreis einseitig um 26.250,00 DM zu erhöhen. Die Höhe des dem Kläger entstandenen Schadens sei durch dessen Jahressteuerbescheid für 1997 ausreichend belegt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte vertritt die Auffassung, sie treffe kein Verschulden hinsichtlich eines dem Kläger etwa entstandenen Schadens, der überdies bisher nicht nachgewiesen worden sei. Sie, die Beklagte, sei nicht verpflichtet gewesen, auf steuerliche Belange des Klägers Rücksicht zu nehmen. Außerdem komme es allein auf den Notarvertrag an. Der Vorvertrag sei formnichtig gewesen; eine Heilung durch Eintragung des Eigentumsüberganges in das Grundbuch sei nicht ersichtlich. Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Stendal vom 6. Juli 2001 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen, dass sich die Parteien auf einen Kaufpreis von 175.000,00 DM "inclusive Umsatzsteuer" geeinigt hätten, und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 2001 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 26.250,00 DM nebst Zinsen.

1. Ein Anspruch des Klägers folgt nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Wenn die Parteien einen Kaufpreis von 148.750 DM zuzüglich Mehrwertsteuer vereinbart hätten, wäre diese Vereinbarung wohl so auszulegen gewesen, dass Mehrwertsteuer nur zu zahlen war, wenn sie tatsächlich anfiel. Die Parteien haben im notariellen Kaufvertrag jedoch einen Kaufpreis von 175.000,00 DM vereinbart. Diesen Betrag hatte der Kläger an die Beklagte zu zahlen, unabhängig davon, ob er sich aus einem Nettokaufpreis von 148.250,00 DM und einem Mehrwertsteueranteil von 26.250,00 DM zusammensetzte oder nicht. Die bei einem Verkauf anfallende Umsatzsteuer ist bei Fehlen gegenteiliger Vereinbarungen grundsätzlich nur ein unselbständiger Bestandteil des vereinbarten bürgerlichrechtlichen Entgeltes (BGHZ 103, 284, 287; OLG Naumburg ZMR 2000, 291, 292; ausf. Eder, ZIP 1994, 1669 ff.). Anders lautende mündliche Abreden hat der Kläger nur vage dargelegt und jedenfalls nicht unter Beweis gestellt. Eine mündliche Vereinbarung der Parteien dahingehend, dass der Kaufpreis nur 148.750,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer betragen sollte, wäre überdies gemäß §§ 313 S. 1, 125 S. 1 BGB formnichtig gewesen. Der Vertrag über den Kauf des Stallgebäudes musste gemäß Art. 233 § 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB in Verbindung mit § 313 S. 1 BGB notariell beurkundet werden. Dem Formzwang des § 313 S. 1 BGB unterfallen sämtliche rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Parteien das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt (etwa BGHZ 85, 315, 317; BGH LM § 313 BGB Nr. 106; OLG Stuttgart NJW-RR 1993, 1365). Im Ergebnis kommt es auf diese sowie die weitere Frage, ob durch die Zusammenführung von Grund- und Gebäudeeigentum eine Heilung des Formmangels gemäß § 313 S.2 BGB eingetreten ist, nicht an, nachdem schon nicht festgestellt werden kann, dass die Parteien sich überhaupt entsprechend geeinigt haben.

2. Ein Anspruch des Klägers folgt auch nicht aus positiver Vertragsverletzung. Die Parteien hätten eine Vereinbarung treffen können, die die Beklagte verpflichtete, auf die nach § 9 Abs. 1 UStG mögliche Steuerbefreiung zu verzichten, und die es der Beklagten im Verhältnis zum Kläger dann verboten hätte, den Verzicht durch Ausstellen einer Rechnung ohne Ausweis der Mehrwertsteuer rückgängig zu machen (vgl. ausf. Eder, ZIP 1994, 1669, 1670 mit Nachw. in Fn. 15). Auch hier gilt jedoch, dass der Kläger eine solche rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien kaum ausreichend dargelegt, jedenfalls aber nicht unter Beweis gestellt hat. Der Vorvertrag, der die Preisangabe 175.000,00 DM "incl. Mehrwert" enthielt, lässt ebenso wie die Rechnung vom 24. September 1993, die die Mehrwertsteuer auswies, keinen sicheren Schluss auf eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger zu. Die Beklagte kann - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat dargelegt hat - irrtümlich von einer Umsatzsteuerpflicht ausgegangen sein. Eine Verpflichtung der Beklagten, die Mehrwertsteuer gesondert auszuweisen und es dabei zu belassen, hätte außerdem ebenfalls gemäß § 313 S. 1 BGB beurkundet werden müssen (vgl. OLG Stuttgart NJW-RR 1992, 1365).

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 91 Abs. 1, 708 Ziff. 10, 711, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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