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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 03.04.2001
Aktenzeichen: 11 U 13/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 313
BGB § 313 S. 1
BGB § 823 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 546 Abs. 2
Der Abbruch von Vertragsverhandlungen, die auf den Abschluss eines formbedürftigen Vertrags gerichtet waren, löst auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es keinen triftigen Grund für den Abbruch gab; Ausnahmen kommen nur bei besonderes schweren Treuepflichtverstößen in Betracht.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 13/01 OLG Naumburg

verkündet am: 03.04.2001

In dem Berufungsrechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 13.03.2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Amtsgericht Timm und den Richter am Landgericht Dr. Strietzel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07.12.2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 4 des Landgerichts Stendal wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig (§§ 511, 511a, 516, 518, 519 ZPO).

II.

Die Berufung ist unbegründet, denn die Klage ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aufgrund culpa in contrahendo im Zusammenhang mit dem möglichen Abschluss eines Vertrags über die Bebauung und den Kauf eines Grundstücks in G. , B. 4. Die Beklagten haben dadurch, dass sie mit der Klägerin keinen Vertrag geschlossen haben, keine ihnen gegenüber der Klägerin obliegende Pflicht verletzt; denn sie haben bei dem Geschäftsführer der Klägerin kein schutzwürdiges Vertrauen in das Zustandekommen eines Grundstücksübertragungs- und Bauvertrags geweckt.

Hierfür ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der angedachte Vertrag der Form des § 313 BGB bedurft hätte. Bei gemischten oder zusammengesetzten Verträgen erstreckt sich der Formzwang auf den gesamten Vertrag, sofern dieser rechtlich eine Einheit bildet. Das ist der Fall, wenn die Vereinbarungen nach dem Willen der Parteien nicht für sich allein gelten, sondern miteinander "stehen und fallen" sollen (Palandt/Heinrichs, BGB-Kommentar, 59. Auflage, § 313 Rn. 32). Der Vertrag über den Verkauf und die Bebauung eines Grundstücks bilden eine Einheit, wenn Grundstückskauf und Bau als Einheit angeboten werden (Palandt/Hein-richs, a.a.O., Rn. 33). So verhält es sich im vorliegenden Fall. Die Klägerin sollte aufgrund eines einheitlichen Vertrages ein Grundstück übereignen und auf dem Grundstück ein Haus bauen. Dies ergibt sich aus dem Vertragsentwurf, den die Klägerin den Beklagten hat zukommen lassen. Sämtliche Vereinbarungen, die Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Kauf des Grundstücks und dem Hausbau begründet hätten, bedurften gemäß § 313 BGB der Form der notariellen Beurkundung.

Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Vertragspartner bis zum Vertragsabschluss das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluss Abstand zu nehmen. Aufwand, der in Erwartung des Vertragsabschlusses gemacht wird, erfolgt daher grundsätzlich auf eigene Gefahr. Nur wenn der Vertragsschluss nach den Verhandlungen zwischen den Parteien als sicher anzunehmen und in den hierdurch begründeten Vertrauen Aufwendungen zur Durchführung des Vertrages vor dessen Abschluss gemacht werden, können diese vom Verhandlungspartner unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen zu erstatten sein, wenn er den Vertragsschluss später ohne triftigen Grund ablehnt.

Eine so begründete Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens bedeutet indessen einen indirekten Zwang zum Vertragsabschluss. Dieser Zweck läuft dem Zweck der Formvorschrift von § 313 S. 1 BGB zuwider, nach der wegen der objektiven Eigenart des Vertragsgegenstandes eine Bindung ohne Einhaltung der Form verhindert werden soll. Im Bereich nach § 313 S. 1 BGB zu beurkundender Rechtsgeschäfte löst der Abbruch von Vertragsverhandlungen, deren Erfolg als sicher anzunehmen war, durch einen der Vertragspartner daher auch dann keine Schadensersatzansprüche aus, wenn es an einem triftigen Grund für den Abbruch fehlt.

Die Nichtigkeitsfolge eines Verstoßes gegen die Formvorschrift von § 313 S.1 BGB hat indessen zurückzutreten, wenn sie nach den gesamten Umständen mit Treu und Glauben schlechthin nicht zu vereinbaren ist, etwa weil sie die Existenz des anderen Vertragsteils gefährdet oder ihre Geltendmachung eine besonders schwerwiegende Treupflichtverletzung bedeutet. Von diesen Grundsätzen ist auch bei der Beantwortung der Frage auszugehen, ob ein Verhandlungspartner bei Abbruch der Verhandlungen unter dem Gesichtspunkt der culpa in contrahendo verpflichtet ist, Aufwendungen des anderen zu ersetzen. Die Verantwortlichkeit des Verhandlungspartners unterliegt daher keinen Einschränkungen im Hinblick auf die Formbedürftigkeit des abzuschließenden Vertrags, sofern die Berufung auf den Formmangel zurückzuweisen ist. Soweit dies daraus folgt, dass das Verhalten des in Anspruch Genommenen sich als besonders schwerer Treueverstoß darstellt, kommt in der Regel nur eine vorsätzliche Treuepflichtverletzung als Grundlage eines Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo in Betracht, wie sie im Vorspiegeln tatsächlich nicht vorhandener Abschlussbereitschaft liegt (zum Vorstehenden: BGH, MDR 1996, 672).

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe führt es nicht bereits zum Bestehen eines Schadensersatzanspruchs aus culpa in contrahendo, wenn die Parteien sich bereits mündlich über die wesentlichen Inhalte eines Grundstückskauf- und Bauvertrags geeinigt haben sollten und die Beklagten ohne ersichtlichen Grund vom in Aussicht genommenen Vertragsschluss Abstand genommen haben sollten. Ein Schadensersatzanspruch setzt eine vorsätzliche Treupflichtverletzung voraus wie beispielsweise das Vorspiegeln tatsächlich nicht vorhandener Abschlussbereitschaft. Der Abbruch von Vertragsverhandlungen stellt im Hinblick auf den Regelungszweck des § 313 BGB als solcher noch keine vorsätzliche Treupflichtverletzung dar, auch wenn der Inhalt des in Aussicht genommenen Vertrags schon geklärt gewesen sein sollte.

Im vorliegenden Fall ist eine vorsätzliche Treupflichtverletzung durch Vorspiegeln tatsächlich nicht vorhandener Abschlussbereitschaft in der Form, dass die Beklagten von vornherein keine Bereitschaft zum Vertragsschluss gehabt hätten, nicht ersichtlich; dass den Beklagten Abschlussbereitschaft von Anfang an gefehlt hätte, wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Dieser Situation gleichzustellen ist aber auch der Fall, dass ein Verhandlungspartner zunächst eine Bereitschaft, einen Vertrag zu bestimmten Bedingungen, insbesondere zu einem bestimmten Preis, abzuschließen, tatsächlich gehabt hat, im Verlauf der Verhandlungen aber von ihr abgerückt ist, ohne dies zu offenbaren (BGH, MDR 1996, 672). In solchen Fällen wird durch die Äußerung einer endgültigen Abschlussbereitschaft zu bestimmten Bedingungen dem Verhandlungspartner der Eindruck einer besonderen Verhandlungslage vermittelt, der ihn der erhöhten Gefahr nachteiliger Vermögensdispositionen aussetzt. Diese besondere Gefährdungslage begründet eine gesteigerte Vertrauensbeziehung, die den Verhandelnden zu erhöhter Rücksichtnahme auf die Interessen seines Partners verpflichtet (BGH, MDR 1996, 673).

Eine derartige Konstellation ist nicht im Hinblick auf den streitigen Sachvortrag der Klägerin gegeben, die Beklagten hätten die Arbeiten, die zu den streitgegenständlichen Schäden geführt hätten, zu einer Zeit durchgeführt, als sie sich schon entschieden hätten, einen Vertrag mit der Klägerin nicht abzuschließen. Die Arbeiten seien erst ab dem Oktober durchgeführt worden, obwohl die Beklagten seit Ende September vom Vertragsschluss Abstand genommen hätten.

Wann den Beklagten der Entwurf des notariellen Vertrags übersandt wurde, ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht entscheidend. Soweit bereits vor Übersendung des Vertragsentwurfs Einigkeit über das zu verkaufende Grundstück, die Art des zu errichtenden Hauses und den zu zahlenden Preis bestanden hat, hätte dies ausgereicht, um einen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand zu begründen, wenn der Wegfall der ursprünglichen Abschlussbereitschaft verschwiegen worden wäre.

Ein vorsätzlicher Verstoß der Beklagten gegen eine gegenüber der Klägerin bestehende Treuepflicht kann aber im vorliegenden Fall nicht angenommen werden. Zwar ist zwischen den Parteien streitig, ob die Beklagten, wie die Klägerin behauptet, im Zeitraum vom 01.10. bis 02.11.1998 Bautätigkeit entfaltet haben, wie beispielsweise den Aushub der Gruben für die Sammelgrube, oder ob dies, wie die Beklagten behaupten, ca. 1/2 Jahr vor dem 02.11.1998 durchgeführt wurde. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Unabhängig davon, wann konkret Arbeiten, insbesondere der Bau der Grube, durchgeführt wurden, kann ein vorsätzlicher Verstoß gegen eine Treuepflicht nicht festgestellt werden. Denn ein plausibler Grund, weswegen die Beklagten nach Abstandnahme vom Erwerbswunsch noch Eingriffe in das Grundstück vorgenommen haben sollten, ist nicht erkennbar. Die Beklagten haben auch, falls es zutrifft, dass noch im Oktober 1998 Arbeiten ausgeführt worden sind, beträchtliche Investitionen in das Grundstück erbracht. Dass sie mit diesen eigenen Investitionen den Kläger vorsätzlich schädigen wollten, ist fernliegend. Die Beklagten haben Vermögensopfer in erheblichem Ausmaß erbracht. Es ist davon auszugehen, dass die Beklagten ein nachvollziehbares Eigeninteresse an den Investitionen hatten, die für sie mit erheblichen Vermögensopfern verbunden waren. Sie haben 60 cbm Mutterboden ausheben lassen, Kies in das Bauloch einbringen und verdichten lassen, damit darauf eine Bodenplatte gesetzt werden kann. Außerdem haben sie eine Klärgrube gebaut, was ebenfalls mit erheblichen Vermögensopfern verbunden war. Dass sie der Klägerin bewusst Schaden zufügen wollten, ist nicht ersichtlich; dafür hätten die Beklagten kein nachvollziehbares Motiv gehabt, schon gar keines, das erhebliche Vermögensopfer der Beklagten gerechtfertigt hätte. Die Handlungen der Beklagten waren ersichtlich nicht vandalistischer Natur, sondern auf eine, wenn auch möglicherweise für die Klägerin letztlich nicht realisierbare, Wertsteigerung angelegt. Ein nachvollziehbares Eigeninteresse der Beklagten ist anzunehmen. Entweder wollten die Beklagten zu der Zeit, als sie die Arbeiten ausführten, noch wie geplant ein Haus bauen, oder sie wollten entsprechend dem damals freundschaftlichen Verhältnis zum Geschäftsführer der Klägerin diesem einen Gefallen tun oder in der Annahme eines von der Klägerin erteilten Auftrags handeln. Jedenfalls liegen für eine vorsätzliche Schädigung der Klägerin keine hinreichenden Anhaltspunkte vor. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall, in dem eine vorsätzliche Schädigung durch Nichtoffenbarung des Fehlens einer Bereitschaft zum Vertragsschluss für möglich gehalten worden ist, betrifft im Gegensatz zum vorliegenden Fall die Konstellation, dass der Schädiger sehenden Auges zusieht, wie der Geschädigte Vermögensopfer bringt. Dies trifft auf die Beklagten im vorliegenden Fall nicht zu. Auch wenn, wie die Klägerin vorträgt, noch im Oktober 1998 gebaut worden sein sollte, liegt darin keine grobe Treuepflichtverletzung.

Die Positionen Rechnung der I. GmbH vom 28.08.1998 (Anlage K5, GA I 16) über 4.872,00 DM, Leistungsbescheid des Katasteramts M. vom 14.08.1998 (Anlage K 6, GA I 17) über 23,00 DM, Rechnung des Dipl.-Ing. N. vom 13.03.07 (gemeint wohl: 1998, Anlage K 7, GA I 18) über 1.525,40 DM, Rechnung des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. K. vom 08.06.1998 über 3.916,68 DM (Anlage K 8, GA I 20) und Leistungsbescheid des öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs W. K. vom 02.12.1997 über 426 DM (Anlage K 9, GA I 22) sind unabhängig von der Bewertung der möglicherweise noch im Oktober 1998 durchgeführten Arbeiten schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die betreffenden Schäden zu einer Zeit angefallen sind, als die Beklagten noch Vertragsabschlussbereitschaft hatten, und schon deshalb nicht auf einer vorsätzlichen Treupflichtverletzung der Klägerin beruhen. Die Rechnung des Ingenieurs N. betrifft zudem ein anderes Objekt, nämlich B. 15 und nicht das streitgegenständliche Objekt B. 4.

2.

Soweit als Anspruchsgrundlage auch Auftrag oder Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670, 677 BGB) in Betracht kommen könnten, wird Bezug genommen auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil. Die Klägerin hat bei der Veranlassung der Maßnahmen, für die sie die geltend gemachten Aufwendungen gehabt hat, keine fremden Geschäfte geführt, sondern in eigenem Interesse gehandelt.

3.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB kommt bezüglich der bewusst und zielgerichtet durchgeführten Maßnahmen wie dem Aushub der Grube und Einbau der Klärgrube nicht in Betracht, da diese Maßnahmen im Einverständnis mit der Klägerin durchgeführt worden sind.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Ersatz des gemäß Rechnung vom 27.10.1998 (Anlage K 11, GA I 25) entstandenen Rohrschadens, der durch einen Bagger des Beklagten verursacht worden sein soll, aufgrund § 823 Abs. 1 BGB. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass die Klägerin Eigentümerin des beschädigten Rohrs war. Angesichts des Standes der Bauarbeiten spricht alles dafür, dass das beschädigte Rohr sich im Eigentum des Trinkwasser- und Abwasserverbandes G. befunden hat, der seinerseits gegenüber der Klägerin einen Schadensersatzanspruch geltend gemacht hat. Nach den Angaben der Klägerin beim Verhandlungstermin am 13.03.2001 befindet sich auf dem Grundstück kein Hausanschluss. Im Eigentum des Grundstückseigentümers stehen üblicherweise nur diejenigen Rohre, die vom Hausanschluss aus das Grundstück versorgen. Die bis zum Hausanschluss führenden Rohre stehen üblicherweise im Eigentum des Versorgungsunternehmens.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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