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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: 11 U 167/01
Rechtsgebiete: BGB, ALR, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1020
BGB § 1021
BGB § 1022
BGB § 1023
BGB § 1024
BGB § 1025
BGB § 1026
BGB § 1027
BGB § 1028
ALR § 79
ZPO § 713
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
1. Die Verpflichtung zur Bewilligung der Eintragung einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit kann sich dem Grunde nach aus Art. 184, 187 EGBGB i. V. m. § 11 des 22. Titels des ersten Teils des Allgemeinen preußischen Landrechts von 1794 ergeben.

2. Die Ausübung einer solchen Grunddienstbarkeit richtet sich nach §§ 1020 bis 1028 BGB, so dass sie nach altem Recht in ihrem ursprünglichen Zustand festgestellt, der Anpassung an die wirtschaftliche und technische Entwicklung nach neuen Recht unterliegt. Eine Verpflichtung zur Abgabe der Eintragungsbewilligung einer im Maß erweiterten altrechtlichen Dienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des herrschenden Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung unvorhersehbare und willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist.

3. Zur Ermittlung des Umfangs eines Wegerechts zum Zwecke der Zu- und Durchfahrt kann auf Anhang C des Richtlinienerlasses des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 08. August 2001 (MBl LSA 41/2001 v. 01.10.2001) sowie die DIN 14090 (Flächen für die Feuerwehr auf Grundstücken) zurückgegriffen werden.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 167/01 OLG Naumburg

verkündet am: 20.12.2001

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2001 durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann als Vorsitzende, den Richter am Landgericht Lentner und den Richter am Landgericht zur Nieden

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 08. August 2001 - 21 O 331/98 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, bezüglich des im Grundbuch von J. , Blatt 26, eingetragenen Grundstücks, Flur 4, Flurstück 100/1, der Eintragung einer Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt zuzustimmen: Den jeweiligen Eigentümern des Grundstückes D. straße 35 in J. , eingetragen im Grundbuch von J. auf Blatt 5, Flur 4, Flurstück 481/100 steht bezüglich dieses Grundstücks das Recht zu, im Zuge eines Überfahrts- und Wegerechtes die zwischen der Scheune und dem Stall befindliche Auffahrt, soweit sie geradlinig verläuft, in einer Breite von 3,5 Metern, in der Kurve in einer Breite von 5,0 Metern des verpflichteten Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von J. , Blatt 26, Flur 4, Flurstück 100/1 zu nutzen.

Dieses Recht steht zugleich uneingeschränkt ihren Familienangehörigen, ihren Mietern und etwaigen Besuchern zu.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Parteien übersteigt 60.000,00 DM nicht.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt im Wege gewillkürter Prozessstandschaft von den Beklagten die Bewilligung einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit.

Mit notariell beurkundetem Vertrag des Notars Dr. A. St. aus W. vom 16. August 1994 (UR-Nr. 915/1994) verkaufte die Klägerin ihr in J. , D. straße 35 belegenes und im Grundbuch von J. , Blatt 5, Flur 4, Flurstück 481/100 verzeichnetes Grundstück an die Eheleute Qu. .

In § 5 dieses Vertrages verpflichtete sich die Klägerin, das Überfahrtsrecht über das Grundstück der Beklagten, D. straße 34 in J. , verzeichnet im Grundbuch von J. , Blatt 26, Flur 4, Flurstück 100/1 für die Käufer abzusichern. Für den Fall, dass das Wegerecht im Grundbuch nicht eingetragen wird, behielten sich die Käufer den Rücktritt vom Vertrage vor.

Die Erwerber des Grundstückes ermächtigten die Klägerin am 31. August 1998, die Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch gerichtlich vorzunehmen (GA I 43).

Das Grundstück D. straße 35 verfügt nicht über eine Zufahrt, die über eine öffentliche Straße führt. Der Weg von der nächsten öffentlichen Straße zu diesem Grundstück beträgt 70 m.

Die Klägerin hat behauptet, der Anspruch auf Eintragung der Grunddienstbarkeit im Grundbuch ergebe sich aus einem zwischen dem Kaufmann F. M. aus K. als Verkäufer und dem Musikus und Schneider H. Sch. sowie dem Zimmermann J. F. als Käufer geschlossenen Vertrag vom 10. Dezember 1828, in dem es auszugsweise wie folgt heißt:

"... Ein Wohnhaus, worin zwei Wohnungen angelegt sind, mit dem dahinter belegenen Hofplatz, welcher sich bis an die Wiese erstreckt und 38 Fuß lang ist, dem Zwischengang an der L. schen Seite von 2 Fuß breit, auch 12 Fuß, 7 Zoll Breite von vor dem Hause Mitternachtswärts, 26 Fuß Breite Morgenwärts von dem Hause bis an dem an der Sch. 'schen Grenze angelegten 10 Fuß breiten Weg, welchen sie ebenfalls eigentümlich erhalten, jedoch schuldig sein sollen, dessen Mitbenutzung den übrigen Bewohnern des M. schen Hofs unentgeltlich zu erstatten. ... So wie die hinter der Wiese Mittagswärts belegenen 6 Gartendämme zur Hälfte, welche sämtlich von gleicher Größe, jedoch nicht vermessen sind, und sichert ihnen die Befugnis zu, den an der Sch. 'schen Seite zu der Wiese und den Dämmen führenden 10 Fuß breiten Weg unentgeltlich zu benutzen. ... Der Schneider Sch. dagegen die gegen Morgen gelegene Wohnung mit dem Platze vor und hinter auf der Morgenseite derselben bis an den Weg, welchen sie gemeinschaftlich, erhalten hat. Letzteren soll da, wo zwischen dem Musikus Sch. 'schen Hofplatz und der Wiese sich krümmt nach dem Sch. 'schen Hofplatze, so erweitert werden, dass mit einem Wagen die Biegung nach dem F. schen Hofraum zu fahren, gemacht werden kann."

Wegen des weiteren Inhalts des Vertrages vom 10.12.1828 wird auf diesen (Bl. 19 ff., Bd. II d. A.) sowie auf den Schriftsatz der Klägerseite vom 08.12.1998 (Bl. 56, Bd. I d. A.) Bezug genommen."

Diesem Vertrag war eine Lageskizze beigefügt (GA II Bl. 95), aus der sich die Lage der durch Teilung enstandenen Grundstücke sowie der Zuwegungen ergeben.

Die Klägerin hat behauptet, sie - und damit auch die Eheleute Qu. als Erwerber des Grundstückes - seien Rechtsnachfolger des Käufers J. F. s, die Beklagten hätten die Rechtsnachfolge nach H. Sch. angetreten (wegen der Einzelheiten der Rechtsnachfolge vgl. GA I, 60 - 62).

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner und zugleich als Eigentümer des im Grundbuch von J. , Blatt 26, Flur 4, Flurstück 100/1, eingetragenen Grundstücks zu verurteilen, die Eintragung einer Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt zuzustimmen:

Den Eheleuten J. und I. Qu. sowie ihren Rechtsnachfolgern steht bezüglich des Grundstücks das Recht zu, im Zuge eines Überfahrts- und Wegerechtes die zwischen der Scheune und dem Stall befindliche Auffahrt in einer Breite 5 m des verpflichteten Grundstücks zu nutzen. Dieses Recht steht zugleich uneingeschränkt ihren Familienangehörigen, ihren Mietern und etwaigen Besuchern zu,

hilfweise,

die Beklagten haben es zur Meidung eines Zwangsgeldes von bis zu 500.000,00 DM oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, die Eigentümer des Grundstücks D. straße 35, deren Familienangehörige sowie etwaige Besucher in der Benutzung der Toreinfahrt zwischen den Grundstücken D. straße 34 und D. straße 35 in J. , eingetragen im Grundbuch von J. , Blatt 26, Flur 4, Flurstück 100/1 und Blatt 5, Flurstück 481/100 zu behindern und es insbesondere zu unterlassen, die obige Toreinfahrt einzuengen und/oder eingeengt zu halten.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben in Abrede gestellt, dass der Vertrag aus dem Jahr 1828 die von der Klägerin behauptete Grunddienstbarkeit enthält. Soweit der Vertrag eine Vereinbarung über die Gestattung der Nutzung eines Weges enthalte, weise der Vertrag lediglich schuldrechtlichen Charakter auf und beziehe sich auch nicht auf den streitbefangenen, sondern auf einen weiteren Weg, der "zu den Feldern und Wiesen" führe und der in der beigefügten Lageskizze (GA II 95) als "Weg zum Garten" bezeichnet sei. Die Zufahrt zum Grundstück der Eheleute Qu. sei zu keinem Zeitpunkt Gegenstand einer schuldrechtlichen oder dinglichen Vereinbarung gewesen.

Durch Urteil vom 08. August 2001 hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß zur Bewilligung des Überfahrts- und Wegerechts in einer Breite von 5 Metern verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Anspruch ergebe sich aus Art. 184, 187 EGBGB in Verb. mit § 11 des 22. Titels des ersten Teils des Allgemeinen preußischen Landrechts von 1794. Aus Art. 184 EGBGB folge, dass ein Recht, mit dem eine Sache oder ein Recht zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzesbuches belastet sei, mit dem sich aus den bisherigen Gesetzen ergebenden Inhalt und Rang bestehen bleibe. Gemäß Art. 187 EGBGB bedürfe die Grunddienstbarkeit, da sie zu einer Zeit entstanden sei, zu welcher das Grundbuch noch nicht angelegt war, zur Erhaltung nicht der Eintragung im Grundbuch. Die Eintragung habe jedoch zu erfolgen, wenn sie von dem Berechtigten oder von dem Eigentümer des belasteten Grundstücks verlangt werde. Die Eheleute Qu. , für die die Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft klage, seien als Rechtsnachfolger des J. F. s berechtigt, die Grunddienstbarkeit von den Beklagten, bei denen es sich um die Rechtsnachfolger des H. Sch. handele, zu verlangen. Dem Vertrag könne entnommen werden, dass ein dingliches Wegerecht bewilligt worden sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (GA II 63 - 68) verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel verfolgen, die Breite des Überfahrts- und Wegerechtes, welches sie dem Grunde nach nunmehr anerkennen, auf 2,4 m zu begrenzen.

Die Beklagten tragen vor, soweit sich der Vertrag vom 10. Dezember 1828 über einen "10 Fuß breiten Weg" verhalte, sei damit nicht die Hofeinfahrt zum Grundstück der Parteien, sondern der in der Skizze zum Vertrag als "Weg zum Garten" bezeichnete Weg gemeint. Dieser "Weg zum Garten" sei nicht Gegenstand des Verfahrens. Der Skizze zum Vertrag könne entnommen werden, dass der Weg zu den Grundstücken der Parteien zum damaligen Zeitpunkt 8 Fuß breit gewesen sei. Dies entspreche nach heutiger Rechnung einer Breite von 2,4 m. Sofern das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten habe, das Wegerecht müsse auf die heutigen Verhältnisse angepasst werden und das Befahren mit einem PKW zulassen, werde dem nicht widersprochen. Allerdings sei eine Breite von 5 m nicht erforderlich. Die Durchfahrt sei an einer Stelle ohnedies lediglich 4,8 m breit. Bei der Bemessung der Breite des zu bewilligenden Durchfahrtsrechtes sei auch zu berücksichtigen, dass das Eingangstor zum ehemaligen Grundstück der Klägerin selbst nur über eine Breite von 3,5 m verfüge. Aus alledem folge, dass die Vereinbarung im Vertrag vom 10. Dezember 1828, wonach ein Wegerecht allenfalls in einer Breite von 8 Fuß (2,4 m) bewilligt worden sei, nach wie vor Bestand habe. In dieser Breite sei die Grunddienstbarkeit ausreichend.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des am 08. August 2001 verkündeten Urteils des Landgerichts Stendal, Geschäfts-Nr.: 21 O 331/98, die Beklagten zu verurteilen, bezüglich des im Grundbuch von J. , Blatt 26, eingetragenen Grundstücks, Flur 4, Flurstück 100/1, der Eintragung einer Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt zuzustimmen: Den jeweiligen Eigentümern des Grundstückes D. straße 35 in J. , eingetragen im Grundbuch von J. auf Blatt 5, Flur 4, Flurstück 481/100 steht bezüglich dieses Grundstücks das Recht zu, im Zuge eines Überfahrts- und Wegerechtes die zwischen der Scheune und dem Stall befindliche Auffahrt lediglich in einer Breite von 2,40 Meter (8 Fuß) des verpflichteten Grundstücks, eingetragen im Grundbuch von J. , Blatt 26, Flur 4, Flurstück 100/1 zu nutzen.

Dies Recht steht zugleich uneingeschränkt ihren Familienangehörigen, ihren Mietern und etwaigen Besuchern zu.

Die darüber hinausgehende Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Der Vertrag aus dem Jahr 1828 treffe keine Regelung über die Durchfahrtsbreite von 8 Fuß. Aus dem Vertrag ergebe sich vielmehr die Vereinbarung (Seite 1 Rs, GA II 8 oben), dass die Durchfahrtsbreite 26 Fuß betragen solle, was nach heutigem Maße 7,80 m entspreche.

Die von der Klägerin in Prozessstandsschaft geltend gemachte Durchfahrtsbreite von 5,0 m ergebe sich aus einer im Jahre 1935 erteilten Baugenehmigung, die eine Durchfahrtsbreite von 5,00 m vorgesehen habe (GA I 39).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten LG Stendal - 21 O 409/98 - lagen zu Informationszwecken vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg, soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung die Breite des Wegerechts in dem geradlinig verlaufenden Teil der Zufahrt auf 5,0 Meter festgelegt hat. Dort schulden die Beklagten die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit lediglich auf einer Breite von 3,5 m. Soweit die Beklagten der Ansicht sind, das Wegerecht überhaupt nur in einer Breite von 2,4 m bewilligen zu müssen, ist der Berufung in diesem überwiegenden Teil der Erfolg versagt.

Mit rechtlich zutreffender Begründung hat das Landgericht einen Anspruch der in gewillkürter Prozessstandschaft vorgehenden Klägerin gegen die Beklagten auf Bewilligung der Eintragung einer altrechtlichen Grunddienstbarkeit dem Grunde nach aus Art. 184, 187 EGBGB in Verb. mit § 11 des 22. Titels des ersten Teils des Allgemeinen preußischen Landrechts (ALR) bejaht.

Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug. Weitergehende rechtliche Ausführungen dazu sind entbehrlich, weil die Parteien im Berufungsverfahren nicht darum streiten, ob der vom Landgericht zuerkannte Anspruch dem Grunde nach besteht. Diesen erkennen die Beklagten an.

Gegenstand der Berufung ist allein die Frage, ob das Wegerecht in einer Breite von 5 m oder aber nur in einer Breite von 2,40 m zu bewilligen ist.

Der Senat hat sich bei der Entscheidung, die Breite des einzuräumenden Wegerechts im geradlinig verlaufenden Teil der Zufahrt auf 3,5 m, soweit sie in einer Kurve verläuft, auf 5,0 m festzulegen, von folgenden Erwägungen leiten lassen:

Gemäß Art. 184 Satz 1 EGBGB bemisst sich der Inhalt einer bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehenden Grunddienstbarkeit nach altem Recht; ihre Ausübung ist dagegen nach den §§ 1020 bis 1028 BGB zu beurteilen (Art. 184 Satz 2 EGBGB). Daraus folgt, dass die Grunddienstbarkeit zunächst nach altem Recht in ihrem ursprünglichen Umfang festzustellen, ihre Anpassung an wirtschaftliche und technische Fortentwicklung nach neuem Recht zu beurteilen ist (vgl. insoweit Falkenberg in Münchner Kommentar, 2. Aufl., § 1018 Rn. 56). Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Bewilligung auf Eintragung einer im Maß erweiterten altrechtlichen Dienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Bedarfssteigerung in den Grenzen einer der Art nach gleich bleibenden Benutzung des herrschenden Grundstücks hält und nicht auf eine zur Zeit der Dienstbarkeitsbestellung unvorhersehbare und willkürliche Benutzungsänderung zurückzuführen ist (vgl. insoweit BGH WM 1966, 1300, 1301; BGH NJW-RR 1995, S. 15; BGH MDR 1975, S. 745; BGH WM 1964, S. 1027 ff.; OLG München, RPflg. 1984, S. 461; OLG Karlsruhe, OLGZ 1977, S. 81, 83; OLG Zweibrücken, OLGZ 1968, S. 143, 145; Hartmann in Soergel, 12. Aufl., Art. 187 EGBGB Rn. 2).

So liegt der Fall hier.

Das im Jahr 1828 wohl überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Grundstück der Eheleute Qu. dient nunmehr ausschließlich diesem Zweck. Das Wegerecht muss so gestaltet sein, dass eine ordnungsgemäße Versorgung des herrschenden Grundstücks, insbesondere die Befahrbarkeit mit Pkw, aber auch der Erreichbarkeit durch Rettungsfahrzeuge und die Feuerwehr gewährleistet ist. Der gesteigerte Bedarf dieses Grundstücks, der darin besteht, dass nicht mehr Pferdefuhrwerke, sondern Pkw und im Bedarfsfall auch größere LKW das Grundstück erreichen können müssen, war voraussehbar und ist keineswegs willkürlich. Entgegen der Ansicht der Beklagten müssen sich die Eheleute Qu. nicht darauf verweisen lassen, ihre Rechtsvorgänger hätten schwere und große Lieferungen, die durch ein Pferdefuhrwerk herangefahren worden seien, vor dem Grundstück der Beklagten abgeladen und einzeln in einem Handwagen auf ihr Grundstück verbracht. Jedenfalls bei verständiger Würdigung der Bedürfnisse eines Familienhaushaltes, dem mehrere Kinder angehören, die versorgt werden müssen, kann kein Zweifel daran bestehen, dass die fehlende Befahrbarkeit eines Grundstücks einen unzumutbaren Zustand darstellt. Davon sind im übrigen bereits die Parteien des Vertrages aus dem Jahr 1828 ausgegangen. Denn sie waren sich ja gerade darüber einig, dass der streitbefangene Weg, der noch heute an derselben Stelle zu dem Grundstück der Eheleute Qu. führt, in der Biegung so verbreitert werden müsse, dass ein Befahren mit dem Pferdewagen möglich wird. An diesem Erfordernis hat sich bis heute nichts geändert.

Die Parteien des Vertrages aus dem Jahr 1828 haben die Breite des gewährten Durchfahrtrechtes nicht ausdrücklich geregelt. Die maßgebliche Passage findet sich auf Seite 2 der Vereinbarung (GA II Bl. 9 unten). Dort heißt es, dass der Weg, der sich zwischen dem "Musikus Sch. schen Hofplatz und den Wiesen krümmt, nach dem Sch. 'schen Hofplatz zu so erweitert werde, dass mit einem Wagen die Biegung nach dem F. schen Hof zu fahren, gemacht werden kann". Damit ist auch nach Auffassung des Senates die in der Zeichnung aus dem Jahr 1828 (GA II 95) als "Weg" bezeichnete Zuwegung gemeint. Der Weg war ausweislich der Skizze ursprünglich 8 Fuß breit. Dieses Maß ist jedoch aus den vorgenannten Gründen nicht auch die Breite des gewährten Durchfahrtsrechtes. Hinsichtlich der Breite der Grunddienstbarkeit trifft § 77 des 1. Teils des 22. Titels ALR eine Regelung. Danach wird die Breite der Fußsteige, Wege und Viehtriebe, die Gegenstand einer "Grundgerechtigkeit" sind, hauptsächlich durch die bei Einräumung des Rechts getroffenen Verabredungen bestimmt. Gemäß § 79 ALR ist, sofern eine Vereinbarung hierüber nicht getroffen wurde, auf Wegen zum Fahren eine Breite von 8 Fuß in der geraden Linie und von 12 Fuß in der Biegung zu rechnen; bei Viehtrieben ist die doppelte Breite eines Weges zu rechnen. Da die Parteien im Jahr 1828 die Breite nicht ausdrücklich festgelegt haben, galt zum damaligen Zeitpunkt § 79 ALR. Die Breite von 8 Fuß (2,40 m) in der Geraden und 12 Fuß (3,60 m) in der Biegung ist als Ausgangspunkt für die Überlegung zu wählen, auf welche Breite das Durchfahrtsrecht aufgrund der geänderten wirtschaftlichen und technischen Verhältnisse anzupassen ist.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es daher nicht darauf an, ob der streitbefangene Weg im Jahre 1828 eine Breite von 8 Fuß (2,4 m) aufwies. Ebenso wenig ist rechtlich von Bedeutung, dass die Durchfahrt in den Skizzen, die 1935 Grundlage einer Baugenehmigung waren, eine Breite von 5,00 m aufweist. Entscheidend ist vielmehr, welche Breite der Weg unter Berücksichtigung der nunmehr bestehenden berechtigten Bedürfnisse der Eigentümer des herrschenden Grundstückes (Versorgung des Grundstücks, Erreichbarkeit für Feuerwehr und Rettungsfahrzeuge) aufweisen muss.

Gemäß Anhang C des Richtlinienerlasses des Ministeriums für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom 08. August 2001 (Ministerialblatt LSA 41/2001 vom 01. Oktober 2001) gilt als Richtlinie für die Flächen der Feuerwehr im Bereich von Zu- oder Durchfahrten Folgendes: Die lichte Breite der Zu- oder Durchfahrten muss mindestens 3 m, die lichte Höhe mindestens 3,5 m betragen. Wird eine Zu- oder Durchfahrt auf einer Länge von mehr als 12 m beidseitig durch Bauteile, wie Wände oder Pfeiler, begrenzt, so muss die lichte Breite wenigstens 3,5 m betragen. Die Breite der Zu- oder Durchfahrt in der Kurve muss, abhängig vom Außenradius der Kurve, zwischen 3,0 und 5,0 m liegen. Bei einem Außenradius zwischen 12 m und 15 m beträgt die Breite 4,5 m, bei einem Außenradius von 10,5 bis 12 m ist eine Breite von 5,0 m vorgesehen. Mit dieser Richtlinie korrespondiert die DIN 14090 (Flächen für die Feuerwehr auf Grundstücken), aus der sich die vorgenannten Maße ebenfalls ergeben.

Die Richtlinie vom 08. August 2001 ist in Verbindung mit der DIN 14090 zur Ermittlung der erforderlichen Breite des Wegerechtes geeignet, weil sie die aktuellen Anforderungen an die Erreichbarkeit eines Grundstückes widerspiegelt. Die Zugrundelegung der dort aufgeführten Maße stellt sicher, dass das Grundstück der Eheleute Qu. im Bedarfsfall auch von größeren Rettungs- und Feuerwehrfahrzeugen erreicht wird. Dabei hat der Senat die Breite der einzuräumenden Zufahrt in der Geraden auf 3,5 m festgelegt, weil sich aus den zur Akte gereichten und im Termin zur mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Lichtbildern ergibt, dass die Durchfahrt auf beiden Seiten durch Gebäude eingeengt und begrenzt wird. Den Außenradius der Kurve, die auf dem Grundstück der Beklagten genommen werden muss, um zu dem Grundstück der Eheleute Qu. zu gelangen, schätzt der Senat angesichts der den Lichtbildern ebenfalls zu entnehmenden beengten Verhältnisse auf 10,5 bis 12 m. Daraus folgt eine Breite der Zufahrt in der Kurve von 5,0 m.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergehen nach §§ 92 Abs. 2; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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