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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 07.05.2002
Aktenzeichen: 11 U 184/01
Rechtsgebiete: BGB, EGZGB, EGBGB, ZGB/DDR, TreuhG, SachenRBerG, ZPO, GKG
Vorschriften:
BGB §§ 812 ff | |
BGB § 986 | |
BGB § 988 | |
BGB § 818 Abs. 2 | |
BGB § 986 Abs. 1 | |
BGB § 892 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 917 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 990 Abs. 1 Satz 2 | |
EGZGB § 2 Abs. 2 | |
EGBGB § 1 | |
EGBGB § 5 | |
EGBGB § 5 Abs. 1 | |
EGBGB § 2a Abs. 1 Satz 3 | |
ZGB/DDR § 297 | |
ZGB/DDR §§ 312 f. | |
ZGB/DDR § 321 Abs. 4 | |
ZGB/DDR § 297 Abs. 2 Satz 2 | |
TreuhG § 11 Abs. 2 Satz 2 | |
SachenRBerG § 118 Abs. 1 | |
ZPO § 711 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
GKG § 22 | |
GKG § 14 Abs. 1 Satz 1 |
2. Ohne entsprechendes Verlangen der Nutzer entstehen weder ein Anspruch auf Notwegrente noch auf ein Entgelt nach § 118 Abs. 1 SachenRBerG.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
11 U 184/01 OLG Naumburg
verkündet am: 07.05.2002
In dem Berufungsrechtsstreit
...
wegen Nutzungsentschädigung,
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 24.08.2001, Geschäftszeichen: 9 O 76/01, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 3.500 Euro abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
und beschlossen:
Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 47.471,31 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Entschädigung für die "Mitbenutzung" einer auf seinem Grundstück in O. gelegenen Betriebsstraße (Straße der Bergarbeiter) für die Zeit vom 27.07.1991 bis 31.12.1992 in Anspruch.
Eigentümer des Grundstücks des Klägers Flur 12, Flurstück 95 und 96, eingetragen im Grundbuch von A. Bl. 2379 (vgl. Grundbuchauszug Bl. 25 ff. d.A.) war die C. AG. Die C. AG ging im Wege der Umwandlung aus dem VEB C. hervor. Bei der Beklagten handelt es sich um den ehemaligen VEB B. .
Im Jahre 1973 sollte der VEB B. in O. ein Staatsplanvorhaben realisieren. Es ging hierbei um die Errichtung eines Bewehrungsvorfertigungswerkes. Rechtsträger des zum Bau vorgesehenen Areals war zu diesem Zeitpunkt noch das Braunkohlenkombinat G. . 1974 wurde beschlossen, daß der VEB C. im gleichen Bereich, speziell auf den Flurstücken 95 und 96, ein Zentrallager errichten sollte. Dies wurde dem VEB B. durch Schreiben vom 14.10.1974 mitgeteilt (Bl. 123 f. d.A.). Am 06.01.1975 fand eine Beratung zur Koordinierung der Investitionen und Interessen der insgesamt 4 im Bereich O. vorgesehenen Anlieger statt. Man wollte die zur Versorgung der betrieblichen Einrichtungen notwendigen Versorgungstrassen einschließlich einer Betriebsstraße gemeinsam errichten. Gleichzeitig wurde die Frage der späteren Grundstücksgrenzen der einzelnen Betriebe besprochen (vgl. Protokoll Bl. 125 ff. d.A.). Am 10.12.1975 schlossen die Beteiligten einen Organisationsvertrag zur gemeinsamen verkehrstechnischen Versorgung der im sog. Funktionsgebiet 14 des Industriegebietes H. liegenden Grundstücke (Bl. 129 ff. d.A.). An diesem Vertrag und der insoweit begründeten Investitionsgemeinschaft waren auch der VEB B. und der VEB C. beteiligt.
Der Organisationsvertrag ging von der späteren Rechtsträgerschaft des VEB Bau- und Montagekombinats Chemie an den Straßengrundstücken aus. Tatsächlich wurde nach Realisierung des Investitionsvorhabens der VEB C. zum Rechtsträger bestimmt.
Das B. hat die Straße errichtet und sodann allen beteiligten Anliegern zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Die Baukosten wurden entsprechend dem Organisationsvertrag unter den Betrieben geteilt. Für die anschließende Nutzung der Straße wurde ein Entgelt nicht entrichtet. Die Straße ist die einzige Zufahrt zum Betriebsgrundstück der Beklagten.
Am 27.07.1991 verkaufte die C. AG zur UR-Nr. 220/1991 des Notars L. aus B. dem Kläger die u.a. mit der Straße bebauten Grundstücke (Bl. 79 ff. d.A.). Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahr gingen am gleichen Tag auf den Kläger über. Die Verkäuferin versicherte, daß Rechte Dritter an dem Grundstück nicht bestehen würden. Am 27.04.1992 wurde der Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Mit Rechnung vom 26.01.1996 hat der Kläger von der Beklagten für die Zeit vom 27.07.1991 bis 31.12.1995 einen Betrag von 158.669,20 DM als Entschädigung für die Nutzung der Straße der Bergarbeiter geltend gemacht (Bl. 12 d.A.).
Der Kläger hat behauptet, er habe erhebliche Zeit nach Vertragsabschluß festgestellt, daß seine Privatstraße auch von der Beklagten als Zufahrt zu ihrem Grundstück genutzt werde. Dies müsse er, so hat der Kläger vertreten, auf Dauer nicht entschädigungslos hinnehmen. Vielmehr sei die Beklagte verpflichtet, jeden Monat pro m² 2,00 DM an den Kläger zu entrichten, was bei einer Größe der Straße von 1.065 m² für die Zeit vom 27.07.1991 bis 31.12.1992 einer Summe von 41.279,40 DM zzgl. MwSt. entspreche.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 41.279,40 DM zzgl. 6.191,91 DM MwSt. nebst 5% Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheids zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und darüber hinaus gemeint, der Kläger sei jedenfalls für Forderungen vor April 1992 nicht aktivlegitimiert. Außerdem handele es sich bei der auf dem Grundstück des Klägers liegenden Straße um keine Privatstraße, sondern um eine Gemeindestraße. Schließlich habe die Beklagte ein unentgeltliches Mitbenutzungsrecht. Hierzu hat die Beklagte behauptet, bei der Errichtung der Straße durch die Anliegerbetriebe habe darin Übereinstimmung bestanden, daß dem Rechtsträger des Straßengrundstücks eine Entschädigung nicht zu zahlen sei. Die Beklagte habe die Straße nur bis 1995 genutzt.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 24.08.2001 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung aus §§ 988, 812 BGB gegen die Beklagte. Für die Zeit bis zur Grundbucheintragung des Klägers fehle es bereits an einer Vindikationslage. Die Aktivlegitimation des Klägers ergebe sich auch nicht aus dem vorzeitigen Besitzübergang, da dieser nur das Innenverhältnis der vertragsschließenden Parteien betreffe. Im übrigen sei die Beklagte zum Besitz berechtigt. Es könne offen bleiben, ob sich die Beklagte auf ein Mitbenutzungsrecht stützen könne. Zumindest stehe ihr ein Notwegerecht zur Seite, da die Beklagte über keinen anderen Weg zur öffentlichen Straße verfüge. Eine Entschädigung stehe dem Kläger weder unter dem Gesichtspunkt des Mitbenutzungsrechts noch mit Blick auf das Notwegerecht zu. Für die Notwegerechte komme es auf die sich aus der Duldungspflicht für den Eigentümer ergebende Beeinträchtigung an. Maßgeblich sei die Verkehrswertminderung des Grundstücks. So berechne der Kläger seinen Anspruch nicht. Entsprechendes gelte, soweit ein Mitbenutzungsrecht in Betracht zu ziehen sei.
Gegen diese, seinem Prozeßbevollmächtigten am 29.08.2001 zugestellte Entscheidung wendet sich die am 01.10.2001 eingegangene Berufung des Klägers, die nach mehrmaliger Berufungsbegründungsfristverlängerung bis zum 04.01.2002 an diesem Tag begründet worden ist.
Der Kläger vertritt die Auffassung, es komme nicht darauf an, ob ein Mitbenutzungsrecht vereinbart gewesen sei oder nicht. Auf jeden Fall könne er eine Entschädigung verlangen, da sich aus dem Organisationsvertrag eine Unentgeltlichkeit nicht ergebe. Die starke Beanspruchung der Straße rechtfertigte einen Betrag von 2,00 DM/m² und Monat.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Halle vom 24.08.2001 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.105,82 Euro (41.279,40 DM) zuzüglich 3.165,87 Euro (6.191,91 DM) Umsatzsteuer nebst 5 % Zinsen seit Zustellung des Mahnbescheides zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I. Für das Rechtsmittel des Klägers sind weiterhin die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden, da die angefochtene Entscheidung auf eine vor dem 01.01.2002 geschlossene mündliche Verhandlung zurück geht (§ 26 Nr. 5 Satz 1 EGZPO). Die danach zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend zu der Auffassung gelangt, daß dem Kläger für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 27.07.1991 bis zum 31.12.1992 ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht zusteht, da die Voraussetzungen für einen hier nur in Betracht kommenden Anspruch aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gemäß § 988 BGB bzw. § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB und dem Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 ff BGB nicht vorliegen.
1. Hinsichtlich des Zeitraums 27.7.1991 bis zur Eintragung des Klägers am 27.4.2002 im Grundbuch als Eigentümer des fraglichen Grundstücks scheitern Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis schon daran, dass der Kläger nicht Eigentümer des Grundstücks war. Insoweit wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Aus diesen Gründen scheidet auch ein Anspruch des Klägers aus bereicherungsrechtlichen Vorschriften aus.
2. Hinsichtlich des Zeitraums ab Eintragung des Klägers im Grundbuch liegt zwar für einen möglichen Anspruch des Klägers aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis die erforderliche Vindikationslage vor, da der Kläger Eigentümer ist und der Beklagten entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil ab Eigentumsübergang auf den Kläger kein Recht zum Besitz i.S.v. § 986 Abs. 1 BGB mehr zusteht.
a) Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung eines Besitzrechtes der Beklagten für diesen Zeitraum ist der Organisationsvertrag zwischen den Anliegerbetrieben vom Dezember 1975. Die beteiligten VEB bildeten eine sog. Investitionsgemeinschaft i.S.v. Ziff. I.4. der Richtlinie über gemeinsame Investitionen vom 26.09.1972 (GBl. <DDR> II Nr. 59 S. 642). Danach waren im Organisationsvertrag Vereinbarungen zu treffen, die die Nutzung der gemeinsamen Investition betrafen. Die geschaffenen Grundmittel wurden Volkseigentum (Ziff. I.7.). Die Vereinbarungen über die Nutzung im Organisationsvertrag waren durch Nutzungsverträge zu konkretisieren, wobei Festlegungen über den Umfang und die konkreten Bedingungen der Nutzung durch die Beteiligten, über Preise bzw. Beteiligung an den Kosten zu treffen waren (Ziff. I.8.). Dies ergab sich daraus, daß die durch Organisationsvertrag begründete Kooperationsgemeinschaft (vgl. Ziff. I.4. i.V.m. § 2 Abs. 3 der Verordnung über Kooperationsgemeinschaften [GBl. <DDR> II Nr. 39 S. 287]) kein gemeinsames Vermögen bildete (§ 14 Abs. 3 Verordnung über Kooperationsgemeinschaften). Enthält der Organisationsvertrag zwischen den Anliegern keine Entgeltabrede, schließt dies danach einen anschließend zustande gekommenen entgeltlichen Nutzungsvertrag i.S.v. §§ 73 f. des Vertragsgesetzes vom 25.02.1965 (GBl. <DDR> I Nr. 7 S. 107) bzw. §§ 71 f. Vertragsgesetz vom 25.03.1982 (GBl. <DDR> I Nr. 14 S. 293 - vgl. zum Übergangsrecht § 118 VG) nicht aus (für solche Wirtschaftsverträge gilt das Vertragsgesetz weiterhin - Heinrichs, in: MünchKomm.-BGB - Ergänzungsband, 3. Auflage, Art. 232 § 1 EGBGB Rdn. 9). Darlegungs- und beweispflichtig hierfür ist allerdings der Kläger. Dieser trägt eine Entgeltabrede über das, was im Organisationsvertrag enthalten ist, hinaus nicht vor.
Dem Organisationsvertrag selbst läßt sich über die Kostenbeteiligung in § 4 und die Aufgaben bei der Wartung, Pflege und Unterhaltung (§ 10) nichts zu einem weiteren Entgelt entnehmen. Die Kooperationsgemeinschaft selbst dürfte mit der Errichtung der Straße zu beenden gewesen sein (§ 19 Abs. 1 Verordnung über Kooperationsgemeinschaften). Ob ein dahingehender Beschluß gefaßt wurde (vgl. § 19 Abs. 2 Verordnung über Kooperationsgemeinschaften), ist nicht vorgetragen, im Übrigen im Hinblick auf ein etwaiges Nutzungsrecht der Beklagten auch unerheblich.
b) Durch den Organisationsvertrag wurde ein Mitbenutzungsrecht der Anliegerbetriebe begründet. Dies folgt aus §§ 5 Abs. 3 Satz 2, 8 Abs. 2 Satz 1 des Organisationsvertrages. Ob das Mitbenutzungsrecht erst mit der nachfolgenden Errichtung der Straße entstand oder bereits mit der Vereinbarung im Dezember 1975, kann offen bleiben. Auf jeden Fall waren die Bestimmungen des ZGB/DDR, insbesondere §§ 321, 322 anzuwenden (§ 2 Abs. 2 EGZGB; OG NJ 1989, 80 <81>). Die §§ 312 f. ZGB/DDR galten gleichermaßen für Grundstücke in persönlichem, wie im sozialistischen Eigentum (Joost, in: MünchKomm.-BGB - Ergänzungsband, 3. Auflage, Art. 233 § 5 EGBGB Rdn. 3).
Nach Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB gelten die Mitbenutzungsrechte als Rechte an dem belasteten Grundstück fort, soweit ihre Begründung der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedurfte. Dies betrifft allerdings nicht Mitbenutzungsrechte i.S.v. § 321 Abs. 4 ZGB/DDR zum Zwecke der Durchführung wirtschaftlicher Maßnahmen (Joost, Art. 233 § 5 EGBGB Rdn. 11), um die es hier geht. Für sie bleibt es allein bei der schuldrechtlichen Beziehung i.S.v. Art. 232 § 1 EGBGB, die ihrer Begründung zugrunde liegt (Joost, Art. 233 § 5 EGBGB Rdn. 14; Rauscher, in: Dörner/ Rauscher/Sonnenschein, EGBGB in den neuen Bundesländern, Art. 233 § 5 Rdn. 11; Böhringer VIZ 2000, 441 <443>), hier also dem Organisationsvertrag.
c) Geht es danach allein um die schuldrechtlichen Absprachen der Anliegerbetriebe, ist der Kläger hiervon nicht betroffen. Er war hieran nicht beteiligt. Er ist nicht in den Organisationsvertrag eingetreten (Vertragsübernahme). Ihm gegenüber kann sich deshalb die Beklagte auf den Organisationsvertrag nicht berufen (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 1081 Rdn. 1). Etwas anderes folgt auch nicht aus § 297 Abs. 2 Satz 2 ZGB/DDR.
Für vor dem Wirksamwerden des Beitritts begründete Schuldverhältnisse bleibt es beim ZGB/DDR (Art. 232 § 1 EGBGB). Dies gilt auch für das durch Organisationsvertrag begründete Mitbenutzungsrecht. Dies wirft die Frage danach auf, ob § 297 Abs. 2 Satz 2 ZGB/DDR, wonach beim Eigentumsübergang an Grundstücken auch andere zur Nutzung berechtigende Verträge auf den Erwerber, hier den Kläger, übergehen, weiterhin Anwendung findet. Diese Frage verneint der Senat. Zum einen handelt es sich bei § 297 ZGB/DDR um eine Vorschrift, die nur mittelbar etwas mit den schuldrechtlichen Mitbenutzungsrechten zu tun hat. Gegenstand der Regelung ist vielmehr die Folge des Eigentumsübergangs bei Grundstücken. Diese Folgen richten sich mit dem 03.10.1990 ausschließlich nach dem BGB (Art. 230, 231 § 1, 233 § 1, 7 Abs. 1 EGBGB). Zum gleichen Ergebnis führt ein Umkehrschluß aus Art. 233 § 5 EGBGB (Rauscher, Art. 233 § 5 EGBGB Rdn. 11).
d) Der VEB C. wurde aufgrund der Umwandlung Eigentümer der sich in seiner Rechtsträgerschaft befindenden Grundstücke (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 TreuhG). Diese Grundstücke hat der umgewandelte Betrieb an den Kläger übereignet (§ 892 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die Beklagte ist von diesem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs an unabhängig von der hier nicht zu klärenden Problematik, ob der Mitbesitz später aufgegeben wurde, nicht mehr berechtigte Mitbesitzerin.
Der Mitbesitz an einem Privatweg ist möglich (Palandt/Bassenge, § 866 Rdn. 2). Bloßes Mitnutzen reicht hierfür allerdings nicht aus (Palandt/Bassenge, § 854 Rdn. 4). Vielmehr muß die Gemeinsamkeit der Sachherrschaft gegeben sein, ohne daß es auf das zwischen den Mitbesitzern bestehende Rechtsverhältnis ankommt (Erman/Werner, BGB, 10. Aufl., § 866 Rdn. 1). Nach § 2 Abs. 2 u. 3 des Organisationsvertrages stand die Straße den Anliegern zur gemeinsamen Nutzung als betriebliche Straße zur Verfügung. Die gemeinsame Errichtung und die sich daran anschließende gemeinsame Wartung, Pflege und Werterhaltung gingen weit über die bloße Mitbenutzung hinaus. Wird eine Straße als betriebliche Straße errichtet, genutzt und unterhalten, ist Mitbesitz der hieran Beteiligten begründet und aufrechterhalten worden. Dieser Mitbesitz der Beklagten bestand fort. Da er im Verhältnis zum Kläger nicht mehr vom Organisationsvertrag gedeckt war, wurde aus der berechtigt mitbesitzenden Beklagten eine nicht mehr berechtigte Mitbesitzerin. Dies führt zur Anwendung der Vorschriften über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (Palandt/Bassenge, § 866 Rdn. 7).
e) Das Landgericht hat diese Folge zu Unrecht mit Blick auf ein Notwegerecht der Beklagten verworfen, indem es ein Recht der Beklagten zum Besitz i.S.v. § 986 BGB angenommen hat. Richtig ist, daß es sich bei dem Besitzrecht um eine Einwendung handelt. Es ist demnach auch dann zu berücksichtigten, wenn es sich nur aus dem Klägervortrag ergibt (Palandt/Bassenge, § 986 Rdn. 1). Ob ein Notwegerecht überhaupt in der Lage ist, ein Recht zum Besitz zu verleihen, kann hier offen bleiben. Das Notwegerecht ist an das Verlangen der Benutzungsduldung geknüpft (BGHZ 94, 160 <162>; Palandt/Bassenge, § 917 Rdn. 7; BGB-RGRK/Augustin, 12. Aufl., § 917 Rdn. 9; Staudinger/Roth, BGB, 13. Bearb., § 917 Rdn. 3; a.A. Säcker,in: MünchKomm.-BGB, 3. Aufl., § 917 Rdn. 19 - Nutzung als konkludentes Verlangen, da Verlangen bereits Ausübung eines Rechts). Daß die Beklagte im hier maßgeblichen Zeitraum das Notwegerecht vom Kläger beansprucht hätte, ist nicht ersichtlich. Dies ist auch Tatbestandsmerkmal für den Rentenanspruch des § 917 Abs. 2 Satz 1 BGB (BGHZ a.a.O.; Staudinger/Roth, a.a.O.), auf den die Berufung glaubt, abstellen zu können. Die Beklagte hat im Rahmen der Erörterungen im Termin zur mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, ein Notwegerecht nicht geltend gemacht zu haben.
f) Ebensowenig hat die Beklagte bisher die Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG verlangt. Allein aus der Möglichkeit, dies zu tun, ergibt sich kein Besitzrecht, insbesondere nicht aus Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 3 EGBGB. Die Mitbenutzung führt meist nicht zum Besitz, so daß auch die Grunddienstbarkeit i.d.R. kein Besitzrecht verleiht (Medicus, in: MünchKomm.-BGB, 3. Aufl., § 986 Rdn. 8). Der Entgeltanspruch aus § 118 Abs. 1 SachenRBerG ist daher ebenfalls nicht entstanden.
g) Liegt damit im maßgeblichen Zeitraum teilweise ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis vor, kann der Kläger dennoch einen Anspruch nicht auf § 988 BGB stützen. Allerdings soll die unentgeltliche und gutgläubige Fortsetzung von Fremdbesitz nach Besitzrechtsende zur Anwendung des § 988 BGB führen (Palandt/Bassenge, § 988 Rdn. 3). Die Beklagte hätte die gezogenen Nutzungen nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung herauszugeben (Rechtsfolgen-verweisung - Palandt/Bassenge, § 988 Rdn. 6). Bei Gebrauchsvorteilen wäre Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB). Diese Rechtsfolge trifft die Beklagte dennoch nicht, da der Mitbesitz auf der Miterrichtung sowie der Mitunterhaltung und den in diesem Zusammenhang getragenen Kosten beruht. Der Mitbesitz der Beklagten stützt sich auf ein, wenn auch jetzt gegenüber dem Kläger nicht mehr relevantes Rechtsverhältnis (Organisationsvertrag), das gerade entgeltlich und auf Dauer ausgerichtet war (vgl. Palandt/Bassenge, § 988 Rdn. 4; vgl. Ziff. I.6. der Richtlinie über gemeinsame Investitionen - Beteiligung an den Kosten als Preisersatz). Der Anspruch aus § 988 BGB ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer für die Erlangung des Dauerbesitzes ein Entgelt entrichtet hat (BGHZ 32, 76 <95>).
Eine Haftung nach § 990 Abs. 1 Satz 2 BGB scheidet aus, weil nicht ersichtlich ist, daß die Beklagte im hier streitgegenständlichen Zeitraum von der in Wegfall geratenen Besitzberechtigung erfuhr. Der Kläger behauptet auch nicht, die Beklagte vor seiner Rechnung vom 26.01.1996 über den Eigentumsübergang auf ihn in Kenntnis gesetzt zu haben.
h) Auf §§ 812 ff. BGB kommt es nicht an, da diese durch die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses in der Anwendung ausgeschlossen sind.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision läßt der Senat nicht zu, da die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO; 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO).
Der Streitwert für die Berufung folgt den §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 22 GKG, 3, 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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