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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: 11 U 200/01
Rechtsgebiete: BauGB, BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BauGB § 127 Abs. 2
BauGB § 127 Abs. 4
BauGB § 128
BGB § 103
BGB § 436
BGB § 446
BGB § 446 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
GKG § 22
GKG § 14 Abs. 1 Satz 1
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
Zur Auslegung des Begriffs Ersterschließungskosten bei einem Grundstückskaufvertrag (hier vom Verkäufer zu tragen.).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 200/01 OLG Naumburg

verkündet am: 23. Mai 2002

In dem Berufungsrechtsstreit

wegen Erstattung von Abwasserbeiträgen,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2002 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Stendal vom 19.09.2001, Geschäftszeichen: 21 O 85/01, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 10.500,00 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 241.152,39 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erstattungspflicht des Beklagten für Beiträge an den Wasserverband B. , auf Grund eines geschlossenen Grundstückskaufvertrages.

Die Klägerin hatte vor, sich als Investor in B. niederzulassen. In diesem Zusammenhang wurden Verhandlungen mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten, dem Landkreis B. , über den Ankauf von Grundstücken geführt. Im Ergebnis schlossen die Klägerin und der Landkreis am 17.06.1991 vor der Notarin F. aus B. zur UR-Nr. 497/1991 einen Grundstückskaufvertrag. Als Kaufpreis wurden 282.876,00 DM vereinbart. In Ziff. IV Abs. 1 Satz 2 des Vertrages heißt es:

"Im Kaufpreis enthalten sind sämtliche mit dem Vertragsgegenstand verbundene Ersterschließungskosten, die in vollem Umfang durch den Veräußerer zu tragen sind. Das Gelände befindet sich zur Zeit noch in der Erschließung" (Bd. I Bl. 8 bis 17 d. A.).

Nach Abschluss der Vermessungsarbeiten wurde der Kaufvertrag am 29.09.1993 entsprechend dem Vermessungsergebnis zu UR-Nr. 942/1993 der Notarin F. ergänzt und die Auflassung erklärt (Bd. I Bl. 19 bis 23 d. A.).

Im Jahre 1992 erfolgte der erstmalige Anschluss der Klägerin an die Abwasserentsorgung.

Der Wasserverband B. errichtete in der Folgezeit eine neue Kläranlage in B. , die 1994 in Betrieb genommen wurde. Die neue Anlage ersetzte das alte Klärwerk, an das die Grundstücke der Klägerin bisher angeschlossen waren. Noch im Jahre der Fertigstellung begann die Entsorgung des Grundstücks der Klägerin über den Neubau.

Nachfolgend ergingen gegen die Klägerin Bescheide über Beiträge für die Herstellung der neuen zentralen öffentlichen Abwasseranlage des Wasserverbandes B. . Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, woraufhin durch Widerspruchsbescheid vom 30.05.2000 die Beitragslast auf einen Gesamtbetrag von 662.590,56 DM reduziert wurde, woei 241.152,39 DM auf die streitgegenständlichen Flurstücke entfiel. Die Verringerung des Beitrages ergab sich aus einer Änderung der Abwasserbeitragssatzung des Wasserverbandes, die am 01.05.1999 in Kraft trat. Mit dieser Änderung wurde auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg reagiert, das die Beitragsbemessung beanstandet hatte. Zugunsten der Klägerin angerechnet wurden bereits entrichtete Verbesserungsbeiträge, zu denen sie zuvor durch bestandskräftige Bescheide herangezogen worden war.

Da die Klägerin der Auffassung war, dass der Beklagte die Beiträge auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarung zu erstatten habe, ließ sie ihn mit Schreiben vom 03.07.2000 erfolglos auffordern, die Klägerin von der Beitragsschuld freizustellen.

Die Klägerin hat behauptet, anlässlich der Kaufvertragsverhandlungen sei man sich darüber einig gewesen, dass sämtliche noch folgenden Erschließungsmaßnahmen, worunter auch die Kosten für die Herstellung der bereits diskutierten neuen Abwasseranlage fallen sollten, vom Kaufpreis umfasst und dementsprechend von dem Beklagten zu tragen seien. Die Klägerin habe ein fertig erschlossenes Grundstück erwerben und im Nachhinein nicht mit Erschließungskosten belastet werden sollen. Bei den Abwasserbeiträgen handele es sich um Kosten für die erstmalige Herstellung der vollständigen Abwasseranlage. Tatsächlich und rechtlich gehe es, wie die Klägerin vertreten hat, um eine völlig neue Anlage und ihre erstmalige Herstellung. Dies zähle eindeutig zu den Erschließungskosten, weil die Abwasserbeseitigung notwendig zur Grundstückserschließung zähle. Es könne nach alledem überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Klägerin vom Wasserverband zu Recht in Anspruch genommen worden sei.

Weiter hat die Klägerin behauptet, den Gesamtbeitrag zwischenzeitlich an den Abwasserverband geleistet zu haben.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 241.152,39 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungsgesetz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat behauptet, Gegenstand der vertraglichen Absprachen seien allein die Ersterschließungskosten gewesen. Eine solche Erschließung habe 1992 mit dem erstmaligen Anschluss des Grundstücks an die Abwasserversorgung stattgefunden. Die nunmehr geltend gemachten Beiträge würden sich aus einer über die Ersterschließung hinaus gehenden Verbesserungsmaßnahme ergeben. Der Begriff der Erschließung umfasse nach Auffassung des Beklagten nicht Maßnahmen im Sinne des Kommunalabgabenrechts. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses habe der Verkäufer vom Vorhandensein einer Kläranlage gewusst. Keine Kenntnis habe er allerdings davon gehabt, dass ein Neubau vom Wasserverband vorgesehen gewesen sei und hierdurch weitergehende Beiträge anfallen würden. Derartiges sei nicht voraussehbar und deshalb nach Meinung des Beklagten auch vom Begriff der Ersterschließung im Sinne des Vertrages nicht umfasst gewesen.

Die Klägerin habe es im Übrigen versäumt, den Widerspruchsbescheid anzufechten. Dieser sei rechtswidrig. Die Abgabenschuld sei verjährt und die Satzung vom 01.05.1999 habe keine Rückwirkung entfaltet.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 19.09.2001 abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, Ziff. IV Abs. 1 des Kaufvertrages vom 17.06.1991 erfasse nicht die vom Wasserverband B. erhobenen Abwasserbeiträge. Es gehe vielmehr ausschließlich um Erschließungskosten. Was Erschließungskosten seien, folge aus § 127 Abs. 2 BauGB. Hierunter würden die Abwasserbeiträge nicht fallen. Vielmehr handele es sich um eine Abgabe im Sinne des Kommunalabgabengesetzes, die in § 127 Abs. 4 BauGB Erwähnung finde. Man unterscheide daher zwischen Erschließungskosten im engeren und im weiteren Sinne. In der notariellen Praxis halte man Erschließungskosten und kommunale Abgaben auseinander. Erschließungskosten im juristischen Sinne seien die für die Herstellung und Unterhaltung der in § 127 Abs. 2 BauGB abschließend aufgezählten infrastrukturellen Anlagen anfallenden Kosten. Dies berücksichtigend ergebe die wörtliche Auslegung des Vertrages, dass der Beklagte Abwasserbeiträge nicht an die Klägerin zu erstatten habe. Da durch die vertraglichen Absprachen eine von § 446 Abs. 1 Satz 2 BGB abweichende Regelung getroffen worden sei, müsse der Vertrag eng ausgelegt werden. Dass man sich tatsächlich anders geeinigt hätte, trage die Klägerin nicht hinreichend vor.

Gegen diese dem Klägervertreter am 21.09.2001 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der am 22.10.2001 beim Oberlandesgericht eingegangenen und nach einer Berufungsbegründungsfristverlängerung bis zum 22.12.2001 am 21.12.2001 begründeten Berufung.

Die Klägerin meint, sie habe einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten aus Ziff. IV Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages vom 17.06.1991. Das Landgericht gehe zutreffend davon aus, dass der Beklagte nicht nur die bereits angefallenen, sondern auch die zukünftigen Erschließungskosten habe tragen sollen. Den Parteien sei in diesem Zusammenhang, behauptet die Klägerin, nicht bewusst gewesen, dass die Kosten des Abwassersystems nicht zu den in § 127 Abs. 2 BauGB genannten Erschließungskosten zählen würden. Mit dem Begriff Erschließungskosten habe man vielmehr auch diejenigen des § 128 BauGB gemeint. Das Grundstück habe an die Klägerin als Investor zur Schaffung von Arbeitsplätzen unter Befreiung von weiteren Belastungen veräußert werden sollen. So habe man bereits im Rahmen der Verkaufsverhandlungen über die möglicherweise mit der Errichtung der Kläranlage entstehenden Kosten gesprochen. Dem Vertreter der Klägerin sei am 30.04.1991 ausdrücklich zugesichert worden, dass nach dem Erwerb des Grundstückes auf sie keine weiteren Kosten zukommen würden. Gleiches sei nochmals am 17.06.1991 anlässlich des Vertragsschlusses erklärt worden. Allen Beteiligten sei damals klar gewesen, dass ein neues Klärwerk errichtet werden müsse. Wenn der Klägerin zugesichert worden sei, dass keine öffentlichen Abgaben auf sie zukommen würden, habe man darunter auch die jetzt geltend gemachten Abgaben gefasst. Zu den von der Klägerin zu übernehmenden Kosten habe man auch die Abgaben für die zu errichtende Kläranlage gezählt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Stendal vom 19.09.2001 - 21 O 85/01 - abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie 241.152,39 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 Diskontsatz-Überleitungs-Gesetz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Gegenstand des Vertrages sei allein die Ersterschließung des Grundstücks gewesen. Diese sei bereits 1992 abgeschlossen worden. Während der Vertragsverhandlungen habe man nicht über zukünftig anfallende Abwasserbeiträge gesprochen. Die neue Kläranlage sei nicht Gegenstand der Verhandlungen gewesen. Etwaige Pläne zur Errichtung der Anlage habe der Landkreis nicht gekannt. Keinesfalls seien Erklärungen dahin abgegeben worden, dass der Verkäufer in diesem Zusammenhang entstehende Kosten tragen werde. Es liege nach Meinung des Beklagten fern, den Vertrag der Parteien so zu interpretieren, dass der Beklagte bis in alle Ewigkeit für alle Beiträge aufzukommen habe, die sich auf Erschließungsanlagen des Grundstücks der Klägerin beziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze, die in diesem Zusammenhang überreichten Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften beider Instanzen verwiesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen C. A. und W. M. . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.04.2002, Bl. 13 ff, 18 ff. Bd. II d. A. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Auf das Rechtsmittel der Klägerin sind die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden, da die angefochtene Entscheidung auf eine vor dem 01.01.2002 geschlossene mündliche Verhandlung zurück geht (§ 26 Nr. 5 Satz 1 EGZPO). Die danach zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend zu der Auffassung gelangt, dass die Klägerin die hier im Streit stehenden Abwasserbeiträge nicht über Ziff. IV Abs. 1 Satz 2 des Kaufvertrages vom 17.06.1991 vom Beklagten als Rechtsnachfolger des Landkreises B. erstattet verlangen kann.

Die Parteien bzw. die Klägerin und der Rechtsvorgänger des Beklagten haben am 17.06.1991 einen Grundstückskaufvertrag geschlossen, aus dem heraus die Klägerin nunmehr Erfüllung in Form der Erstattung von Abwasserbeiträgen verlangt, wobei das BGB in der damals geltenden Fassung anzuwenden ist (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB). Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass der Landkreis nach Ziff. IV Abs. 1 Satz 2 des Vertrages die Ersterschließungskosten zu tragen hat. Damit war eine von der gesetzlichen Regelung der §§ 446, 436, 103 BGB abweichende Bestimmung, nach der vom Verkäufer auch die nach der Übergabe des Grundstücks fällig werdenden Erschließungskosten zu tragen sind, getroffen (BGH, V ZR 157/92, vom 02.07.1993 - zitiert in juris). Die Parteien streiten nunmehr darum, was unter Ersterschließungskosten i.S.d. vertraglichen Regelung zu verstehen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln (§§ 133, 157 BGB, vgl. BGH, V ZR 139/93, vom 11.11.1994 - zitiert in juris).

Ausgangspunkt der Ermittlung des wirklichen Willens der Vertragsparteien sind die zwischen ihnen getroffenen Absprachen. Haben sie den Begriff der Ersterschließungskosten übereinstimmend so verstanden, dass auch nachfolgend im Zusammenhang mit der Errichtung einer neuen Kläranlage verbundene Kosten durch den Landkreis zu tragen waren oder hat der Landkreis den Willen der Klägerin, auch die zu erwartenden Abwasserbeiträge unter Ziff. IV Abs. 1 Satz 2 des Vertrages zu fassen, bei Vertragsabschluß erkannt und hingenommen, kommt es auf weitere Auslegungsgesichtspunkte nicht an, weil dann allein der übereinstimmende Parteiwille zählt (BGHZ 71, 243 <247>; BGH NJW 1984, 721; 1987, 2437 <2438>; BGH NJW-RR 1993, 373; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 133 Rdn. 8; Mayer-Maly/Busche, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl., § 133 Rdn. 48f.). Bei der Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind alle den Vertragsschluss oder das Zustandekommen der Erklärung begleitenden Umstände zu berücksichtigen, soweit sie in der Urkunde einen, wenn auch unvollkommenen Ausdruck gefunden haben (BGH WM 1971, 39 <42>; BGH NJW 1984, 721; 1987, 2437 <2438>; 1997, 1772 <1773>; Mayer-Maly/Busche, § 133 Rdn. 44, 53; BGB-RGRK/Piper, 12. Aufl., § 157 Rdn. 20), sodass das Landgericht der Behauptung der Klägerin hätte nachgehen müssen, man habe bei Abschluss des Vertrags auch die Erstattung nachfolgender Abwasserbeiträge durch den Verkäufer gewollt. Diese, in zweiter Instanz dahin weiter vertiefte Tatsachenbehauptung der Klägerin, dass im Rahmen der Vertragsverhandlungen im Zusammenhang mit den Erschließungskosten auch über die neue Kläranlage und die hierdurch zu erwartenden Kosten gesprochen worden und man sich darüber einig gewesen sei, sie zu den Ersterschließungskosten i.S.d. vertraglichen Kostentragungsklausel zu zählen, hat sich allerdings im Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat nicht bestätigt, womit die Klägerin beweisfällig bleibt. Die von der Klägerin benannten Zeugen A. und M. haben nicht einmal im Ansatz auf dahingehende Absprachen hindeutende Aussagen getroffen. Die Aussage des Zeugen A. ist vollständig unergiebig, während die Bekundungen des Zeugen M. eher den Standpunkt der Beklagten, dass die neue Anlage und die in diesem Zusammenhang möglicherweise anfallenden Kosten gerade nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen waren, tragen. Dies führt zum Prozessverlust auf Seiten der Klägerin, da sich auch ansonsten nicht feststellen lässt, dass die nach Anschluss der Klägerin an die Abwasserentsorgung anfallenden Abwasserbeiträge zu den Ersterschließungskosten zählen.

Zu Recht beanstandet die Berufung allerdings die Sicht des Landgerichts. Die Kammer hat zwischen Erschließungskosten und kommunalen Abgaben unterschieden und vertrat in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass die nicht über Erschließungsbeiträge finanzierten Kosten der Abwasserbeseitigung nicht zu den von den Parteien gemeinten Erschließungskosten zu rechnen sind. Dies begegnet durchgreifenden Bedenken. Nach § 127 Abs. 4 BauGB sind Anlagen zur Ableitung von Abwasser keine Erschließungsanlagen i.S.d. 2. Abschnitts des I. Kapitels IV. Teil des BauGB. Daraus lässt sich keineswegs ableiten, dass keine Erschließungskosten i.S.d. hier auszulegenden Grundstückskaufvertrages bzw. im herkömmlichen Sinne vorliegen. Das BauGB befasst sich im erwähnten Abschnitt ausschließlich mit der Frage der Kostendeckung auf Seiten der Gemeinde über Erschließungsbeiträge. Die Abwasserableitung und -beseitigung in einer Kläranlage zählen, obwohl sie nicht über Erschließungsbeiträge finanziert werden, dennoch zweifelsohne zur technischen Erschließung (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 6. Aufl., § 123 Rdn. 1; vor §§ 123-135 Rdn. 1). Für die Frage, was zur Erschließung gehört, kommt es nicht darauf an, ob hierfür Erschließungsbeiträge oder kommunale oder keinerlei Abgaben erhoben werden dürfen (Battis/Krautzberger/ Löhr, vor §§ 123-135 Rdn. 3 m.w.N.). Es ist mangels anderer Anhaltspunkte daher nicht richtig, den Erschließungskostenbegriff des Vertrages in der vom Landgericht vorgenommenen Art und Weise einzuengen. Vielmehr dürften die Parteien unter den Begriff der Erschließungskosten den gesamten finanziellen Aufwand gefasst haben, der zur Erschließung des Grundstücks, mithin auch zur Abwasserableitung und -beseitigung erforderlich war. Dies steht, wie bereits oben angedeutet, zwischen den Parteien auch außer Streit.

Der eigentliche Streitpunkt, was nach der vertraglichen Vereinbarung vom 17.06.1991 Ersterschließungskosten sind, ist nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie der Systematik der vertraglichen Abrede dahin zu entscheiden, dass die Abwasserbeiträge nicht zu den Kosten der Ersterschließung gehören. Das BauGB meint mit dem Begriff der Erschließung das erstmalige Schaffen der hierunter gefassten Infrastruktur (Battis/Krautzberger/Löhr, vor §§ 123-135 Rdn. 1, 3 m.w.N.). Übernimmt der Verkäufer die Erschließungs- und Anschlusskosten, geht es dabei vom objektiven Empfängerhorizont her um die erstmaligen Maßnahmen (BGH, V ZR 157/92, vom 02.07.1993 - zitiert in juris). Dies wird im Vertrag selbst durch den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass sich das Gelände noch in der Erschließung befinde, und durch den Begriff der Ersterschließung unterstrichen. Unstreitig war die abwasserseitige Erschließung im Jahre 1992 beendet. Alles andere stellt sich nachfolgend als eine Änderung bzw. Verbesserung der Abwasserableitungs- und -beseitigungsanlage dar, auch wenn dies abgabenrechtlich möglicherweise anders interpretiert wird. Vom Standpunkt des objektiven Erklärungsempfängers kommt es für die Frage der Erschließung, also des erstmaligen Anschlusses, nicht darauf an, ob nachfolgend ein neues Klärwerk mit neuen Leitungen erstmalig zur Entsorgung angeschlossen wird. Maßgeblich ist allein der erstmalige Anschluss des Grundstücks oder, wie im Vertrag formuliert, des Geländes. Dies war 1992 unstreitig geschehen. Ein weiter gehendes Finanzierungsrisiko ging der veräußernde Landkreis nach der sich für ihn darstellenden Vertragssituation nicht ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision lässt der Senat nicht zu, weil die Sache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§§ 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 7 Satz 1 EGZPO).

Der Streitwert bestimmt sich nach §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 22, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3, 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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