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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 16.04.2002
Aktenzeichen: 11 U 242/01
Rechtsgebiete: BGB, GKG


Vorschriften:

BGB § 242
BGB § 885 Abs. 1
BGB § 1098 Abs. 2
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 12 Abs. 1
Nach Aufgabe und Löschung eines dinglichen Vorkaufsrechts im Grundbuch aufgrund eines entgeltlichen Vertrags zwischen dem Vorkaufsberechtigten und einem Dritten kann sich die anschließende Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers im Wege der einstweiligen Verfügung zum Zwecke der Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Vorkäufers als unzulässig Rechtsausübung darstellen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 U 242/01 OLG Naumburg

verkündet am: 16.04.2002

In dem Berufungsrechtsstreit

wegen Eintragung einer Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 26. M. 2002 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Verfügungskläger.

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird bis zum 25.02.2002 auf 50.000,00 DM und danach auf die Gebührenstufe bis 14.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Verfügungskläger waren Inhaber eines dinglichen Vorkaufsrechts bezogen auf das ursprünglich im Eigentum des Verfügungsbeklagten stehende Grundstück der Gemarkung B. Flur 23 Flurstück 5710, eingetragen im Grundbuch von B. Blatt 4341. Nachdem die Verfügungskläger das Vorkaufsrecht ausgeübt hatten, trat an sie die Fa. von R. GmbH heran und erklärte, das Grundstück des Verfügungsbeklagten kaufen zu wollen. Die Verfügungskläger waren bereit, hieran mitzuwirken und ihr Vorkaufsrecht gegen Entgelt aufzugeben. Am 26.09.2001 erteilten die Verfügungskläger der von R. GmbH zur UR-Nr. 998/2001 des Notars K. aus M. Vollmacht zur Löschung des eingetragenen Vorkaufsrechts. Die Bevollmächtigte machte hiervon sofort Gebrauch, woraufhin das Vorkaufsrecht am 02.10.2001 im Grundbuch gelöscht wurde.

Mit Antrag vom 24.10.2001 begehrten die Verfügungskläger die Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung ihres Anspruchs auf Eigentumsübertragung aufgrund der vorangegangenen Vorkaufsrechtsausübung. Die von R. GmbH habe tatsächlich offenbar überhaupt nie beabsichtigt, das Grundstück zu erwerben, und damit die Vollmacht mißbraucht.

Das Landgericht hat dem Antrag der Verfügungskläger mit Urteil vom 16.11.2001 entsprochen und die Eintragung einer Vormerkung zu Lasten des Grundstücks des Verfügungsbeklagten angeordnet. Die Eintragung der Vormerkung im Grundbuch scheiterte allerdings daran, daß der Verfügungsbeklagte das Grundstück am 13.11.2001 an Herrn W. M. aufgelassen hatte, woraufhin dieser am 16.11.2001 als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist.

Der Verfügungsbeklagte hat gegen das Urteil des Landgerichts Berufung eingelegt. Die Verfügungskläger erklären mit Schriftsatz vom 25.02.2002 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Dem hat sich der Verfügungsbeklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeschlossen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Verfügungskläger.

1. Für die Entscheidung des Senats sind weiterhin die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden, da die angefochtene einstweilige Verfügung auf eine vor dem 01.01.2002 geschlossene mündliche Verhandlung zurückgeht (§ 26 Nr. 5 Satz 1 EGZPO).

2. Die Berufung des Verfügungsbeklagten ist danach zulässig (§§ 511, 511a Abs. 1, 516, 518 Abs. 1, Abs. 2, 519 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 a.F. ZPO). Keinesfalls fehlt es an der erforderlichen Beschwer. Die Beschwer des Beklagten ist grundsätzlich danach materiell zu bestimmen, ob er ganz oder zum Teil verurteilt worden ist (BGH NJW 1975, 539 f.). Bei dieser Beschwer bleibt es auch, wenn der vollstreckungsfähige Inhalt später wegfällt, da der Beklagte immer noch die Abweisung der Klage mangels Rechtsschutzbedürfnisses erreichen kann (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., vor § 511 Rdn. 19). Aus der Beschwer folgt das Rechtsschutzbedürfnis des Verfügungsbeklagten für das Einlegen der Berufung (BGH NJW 1975, 539, 540; Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., vor § 511 Rdn. 9). Daran ändert auch die zwischen den Instanzen eingetretene Erledigung nichts (OLG Hamburg NJW-RR 1989, 570; OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 493, 494; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 776; Zöller/Vollkommer, § 91a Rdn. 20; a.A. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, vor § 511 Rdn. 21).

3. Im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluß zu befinden (§ 91a Abs. 1 Satz 1 a.F. ZPO). Dies führt zur Kostentragungspflicht der Verfügungskläger (§ 100 Abs. 1 ZPO). Sie hätten aller Voraussicht nach den Rechtsstreit verloren, da sie die erneute Einräumung einer Vormerkung im Wege der einstweiligen Verfügung nach § 885 Abs. 1 BGB nicht verlangen konnten. Die Rechtsausübung der Verfügungskläger stellt sich als unzulässig dar (§ 242 BGB).

Die Verfügungskläger waren Inhaber eines dinglichen Vorkaufsrechts. Nach § 1098 Abs. 2 BGB hatte dieses Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechts entstehenden Eigentumsverschaffungsanspruchs. Die Verfügungskläger hatten damit die Rechtsposition, die sie mit der einstweiligen Verfügung eingeräumt erhalten wollen, bereits inne. Sie haben sie aufgrund Löschungsbewilligung und -antrag durch die von ihnen bevollmächtigte von R. GmbH aufgegeben (§§ 875, 164 Abs. 1 Satz 1, 172 BGB). Die Aufgabeerklärung ist in der erteilten Vollmacht bzw. der nachfolgend von der Vertreterin zum Ausdruck gebrachten Löschungsbewilligung zu erblicken (Palandt/Bassenge, BGB, 61. Aufl., § 875 Rdn. 3).

Daß die Vormerkung zu Recht gelöscht wurde und damit unter ging, ziehen die Verfügungskläger nicht in Zweifel. Der Fortbestand der Vollmacht war zweifelsohne gegeben. Eine Verletzung ihrer Pflichten aus dem Verhältnis zu den Verfügungsklägern nahm der von R. GmbH die Vertretungsmacht nicht. Das Risiko des Mißbrauchs haben grundsätzlich die Verfügungskläger zu tragen (Palandt/Heinrichs, § 164 Rdn. 13). Umstände, die hiervon eine Ausnahme zuließen, liegen nicht vor.

Ein kollusives Zusammenwirken der Vertreterin und des Verfügungsbeklagten zum Nachteil der Verfügungskläger oder aber ein offensichtlicher Mißbrauch sind bereits deshalb nicht auszumachen, weil die Verfügungskläger für die Vollmacht ein Entgelt erhalten haben. Ihnen wurde das Recht demnach abgekauft. Dies führt dazu, daß nach objektiver Betrachtung die von R. GmbH mit der Vollmacht nach Belieben verfahren konnte. Irgendwelche ausdrücklichen Beschränkungen sind weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Schon gar nicht ist ersichtlich, daß der Verfügungsbeklagte an der Löschung beteiligt war oder tatsächlich verabredete Beschränkungen kannte. Nachteile der Verfügungskläger sind ebenso wenig zu erkennen. Wenn sie, was durch die Vollmacht zum Ausdruck gebracht ist, das Grundstück nicht bzw. nicht mehr kaufen wollten und auf das Vorkaufsrecht keinen Wert mehr legten, war ihr Wille genau auf das gerichtet, was die Vertreterin mit der Löschung des Rechts veranlaßt hat. Zu diesem Zweck war die Vollmacht erteilt. Ging es den Verfügungsklägern darum, über ihr Vorkaufsrecht denjenigen Dritten zu bestimmen, an den der Verfügungsbeklagte verkaufen durfte, ohne tatsächlich selbst kaufen zu wollen, mißbrauchten sie die eigene Rechtsposition (BGHZ 29, 113, 118; Roth, in: MünchKomm.-BGB, 4. Aufl., § 242 Rdn. 567).

Haben sich die Verfügungskläger nach alledem gegen Entgelt willentlich und wirksam ihrer Vormerkung in Form des eingetragenen Vorkaufsrechts begeben, können sie nicht unmittelbar anschließend den Grundstückseigentümer auf Eintragung einer solchen Vormerkung durch einstweilige Verfügung in Anspruch nehmen. Einem solchen widersprüchlichen Verhalten steht § 242 BGB entgegen (venire contra factum proprium - Palandt/Heinrichs, § 242 Rdn. 57). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob mit der Löschung auf Seiten des Verfügungsbeklagten ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist (vgl. hierzu Roth, § 242 Rdn. 432). Mit ihrem Vorgehen setzen sich die Verfügungskläger in einen unlösbaren Widerspruch zu ihrem, in der Vollmachtserteilung und Löschung zum Ausdruck gekommenen Willen (BGHZ 50, 191, 196; BGH BB 1977, 919, 920; Roth, § 242 Rdn. 454), so daß ihnen die Eintragung einer Vormerkung zu versagen gewesen wäre.

Unter diesen Umständen sieht der Senat keinen Raum dafür, den Verfügungsbeklagten im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung an den Kosten des Rechtsstreits zu beteiligen.

III. Der Streitwert beruht auf §§ 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 GKG, 3, 4 ZPO. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, hilfsweise nach der Beschwer (§ 14 Abs. 1 GKG). Im Falle der Eintragung einer Auflassungsvormerkung entspricht der Wert einem Bruchteil des Verkehrswerts des Grundstücks (Zöller/Herget, § 3 Rdn. 16 - Stichwort: Vormerkung; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 6 Rdn. 14). Der Kaufvertrag vom 29.09.2000 sah in Ziff. VIII. einen Kaufpreis von 200.000,00 DM vor. Hiervon 1/4 entspricht einem Wert von 50.000,00 DM.

Vom Zeitpunkt der Erledigungserklärung der Verfügungskläger an sind allein die bis zu diesem Zeitpunkt entstanden Kosten streitwertbestimmend (Thomas/Putzo, ZPO, 23. Aufl., Rdn. 61 m.w.N.; Zöller/Herget, § 3 Rdn. 16 - Stichwort: Erledigung der Hauptsache).

Ende der Entscheidung

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