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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 16.04.2002
Aktenzeichen: 11 U 258/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, HausTWG


Vorschriften:

ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 543 Abs. 1 a.F.
EGZPO § 26 Nr. 5
EGZPO § 26 Nr. 7
EGZPO § 26 Nr. 8
EGZPO § 26 Nr. 7 Satz 1
HausTWG § 1 Satz 1
HausTWG § 5 Abs. 2
HausTWG § 5 Abs. 3
HausTWG § 1 Abs. 2 Nr. 1
HausTWG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Zur vorhergehenden Bestellung i. S. v. § 1 Abs 2 Nr 1 HausTWG (hier im Falle der erschlichenen Bestellung).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 258/01 OLG Naumburg

verkündet am: 16.04.2002

In dem Berufungsrechtsstreit

...

wegen Schadensersatzes aufgrund Nichterfüllung,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 2002 unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 26.10.2001 - 7 O 241/01 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 11.618,40 DM festgesetzt.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 543 Abs. 1 a.F. ZPO, 26 Nr. 5 EGZPO i.V.m. § 26 Nr. 7 Satz 1, Nr. 8 EGZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nicht geltend machen kann, weil die Beklagten zuvor vom Vertrag über die Lieferung und die Montage eines Wintergartens vom 07.12.2000 durch Widerruf Abstand genommen haben (§ 361a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 229 § 2 Abs. 1 EGBGB).

Auf die Beziehung der Parteien, wie auch auf das Rechtsmittel der Klägerin, sind weiterhin die am 31.12.2001 geltenden Vorschriften anzuwenden (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB; 26 Nr. 5 EGZPO).

Unstreitig ist zunächst ein Vertrag über die Lieferung und Montage eines Wintergartens zwischen den Parteien zustande gekommen. Diesen Vertrag haben die Beklagten allerdings wirksam nach dem Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften vom 16.01.1986 (HausTWG), in der Fassung der Neubekanntmachung vom 29.06.2000 (BGBl. I S. 955) widerrufen.

Der am 07.12.2000 geschlossene Vertrag verhält sich über eine entgeltliche Leistung (§§ 651 Abs. 1, 633 Abs. 1 BGB), wobei den Parteien hierbei die Rolle von Verbrauchern und Unternehmer i.S.v. § 1 Satz 1 HausTWG zukommt (§§ 13, 14 Abs. 1 BGB). Eine dem HausTWG vorgehende Sonderregelung i.S.v. § 5 Abs. 2 und 3 HausTWG ist nicht ersichtlich. Die Auffassung des Landgerichts, daß das Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) vorliegend keine Anwendung finden könne, ist zutreffend. Da die zum Vertragsabschluß führenden Verhandlungen unstreitig in der Wohnung der Beklagten geführt wurden, ist grundsätzlich die Widerrufsmöglichkeit nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HausTWG eröffnet. Die Parteien streiten dementsprechend im wesentlichen darüber, ob das Widerrufsrecht deshalb nicht besteht, weil die zum Vertragsabschluß führenden mündlichen Verhandlungen auf vorhergehende Bestellung der Beklagten geführt worden sind (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 HausTWG). Das Landgericht hat die vorausgegangene Bestellung verneint. Dem folgt der Senat.

Die Auslegung des Begriffs der vorhergehenden Bestellung hat sich am Schutzzweck des Gesetzes zu orientieren, das den Verbraucher vor der Beeinträchtigung seiner rechtlichen Entscheidungsfreiheit bei Haustürgeschäften durch Überrumpelung oder anderweitige unlautere Beeinflussung durch unseriöse Gewerbetreibende schützen soll; eine die Widerrufsmöglichkeit des Kunden allzu sehr einschränkende Interpretation wird diesem Gesetzeszweck nicht gerecht (Erman/Saenger, BGB, 10. Aufl., § 1 HausTWG Rdn. 75 m.w.N.). Insbesondere einer erschlichenen oder provozierten Bestellung kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Von einer solchen Sachlage ist hier auszugehen. Die Beklagten und insbesondere die Beklagte zu 2. wurden durch das Schreiben der Klägerin vom 22.11.2000 in unzulässiger Weise angelockt. Es war von einem Auswahlverfahren, einem Besichtigungstermin und der Chance, einen Wintergarten ohne eigenes Kapital errichten zu können, die Rede. Der Klägerin ging es allerdings nur um den Kontakt zum Kunden, um zum Kaufvertragsabschluß zu gelangen. Ein Auswahlverfahren fand nicht statt und wie die Klägerin selbst vorträgt, ging es von vornherein auch nicht ohne ggf. durch ein Darlehen zu beschaffendes eigenes Kapital der Beklagten. Die in Aussicht gestellten Einnahmen aus einer "Werbepartnerschaft" konnten nicht einmal verrechnet werden (vgl. Sachvortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 09.08.2001). Kommt es unter diesen Bedingungen anläßlich eines ersten Besuchs von Mitarbeitern der Klägerin im Hause der Beklagten zu einer Bestellung i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 HausTWG, liegt gerade diejenige Situation vor, vor der der Verbraucher geschützt werden soll. Eine solche erschlichene oder provozierte Bestellung zu einem (weiteren) Hausbesuch verstößt gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs; sie ist nicht geeignet das Widerrufsrecht des Kunden auszuschließen (OLG Brandenburg MDR 1998, 206 <207>; Erman/Saenger, § 1 HausTWG Rdn. 62, Rdn. 57 m.w.N.; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 1 HausTWG Rdn. 23).

Die Karte vom 01.12.2000 läßt eine andere Wertung nicht zu. Zunächst beruhte sie auf dem Besuch vom 25.11.2000. Ihr kommt insoweit keine selbständige Bedeutung zu, weil sie nur das wiederholt, was bereits am 25.11.2000 vereinbart war. Außerdem wurde das Absenden der Karte unwidersprochen wiederum durch die Klägerin provoziert, indem die Beklagte zu 2. nach der telefonischen Terminabsprache ohne zwingenden Grund aufgefordert worden war, die vorgedruckte Karte abzusenden.

Letztlich liegt nicht einmal eine Bestellung i.S.v § 1 Abs. 2 Nr. 1 HausTWG vor. Die das Widerrufsrecht ausschließende Bestellung ist auf konkrete, im Vertrag mündende Verhandlungen gerichtet. Der Verbraucher muß den Besuch zu eben diesen Verhandlungen wünschen. Eine Bestellung liegt daher nicht vor, wenn das später unterbreitete Angebot über das hinaus geht, was der Kunde nach den Umstände objektiv erwarten durfte (Erman/Saenger, § 1 HausTWG Rdn. 71, 73). Ausgangspunkt ist das Schreiben der Klägerin vom 22.11.2000. Hierdurch wird objektiv der Gegenstand der zunächst von den Beklagten zu erwartenden Verhandlungen abgesteckt. Daß es im folgenden, am 25.11.2000, um etwas anderes ging, als den Musterwintergarten, der ohne Einsatz eigenen Kapitals nach einem Auswahlverfahren errichtet werden könnte, trägt die darlegungspflichtige Klägerin (vgl. hierzu Palandt/Putzo, § 1 HausTWG Rdn. 18; Erman/Saenger, § 1 HausTWG Rdn. 60) nicht vor. Das Vorbringen der Berufung macht nicht deutlich, über welche Produkte und Vertragsgestaltungen informiert worden sei. Daß die Beklagten einen für sie gerade nicht unentgeltlichen Werklieferungsvertrag über den Wintergarten schließen und hierüber verhandeln wollten, kann nicht ausdrücklich angesprochen worden sein, da die Beklagten auch nach dem 25.11.2000 davon ausgingen, es würde im die kostenlose Bereitstellung eines Musterwintergartens gehen (unbestrittener Sachvortrag im Schriftsatz vom 17.09.2001). Wer als Unternehmer den Kontakt zum Kunden unter Hinweis auf die Errichtung eines Musterobjekts ohne Einsatz eigenen Kapitals herstellt, muß, wenn er bei einem weiteren Besuch bestellerinitiierte Verhandlungen über einen entgeltlichen Werklieferungsvertrag führen will, zuvor eindeutig und unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß es ihm im folgenden allein um das Umsatzgeschäft mit dem angesprochenen Kunden gehen werde. Tut er das nicht, liegt der Bestellung des Kunden objektiv nicht die Erwartung zugrunde, er werde bei dem kommenden Kontakt in seiner Wohnung zum Abschluß eines Liefer- und Montagevertrages im Werte von mehr als 40.000,00 DM verhandeln. Die geringste Irreführung geht insoweit zu Lasten des Unternehmers (Erman/Saenger, § 1 HausTWG Rdn. 74). Das, was die von der Klägerin vorgedruckten Bestellformulare (Anlage K 6 und K 7) im Gegensatz hierzu zum Ausdruck bringen, ist, entgegen der Auffassung der Klägerin, gerade unbeachtlich (§§ 11 Nr. 15 Bst. b) AGBG - unzulässige Umkehr der Beweislast; vgl. Erman/Saenger, § 1 HausTWG Rdn. 60). Im übrigen sind sie nicht eindeutig auf Verhandlungen über einen entgeltlichen Vertrag gerichtet. Die "Bestellung" vom 25.11.2000 spricht neutral von Vertragsverhandlungen und die Postkarte läßt offen, ob es um ein Informationsgespräch oder Kaufverhandlungen gehen soll. Das genügt für eine Bestellung, die gerade das deutliche Verlangen nach Verhandlungen über den anschließend tatsächlich geschlossenen Vertrag voraussetzt, nicht.

Ihr Widerrufsrecht haben die Beklagten ausgeübt. Die Widerrufsfrist war mangels Belehrung nicht abgelaufen (§ 2 HausTWG). Die Beklagten sind demnach an ihre zum Vertragsabschluß führenden Erklärungen nicht gebunden (§ 361a Abs. 1 Satz 1 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 7 u. 8 EGZPO. Die Revision läßt der Senat nicht zu, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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