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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 13.05.2003
Aktenzeichen: 11 U 82/02
Rechtsgebiete: ZPO, GO LSA, DVO, TreuhG, GrdstVG, BGB, AGBG


Vorschriften:

ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
GO LSA § 105 Abs. 3
DVO § 3
TreuhG § 1 Abs. 6
GrdstVG § 4 Nr. 1
BGB § 134
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 138 Abs. 2
BGB § 459 Abs. 1 Satz 1 a.F.
BGB § 476 a.F.
AGBG § 1 Abs. 1
AGBG § 9
Kauft eine Gemeinde Agrarflächen mit der fehlerhaften Vorstellung, es handelt sich bereits um Bauerwartungsland, und wird die Sachmängelgewährleistung hierbei ausgeschlossen, so kann sie sich unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vom Vertrag lösen, selbst wenn der geschuldete Kaufpreis den Grundstückswert um ein Vielfaches übersteigt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 82/02 OLG Naumburg

verkündet am: 13. Mai 2003

In dem Berufungsrechtsstreit

wegen Vollstreckungsabwehrklage,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 2003 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Krause und Dr. Grubert für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 07. Juni 2002, Geschäftszeichen: 7 O 417/00, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 130 % des nach diesem Urteil und dem Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1992 (UR-Nr.: 2632/92 der Notarin S. ) vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe, allerdings bezogen auf den zu vollstreckenden Betrag, leistet.

Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für den Berufungsrechtszug wird auf 756.906,27 Euro festgesetzt.

Gründe:

[ A ]

Wegen der darin enthaltenen tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung der 7. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 07. Juni 2002 Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin die Vollstreckungsabwehrklage weiter und meint, der Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1992 sei entgegen der Auffassung des Landgerichts, das wesentliche Tatsachen außer Acht lasse, aufgrund seiner Sittenwidrigkeit oder der erklärten Anfechtung nichtig. Zumindest habe die Klägerin einen Aufhebungs- oder Anpassungsanspruch, der sich auch aus § 20 des Kaufvertrages herleite.

[ B ]

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht auf keiner Rechtsverletzung, ohne dass nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Das Landgericht hat vielmehr zutreffend anspruchsbeeinträchtigende Einwendungen der Klägerin gegen den Grundstückskaufvertrag verneint (§§ 767 Abs. 1; 795 Satz 1; 794 Abs. 1 Nr. 5 a.F.; 797 Abs. 4 ZPO).

I. Die Zivilkammer des Landgerichts hat sich mit der Nichtigkeit des Grundstückskaufs auseinander gesetzt. Nicht geprüft wurde die im Verlaufe der ersten Instanz aufgeworfene Frage, ob der Vertrag überhaupt zustande kommen konnte, weil die hierzu notwendigen Genehmigungen vorlagen. Hiervon geht der Senat nach Vorlage der Grundstücksverkehrsgenehmigung vom 04. April 1995 durch die Beklagte (Bd. II Bl. 124 d.A.) auf den Hinweis vom 18. März 2003 (Bd. II Bl. 108-110 d.A.) aus.

1. Gemäß § 49 Abs. 3 Bst. a) der Kommunalverfassung (Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR vom 17. Mai 1990 - GBl. I S. 255, das als Landesrecht weiter galt - Anl. II Kap. II Sachgebiet B Abschnitt I Einigungsvertrag) bedurfte die unentgeltliche Veräußerung von Vermögensgegenständen der Genehmigung der Rechtsaufsichtsbehörde. Gleiches galt für jede Veräußerung von Grundstücken (§ 49 Abs. 3 Bst. b) Kommunalverfassung). Ob der Grundstückskaufvertrag vom 16. Juli 1992, der nicht vom (teilweisen) Willen der Parteien zur Unentgeltlichkeit getragen und im Übrigen auf Liegenschaftserwerb durch die Klägerin gerichtet war, mit Blick hierauf möglicherweise hätte ebenfalls genehmigt werden müssen, kann offen bleiben. Spätestens mit der Gemeindeordnung wurde das Grundstücksgeschäft wirksam. Beide Genehmigungserfordernisse finden sich in der jetzt geltenden Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt vom 05. Oktober 1993 (GVBl. LSA S. 568) nicht mehr. § 105 Abs. 3 GO LSA sieht nur noch die Vorlage des Beschlusses der Gemeindevertretung bei der Kommunalaufsicht vor. Ein schwebend unwirksamer Vertrag erlangt Gültigkeit, wenn die Genehmigungspflicht nach neuen Rechtsvorschriften entfällt (BGHZ 37, 233, 237; 127, 368, 375; BGH Urteil vom 03. November 2000, V ZR 306/99)

2. Ob ein Gemeinderatsbeschluss zum Grundstückserwerb gefasst war, bedarf keiner Klärung. Nach der Kommunalverfassung erlangten rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde abgab, regelmäßig auch dann für die Gemeinde Verbindlichkeit, wenn entsprechende Beschlüsse der Gemeindevertretung nicht vorlagen (BGH, Urteil vom 17. April 1997, IV ZR 98/96 = VIZ 1998, 280-281).

3. Der Grundstückskaufvertrag der Parteien unterfiel der Grundstücksverkehrsverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1991 (BGBl. I S. 1000). Gemäß § 2 Bst. a) bedurften die Veräußerung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag der Genehmigung. Für die Erteilung der Genehmigung waren die Landratsämter zuständig (§ 7 GVO). Dies änderte sich mit der GVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 03. August 1992 (BGBl. I S. 1477).

Für den Fall der Verfügungsbefugnis der Treuhandanstalt erfolgte die Genehmigung nunmehr durch deren Präsidenten (§ 7 Satz 2 GVO; § 8 Satz 2 u. 3 GVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. Dezember 19937). Die Beklagte hat die Genehmigung vom 04. April 1995 vorgelegt (Bd. II Bl. 124 d.A.), was in der Berufungsinstanz nach §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu berücksichtigen ist.

4. Dass die Genehmigung der vollmachtlosen Vertretung durch die Beklagte erfolgte, setzen die Parteien voraus. Ansonsten würde die Notarin mangels Fälligkeit (vgl. § 4 Abs. 9 Satz 3 des Kaufvertrages) keine vollstreckbare Ausfertigung erteilt haben.

5. Weitere Genehmigungserfordernisse sind nicht ersichtlich. Insbesondere musste keine Grundstücksverkehrsgenehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz erteilt werden.

Bei den veräußerten Grundstücken handelt es sich, wie zwischen den Parteien unstreitig ist und sich aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. ergibt (vgl. S. 19 des Gutachtens), um reines Agrarland. Es existieren bzw. existierten weder ein Flächennutzungs- noch ein Bebauungsplan. Allein hieraus konnte die Beklagte ihre Verfügungsbefugnis ableiten (vgl. § 1 Abs. 1 des Kaufvertrages), weil Grundstücke i.S.v. § 3 der 3. DVO zum Treuhandgesetz (GBl. <DDR> I 1990 S. 1333) (TreuhG) verkauft wurden. Diese (ehemals) volkseigenen Grundstücke hatte die Treuhandanstalt in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 6 TreuhG zu privatisieren (§ 4 3. DVO z. TreuhG). Den Verkauf der Grundstücke regelte das Gesetz über die Übertragung des Eigentums und die Verpachtung volkseigener landwirtschaftlich genutzter Grundstücke an Genossenschaften, Genossenschaftsmitglieder und andere Bürger (§ 1 Abs. 1 EigentÜbertrG) (GBl. <DDR> I 1990 S. 899, vgl. auch BGBl. II 1990 S. 889, 1204 u. BGBl. I 1991 S. 1410).

Die Verwertung durch die Treuhandanstalt hatte u.a. durch Verkauf zu erfolgen (§§ 3, 4 Abs. 1 EigentÜbertrG). Für den Grundstückserwerb galten die speziellen Rechtsvorschriften (§ 4 Abs. 3 EigentumsÜbertrG), insbesondere für den Inhalt, den Abschluss und die Genehmigung des Vertrages sowie für den Eigentumsübergang (§ 10 Satz 2 EigentÜbertrG). Zu diesen Vorschriften zählt auch das Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. Juli 1961 (GrdstVG).

Das Grundstücksverkehrsgesetz erfasst landwirtschaftliche Grundstücke (§ 1 GrdstVG) und sieht für deren rechtsgeschäftliche Veräußerung und den schuldrechtlichen Vertrag die Genehmigung vor (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG). Ob es sich um ein landwirtschaftliches Grundstück handelt, hängt allein von seiner Eignung zur landwirtschaftlichen Nutzung ab (BGH, Beschluss vom 14. Mai 1981, II Blw 30/80 = MDR 1981, 1002). Eine landesrechtliche Ausnahme vom Genehmigungserfordernis (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG) ist für die beiden, hier veräußerten Grundstücke nicht auszumachen. Ebenso wenig liegen die Grundstücke im Bereich eines Bebauungsplanes (§ 4 Nr. 4 GrstVG). Mit Blick auf die Anlage 1 zum Grundstückskaufvertrag mögen die Parteien hiervon ausgegangen sein. Allein dies genügt jedoch nicht, die Grundstücksverkehrsgenehmigung entbehrlich werden zu lassen. Dennoch steht der Wirksamkeit des Geschäfts der Parteien das Grundstücksverkehrsgesetz nicht entgegen. Über die Beklagte war der Bund i.S.v. § 4 Nr. 1 GrdstVG in die Veräußerung einbezogen.

Ist der Bund oder ein Land als Vertragsteil an der Veräußerung beteiligt, bedarf es keiner Genehmigung. Bei der Treuhandanstalt bzw. der Beklagten handelt es sich um eine rechtsfähige bundesunmittelbare Anstalt öffentlichen Rechts unter der Aufsicht des Bundesministeriums der Finanzen (§ 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 TreuhG). Durch sie führt der Bund die zur Privatisierung erlassenen Gesetze aus (vgl. Art. 86 Satz 1 GG). Die Beklagte ist damit Bestandteil der Bundesverwaltung, mithin des Bundes (so auch BVerfG, Beschluss vom 11. April 1967, 1 BvR 728/65, das die Forstverwaltung dem vom Genehmigungsvorbehalt ausgenommenen Land gleich setzt).

II. Ein Kaufvertrag über ein unbebautes Grundstück kann vor allem bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung unter Hinzutreten weiterer anstößiger Umstände als Wucher oder wucherähnliches Geschäft sittenwidrig und damit nichtig sein (Erman/Palm, BGB, 10. Aufl., § 138 Rdn. 114). Die angefochtene Entscheidung gelangt zutreffend zu dem Ergebnis, dass der Vertrag zwischen den Parteien trotz des von der Berufung hervorgehobenen krassen Missverhältnisses zwischen dem versprochenen Kaufpreis und dem Verkehrswert der Grundstücke nicht an diesem Mangel leidet. Der Grundstückskaufvertrag ist unter keinem rechtlichen Ansatzpunkt sittenwidrig.

1. Das Landgericht prüft allein § 138 Abs. 1 BGB und bejaht hierbei ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Vorrangig ist jedoch die Frage, ob die Beklagte die Klägerin bewuchert hat (§ 138 Abs. 2 BGB).

a) Der Wucher setzt ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bei einem Austauschgeschäft voraus. Das Landgericht hat hierzu ausgeführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. liege ein besonders grobes Missverhältnis zwischen dem vereinbarten Kaufpreis von 15 DM/m² und dem Verkehrswert der Grundstücke vor, da der Verkehrswert nur 1,56 DM/m² betragen habe. Bereits dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Das Missverhältnis wird anhand der vereinbarten beiderseitigen Leistungen nach deren objektivem Wert (Jauernig, BGB, 9. Aufl., § 138 Rdn. 21 m.w.N.) unter Zugrundelegen der bei Vertragsabschluss bestehenden Verhältnisse (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdn. 66) bestimmt, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen und Wünsche der Vertragsparteien ankommt. Maßgeblich ist der Preis, der üblicherweise im sonstigen Geschäftsverkehr gezahlt wird (BGH NJW 2002, 55, 56; 429, 431 m.w.N.; Erman/Palm, § 138 Rdn. 15 m.w.N.). Geht es um Grundstücksgeschäfte, ist bei der vergleichenden Bewertung Vorsicht geboten, weil der Preisbestimmung häufig spekulative Erwartungen, insbesondere hinsichtlich der zukünftigen Bebaubarkeit zugrunde liegen. Selbst ungewöhnlich hohe Preise verstoßen in einem solchen Fall nicht gegen die guten Sitten (Erman/Palm, § 138 Rdn. 114 m.w.N.). Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landgerichts, deren Richtigkeit keine der Parteien in Zweifel zieht, im Grundstückskaufvertrag einen Preis versprochen, der der Qualität Bauerwartungsland entspricht. Richtig sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. in seinem schriftlichen Gutachten, wonach es für die Bewertung eines Grundstücks als Bauerwartungsland darauf ankommt, ob die Fläche nach ihrer Eigenschaft, ihrer sonstigen Beschaffenheit und ihrer Lage eine bauliche Nutzung in absehbarer Zeit tatsächlich erwarten lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Grundstück zu Bauland wird, muss sich so verdichtet haben, dass der allgemeine Geschäftsverkehr dem Rechnung trägt (BGH, Urteil vom 02. Juni 1980, III ZR 148/78). Abzustellen ist allein auf die objektiven, das Grundstück konkret betreffenden Umstände(BGH NJW 2003, 283, 284 m.w.N.). Hierzu hat der Sachverständige Dr. F. in seinem Gutachten vom 16. November 2001 und vor allem in der ergänzenden Stellungnahme vom 04. Februar 2002 (Bd. I Bl. 226- 231 d.A.) festgestellt, eine solche Situation sei bezogen auf das Grundstück der Beklagten nicht eingetreten, weder zum Zeitpunkt des Kaufs noch danach. Der Verkehrswert mag damit bei 1,56 DM/m² gelegen haben. Dennoch kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin von der künftigen Bebaubarkeit ausging. Ihr damaliger Bürgermeister hat gegenüber den vor Vertragsabschluss eingeschalteten Sachverständigen Umstände, insbesondere Erwartungen geäußert, die die Sachverständigen dazu veranlassten, von Bauerwartungsland auszugehen, obwohl sie nicht verkannten, dass eigentlich nur Ackerland vorlag. Es mag sein, wie der Sachverständige Dr. F. in seinem schriftlichen Gutachten hervor gehoben hat, dass die Bauleitplanung zu keinem Zeitpunkt - auch nicht zur Zeit des Vertragsabschlusses - die für eine Reaktion des Grundstücksmarktes notwendige Bestimmtheit erreichte. Die Klägerin selbst hatte aber über ihren gesetzlichen Vertreter zum Ausdruck gebracht, von der zukünftigen Überplanung auszugehen und so den Preis auf die für Bauerwartungsland angemessene Stufe gehoben, weil die Grundstücke ihr diesen Preis wert erschienen. Es gibt gerade keinen allgemeingültigen Maßstab dafür, was der Eigentümer einer nutzungsbeschränkten Sache von demjenigen, der auf die Rückkehr in die normale Verwendbarkeit vertrauen will, zu fordern oder entgegenzunehmen berechtigt ist. Unter solchen Umständen lässt sich ein objektives Missverhältnis zwischen dem Wert der Sache und dem vereinbarten Kaufpreis nicht ausmachen (BGH, Urteil vom 28. Mai 1976, V ZR 170/74 = DNotZ 1977, 102-104 = MDR 1976, 916).

b) Wucher ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die Beklagte keine außergewöhnliche Situation der Klägerin ausgebeutet hat.

Ausbeuten i.S.v. § 138 Abs. 2 BGB meint das bewusste Ausnutzen der ungünstigen Situation des Geschäftspartners. Der Wucherer hat Kenntnis von dem auffälligen Leistungsmissverhältnis und der Ausbeutungssituation und macht sich diese Sachlage - zumindest bedingt vorsätzlich - zunutze (Erman/Palm, § 138 Rdn. 19). Das Landgericht hat eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten verneint und in diesem Sinne offenbar auch für ein Ausbeuten nichts gesehen. Dem folgt der Senat.

Liegt ein besonders grobes Missverhältnis - dieses hier einmal unterstellt - vor, kann eine tatsächliche Vermutung für die Ausbeutung sprechen (Erman/Palm, a.a.O.m.w.N.; Jauernig, § 138 Rdn. 23). Diese Vermutung ist hier allein dadurch widerlegt, dass es die Beklagte mit einer Gemeinde zu tun hat, in deren Bereich die betreffenden Grundstücke liegen, die also am besten wissen muss, welche tatsächliche und rechtliche Situation für den Erwerb zu dem vereinbarten Preis spricht. Die Beklagte hat, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, nicht losgelöst vom Gutachten des Obering. M. vom 03. März 1991 (Bd. I Bl. 74-82 d.A.) einen erhöhten Kaufpreis gefordert. Die Klägerin selbst wurde mit einem zweiten Erwerbsantrag vom 13. März 1992 (Bd. I Bl. 54 d.A.) tätig und holte ein weiteres Gutachten des Dipl.-Ing. K. vom 21. Mai 1992 ein (Bd. I Bl. 194-204 d.A.). Dieses Gutachten geht von Bauerwartungsland aus und kommt so zu einem Qua-dratmeterpreis von 15 DM. Dieser Preis war für Bauerwartungsland angemessen. Es bestanden daher für die Beklagte keinerlei Anhaltspunkte für einen zu hohen Kaufpreis oder gar eine von § 138 Abs. 2 BGB beschriebene Situation auf Seiten der Klägerin (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2002, V ZR 240/01). Angesichts der für die in einer Gemeinde zur Wahrnehmung öffentlicher Ämter vorausgesetzten Auslese und Wahl (vgl. z.B. §§ 30, 58-60, 68 GO LSA) war für die Beklagte nicht zu erwarten, dass die Klägerin von unerfahrenen, mit mangelhaftem Urteilsvermögen ausgestatteten Personen geleitet und gesetzlich vertreten werden könnte (vgl. §§ 63, 57 Abs. 2 GO LSA). Unerfahrenheit oder mangelndes Urteilsvermögen liegen zudem nicht vor, wenn jemand in der Erwartung der Grundstücksentwicklung einen außergewöhnlichen Kaufpreis zahlt (Erman/Palm, § 138 Rdn. 22). Fahrlässiges Nichterkennen, das hier überhaupt nur in Betracht gezogen werden könnte, stellt zudem keine Ausbeutung dar (Erman/Palm/§ 138 Rdn. 19 m.w.N.).

2. Der Grundstückskaufvertrag ist nicht als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig. Sind die Voraussetzungen des Wuchers nicht gegeben, kann der Grundstückskauf als wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein (BGH NJW 2002, 429, 430; Jauernig, § 138 Rdn. 24), wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis stehen und weitere sittenwidrige Umstände hinzutreten, beispielsweise eine verwerfliche Gesinnung des durch den Vertrag objektiv Begünstigen (BGH NJW 2002, 55, 56; 429, 430).

Das Landgericht hat ausgeführt, ein auffälliges Missverhältnis allein lasse noch nicht den Schluss auf die verwerfliche Gesinnung zu. Für eine solche Einstellung der Beklagten sei nichts ersichtlich. Im Gegenteil habe die Beklagte sogar ein Verkehrswertgutachten des Sachverständigen F. eingeholt als die Klägerin die Festschreibung des Kaufpreises begehrte. Außerdem habe die Klägerin bereits 1992 den Sachverständigen K. mit der Verkehrswertermittlung befasst. Dies hält der rechtlichen Überprüfung durch den Senat stand.

Im Gegensatz zum Wucher ist eine verwerfliche Gesinnung nicht nur dann anzunehmen, wenn der Begünstigte als wirtschaftlich oder intellektuell Überlegener die schwächere Lage des anderen Teils bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, sondern auch dann, wenn er sich leichtfertig der Erkenntnis verschloss, dass sein Vertragspartner sich nur wegen der schwächeren Lage auf den ungünstigen Vertrag eingelassen hat (BGH NJW 2002, 55, 56f. m.w.N.; 429, 430). Ausgangspunkt ist die Lebenserfahrung, dass i.d.R. außergewöhnliche Gegenleistungen nicht ohne Not zugestanden werden, was auch der Begünstigte weiß (BGH, Urteil vom 28. Mai 1976, V ZR 170/74 = DNotZ 1977, 102-104 = MDR 1976, 916; BGH NJW 2002, 429, 432). Ein besonders auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung spricht für eine verwerfliche Gesinnung (BGH NJW 2002, 55, 57 m.w.N.). Dies bedeutet allerdings nicht, dass in diesem Fall auf das subjektive Element der Sittenwidrigkeit verzichtet wird. Der Tatrichter hat lediglich im Rahmen der Beweiswürdigung den Rückschluss vom objektiv auffälligen Missverhältnis auf die verwerfliche Gesinnung zu vollziehen, was einer tatsächlichen Vermutung entspricht. Auf die Kenntnis des Begünstigten von den Wertverhältnissen kommt es nicht an (BGH NJW 2002, 55, 57; 429, 432 m.w.N.). Die tatsächliche Vermutung kann aber durch besondere Umstände erschüttert sein, etwa wenn Bewertungsschwierigkeiten bestanden oder die Parteien einen besonderen Zweck verfolgten (BGH NJW 2002, 55, 57 m.w.N.; 429, 432 m.w.N.; BGH, Urteil vom 03. November 2000, V ZR 306/99; Urteil vom 22. November 2002, II ZR 96/02). In diesem Fall ist der Schluss allein vom Vorliegen des besonders groben Missverhältnisses zwischen den auszutauschenden Leistungen auf eine subjektiv unlautere Ausnutzung eines den Benachteiligten in seiner Entscheidungsfreiheit hemmenden Umstandes nicht zulässig (BGH NJW 2003, 283, 284). Davon betroffen sind auch Sachverhalte, bei denen die Vertragsparteien - wie hier - der Kaufpreisbestimmung sachverständige Stellungnahmen zugrunde legen. Dann hat man sich gerade in einer Weise um die Ermittlung der Angemessenheit des Austauschverhältnisses bemüht, die regelmäßig eine Übervorteilung ausschließt (BGH NJW 2002, 3165, 3166). Dass sich das Gutachten im Ergebnis als fehlerhaft erweist, spielt für den Vermutungsausschluss keine Rolle (BGH a.a.O.).

Die Beklagte konnte auf die Richtigkeit der Gutachten des Obering. M. und des Dipl.-Ing. K. vom 03. März 1991 und 21. Mai 1992 vertrauen, auch wenn die Sachverständigen die Ackerlandqualität des Bodens allein aufgrund von Erklärungen des Bürgermeisters zugunsten von Bauerwartungsland verwarfen. Sie hatte keinerlei Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Angaben des Bürgermeisters, zumal die Lebenserfahrung dafür spricht, dass niemand seinen eigenen Interessen zuwider laufende Aussagen trifft, ohne ihre inhaltliche Richtigkeit vollständig überprüft zu haben. Sowohl die Klägerin, wie sich aus den Erklärungen ihres Bürgermeisters ergibt, als auch die Beklagte sind von einer zukünftig möglichen Bebauung ausgegangen und haben hierauf beruhend ein subjektiv angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt. Die Unrichtigkeit der subjektiven Vorstellungen erlaubt keinen Schluss auf die verwerfliche Gesinnung der Beklagten (BGH NJW 2003, 283, 284 m.w.N.).

Soweit die Klägerin auf die allein vorgesehene Begrünung der Flächen hinweist, wird hieraus eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten ebenso wenig deutlich. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. F. vom 16. November 2001 kann eine zur Begrünung vorgesehene Fläche durchaus die Qualitätsstufe Bauerwartungsland erreichen. Außerdem erscheint es zumindest zweifelhaft zu sein, ob der Hinweis des Grundstückskaufvertrages auf die Anlage 1 angesichts der ansonsten im Vertrag auf eine Bebauung hinweisenden Regelungen der Beklagten zuverlässig vermitteln musste, hier werde zukünftig ausschließlich begrünt.

3. Ergibt sich die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nicht bereits aus dessen objektivem Inhalt, ist zu prüfen, ob ein Sittenverstoß wegen sonstiger objektiver Umstände, die außerhalb des Inhalts des Geschäfts liegen (Umstände des Zustandekommens, über den Inhalt hinausgehende Auswirkungen auf Dritte oder die Allgemeinheit) und/oder wegen subjektiver Merkmale (Beweggründe der Parteien, Geschäftszweck) bejaht werden kann. Dabei ergibt sich die Sittenwidrigkeit vielfach erst aus der Gesamtschau sämtlicher objekktiver und subjektiver Moment (Erman/Palm, § 138 Rdn. 36, 42 m.w.N.). Richtet sich der Sittenverstoß gegen die Allgemeinheit (Gemeinschaftsschädigung - BGH, Urteil vom 22. November 2002, V ZR 96/02), wie die Klägerin durch Hinweis auf das öffentliche Haushaltsrecht geltend macht, müssen beide Vertragsteile hiervon Kenntnis oder sich einer solchen Kenntnis grob fahrlässig/leichtfertig verschlossen haben. Zwar verdient die öffentliche Verwaltung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Staates Schutz vor anstößigen Rechtsgeschäften, die ein ordnungsgemäßes Verwaltungshandeln beeinträchtigen oder verhindern. Diese Zwecksetzung muss dem Geschäft, um es als sittenwidrig erscheinen zu lassen, aber auch anhaften, was hier gerade nicht ersichtlich ist (Erman/Palm, § 138 Rdn. 135).

Zur ordnungsgemäßen Verwaltungstätigkeit gehört auch die Beachtung des öffentlichen Haushaltsrechts. Rechtsgeschäfte, die dem entgegenstehen, sind dann sittenwidrig, wenn der Verstoß beiden Parteien auch subjektiv zuzurechnen ist (Erman/Palm, § 138 Rdn. 135a). Beide Seiten müssen billigen und wissen, dass die Zuwendung der Gemeinde nur unter grober Verletzung der für die Haushaltsführung der Gemeinden bestehenden gesetzlichen Bestimmungen gemacht werden kann (BGH, Urteil vom 07. März 1962, V ZR 132/60 = BGHZ 36, 395-402 = NJW 1962, 955). Das bedeutet, sowohl die Klägerin als auch die Beklagte hätten wissen müssen, dass es sich bei den Grundstücken nicht um Bauerwartungsland, sondern Acker handelte, mithin die Gutachten falsch waren, weil sie auf unrichtigen Angaben des Bürgermeisters der Klägerin oder auf einer Fehlinterpretation seiner Angaben beruhten und deshalb ein viel zu hoher Kaufpreis versprochen wurde (Erman/Palm, § 138 Rdn. 47). Dafür ist jedenfalls auf Seiten der Beklagten nichts auszumachen. Sie durfte ohne weiteres auf die Gutachten vertrauen, weil sie die Situation und Lage der Grundstücke nicht besser einschätzen konnte als die Klägerin selbst. Die Beklagte hat die Klägerin damit auch nicht zum Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften veranlasst oder nutzt einen solchen Verstoß nunmehr in anstößiger Weise aus (Erman/Palm, § 138 Rdn. 85e) . Ein bewusstes, auf Schädigung des Gemeindehaushalts gerichtetes Zusammenwirken der Parteien( Erman/Palm, § 138 Rdn. 85b f., 120) behauptet die Klägerin selbst nicht.

Soweit die Klägerin geltend macht, sie werde durch die einzelnen Vertragsbestimmungen benachteiligt, ist vorrangig das AGBG zu prüfen (Erman/Palm, § 138 Rdn. 8) (vgl. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

III. Das Landgericht hat sich nicht damit beschäftigt, ob die von der Klägerin eingewandten Verstöße gegen das öffentliche Haushaltsrecht über § 134 BGB zur Nichtigkeit des Grundstückskaufs führen. Der Senat verneint dies.

Die grundlegenden Haushaltsvorschriften finden sich in den Gemeindeordnungen der Länder und hier speziell für den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Kommunalverfassung. Sie richten sich an die Verwaltungen und tragen internen Charakter. Einseitige Verstöße hiergegen haben daher nicht die Nichtigkeit des hierzu führenden Rechtsgeschäfts zur Folge (OLG Dresden, Urteil vom 05. Januar 1998, 17 U 1652/97; Jauernig, § 134 Rdn. 11; Palandt/Heinrichs, § 134 Rdn. 18 m.w.N.). Auch mit Blick auf die zwingenden, allgemein anerkannten und verinnerlichten Grundsätze der sparsamen Haushaltsführung (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 1999, 5 StR 494/98 = NJW 1999, 1489-1492 und des Verbots unentgeltlicher Zuwendungen) (vgl. Erman/Palm, § 134 Rdn. 46 m.w.N.) ergibt sich für den Vertrag der Parteien nichts anderes. Diese Grundsätze richten sich nicht nur an die Verwaltung, die die zur Verfügung stehenden Mittel zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben einzusetzen hat, sondern auch an den Adressaten der Zuwendung, der sich nicht ohne Gegenleistung an Mitteln der Allgemeinheit bereichern soll. Es dürfte viel dafür sprechen, zumindest insoweit ein Verbotsgesetz anzunehmen, als es um unentgeltliche Zuwendungen an Private geht, die unter keinerlei Gesichtspunkten durch die Verfolgung legitimer öffentlicher Aufgaben einer an rechtsstaatlichen Grundsätzen orientierten Verwaltung gerechtfertigt sind (BGHZ 47, 30-40 - zitiert in juris). Darum geht es hier allerdings nicht. Die Klägerin hat nichts unentgeltlich versprochen. Unentgeltlichkeit setzt voraus, dass sich die Beteiligten hierüber einig sind. Die Parteien des Grundstückskaufs wollten einen angemessenen Austausch von Leistung und Gegenleistung. In diesem Zusammenhang schuldet die Klägerin einen zur Zahlung anstehenden Kaufpreis. Dieser mag dem Verkehrswert des Kaufgegenstandes nicht gerecht werden und in diesem Sinne überhöht sein. Eine unentgeltliche Zuwendung wird der Klägerin dadurch nicht abverlangt. Sie macht nur ein schlechtes Geschäft. Dies ist einer Gemeinde ebenso wenig verboten, wie jedem anderen, am Privatrechtsverkehr Teilnehmenden, der in diesem Sinne auch auf Kosten der Gemeinde ein gutes Geschäft machen darf.

IV. Das Landgericht hat die Irrtumsanfechtung der Klägerin für nicht durchgreifend erachtet und hierzu bemerkt, die Klägerin könne lediglich dann anfechten, wenn sie sich in einem Irrtum über wertbildende Faktoren befunden habe. Um solche möge es bei der bauplanungsrechtlichen Einordnung der Grundstücke gehen. Hierüber habe sich die Klägerin allerdings nicht im Irrtum befunden. So habe der Bürgermeister der Gemeinde gegenüber den vor Vertragsabschluss tätigen Sachverständigen mitgeteilt, die Grundstücke seien im Flächennutzungsplan als Gewerbeflächen bzw. Mischgebiet ausgewiesen. Aufgrund dieser falschen Mitteilung sei es zu dem erhöhten Verkehrswert gekommen, sodass sich die Klägerin auf ihren Irrtum nicht berufen könne. Diese Ausführungen sind bereits in sich widersprüchlich. Entweder hat sich die Klägerin in keinem Irrtum befunden oder es ist ihr (über § 242 BGB?) verwehrt, sich auf einen bestehenden Irrtum zu berufen. Im Ergebnis greift die Berufung das Urteil des Landgerichts dennoch zu Unrecht an.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz und Schreiben an die Beklagte vom 03. Januar 2002 die Anfechtung des Grundstückskaufvertrages erklärt, weil sie sich in einem Irrtum über den Verkehrswert befunden habe. Der Verkehrswert selbst ist keine Eigenschaft. Er beruht als Wertung nur auf den Grundstückseigenschaften (Jauernig, § 119 Rdn. 14 m.w.N.; Palandt/Heinrichs, § 119 Rdn. 27 m.w.N.; Erman/Palm, § 119 Rdn. 47). Es kann mithin nur darum gehen, ob die Klägerin über tatsächliche und/oder rechtliche Verhältnisse irrte, die sich auf den Verkehrswert der Grundstücke auswirkten. Derartige Fehlvorstellungen besaß die Klägerin gerade nicht. Sie wusste, dass eine Bauleitplanung für die betroffenen Grundstücke nicht vorlag, es sich um Agrarflächen handelte und sie, die Klägerin, zukünftig vage in Erwägung zog, die Liegenschaften in das Gewerbegebiet, ggf. als Grünfläche einzubeziehen. Die Hoffnung, dass es zu der Planung kommen würde, ist unbeachtliches Motiv der Klägerin (Jauernig, § 119 Rdn. 17, Erman/Palm, § 119 Rdn. 47, 51). Bestenfalls mag sich die Fehlvorstellung der Klägerin auf den Einfluss ihrer Absichten auf die Klassifizierung der Grundstücke als Bauerwartungsland als eine Art Kalkulationsirrtum bezogen haben. Ob dies für die Irrtumsanfechtung genügt hätte, muss der Senat nicht abschließend klären. Die Klägerin hat zumindest die Anfechtungsfrist versäumt.

Die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB muss unverzüglich erfolgen, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat (§ 121 Abs. 1 Satz 1 BGB). Schon mit der Klageschrift vom 10.10.2000 hat die Klägerin auf die Bodenrichtwertauskünfte vom 19. Oktober 1999 (Bd. I Bl. 30-33 d.A.) abgestellt, die die Grundstücke als Ackerland ausweisen. Die Klägerin hatte demnach spätestens im Oktober 2000 Kenntnis über die Wertverhältnisse und die tatsächliche Einordnung der Grundstücke als Acker. Hierauf beruht das Klagevorbringen. Die Klägerin hatte den eigenen Irrtum erkannt (vgl. zum hierdurch hervorgerufenen Fristbeginn Jauernig, § 121 Rdn. 2). Auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. F. kommt es insoweit nicht an, da sich dieses nur mit der Ermittlung des Verkehrswertes und dem Beweis der von der Klägerin aufgestellten Behauptung befasst. Eines solchen Beweises bedurfte die Klägerin zur Ausübung des Anfechtungsrechts nicht. Er ist erst im Prozess zu führen, wenn der Anfechtung widersprochen wird. Die volle Überzeugung vom Bestehen des Anfechtungsrechts ist für den Fristbeginn nicht ausschlaggebend (Palandt/Heinrichs, § 121 Rdn. 2). Die nach Ablauf von mehr als einem Jahr nach Kenntnis erfolgte Anfechtung war nicht mehr unverzüglich.

Letztlich kommt die Anfechtung nach § 119 Abs. 2 BGB bereits deshalb nicht zum Tragen, weil die Mängelgewährleistungsvorschriften einem solchen Vorgehen nach Gefahrübergang entgegenstehen (Jauernig/Vollkommer, § 459 Rdn. 46) und die Klägerin tatsächlich einen Fehler des Kaufgegenstandes einwendet (vgl. Ziff. VI.2.).

V. Das Landgericht ist weiter davon ausgegangen, die Klägerin werde durch den Grundstückskauf bzw. seine Bedingungen nicht unangemessen benachteiligt. Dies greift die Berufung nicht an. Der Hinweis der Klägerin auf das AGBG war außerdem im Wesentlichen zur Abwehr der Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde bereits ungeeignet, weil sich die Überprüfung des Geschäfts durch die Gerichte nur auf einzelne Klauseln bezieht, die ggf. nicht Vertragsbestandteil geworden (§ 3 AGBG) oder unwirksam sind (§§ 9 Abs. 1, 11, 10 AGBG). Der Vertrag bleibt im Übrigen unberührt (§ 6 Abs. 1 AGBG), es sei denn, die vorzunehmenden Änderungen begründen für eine Vertragspartei eine unzumutbare Härte. Die Zwangsvollstreckungsunterwerfung der Klägerin selbst ist nicht zu beanstanden, zumal sich deren Überprüfung sowieso nur im Rahmen des § 9 AGBG vollziehen kann (§ 24 Satz 1 Nr. 2 AGBG a.F.).

Soweit die Klägerin die Preisgestaltung und in diesem Zusammenhang die einseitige Vorläufigkeit des Preises sowie die Nachbewertung in Frage stellt, steht einer Prüfung durch den Senat bereits § 8 AGBG entgegen. Bei der Nachbewertungsklausel handelt es sich mangels abschließender Preisvereinbarung um eine Preisnebenabrede, die nicht der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG unterfällt (BGH, Urteil vom 26. Januar 2001, V ZR 452/99 = BGHZ 146, 331; Urteil vom 11. Mai 2001, V ZR 491/99 = WM 2001, 1305, 1307;Urteil vom 22. Februar 2002, V ZR 251/00 = ZIP 2002, 808-811; Urteil vom 28. Juni 2002, V ZR 438/00 = VIZ 2002, 647-648). Eine derartige Vertragsgestaltung ist - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht überraschend (BGH, Urteil vom 11. Mai 2001, V ZR 491/99 = WM 2001, 1305-1307; Urteil vom 22. Februar 2002, V ZR 251/00 = ZIP 2002, 808-811; Urteil vom 28. Juni 2002, V ZR 438/00 = VIZ 2002, 647-648).

VI. Die Berufung stellt insbesondere auf einen Aufhebungs- bzw. Abänderungsanspruch der Klägerin über § 20 des Vertrages bzw. § 242 BGB ab. Auch dieser Einwand kann der Zwangsvollstreckung der Beklagten nicht entgegen gestellt werden.

1. Die Bestimmung des § 20 des Grundstückskaufvertrages ist von vornherein nicht einschlägig. Die dort genannte Undurchführbarkeit betrifft - was der Senat, da weitergehende tatsächliche Feststellungen hierzu ersichtlich nicht mehr zu treffen sind, selbst durch Auslegung ermitteln darf - nicht den von den Parteien oder gar der Klägerin verfolgten Zweck, sondern lediglich einzelne vertragliche Bestimmungen und in diesem Sinne die Undurchführbarkeit ausschließlich aus rechtlichen und nicht aus tatsächlichen Gründen. Sie hat das Ziel, den Vertrag so, wie ihn die Parteien geschlossen haben, zur Durchführung gelangen zu lassen und nicht der Klägerin einen Anspruch auf Vertragsanpassung oder gar -auflösung zu verleihen.

2. Derartiges vermag die Klägerin nur unter Anwendung der Grundsätze über das Fehlen, die Änderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu erreichen. Das Landgericht meint hierzu, es sei die Klägerin, die als Käufer nach der vertraglichen Zuweisung regelmäßig das Risiko der Entwicklung des Grundstücks zu Bauland zu tragen habe, womit kein Raum für die Anwendung der Grundsätze über das Fehlen, die Änderung oder den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei. Der Senat hat dem entgegen in seinem Hinweis vom 18. März 2003 (Ziff. 6 - Bd. II Bl. 109 f. d.A.) die Ansicht vertreten, dass die Klägerin durchaus einen Vertragsanpassungsanspruch haben könnte. Hieran hält er nach nochmaliger Beratung, wie bereits in der mündlichen Verhandlung angedeutet, nicht mehr fest, sodass die Entscheidung des Landgerichts auch in diesem Punkt im Ergebnis nicht zu beanstanden ist.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts gingen die Parteien bei Vertragsabschluss davon aus, die Klägerin erwerbe mit den Grundstücken Bauerwartungsland. Diese, den Liegenschaften beigemessene Qualität ließ die näher oder ferner liegende Bebaubarkeit erwarten. Die zu Bauerwartungsland führende Erwartung muss allerdings auf Umständen beruhen, die ihr zumindest einige Substanz verleihen. Davon konnte hier nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. F. keine Rede sein. Allein die vagen Vorstellungen der Klägerin waren nicht geeignet, den Markt in Richtung Bauerwartungsland tendieren zu lassen. Die Grundstücke wiesen demnach nicht die von den Parteien vorausgesetzte Beschaffenheit auf.

Die Beschaffenheit einer Kaufsache wird auch durch alle wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zur Umwelt gekennzeichnet, die ihren Grund unmittelbar in der Sache selbst haben, von ihr ausgehen und ihr für eine gewisse Dauer anhaften (Erman/Grunewald, § 459 Rdn. 3f.). Weichen diese nachteilig vom vertraglich Vorausgesetzen ab, so beim Fehlen eines wertbildendenden Faktors, liegt ein Fehler i.S.v. §§ 459 ff. BGB a.F. vor (Jauernig/Vollkommer, § 459 Rdn. 12). Insbesondere wenn entgegen den vertraglichen Absprachen, die auch stillschweigend getroffen werden können (Erman/Grunewald, § 459 Rdn. 7), kein Bauerwartungsland verschafft wird, ist von einem gewährleistungsrelevanten Fehler i.S.v. 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. auszugehen (BGH, Urteil vom 12. Juni 1987, V ZR 91/86 - Ziff. II.3.). Damit kann sich die Klägerin selbst im Falle des vertraglichen Gewährleistungsausschlusses nicht auf die fehlende oder geänderte Geschäftsgrundlage berufen (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1976, V ZR 245/74 m.w.N. = MDR 1977, 298-299; Jauernig/Vollkommer, § 459 Rdn. 46; Palandt/Putzo, vor § 459 Rdn. 12 m.w.N., § 242 Rdn. 118 m.w.N.).

Dem steht nicht entgegen, dass der Kaufgegenstand fehlerfrei ist, wenn das Grundstück entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht alsbald bebaut werden kann (BGH a.a.O.; Erman/Grunewald, § 459 Rdn. 11, 29). In diesen Fällen veräußert der Verkäufer regelmäßig tatsächlich Bauerwartungsland und die Parteien nehmen die künftige Bebaubarkeit in ihre vertraglichen Absprachen auf oder sehen von einer solchen Vereinbarung auf Kosten des dann risikobelasteten Käufers ab. Hier beanstandet die Klägerin dem entgegen, die Grundstücke seien ihr Geld nicht wert, weil es sich weder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch bei Gefahrübergang (Stichtag) oder jetzt um Bauerwartungsland, sondern um Agrarflächen handele. Dies ist ein Fall des § 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F..

VII. Die Klägerin kann nach alledem die Zwangsvollstreckung der Beklagten nur hindern, indem sie sich auf Gewährleistungsrechte stützt (§§ 513 Abs. 1 Alt. 2, 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). In § 7 des Grundstückskaufvertrages ist hierzu ein Ausschluss der Sachmängelhaftung der Beklagten vereinbart. Selbst wenn es sich bei dieser Klausel um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 1 Abs. 1 AGBG handelt, wäre sie nicht überraschend (§ 3 AGBG) und hielte mit Blick auf § 476 BGB a.F. einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand. Alle Gewährleistungsrechte der Klägerin sind damit vertraglich abbedungen (BGH, Urteil vom 20. April 1990, V ZR 256/88 = NJW-RR 1990, 950). Für die Nichtigkeit der Freizeichnung der Beklagten nach § 476 BGB a.F. ist nichts vorgetragen.

[ C ]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 Satz 1 u. 2 ZPO.

Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung aufweist, lässt der Senat die Revision zu (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.

Der Streitwert für die Berufung folgt aus §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, 3, 4 ZPO. Maßgeblich ist die aus der notariellen Urkunde zu vollstreckende Kaufpreisforderung.

Ende der Entscheidung

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