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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 28.08.2001
Aktenzeichen: 11 U 91/01
Rechtsgebiete: ZGB, ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZGB § 441
ZGB § 441 Abs. 1
ZPO § 713
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 546 Abs. 2
ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 328 Abs. 2
EGBGB Art. 232 § 1
Ein Vertrag zugunsten Dritter nach § 441 ZGB kann von den Vertragsparteien ohne Zustimmung des begünstigten Dritten wieder aufgehoben werden, wenn dem Dritten kein unentziehbares Recht zugewandt werden sollte.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 91/01 OLG Naumburg

verkündet am 28. August 2001

In dem Berufungsrechtsstreit

wegen Kaufpreiszahlung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und den Richter am Landgericht Dr. Strietzel auf die mündliche Verhandlung vom 14. August 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. März 2001 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg (Geschäfts-Nr. 5 O 355/00) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt nicht 60.000,00 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird nach § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, da das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.

Die Klage ist auch unabhängig von der mit der Berufung angegriffenen Beweiswürdigung des Landgerichts nicht begründet.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass durch den zwischen der Beklagten und der gemeinsamen Mutter der Parteien am 9. Juni 1983 abgeschlossenen notariellen Vertrag gemäß § 441 Absatz 1 ZGB eine Forderung des Klägers begründet werden sollte und wurde, und weiter unterstellt, dass der Kläger auf diese nicht durch Erklärung vom 6. August 1984 verzichtet hat, ist der geltend gemachte Anspruch jedenfalls durch den notariellen Vertrag vom 27. Mai 1999 untergegangen.

Ungeachtet der rechtlich zweifelhaften Begründung der Entscheidung zur Aufhebung (Wegfall der Geschäftsgrundlage) bringt der Wortlaut des Aufhebungsvertrages vom 27. Mai 1999 zweifelsfrei zum Ausdruck, dass die in den Überlassungsvertrag aufgenommene Verpflichtungen zugunsten Dritter, insbesondere also auch jener zugunsten des Klägers, aufgehoben werden sollte. Eine solche nachträgliche Aufhebung der drittbegünstigenden Verpflichtung konnte von den Vertragsparteien der Vereinbarung vom 9. Juni 1983 ohne Zustimmung der Begünstigten dieses Vertrages zugunsten Dritter wirksam getroffen werden, also insbesondere auch gegen den Willen des Klägers.

Dem Wortlaut des § 441 ZGB als der für das durch den Überlassungsvertrag nach Art. 232 § 1 EGBGB zunächst maßgeblichen Norm ist keine Aussage dazu zu entnehmen, ob und unter welchen Umständen die Parteien eines Vertrages zugunsten Dritter die Befugnis haben, die drittbegünstigende Regelung nachträglich wieder aufzuheben. Auch in der amtlichen Kommentierung finden sich hierfür keine Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die Entwicklung des Zivilgesetzbuches der DDR aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch sowie die Praxis der Literatur und Rechtsprechung der DDR, bei der Auslegung des weniger detaillierten Zivilgesetzbuches auf die entsprechenden Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sowie die hierzu entwickelte Rechtsprechung zurückzugreifen, ist auch für die Auslegung von § 441 ZGB der Regelungsgehalt der entsprechenden Norm des Bürgerlichen Gesetzbuches zu berücksichtigen, also von § 328 Absatz 2 BGB. Danach ist für Verträge, in die - wie im vorliegenden Fall - keine besondere Regelung dazu aufgenommen wurde, ob eine solche nachträgliche Aufhebung zulässig ist, dies aus den Umständen zu entnehmen.

In der Rechtsprechung zu § 328 Absatz 2 BGB wurde eine Aufhebbarkeit der drittbegünstigenden Regelung verneint, wenn ein durch einen ihn in der Hauptsache übergehenden Hofüberlassungsvertrag mit einem Ausgleichsanspruch bedachter Erbe durch diese zu seinen Gunsten aufgenommene Zahlungsverpflichtung veranlasst wurde, seine Übergehung hinsichtlich der Hofüberlassung nicht anzufechten, da hierdurch schutzwürdiges Vertrauen begründet worden ist (OLG Celle, AgrarR 1990, 23, 24), oder die Leistungspflicht zugunsten des Dritten ausdrücklich als "unwiderruflich und unter Verzicht auf jede Einrede" bezeichnet worden war (BGH, WM 1974, 14, 15).

Dagegen hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass eine bloße Vertragszielsetzung zugunsten eines Dritten die Vertragsfreiheit der Vertragsparteien nicht einschränkt und einer einverständlichen Vertragsänderung nicht entgegen steht (BGH, WM 1982, 902, 903). Insbesondere hat die Rechtsprechung die Widerruflichkeit der in einen Kaufvertrag aufgenommenen Verpflichtung angenommen, der Mutter der Parteien Unterhalt und Obdach zu gewähren (RGZ 101, 275, 277), ebenfalls von Scheidungsvereinbarungen von Eltern zugunsten ihrer Kinder oder die Aufhebung einer zugunsten eines Maklers von den Parteien eines Kaufvertrages getroffenen Regelung (Fundstellen jeweils in Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 328 Rn. 4).

Anders als in dem der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle zugrunde liegenden Sachverhalt ist vorliegend nicht ersichtlich, dass der Kläger im Hinblick auf die notarielle Urkunde vom 9. Mai 1983 in irgend einer Hinsicht zu einem ihm ungünstigen Verhalten bewegt wurde und deshalb schutzwürdiges Vertrauen verletzt würde, wenn ihm das Überlassungsentgelt nachträglich entzogen würde. Es stand im freien Belieben der Zeugin Sch. , ob und wem sie den wirtschaftlichen Wert des Grundstücks zukommen ließ und in welchem Umfang dies geschehen sollte. Es ist kein Grund ersichtlich, warum sich die Zeugin Sch. in ihrer Dispositionsfreiheit hinsichtlich solcher Ausgleichszahlungen hätte beschränken sollen. Anders als in der ältesten zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, WM 1974, 14, 15) ergeben sich auch aus dem Wortlaut des Vertrages vom 9. Juni 1983 keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Mutter der Parteien und die Beklagte im Vertrag vom 9. Juni 1983 ohne jede Notwendigkeit und entgegen ihren Interessen die drittbegünstigende Regelung unwiderruflich treffen wollten; angesichts der Interessenkonstellation erscheint dies vielmehr eher fernliegend.

Dem gegenüber ähnelt der dem Senat zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt den zuletzt angeführten Fällen, in denen die Rechtsprechung eine Widerruflichkeit angenommen hat. Unter Berücksichtigung der von der Rechtsprechung zu § 328 Absatz 1 BGB herangezogenen und ebenso für einen Vertrag zugunsten Dritter nach § 441 ZGB zu berücksichtigenden Kriterien sprechen damit die Umstände dafür, den Vertrag vom 9. Juni 1983 so auszulegen, dass die drittbegünstigende Regelung von der Mutter der Parteien jedenfalls zusammen mit der Beklagten ohne Zustimmung des Klägers wieder aufgehoben werden konnte. Von dieser Möglichkeit hat die Mutter der Parteien gemeinsam mit der Beklagten im Vertrag vom 27. Mai 1999 Gebrauch gemacht. Sollte ein Zahlungsanspruch des Klägers bis dahin bestanden haben, ist er daher jedenfalls durch diesen Vertrag untergegangen. Schon deshalb hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

2. Die Entscheidung über die Kosten der Berufung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Die Beschwer hat der Senat nach § 546 Absatz 2 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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