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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.06.2002
Aktenzeichen: 11 W 160/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 569 Abs. 2 | |
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 2 | |
ZPO § 769 Abs. 1 Satz 1 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
11 W 160/02 OLG Naumburg
In dem Rechtsstreit
wegen Erlasses einer einstweiligen Anordnung,
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am
19. Juni 2002
unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Krause, Baumgarten und Dr. Grubert
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 22.04.2002, Geschäftszeichen: 3 O 59/02, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der auf die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars B. aus S. vom 12.10.2001, UR-Nr. 1200/2001, gerichtete Antrag als unzulässig zurückgewiesen wird.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 29.552,67 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Die Parteien haben am 12.10.2001 vor dem Notar B. aus S. einen Grundstückskaufvertrag über die im Grundbuch von S. Blatt 4109 eingetragene Liegenschaft Sch. 14 in S. , Flur 13, Flurstück 103/71, geschlossen. In der Urkunde unterwarfen sich die Kläger der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen, wobei die Zwangsvollstreckung betrieben werden darf, ohne dass die Umstände, von denen Entstehung und Fälligkeit der vollstreckbar gestellten Forderung abhängen, eines Nachweises bedürfen.
Die Beklagten betreiben die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde. Die Kläger meinen, der Kaufpreis sei nicht fällig, weil die Beklagten das Grundstück nicht ordnungsgemäß geräumt und nachteilige Veränderungen zwischen Vertragsabschluss und Räumung vorgenommenen hätten. Sie haben deshalb mit der am 15.02.2002 beim Landgericht eingegangenen Klageschrift die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung geltend gemacht und einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel gestellt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Der Aufforderung des Prozessgerichts, einen Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen, sind die Kläger bisher nicht nachgekommen, vielmehr haben sie darauf verwiesen, dass vorab über ihren Eilantrag zu entscheiden sei.
Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch Beschluss vom 22.04.2002 zurückgewiesen, da eine Vollstreckungsabwehrklage keine Aussicht auf Erfolg habe. Nach der vertraglichen Regelung sei der Kaufpreis zur Auszahlung fällig.
Gegen diese, ihrem Bevollmächtigten am 30.04.2002 zugestellte Entscheidung wenden sich die Kläger mit der am 08.05.2002 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, der das Landgericht durch Beschluss vom 30.05.2002 nicht abgeholfen hat.
II. Die nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 2, 569 Abs. 1 Satz 1 u. 2, Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Kläger (vgl. zur Zulässigkeitsfrage Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl. § 769 Rdn. 13) hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht von der Anordnung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung i.S.v. § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Hierfür bedurfte es allerdings nicht der Auseinandersetzung mit den Erfolgsaussichten der Vollstreckungsabwehrklage. Der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung durch das Prozessgericht gerichtete Antrag der Kläger ist bereits unzulässig.
Für eine Anordnung nach § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist nur dann Raum, wenn die Hauptsache anhängig, mithin die Klageschrift eingereicht ist (OLG Brandenburg FamRZ 1999, 1435 f.). Nur dann existiert ein Prozessgericht i.S.d. Vorschrift. Dieses kann gemäß § 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO nur anordnen, dass die Zwangsvollstreckung "bis zum Erlaß des Urteils" beschränkt ggf. vollständig eingestellt wird. Eine solche Anordnung setzt wiederum nicht nur die Einreichung der Klageschrift, sondern zudem ihre gesicherte Zustellung voraus, um so über den allein noch von den Zustellungsmodalitäten gehinderten alsbaldigen Eintritt der Rechtshängigkeit (vgl. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO) ein der Entscheidungsfindung des Prozessgerichts zugängliches Prozessrechtsverhältnis begründen zu können (OLG Schleswig FamRZ 1990, 303; OLG Naumburg FamRZ 2001, 839, 840; Zöller/Herget, § 769 Rdn. 4). Das bedeutet, dass dort, wo erforderlich, der zur Zustellung führende Gerichtskostenvorschuss eingezahlt sein muss (vgl. § 65 Abs. 1 Satz 1 GKG; OLG Köln FamRZ 1987, 963, 964; OLG Hamburg NJW-RR 1990, 394; Musielak/Lackmann, ZPO, § 769 Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 769 Rdn. 4; Karsten Schmidt, in: MünchKomm.-ZPO, 2. Aufl., § 769 Rdn. 11 m.w.N.; a.A. KG FamRZ 1988, 313 f.; Stein-Jonas/Münzberg, ZPO, 21. Aufl., § 769 Rdn. 5-7). Etwas anderes gilt nur im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe oder der Befreiung von der Vorauszahlungspflicht (§ 65 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1, 3 u. 4, Satz 2 GKG; OLG Köln a.a.O.). Beides können die Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Dies führt zur Unzulässigkeit ihres Antrages.
Für eine anderweitige Sicherstellung der Entscheidung in der Hauptsache bzw. der Vollstreckbarkeit des Titels, insbesondere in analoger Anwendung des § 769 Abs. 2 ZPO sieht der Senat keinen Raum (so wohl KG a.a.O.). In dringenden Fällen hat das Vollstreckungsgericht zu entscheiden (OLG Frankfurt MDR 1999, 828; OLG Naumburg a.a.O.), und zwar unter dem Vorbehalt der fristgemäßen Beibringung einer Entscheidung des Prozessgerichts (§ 769 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Prozessgericht entscheidet nach § 769 Abs. 1 ZPO, der eine erneute Fristsetzung nicht vorsieht. Vielmehr müssen beim Tätigwerden des Prozessgerichts alle für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung notwendigen Voraussetzungen, also auch die Entscheidung in der Hauptsache selbst, sicher gestellt sein. Dies hat erst recht zu gelten, wenn das Prozessgericht von vornherein um eine einstweilige Anordnung angegangen wird.
Abschließend weist der Senat, unabhängig von der Frage, ob die Entscheidung des Landgerichts im Rahmen der Beschwerde nur auf greifbare Rechtsanwendungsfehler hätte überprüft werden können und ob im vorliegenden Verfahrensstadium überhaupt eine tiefer gehende Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage veranlasst ist, nach summarischer Prüfung darauf hin, dass für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung die Möglichkeit des Erfolges der Vollstreckungsabwehrklage ausreichen dürfte (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 769 Rdn. 8). Diese Möglichkeit liegt hier so ganz fern nicht. Zunächst vollstrecken die Beklagten wohl den gesamten Kaufpreis, obwohl ihnen dieser nach der vertraglichen Vereinbarung überhaupt nicht in voller Höhe zusteht. Vorab ist das Grundpfandrecht abzulösen. Ferner könnte mit der eidesstattlichen Versicherungen der Kläger vom 08.05.2002 ein Formmangel aufgezeigt sein. Außerdem bestreiten die Kläger die vollständige Räumung des Hauses. Das Gegenteil müssten die Beklagten darlegen und beweisen (Thomas/Putzo, § 767 Rdn. 20b). Soweit die Kläger geltend machen, das Grundstück sei zwischen Abschluss des Vertrages und Räumung verschlechtert worden, können sie vor dem Gefahrübergang wohl die Annahme der Sache unter Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts ablehnen, zumal die behauptete Haltung der Beklagten eine Erfüllungsverweigerung offenbaren könnte.
III. Die Kosten der Beschwerde sind solche der Hauptsache (Karsten Schmidt, § 769 Rdn. 36; Thomas/Putzo, § 769 Rdn. 21; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 769 Rdn. 15).
Die Rechtsbeschwerde lässt der Senat zu, weil die Sache Fragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts insbesondere zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich erscheint (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 ZPO).
Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht einem Bruchteil der Hauptsache (Thomas/Putzo, § 3 Rdn. 188; Karsten Schmidt, § 769 Rdn. 37).
Ende der Entscheidung
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