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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.03.2002
Aktenzeichen: 11 W 75/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 100 Abs. 1
ZPO § 574 Abs. 3
ZPO § 99 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 577 Abs. 2 a.F.
ZPO § 574 Abs. 2 n. F.
EGZPO § 26 Nr. 10
Zur Kostenentscheidung nach § 93 ZPO im Falle eines erst im Verlaufe des Rechtsstreits (aufgrund veränderter Sachlage) erklärten Anerkenntnisses.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 W 75/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

wegen Räumung und Herausgabe,

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am

05. März 2002

unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. Grubert und Krause

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung im Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Halle vom 12.10.2001 - 14 O 66/01 - abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Den Klägern werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 4.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Kläger haben die Beklagten auf Räumung des auf dem, ihnen gehörenden Grundstück T. straße 9 in Halle aufstehenden Gebäudes in Anspruch genommen, mit Ausnahme einer an Herrn N. vermieten Gewerbefläche. Vorausgegangen war dem Herausgabeverlangen der Versuch der Beklagten, die in einem Teil des Gebäudes eine Eisdiele betrieben, das Grundstück von der H. AG zu erwerben. Die Beklagten haben den über die Eisdiele hinaus gehenden Besitz bestritten und sich im übrigen auf einen Mietvertrag mit dem VEB Gebäudewirtschaft vom 09.08.1979 berufen. Die Kläger kündigten daraufhin mit Schriftsatz vom 17.07.2001 das Mietverhältnis. Dieser Kündigung haben die Beklagten nicht widersprochen, sondern ihrerseits erklärt, die Eisdiele bis spätestens 31.12.2001 räumen zu wollen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 21.09.2001 haben die Kläger sodann unter Aufrechterhaltung des bisherigen Begehrens "hilfsweise" beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die als Eisdiele genutzten Räume spätestens zum 31.12.2001 zu räumen.

Diesen Antrag haben die Beklagten anerkannt und im weiteren die Abweisung der Klage beantragt.

Durch Urteil vom 12.10.2001 hat das Landgericht die Beklagten auf ihr Anerkenntnis hin verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten hat die Kammer den Klägern zu 3/4 und den Beklagten zu 1/4 auferlegt. Gegen diese, ihrem Prozeßbevollmächtigten am 18.10.2001 zugestellte Entscheidung wenden sich die Beklagten mit der am 01.11.2001 beim Landgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II. Für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten ist weiterhin die Zivilprozeßordnung (ZPO) in der am 31.12.2001 geltenden Fassung maßgeblich, da die angefochtene Entscheidung vor dem 01.01.2002 ergangen ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO). Die danach gemäß §§ 99 Abs. 2 Satz 1, 577 Abs. 2 a.F. ZPO im Umfang der auf den anerkannten Anspruchsteil entfallenden Kosten zulässige sofortige Beschwerde (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 99 Rdn. 8) hat in der Sache Erfolg.

Nach § 93 ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Das Landgericht hat hierzu die Auffassung vertreten, daß das vorprozessuale Verhalten der Beklagten für die Kläger Grund genug gewesen sei, auch wegen der Räumung der Eisdiele Klage zu erheben. Damit verkennt die Kammer die Entwicklung, die der Rechtsstreit genommen hat.

Der Beklagte gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn sein Verhalten vernünftigerweise den Schluß auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 93 Rdn. 29). Nach der Entscheidung des Landgerichts hatten die Beklagten über die Eisdiele hinaus keinen Besitz an den heraus verlangten Räumen. Bezüglich der Eisdiele habe aufgrund des Mietvertrages aus dem Jahre 1979 ein Besitzrecht bestanden. Auf dieses Besitzrecht konnten sich die Beklagten vor und nach Klageerhebung berufen, so daß die Klage zunächst auch bezüglich der Eisdiele unschlüssig war. Zwar soll es für die Frage, ob der Beklagte zur Klage Veranlassung gegeben hat, nicht auf die materielle Rechtslage ankommen (OLG Schleswig JurBüro 1982, 1569 <1570>; Zöller/Herget, § 93 Rdn. 3; a.A. OLG Düsseldorf MDR 1993, 801; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, § 93 Rdn. 59 - Stichwort: Unschlüssigkeit). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn sich die Prozeßsituation aufgrund neuer rechtserheblicher Umstände verändert, wie sie hier in der erklärten Kündigung des Mietverhältnisses eingetreten waren und in dem "Hilfsantrag" der Kläger zum Ausdruck kamen. Bis zur Beendigung des besitzrechtsverschaffenden Mietverhältnisses bestand vernünftigerweise kein Anlaß, gegen die Beklagten wegen der Eisdiele gerichtlich vorzugehen, zumal sie den Räumungsanspruch nach und im Umfang der Kündigung nie bestritten haben. Die Beklagten hatten demnach insoweit gerade keine Veranlassung zur Räumungs- und Herausgabeklage gegeben (Stein-Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 93 Rdn. 13).

Auch ein sofortiges Anerkenntnis läßt sich ausmachen. Die Beklagten konnten angesichts der Unschlüssigkeit der Klage abwarten, bis die Kläger die Klage schlüssig machten und dann sofort anerkennen (Zöller/Herget, § 93 Rdn. 6 - Stichwort: unschlüssige Klage). Erst die durch die Kündigung ausgelöste veränderte Sach- und Prozeßlage eröffnete die Frage nach der Sofortigkeit eines auf die Räume der Eisdiele bezogenen (Teil-) Anerkenntnisses (Stein-Jonas/Bork, § 93 Rdn. 9; Belz, in: MünchKomm.-ZPO, 2. Aufl., § 93 Rdn. 13 - Stichwort: Änderung des Verfahrens). Es kam jetzt allein auf die nächstfolgende mündliche Verhandlung an (Zöller/Herget, § 93 Rdn. 4). Dort wurde das Anerkenntnis (sofort) erklärt.

Nach alledem haben die Beklagten auch im Umfang des Anerkenntnisses keine Kosten zu tragen, sodass allein die Kläger kostenbelastet sind.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde folge aus § 574 Abs. 3, Abs. 2 n. F. ZPO i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO.

Der Streitwert für die sofortige Beschwerde entspricht den in erster Instanz auf die angegriffene Kostenschuld der Beklagten angefallenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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