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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 25.09.2000
Aktenzeichen: 11 Wx 5/00
Rechtsgebiete: GBO, BGB, FGG, KostO


Vorschriften:

GBO § 29 Abs. 1
GBO § 20
GBO § 29
BGB § 139
FGG § 13 a Abs. 1 Satz 2
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 1
Leitsatz:

Bestehen für das Grundbuchamt Zweifel am Fortbestand oder Umfang der Auflassungsvollmacht, liegt ein Eintragungshindernis vor, das der Antragsteller nach Zwischenverfügung zu beseitigen hat. Tut er dies nicht, ist der Eintragungsantrag zurückzuweisen.

OLG Naumburg, Bes vom 25.09.2000, 11 Wx 5/00; vorgehend LG Stendal, Bes vom 10.01.2000, 25 T 186/98


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

11 Wx 5/00 OLG Naumburg 25 T 186/98 LG Stendal AG Osterburg Gundbuch v. Sch. Blatt 479

In der Grundbuchsache

betreffend die Grundstücke, eingetragen im Grundbuch von Sch. Blatt 479 beteiligt:

...

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg

am 25.09.2000

unter Mitwirkung der Richterin am Oberlandesgericht Lohmann, des Richters am Oberlandesgericht Dr. Grubert sowie des Richters am Oberlandesgericht Krause

beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluß der Zivilkammer 5 des Landgerichts Stendal vom 10.01.2000, Geschäftszeichen: 25 T 186/98, wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1. und 2. tragen die zur zweckentsprechenden Erledigung der weiteren Beschwerde nowendigen Kosten der Beteiligten zu 3.

Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 40.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Die Beteiligten sind die Rechtsnachfolger der bereits verstorbenen Herren W. S. und A. K. . Am 28.10.1950 schlossen W. S. , dieser rechtsgeschäftlich vertreten durch seine Tochter I. Kf. , sowie A. K. einen Grundstückskaufvertrag zur UR-Nr. 369/1950 des Notars Dr. W. aus S. . Der Vertrag enthielt in Ziff. 8. eine Vollmacht des Erwerbers K. zur Auflassung an sich. Dieser Vertrag wurde vom Notar zum Grundbuch von K. Bd. I Blatt 10 eingereicht, das allerdings am 19.03.1951 wegen Unübersichtlichkeit geschlossen und auf Bd. III Blatt 53 des Grundbuchs von H. übertragen wurde. Auf Grund des Vertrages kam es zugunsten des Erwerbers K. zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung ins Grundbuch. Der Eigentumsübergang wurde nicht mehr im Grundbuch vermerkt. Der Verkäufer S. war 1952 enteignet und die Grundstücke in Volkseigentum überführt worden.

Die Erben des Verkäufers machten, wie auch die Rechtsnachfolger des Käufers, vermögensrechtliche Ansprüche geltend. Noch vor einer Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen ließen die Beteiligten zu 1. und 2. unter Bezugnahme auf die im Kaufvertrag erteilte Vollmacht die im Grundbuch von H. Bd. III Blatt 53 eingetragenen Grundstücke des Herrn S. an sich auf (vgl. Auflassungserklärung vom 17.02.1994 und Genehmigung vom 19.05.1994). Unter dem 01.07.1997 beantragten sie zum Grundbuch von Sch. Blatt 143, jetzt Grundbuch von Sch. Blatt 479, die Eintragung der Eigentumsänderung gemäß der Auflassung vom 17.02.1994.

Mit Bescheid vom 05.09.1994 erhielt die von der Beteiligten zu 3. beerbte Frau C. S. mehrere Grundstücke rückübetragen. Die Berechtigte wurde am 25.07.1997 aufgrund eines Ersuchens des Landkreises Stendal vom 01.07.1997 als Eigentümerin in das Grundbuch von Sch. Blatt 479 eingetragen.

Das Grundbuchamt hat durch mehrere Zwischenverfügung den Eintragungsantrag der Beteiligten zu 1. und 2. beanstandet und hierbei u.a. die Beibringung der Genehmigung der Auflassung durch die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin verlangt. Mit Beschluß vom 25.05.1998 hat das Grundbuchamt den Antrag schließlich zurückgewiesen. Die hiergegen geführte Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. blieb ohne Erfolg. Gegen den zurückweisenden Beschluß der Zivilkammer 5 des Landgerichts Stendal vom 10.01.2000 wendet sich die weitere Beschwerde.

II. Die zulässige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt, die Eintragung der Beteiligten zu 1. und 2. als Eigentümer im Grundbuch habe das Grundbuchamt mangels einer wirksam erklärten Auflassung zu Recht abgelehnt. Die dem Erwerber im Grundstückskaufvertrag erteilte Vollmacht sei erloschen, weil mit der Enteignung ein die Leistungspflichten des Verkäufers entfallen lassendes Leistungshindernis eingetreten sei. Zum Zeitpunkt der Enteignung habe man den Eigentumsentzug als unüberwindlich und dauerhaft ansehen müssen.

2. Dies trägt die angefochtene Entscheidung zumindest vom Ergebnis her (§§ 78 Satz 2 GBO, 563 ZPO).

a) Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, daß die erteilte Auflassungsvollmacht aufgrund der Enteignung erloschen sei. Die hiergegen von der weiteren Beschwerde vorgebrachten Einwände verfangen nicht. Der Senat sieht zu einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Argumenten der Beteiligten zu 1. und 2. keinen Anlaß, da es im Grundbuchverfahren hierauf nicht ankommt. Bei dem Verfahren vor dem Grundbuchamt handelt es sich um einen weitestgehend formalisierten Ablauf. Die Eintragungsgrundlagen sind in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form nachzuweisen (§ 29 Abs. 1 GBO). Vor diesem Hintergrund obliegt es dem Grundbuchamt nicht, die vom Landgericht und den Beteiligten zu 1. und 2. aufgeworfenen Rechtsfragen zu beantworten.

b) Im Falle der Auflassung eines Grundstücks darf die Eintragung vom Grundbuchamt nur vorgenommen werden, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist (§ 20 GBO). Dabei kann der Erwerber kraft ihm erteilter Vollmacht die Auflassung auch für den Veräußerer erklären (Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl., Rdn. 3322). Das Grundbuchamt hat in diesem Fall die Wirksamkeit der Vollmacht und den Umfang der Vertretungsmacht selbständig als Eintragungsvoraussetzung zu prüfen (OLG Stuttgart DNotZ 1952, 183; Demharter, GBO, 22. Aufl., § 19, Rdn. 74). Für beides gilt § 29 GBO (Demharter, § 19, Rdn. 77; § 20, Rdn. 21; Haegele/Schöner/Stöber, Rdn. 3579), dem die von den Beteiligten zu 1. und 2. vorgelegten Eintragungsunterlagen nicht genügen.

Auch das Nichterlöschen einer Vollmacht ist Eintragungsvoraussetzung (OLG Frankfurt Rpfleger 1972, 306). Wird dem Grundbuchamt eine erteilte Auflassungvollmacht vorgelegt, kann es i.d.R. im Rahmen freier Würdigung davon auszugehen, daß die Vertretungsmacht des erklärenden Teils fortbesteht (OLG Stuttgart DNotZ 1952, 183,184; OLG Frankfurt Rpfleger 1972, 306, 307; Haegele/Schöner/Stöber, Rdn. 3581). Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn konkrete Umstände vorliegen, die begründete Zweifel aufkommen lassen (BayObLG Rpfleger 1986, 90; OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 102, 103; Haegele/Schöner/Stöber, Rdn. 3590). Das war hier aufgrund mehrerer Umstände der Fall.

Die Beteiligten zu 1. und 2. stützen sich auf eine Vollmacht aus dem Jahre 1950, die aufgrund der nachfolgenden Enteignung des Vollmachtsgebers mehr als 40 Jahre lang nicht zum Tragen kam. Der Anspruch, auf dessen Verwirklichung die Vollmacht gerichtet ist, verjährt regelmäßig nach 30 Jahren (§ 195 BGB). Es liegt nahe, daran zu zweifeln, ob die Vertragspartner den der Vollmachtserteilung zugrunde liegenden Kaufvertrag nach einem solch langen Zeitraum weiterhin durchführen wollen, zumal hier mit der Enteignung, wie vom Landgericht dargestellt, ein weiterer Umstand hinzu tritt, den Fortbestand der Übereignungsverpflichtung des Verkäufers anzuzweifeln. Eine Vollmacht wird gegenstandslos, wenn das Geschäft nicht mehr vorgenommen werden kann (Schramm, in: MünchKomm.-BGB, 3. Aufl., § 168, Rdn. 4). Der Wirksamkeit der Vollmacht ließen sich auch die Verwirkung oder ein Erlöschen infolge veränderter Umstände entgegensetzen (Steffen, in: BGB-RGRK, 12. Aufl., § 168, Rdn. 1). Offenbar entbehrt schließlich der geschlossene Grundstückskaufvertrag mangels hinreichender Bestimmtheit des Kaufgegenstandes auch der notariellen Form (vgl. § 313 Satz 1 BGB). Aus dem Vertrag heraus läßt sich für niemanden erkennen, welche konkreten Grundstücke verkauft werden sollen, zumal mit weiteren Verträgen einige Teiflächen (welche?) bereits an Dritte veräußert waren und nach den Feststellungen des Landgerichts nicht Gegenstand des Kaufvertrages sein sollten. Es reicht nicht aus, daß man die Grundstücksgröße angibt oder erklärt, der Kaufgegenstand sei bekannt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 313, Rdn. 26 m.w.N.). In Abt. III eingetragene Belastungen oder der Zeitpunkt des Erwerbs durch den Veräußerer sind als Gegenstandsbestimmung völlig ungeeignet. Ein außenstehender Dritter hat hierüber keine zuverlässige Kenntnis. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese Merkmale auch auf andere Grundstücke zutreffen. Die in anderem Zusammenhang vom Landgericht zur Bestimmtheit gemachten Ausführungen sind schlicht von Rechtsirrtum beeinflußt. Die Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrages hat im Zweifel gemäß § 139 BGB auch die Unwirksamkeit der im Kaufvertrag enthaltenen Auflassungsvollmacht zur Folge (BGH Rpfleger 1989, 320, Demharter § 19, Rdn. 78). Die Prüfung, ob die Vermutung des § 139 BGB widerlegt ist, obliegt dem Grundbuchamt nicht (BayObLGZ 1994, 302, 308).

Neben den danach veranlaßten Zweifeln an dem Fortbestand der Vollmacht ist nicht ersichtlich, ob die Beteiligten zu 1. und 2. Vertretungsmacht gerade für die Auflassung der jetzt vom Eintragungsantrag betroffenen Grundstücke besaßen. Auch die Vollmacht, die auf die vertragliche Eigentumsverschaffungspflicht Bezug nimmt, läßt den Auflassungsgegenstand nicht erkennen. Zwar kann das Grundbuchamt die Vollmacht auslegen (Demharter, § 19, Rdn. 75; § 20, Rdn. 21). Für die Auslegung von Auflassungsvollmachten gelten allerdings dieselben Grundsätze wie für sonstige Grundbucherklärungen bzw. Grundbucheintragungen (OLG Schleswig Rpfleger 1991, 17, 18). Der im Grundbuchverfahren herrschende Bestimmtheitsgrundsatz und das grundsätzliche Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsunterlagen setzen der Auslegung durch das Grundbuchamt Grenzen. Der Wortlaut und der Sinn der Erklärungen, wie sie sich für den unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt, sowie die weitergehenden, außerhalb liegenden Umstände, wie sie für jedermann erkennbar sind, müssen, gerade auch im Falle einer Vollmacht, zu einem eindeutigen Ergebnis der Auslegung führen (BayObLGZ 1993, 259, 263 f.;1994, 244, 245 f.; 302, 307; Demharter, § 19, Rdn. 28). Die im Grundbuchverfahren relevanten Erklärungen haben klar und eindeutig zu sein (BayObLG DNotZ 1973, 426). Davon kann vorliegend nicht im Ansatz ausgegangen werden. Vollmacht und Grundstückskaufvertrag lassen die zu übereignenden Grundstücke nicht mit hinreichender Sicherheit erkennen.

Mußte das Grundbuchamt danach sowohl am Fortbestand der Vollmacht als auch an der Vertretungsmacht der Beteiligten zu 1. und 2. zweifeln (vgl. KG DNotZ 1972, 18, 21), war beides in der Form des § 29 GBO zu belegen (Demharter, § 19, Rdn. 80 f.; § 20, Rdn. 21). Ein Eintragungshindernis besteht bereits dann, wenn begründete Zweifel an den Eintragungsvoraussetzungen gegeben sind (OLG Frankfurt Rpfleger 1977, 102, 103). Diese Zweifel konnten hier nur durch Erklärung der Rechtsnachfolgerin des Verkäufers berichtigt werden (vgl. BayObLGZ 1993, 259, 263), die die Antragsteller trotz mehrmaliger Aufforderung durch Zwischenverfügungen nicht vorgelegt haben. Danach mußte der Antrag zurückgewiesen werden.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Der Wert der weiteren Beschwerde ist nach §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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