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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 10.06.2002
Aktenzeichen: 12 U 46/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 222 Abs. 1 (a.F.)
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 2
EGZPO § 26 Nr. 5
GKG § 12 Abs. 1
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 22 Abs. 1
Bei Urteilszustellungen im ersten Quartal 2002 oblag die Berechnung der Berufungsfristen wegen des neuen Berufungsrechtes regelmäßig dem Prozessbevollmächtigen. Dieser hatte seinen Angestellten auch die konkrete Anweisung zu erteilen, dass von den Fristen im Hinblick auf die Übergangsvorschriften in keinem Fall eigenständig abgewichen werden dürfe.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 U 46/02 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 10. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trojan, den Richter am Oberlandesgericht Kühlen und den Richter am Landgericht Gester beschlossen:

Tenor:

Das Gesuch des Beklagten um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das am 12. Dezember 2001 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 19.841,15 Euro.

Gründe:

Die Parteien sind M. Vertragshändler und streiten über die Frage, ob der Beklagte im Juli 2001 bei der Klägerin einen Pkw M. Kombi zu einem Preis von 38.805,92 DM gekauft hat. Das auf die mündliche Verhandlung vom 07. November 2001 verkündete - der Klage stattgebende - Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 14. Februar 2002 zugestellt worden. Er hat am 11. März 2002 Berufung eingelegt und diese mit einer unter dem 11. April 2002 verfassten Schriftsatz begründet, der jedoch bei dem Oberlandesgericht jedoch erst durch ein am 15. April 2002 übermitteltes Telefax einging.

Auf Hinweis des Senats hat der Beklagte am 17. April 2002 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und hierzu ausgeführt, dass sein Prozessbevollmächtigter zur Berufungsbegründung eine Vorfrist auf den 05. April 2002 und einen Fristablauf zum 11. April 2002 in den Fristenkalender eingetragen habe. Eine in der Anwaltskanzlei seit annähernd 10 Jahren beschäftigte Rechtsanwaltfachgehilfin habe den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist jedoch eigenmächtig auf den 15. April 2002 in der Auffassung abgeändert, dass im vorliegenden Fall die ZPO in der neuen Fassung gelte. Nachdem sein Anwalt die Berufungsbegründung fertig gestellt und unterschrieben habe, sei die Angestellte beauftragt worden, die Berufung fristwahrend an das Oberlandesgericht zu versenden. Dieses habe sie entsprechend der von ihr eigenmächtig abgeänderten Frist erst zum 15. April erledigt.

Die Klägerin ist dem Antrag entgegen getreten.

Das Gesuch des Beklagten um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist zulässig (§§ 233, 234 Abs. 1 und 2, 236 ZPO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Der Beklagte war nicht ohne sein Verschulden gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Da die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht noch in 2001 stattgefunden hatte, fand bei der Fristberechnung die ZPO in der Fassung bis zum 01. Januar 2002 Anwendung. Die Berufungsbegründungfrist endete daher gem. §§ 519 Abs. 2, 222 Abs. 1 ZPO (a.F.), §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB i. V. m. § 26 Nr. 5 EGZPO mit dem 11. April 2002. Die Versäumung dieser Frist beruht auf dem Beklagten zuzurechnende Organisationsmängel in der Anwaltskanzlei seines Prozessbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO). Denn bei der Behandlung von Fristsachen muss die dem Büropersonal erteilte Weisung umso klarer und präziser sein, je komplizierter und fehlerträchtiger die Prozesssituation ist (BGH NJW-RR 2001, 209).

Im vorliegenden Fall hatte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist zwar zutreffend auf den 11. April 2002 berechnet, durch organisatorische Anweisungen jedoch nicht sichergestellt, dass diese Frist von seinem Büropersonal auch tatsächlich in den Fristenkalender eingetragen und nicht eigenmächtig abgeändert wird. Zwar kann ein Rechtsanwalt eine geschulte zuverlässige Kanzleikraft mit der selbstständigen Berechnung einfacher und in seiner Kanzlei geläufiger Fristen und der Führung des Fristenkalenders betrauen (BGH VersR 1973, 961 m. w. N.); diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor. Im Hinblick auf die zum 01. Januar 2002 eingetretenen Änderungen der ZPO hätte es vielmehr der klaren Anweisung bedurft, dass vom Anwalt selbst berechnete Fristen in keinem Fall abgeändert werden dürfen. Denn im März/April 2002 handelte es sich dabei nicht um eine in der Kanzlei geläufige und daher zur selbstständigen Berechnung oder Abänderung durch eine Kanzleiangestellte geeignete Frist. Seit dem Inkrafttreten des § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO zum 01. Januar 2002 (Art. 2 Nr. 72, 53 Nr. 3 ZPO-RG) waren erst wenige Wochen verstrichen, so dass sich noch keine gefestigte Übung bei der Behandlung von Fristen nach der alten bzw. neuen ZPO gebildet haben konnte. Hinzu kommt, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht stets nach dieser Vorschrift, sondern auf Grund der Übergangsregelung in § 26 Nr. 5 EGZPO - wie auch im vorliegenden Fall - nach dem bis zum 01. Januar 2002 geltenden Recht (§ 519 Abs. 2 S. 2 ZPO a.F.) zu ermitteln war. Gerade in den ersten Monaten des Jahres 2002 hatte das alte Recht noch große, anfangs sogar überwiegend praktische Bedeutung. Im Hinblick darauf, dass eine zuverlässige Berechnung der Berufungsbegründungsfrist somit die Kenntnis sowohl des alten als auch des neuen Rechtszustandes und zusätzlich der Übergangsvorschriften voraussetzt, ist die Frist nicht als einfach anzusehen. Zumindest bei Urteilszustellungen im ersten Quartal des Jahres 2002 war es im Regelfall geboten, nicht nur die Berechnung der Rechtsmittelfristen durch den Prozessbevollmächtigten selber vorzunehmen, sondern es war darüber hinaus auch erforderlich, den Kanzleiangestellten eine konkrete Anweisung zu erteilen, dass gerade im Hinblick auf die Übergangsvorschriften davon in keinem Fall abgewichen werden darf.

Die Berufung des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der mit dem 11. April 2002 abgelaufenen Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist (§ 519 b Abs. 1 ZPO, a.F.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Streitwert für den Berufungsrechtszug hat der Senat gemäß §§ 3 ZPO, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 22 Abs. 1 GKG festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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