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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 22.09.2003
Aktenzeichen: 12 W 102/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 141 Abs. 3
ZPO § 141 Abs. 3 Satz 2
ZPO § 381 Abs. 1
ZPO § 568 Satz 1
Bei dem Ordnungsgeld handelt es sich nicht um eine Ungehorsamsstrafe. Es kann daher auch noch nach dem Widerruf eines Vergleiches festgesetzt werden.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 102/03 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Landgericht Stroot als Einzelrichter am

22. September 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts Stendal vom 22. Juli 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 100,00 Euro.

Gründe:

I.

Mit der ihr am 13. Januar 2003 zugestellten Ladung zur mündlichen Verhandlung am 15. Juli 2003 ordnete der Vorsitzenden u. a. das persönliche Erscheinen der Geschäftsführerin der Beklagten an, die zur mündlichen Verhandlung jedoch nicht erschien.

In der mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, den die Beklagte unter dem 21. Juli 2003 widerrief.

Daraufhin verhängte das Landgericht gegen sie mit Beschluss vom 22. Juli 2003 gemäß § 141 Abs. 3 ZPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 Euro wegen ihres unentschuldigten Nichterscheinens in der mündlichen Verhandlung. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der dem Nichterscheinen der Geschäftsführerin der Beklagten geschuldete Widerruf des Vergleichs zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt habe. Wäre sie zur mündlichen Verhandlung erschienen, hätte sie sich im Termin abschließend zur Frage des Vergleichsschlusses äußern können. Die durch den Widerruf eingetretene Verfahrensverzögerung rechtfertige auch aus nachträglicher Sicht die Verhängung eines Ordnungsgeldes. Gegen den ihr am 28. Juli 2003 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss legte die Geschäftsführerin der Beklagten am 07. August 2003 sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, dass ihr Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung auf einem "Büroversehen" ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser habe ihr mitgeteilt, dass sie - aufgrund einer geplanten Urlaubsreise - zu dem Termin nicht erscheinen müsse und er "rechtzeitig wegen einer Vollmacht für einen instruierten Vertreter einkommen werde". Dies habe er jedoch nicht - rechtzeitig - getan.

Mit Beschluss vom 12. August 2003 half das Landgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vor.

Zur Begründung führte es im Wesentlichen an, dass die Geschäftsführerin der Beklagten sich auch nicht nachträglich genügend im Sinne von § 381 Abs. 1 ZPO entschuldigt habe. Da der Prozessbevollmächtigte der Beklagten seiner Ankündung, er werde "rechtzeitig wegen einer Vollmacht für einen instruierten Vertreter einkommen" nicht nachgekommen sei, hätte es ihr oblegen, bei diesem oder bei Gericht nachzufragen, ob sie tatsächlich der mündlichen Verhandlung fern bleiben könne. Da sie dies trotz der ihr mit der Ladung erteilten entsprechenden Hinweise nicht getan habe, träfe sie ein eigenes Verschulden am Nichterscheinen, dass die Verhängung des Ordnungsgeldes rechtfertige.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin, über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung ihrerseits von einem Einzelrichter erlassen worden ist, ist zulässig (§§ 380 Abs. 3 analog, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO), aber unbegründet.

Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 12. August 2003.

Die Ladung der Beschwerdeführerin zum Termin am 15. Juli 2003 erfolgte ordnungsgemäß. Der Ladung beigefügt war das Merkblatt ZP 9 f, wie sich aus dem entsprechenden Vermerk auf der Postzustellungsurkunde vom 13. Januar 2003 ergibt. Aus dem Merkblatt ergibt sich, dass die Ladung zur Aufklärung des Sachverhalts erfolgte (§ 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Merkblatt enthält auch den Hinweis darauf, dass ein Ordnungsgeld festgesetzt werden kann, wenn die Partei bzw. deren gesetzlicher Vertreter nicht zum Termin erscheint (§ 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO). Der Zugang der Ladung wird durch die Zustellungsurkunde bewiesen.

Damit lagen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungen die Voraussetzungen zur Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Beschwerdeführerin grundsätzlich vor.

Dass der Ordnungsgeldbeschluss erst nachträglich nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs erlassen worden ist, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Im Rahmen der nach § 141 Abs. 3 ZPO anzustellenden Ermessensausübung ist generell zu berücksichtigen, wenn das Verfahren trotz Abwesenheit der Partei in der mündlichen Verhandlung - etwa durch einen Vergleichsschluss - abgeschlossen wird, da es sich bei dem Ordnungsgeld nicht um eine Ungehorsamsstrafe handelt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens dient dem Ziel, durch umfassende Sachverhaltsaufklärung möglichst rasch zu einer der Sach- und Rechtslage entsprechenden Entscheidung zu gelangen. Der Durchsetzung dieses Ziels, das mit einer (anderweitigen) Verfahrensbeendigung entfällt, dient die Androhung bzw. Festsetzung von Ordnungsgeld, wobei die Frage, ob die Abwesenheit zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt, nicht von wesentlicher Bedeutung ist (Zöller/Greger, Rdnr. 12 zu § 141 ZPO). Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes kann trotz unentschuldigter Abwesenheit daher ausnahmsweise nicht geboten sein, wenn das Verfahren dennoch in der mündlichen Verhandlung beendet wird.

Aus diesen Gründen ist die Festsetzung des Ordnungsgeldes erst nach dem Widerruf des in der mündlichen Verhandlung geschlossenen Vergleichs nicht zu bemängeln. Das durch den Vergleich zunächst abgeschlossene Verfahren musste nach dem Widerruf des Vergleichs wieder fortgeführt werden, womit erneut eine Sachverhaltsaufklärung erforderlich wurde, zu deren Durchsetzung Ordnungsgeld festgesetzt werden kann.

Der Verhängung des Ordnungsgeldes steht auch § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht entgegen, obwohl die Beklagte anwaltlich vertreten war. Zwar kann grundsätzlich auch der Prozessbevollmächtigte Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO sein. Jedenfalls im Anwaltsprozess muss dieser im Hinblick auf einen möglichen Ordnungsgeldbeschluss eine solche Doppelfunktion aber ausdrücklich klarstellen. Abgesehen davon, dass dies nach dem Inhalt des Protokolls nicht geschehen ist, gab der Beklagtenvertreter eine solche Erklärung auch nicht nachträglich ab. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass er gerade nicht als Vertreter im Sinne von § 141 Abs. 3 ZPO auftrat.

Tragende Entschuldigungsgründe für ihr Ausbleiben hat die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdebegründung nicht vorgetragen. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen ein (eigenes) Verschulden der Beschwerdeführerin an der Abwesenheit in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 2003 festgestellt. Dem ist die Beschwerdeführerin nicht in beachtlicher Weise entgegengetreten. Der Senat nimmt deshalb auch insoweit auf die Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss vom 12. August 2003 Bezug. Die Beschwerdeführerin hat ebenso wenig Einwendungen gegen die Höhe des Ordnungsgeldes erhoben. Im Übrigen hält der Senat das festgesetzte Ordnungsgeld in Höhe von 100,00 Euro für angemessen.

Ende der Entscheidung

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