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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: 12 W 105/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 568 Satz 1
BGB § 326
BGB § 628 Abs. 2
BGB § 628 Abs. 1 Satz 2
BRAGO § 13 Abs. 4
Ein Rechtsanwalt, dessen Zulassung im Laufe des Rechtsstreites erlischt (hier wegen Übernahme in den Staatsdienst), kann die bei ihm wegen der nachfolgenden neuerlichen Entstehung der Gebühren nutzlos angefallenen Gebühren nicht von seinem Mandanten verlangen (a. A. die herrschende Auffassung).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 105/04 OLG Naumburg

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

...

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Amtsgericht Fölsing als Einzelrichter am 30. Dezember 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Kostenfestsetzungsantrag der Klägerin vom 20. August 2004 abgeändert und ihr Antrag auf Kostenfestsetzung vom 23. September 2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind durch einen vor dem Landgericht Halle geführten Rechtsstreit verbunden, in dem die zum damaligen Zeitpunkt noch als Rechtsanwältin tätige Klägerin einen ihr abgetretenen Anspruch auf Darlehensrückzahlung gegenüber dem Beklagten geltend machte. Nach Einleitung des Mahnverfahrens im Juni 2002 erhob sie im September 2002 vor dem Landgericht Klage auf Rückzahlung des Darlehens.

Im ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. März 2003 wurde das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit einem beim Landgericht eingehenden Schriftsatz vom 02. April 2003 bestellte sich für die Klägerin eine neue Prozessbevollmächtigte, da die Klägerin mit Wirkung zum 01. April 2003 in den Staatsdienst übergetreten war. Mit Teilanerkenntnis- und Endurteil vom 15. August 2003 gab das Landgericht der Klage im Wesentlichen statt und legte die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auf.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 23. September 2003 beantragte die Klägerin aus eigenem Liquidationsrecht die Festsetzung der bis zum 31. März 2003 angefallenen Rechtsanwaltsgebühren. Wegen des Inhaltes des Kostenfestsetzungsantrages wird auf Bl. 110 d. A. verwiesen. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. August 2004 setzte die Rechtspflegerin die der Klägerin zu erstattenden Kosten auf 966,80 EUR fest.

Der Kostenfestsetzungsantrag wurde den Bevollmächtigten des Beklagten am 16. September 2004 zugestellt. Mit einem beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz vom 27. September 2004 haben sie gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. August 2004 und gegen einen weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss vom gleichen Tage, mit dem die Kosten des ab dem 02. April 2003 tätigen Bevollmächtigten festgesetzt worden waren, sofortige Beschwerde eingelegt und die Festsetzung doppelter Rechtsanwaltskosten beanstandet. Mit Beschluss vom 05. November 2004 hat die Rechtspflegerin den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen.

Die gegen den weiteren Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegte Beschwerde hat der Beklagte zwischenzeitlich zurückgenommen.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 23. September 2004, über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen wurde, ist zulässig (§§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und begründet.

Der Klägerin stehen für die Vertretung in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht nur die Kosten für die Einschaltung eines Rechtsanwaltes zu. Diese sind mit dem nicht mehr gegenständlichen Beschluss vom gleichen Tage vollumfänglich festgesetzt worden; weitere festsetzbare Kosten stehen der Klägerin nicht zu.

Nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die durch die Inanspruchnahme mehrerer Anwälte entfallenden Kosten nur insoweit zu erstatten, "als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste". Der auf dem Veranlassungsprinzip (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GKG) und dem Unterliegensprinzip (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO) beruhende Anspruch wird von der Rechtsprechung im Rahmen der Notwendigkeitsprüfung gleichwohl im Hinblick auf ein Verschulden bezüglich der Entstehung weiterer Kosten überprüft (vgl. Schneider MDR 1981, 451; Lappe Kostenfestsetzung, von Eicken, B 549; Mümmler JurBüro 1983, 651 alle m. w. Nchw.).

Zwar entspricht es derzeit, ausgehend von zwei Entscheidungen des Reichsgerichts (RGZ 33, 369) und des BGH (NJW 1957, 1152), der weitgehend herrschenden Meinung, dass die Aufgabe der Zulassung grundsätzlich nicht zum Verlust des Vergütungsanspruches eines Rechtsanwaltes führen soll, wenn der Rechtsanwalt aus "achtenswerten Gründen" die Zulassung aufgibt (vgl. z. B. OLG Frankfurt, RPfl 1986, 66; OLG Hamburg JurBüro 1993, 351; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1343; OLG Koblenz MDR 1991, 1098; Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, § 13, Rn. 79; Zöller/Herget, § 91 ZPO Rn. 13 "Anwaltswechsel"), da davon auszugehen sei, dass ein Rechtsanwalt den Auftrag regelmäßig nur für die Dauer seiner Zulassung bei dem betreffenden Gericht übernommen hat und er seinem Mandanten gegenüber nicht verpflichtet sei, diese Stellung bis zum Ende des Prozesses beizubehalten. Eine Erstattungsfähigkeit wird von den Vertretern dieser Ansicht nur dann verneint, wenn der Rechtsanwalt - wofür vorliegend aber keine Anhaltspunkte bestehen - schon bei Übernahme des Mandats weiß, dass er in absehbarer Zeit seine Zulassung aufgeben wird (vgl. z. B. OLG Frankfurt, JurBüro 1986, 453; OLG Bamberg JurBüro 1984, 1562).

Der Senat folgt dieser Auffassung aber nicht (vgl. ähnlich OLG München, AnwBl. 2002, 117). Vielmehr sind bei der Beurteilung der Erstattungsfähigkeit nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO die sich aus den §§ 326, 628 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 BGB, 13 Abs. 4 BRAGO (vgl. Lappe, Kostenfestsetzung, v. Eicken, B 549) ergebenden Rechtsgedanken zu berücksichtigen. Danach besteht ein Erstattungsanspruch aber nicht. Die im Verhältnis zum Mandanten bestehende Wertung des § 628 Absatz 1 Satz 2 BGB muss insoweit auch bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Kosten durch den Prozessgegner Berücksichtigung finden; auf das Vorliegen von achtenswerten Motiven kommt es insoweit nicht an. Denn es erscheint wenig billig, dass der Auftragnehmer oder der Prozessgegner die Kosten tragen sollen, die entstehen, weil der erste eingeschaltete Rechtsanwalt den Entschluss fasst, seine Zulassung aus einem in seinem persönlichen Interesse liegenden Grund aufzugeben. Der Tatsache, dass allein der Bevollmächtigte an der Beendigung des Mandatsverhältnisses interessiert ist, entspricht es auch, dass er das finanzielle Risiko der Beendigung des Auftragsverhältnisses trägt (vgl. OLG Köln, JurBüro 1974, 471, 474). § 13 Abs. 4 BRAGO steht dem nicht entgegen. Nach § 13 Abs. 4 BRAGO bleibt zwar an sich der Gebührenanspruch bestehen, soweit die Gebührentatbestände bereits erfüllt sind. Der Rechtsanwalt kann aber die Vergütung insoweit nicht fordern, als seine bisherigen Leistungen für den Mandanten nicht von Interesse sind. Das wird der Fall sein, soweit dieser dieselben Gebühren seinen neuen Rechtsanwalt erneut zahlen muss. Es ist auch nicht so, dass aufgrund dieser rechtlichen Konstruktion ein verdienter Gebührenanspruch des ersten Rechtsanwaltes immer vollständig entfällt. Hat er beispielsweise Gebühren verdient, die bei dem anderen Anwalt nicht mehr anfallen, so kann er diese weiterhin verlangen.

Im Ergebnis kann daher die Klägerin die für ihre Tätigkeit (bei ihr) nutzlos angefallenen Gebühren nicht mehr von dem Beklagten verlangen, weil bei ihrer Prozessbevollmächtigten nochmals die gleichen Gebühren entstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Festsetzung des Gebührenstreitwertes bedarf es wegen § 3 Abs. 2 GKG, Nr. 1811 KV nicht.



Ende der Entscheidung

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