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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 07.03.2005
Aktenzeichen: 12 W 118/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 93
ZPO § 121 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 287
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568 Satz 2
BGB § 426
BGB § 564 Satz 2
BGB § 573 d Abs. 2
BGB § 830 Abs. 1
BGB § 1922
BGB § 2039 Satz 1
Zu den Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruches aufgrund des Todes eines nahen Angehörigen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 118/04 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 07. März 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Trojan, den Richter am Oberlandesgericht Kühlen und den Richter am Landgericht Straube

beschlossen:

Tenor:

Das Beschwerdeverfahren wird durch den Einzelrichter gem. § 568 Satz 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.

Auf die sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1., 3. und 4. wird der Einzelrichterbeschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau vom 22. Oktober 2004 geändert.

Den Beklagten zu 1., 3. und 4. wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sich ihre Rechtsverteidigung gegen den von der Klägerin aus eigenem Recht erhobenen Schmerzensgeldanspruch richtet.

Der Beklagten zu 1. wird insoweit Rechtsanwältin H. , dem Beklagten zu 3. Rechtsanwältin B. und dem Beklagten zu 4. Rechtsanwalt K. zur Vertretung beigeordnet.

Im Übrigen werden die Prozesskostenhilfegesuche sowie die weitergehenden sofortigen Beschwerden zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht aus eigenem und ererbtem Recht Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen eines Tötungsdelikts geltend.

Ihr zur Tatzeit 28 Jahre alter Sohn C. Sch. wurde am 23. Dezember 2002 gegen 18.00 Uhr Opfer einer von den Beklagten sowie dem nicht am Rechtsstreit beteiligten M. J. durch unterschiedliche Tatbeiträge verübten Gewalttat, bei der er auf einem Spielplatz mit einem Baseballschläger und Springerstiefeln traktiert wurde und in dessen Folge er schwerste Schädelverletzungen davontrug. Trotz dieser Verletzungen gelang es ihm, sich zu Fuß bis zur etwa 1,2 Kilometer entfernten Wohnung seiner Mutter - der Klägerin - zu bewegen, worauf diese eine Aufnahme in das Städtische Klinikum D. veranlasste. Dort wurde ihr Sohn zunächst auf der Intensivstation behandelt und nach einer Stabilisierung seines Gesundheitszustandes am 24. Dezember 2002 auf die Normalstation verlegt, wo er mit Ärzten und Besuchern noch Gespräche führen konnte. In der darauffolgenden Nacht trat eine plötzliche Hirnblutung ein, in deren Folge der Geschädigte gegen 02.00 Uhr das Bewusstsein verlor und in den Morgenstunden verstarb. Die Beklagten zu 1., 3. und 4. sind wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu Jugendstrafen zwischen 5 Jahren und 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden, die Beklagte zu 2. wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Geschädigte ist von der Klägerin sowie von seinem Vater, der alle in Betracht kommenden Ersatzansprüche an die Klägerin abgetreten hat, beerbt worden. Der an der Tat beteiligte M. J. hat sich außergerichtlich verpflichtet, als Gesamtschuldner einen Betrag von 30.000,-- € an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin verlangt nunmehr den Ersatz aller Kosten, die ihr im Zusammenhang mit der Bestattung ihres Sohnes sowie der Auflösung seiner Wohnung entstanden sind. Wegen der Einzelheiten der auf insgesamt 7.569,20 € bezifferten Forderung wird auf die Angaben in der Klageschrift Bezug genommen. Darüber hinaus macht sie Schmerzensgeld in angemessener Höhe geltend, das sie aus ererbtem Recht auf mindestens 20.000,-- € und aus eigenem Recht auf mindestens 5.000,-- € beziffert. Ihr angekündigter Antrag unterscheidet dabei zwischen beiden Ansprüchen nicht. Die Klägerin behauptet, der Geschädigte habe bis zum Verlust des Bewusstseins unter starken Brechanfällen und Kopfschmerzen gelitten, die er bewusst wahrgenommen habe. Ihren eigenen Anspruch hat die Klägerin unter Berufung auf das Zeugnis ihres behandelnden Arztes damit begründet, dass sie dem Leiden ihres Sohnes, insbesondere den klaffenden Kopfverletzungen bis zum Eintreffen des Notarztes ohnmächtig gegenüber gestanden habe und der hieraus resultierende Schockzustand gegenwärtig noch immer andauere. Bei der Erörterung des rechtsmedizinischen Gutachtens in der Hauptverhandlung etwa 8 Monate nach der Tat habe sie wegen der wiederkehrenden Erinnerungen den Sitzungssaal verlassen müssen. Die Beklagten erstreben mit unterschiedlicher Rechtsverteidigung die Abweisung der Klage. Den materiellen Schadenspositionen halten sie in erster Linie entgegen, diese seien nicht oder nicht in der geltend gemachten Höhe erforderlich gewesen. Im Übrigen habe dem Geschädigten angesichts seines alsbald nach der Tat eintretenden Todes aus Rechtsgründen kein Schmerzensgeld zugestanden. Die Klägerin selbst könne nach gefestigter Rechtsprechung ein Schmerzensgeld nur dann beanspruchen, wenn sie eine Gesundheitsbeeinträchtigung erlitten habe, die über diejenige hinausgehe, die üblicher Weise beim Tod eines nahen Angehörigen eintrete und die die Klägerin nicht dargelegt habe. Der Beklagte zu 3. hat darüber hinaus die Klageforderung ohne nähere Tilgungsbestimmung in Höhe eines Betrages von 5.000,-- € anerkannt.

Das Landgericht hat der Klägerin in vollem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt. Den Beklagten hat es die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten ihrer beabsichtigten Rechtsverteidigung versagt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, auch die Beklagte zu 2. hafte unabhängig davon, dass sie lediglich der Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung für schuldig befunden worden sei, als Gesamtschuldnerin mit den übrigen Beklagten. Sie habe jedoch keine Tatsachen unterbreitet, die eine von den strafgerichtlichen Feststellungen abweichende Betrachtung ihres Tatbeitrags erwarten lasse. Ohne Erfolg würden die Beklagten im Übrigen die Höhe des materiellen Schadens bestreiten, für den das Beweismaß des § 287 ZPO gelte. Die Klägerin habe jedoch die ihr entstandenen Kosten dezidiert dargelegt und durch Vorlage von Quittungen untermauert. Die Annahme, bei einzelnen Kosten gegen die ihr obliegende Schadensminderungspflicht verstoßen zu haben, verbiete sich aus Pietätsgründen. Nach summarischer Prüfung werde die Klage auch hinsichtlich des immateriellen Schadensersatzes Erfolg haben. Bei der Bemessung des ererbten Anspruchs seien neben den erlittenen Verletzungen auch die außerordentliche Brutalität der Tatbegehung, die Nichtigkeit des Anlasses und die gezielte Verabredung der Beklagten zu berücksichtigen. Die Forderung der Klägerin liege insoweit noch an der unteren Grenze; gegebenenfalls müsse auch die Zuerkennung eines deutlich höheren Schmerzensgeldes erwogen werden. Ihr selbst stehe ein Schmerzensgeld zwar nur unter besonderen Umständen zu, die im vorliegenden Falle nach überschlägiger Prüfung jedoch erfüllt seien. Letztlich könne diese Frage aber sogar offen bleiben, weil die Klägerin nur einen einheitlichen Schmerzensgeldantrag angekündigt und ihren eigenen Anspruch nur zu dessen weiterer Begründung angeführt habe. Auch in Höhe der vom Beklagten zu 3. anerkannten Betrages sei diesem keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er durch sein vorprozessuales Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben habe und deshalb das Kostenprivileg des § 93 ZPO nicht zu seinen Gunsten streite.

Hiergegen richten sich die fristgerechten sofortigen Beschwerden der Beklagten zu 1., 3. und 4. Die Beklagte zu 1. rügt, die Ablehnung der Bewilligung führe dazu, dass sie sich gegen die Forderung der Klägerin nicht verteidigen könne. Der Beklagte zu 3. macht geltend, das Landgericht habe übersehen, dass ein ererbter Anspruch allenfalls in Höhe von 5.000,-- bis 6.000,-- € bestehe, ein persönlicher Schmerzensgeldanspruch der Klägerin eine eigene schwere Gesundheitsbeeinträchtigung voraussetze und dass bei dessen Bemessung auch der persönlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Schädigers Rechnung zu tragen sei. Im Übrigen genüge es für die Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht, dass die Rechtsverteidigung vertretbar erscheine. Dieser Ansicht ist im Wesentlichen auch der Beklagte zu 4. Er meint ferner, das Landgericht greife bereits seiner Endentscheidung vor. Außerdem verletze die angefochtene Entscheidung das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes und der Waffengleichheit, weil sich der mittellose Beklagte zu 4. ohne anwaltlichen Beistand kein rechtliches Gehör verschaffen könne.

Das Landgericht hat den sofortigen Beschwerden nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ergänzend ausgeführt, hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung erfordere, dass das Gericht in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sei und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine solche mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der hilfsbedürftigen Partei ausgehe. Dabei sei in engen Grenzen auch eine Beweisantizipation zulässig. Diese führe vorliegend zu dem Ergebnis, dass der Klage voraussichtlich im erhobenen Umfang stattzugeben sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den ablehnenden Beschluss vom 22. Oktober 2004 sowie auf den Nichtabhilfebeschluss vom 10. Dezember 2004 Bezug genommen.

II.

Die gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen sofortigen Beschwerden bleiben in der Sache überwiegend ohne Erfolg.

1. Fehl geht zunächst die von den Beklagten zu 1. und 4. vertretene Rechtsauffassung, ihnen sei unabhängig von den Erfolgsaussichten ihrer beabsichtigten Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe bereits deshalb zu bewilligen, weil sie sich anderenfalls gegen die erhobenen Forderungen nicht zur Wehr setzen könnten. Zwar ist bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes verfassungsrechtlich eine weitgehende Angleichung, jedoch keine vollständige Gleichstellung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten geboten. Unbedenklich ist es deshalb, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Erfolgsaussichten bietet (st. Rspr., z. B. BVerfG NJW 1997, 2745; NJW 2003, 2976). Denn der Staat muss unbemittelte Parteien nur dann in die Lage versetzen, einen Rechtsstreit führen zu können, wenn sich auch eine bemittelte, das Kostenrisiko selbst tragende Partei vernünftiger Weise hierzu entschließen würde, was nur bei aussichtsreicher und nicht mutwilliger Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung der Fall ist.

Allerdings soll die Prüfung der Erfolgsaussichten nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder -verteidigung selbst in das Verfahren der lediglich summarischen Prüfung zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, weshalb sich ein allzu strenger Maßstab verbietet (BVerfG NJW 2003, 2976). Der von den Beschwerdeführern erhobene Vorwurf, das Landgericht habe die Anforderungen an die Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverteidigung überspannt, erweist sich jedoch im Wesentlichen als ungerechtfertigt. Dabei steht die Frage, ob sich die Höhe des Schmerzensgeldes im Falle gemeinschaftlicher Tatbegehung nach den einzelnen Tatbeiträgen bemisst, nicht zur Entscheidung des Senats, weil die insoweit zutreffende, auf § 830 Abs. 1 BGB gestützte Begründung des Landgerichts mit den sofortigen Beschwerden nicht angegriffen worden ist. Vorsorglich weist der Senat in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass sich aus der von dem weiteren gesamtschuldnerisch haftenden Täter M. J. eingegangenen Verpflichtung, einen Betrag von 30.000,-- € an die Klägerin zu zahlen, die Erfolgaussichten der Rechtsverteidigung der Beklagten weder von vornherein herleiten lassen, noch diese dadurch ausgeschlossen werden. Selbst wenn in der Erklärung ein Vergleichsschluss läge, sind keine Anhaltspunkte erkennbar, dass die Beklagten hieran wirksam beteiligt worden sein könnten und sie deshalb die Erklärung gegen sich gelten lassen müssen. Andererseits kann aber auch nicht von einem Willen der Klägerin ausgegangen werden, die Beklagten nur noch auf einen etwaigen Differenzbetrag in Anspruch zu nehmen oder das Schuldverhältnis insgesamt aufzuheben (§ 423 BGB).

2. Soweit es den von der Klägerin geltend gemachten materiellen Schadensersatz in Höhe von 7.569,20 € betrifft, tritt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen den Gründen der angefochtenen Entscheidung bei. Angesichts der vom Kläger vorgelegten Rechnungen und sonstigen Belege ist die Prognose des Landgerichts, die Klage werde insoweit voraussichtlich Erfolg haben, nicht zu beanstanden. Das schließt es zwar nicht grundsätzlich aus, auch den Beklagten für ihre hiergegen gerichtete Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit sie ihre Rechtsverteidigung auf zulässige Beweisantritte stützen. Rechnung zu tragen ist indessen dem Umstand, dass die Beschwerdeführer überwiegend nicht die Entstehung der Kosten, sondern in erster Linie deren Angemessenheit in Abrede genommen haben. Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf Ersatz nicht nur der notwendigen Kosten der Bestattung. Vielmehr haben die Beklagten alles das zu ersetzen, was nach den in den Kreisen des Getöteten herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört (OLG Düsseldorf, VersR 1995, 1195). Dass die von der Klägerin aufgewendeten Kosten über den nach diesen Grundsätzen angemessenen Betrag hinausgehen, ist nicht erkennbar. Ein überhöhter Ansatz lässt sich auch den Einwendungen des Beklagten zu 4. nicht entnehmen, der zwar einzelnen Positionen die nach seiner Auffassung durchschnittlich aufzuwendenden Beträge gegenüber gestellt, ansonsten aber nicht weiter ausgeführt hat, worauf diese Erkenntnisse beruhen sollen. Insoweit wird voraussichtlich auch seinem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht nachzugehen sein, zumal die hierfür entstehenden Kosten zur Höhe des streitigen Teils der Klageforderung außer Verhältnis stünden. Gleichfalls einer Schätzung zugänglich sind die Kosten für eine angemessene Trauerkleidung, die sich unabhängig von einem lückenlosen Einzelnachweis mit 240,-- € pro Person im üblichen Rahmen bewegen. Soweit es schließlich die Kosten einer Containermiete für die Räumung der Wohnung des Geschädigten betrifft, werden diese zwar auf eine Rechnung vom 14. August 2003 gestützt. Allein aus dem zwischen der Tat und dem Rechnungsdatum liegenden Zeitraum lässt sich aber nicht ohne weiteres schließen, dass die Kosten in keinem Zusammenhang mit der Räumung stünden. Denn die Klägerin konnte die Wohnung erst nach Erteilung des Erbscheins am 20. Januar 2003 kündigen, so dass das Mietverhältnis gem. §§ 564 Satz 2, 573 d Abs. 2 BGB frühestens zum 30. April 2003 beendet war. Bereits hierin liegt eine plausible Erklärung dafür, dass die Räumung nicht umgehend nach dem Eintritt des Erbfalls geräumt worden ist.

3. Unbegründet ist die sofortige Beschwerde auch hinsichtlich der aus gem. § 1922 BGB übergegangenem Recht erhobenen Schmerzensgeldforderung. Zwar kann die Klägerin insoweit gem. § 2039 Satz 1 BGB Zahlung grundsätzlich nur an die Erbengemeinschaft nach ihrem Sohn verlangen, weil es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür fehlt, dass die Erbengemeinschaft bereits auseinandergesetzt ist. Hieran ändert für sich genommen auch die Abtretung nichts. Da der Vater des Geschädigten indes der Klägerin zusammen mit der Abtretung auch eine Einziehungsermächtigung erteilt hat, kann diese ausnahmsweise Leistung an sich selbst fordern (Staud.-Werner, Rdn. 18 zu § 2039 BGB; Palandt-Edenhofer, Rdn. 11 zu § 2039 BGB).

Die Annahme des Landgerichts, dem Geschädigten, der die Tat etwa 36 Stunden überlebt hat, habe dem Grunde nach ein angemessenes Schmerzensgeld zugestanden, begegnet keinen Bedenken und wird auch von den Beschwerdeführern nicht mehr ernsthaft in Zweifel gezogen. Im Falle des tödlichen Verlaufs einer Körperverletzung wird die Zubilligung eines Schmerzensgeldes allenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Körperverletzung nach den Umständen des Falles gegenüber dem alsbald eintretenden Tod keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt. Anderenfalls erfordert die Bemessung des Schmerzensgeldes eine Gesamtbetrachtung der immateriellen Beeinträchtigung, wobei insbesondere Art und Schwere der Verletzungen, das hierdurch bewirkte Leiden und dessen Wahrnehmung durch den Verletzten, aber auch der Zeitraum zwischen Verletzung und Todeseintritt zu berücksichtigen sind (BGH NJW 1998, 2741). Nicht außer Betracht bleiben kann dabei zur Wahrung eines allgemeinen Niveaus ein Vergleich zu derjenigen Schmerzensgeldsumme, die gewährt worden wäre, wenn das Opfer das schädigende Ereignis überlebt, infolge der Körperverletzung aber schwere Dauerschäden davongetragen hätte (OLG Koblenz, NJW 2003, 442).

Nach diesen Maßstäben ist die von der Klägerin aus übergegangenem Recht geforderte Summe als angemessen anzusehen. Zwar war der Geschädigte den auf die Tat zurückzuführenden Leiden nur für einen kurzen Zeitraum von etwa 1 1/2 Tagen ausgesetzt. Während dieser Zeit allerdings war er überwiegend bei Bewusstsein, so dass er über ein Schmerzempfinden verfügte. Hinzu kommt, dass auch die Leidenszeit des Geschädigten während der Tatbegehung zu berücksichtigen ist. Es kann deshalb nicht außer Acht gelassen werden, dass der Geschädigte nach den Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts Dessau zunächst versuchte, aus dem Keller seines Wohnhauses seinen Peinigern zu entkommen und aller Wahrscheinlichkeit nach bereits zu diesem Zeitpunkt panischer Angst ausgesetzt war. Nachdem die Beklagten ihn eingeholt hatten, führten sie (mit Ausnahme der Beklagten zu 2.) eine Vielzahl von Schlägen und Tritten gegen ihn, wobei es dem am Boden liegenden Geschädigten mehrfach gelang, wieder aufzustehen. In Gesamtschau mit den Übrigen, bereits vom Landgericht herangezogenen Bemessungskriterien hält deshalb auch der Senat nach überschlägiger Prüfung der Sach- und Rechtslage, ohne Rücksicht darauf, dass sich dem Sachvortrag der Klägerin nichts Konkretes zu etwaigen Dauerfolgen im Falle des Überlebens des Geschädigten entnehmen lässt, ein Schmerzensgeld von wenigstens 20.000,-- € für angemessen. Dieser Betrag steht nicht außer Verhältnis zu der Forderung, die dem Geschädigten angesichts der vorsätzlichen Begehungsweise, der Nichtigkeit des Anlasses und der übergroßen Brutalität, mit der die Beklagten vorgegangen sind, auch zugestanden hätte, wenn lediglich eine längere stationäre Behandlung erforderlich geworden wäre, die Verletzungen aber weitgehend folgenlos ausgeheilt wären. An letzterem hegt der Senat angesichts der massiven Schädelfrakturen im Übrigen nachhaltige Zweifel. Der Betrag steht darüber hinaus auch nicht im Widerspruch mit den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegten Maßstäben. Denn der Bundesgerichtshof hat den Kindern der bei einem (fahrlässig verursachten) Verkehrsunfall tödlich verunglückten Eltern aus übergegangenem Recht für den getöteten Vater ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 28.000,-- DM zugebilligt, wobei dieser bereits 35 Minuten nach dem Unfall in ein die Wahrnehmung und das Schmerzempfinden ausschließendes künstliches Koma versetzt wurde und das Bewusstsein bis zu seinem Tode 10 Tage später nicht wiedererlangte. Selbst für die Mutter, die bereits eine Stunde nach dem Unfall verstarb und bis dahin ohne Bewusstsein war, hat es ein Schmerzensgeld von 3.000,-- DM für angemessen erachtet (BGH NJW 1998, 2741, 2742). Aus Sicht des Senats liegt es angesichts der dargestellten Umstände auf der Hand, dass der im vorliegenden Falle zuzusprechende Betrag aufgrund der Gesamtumstände deutlich höher anzusiedeln ist, wogegen auch nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten sprechen. Zwar erzielen diese aufgrund ihrer Inhaftierung, von der Beklagten zu 2. abgesehen, gegenwärtig keine oder keine nennenswerten Einkünfte. Andererseits ist unter Berücksichtigung des gem. § 426 BGB vorzunehmenden Innenausgleichs der auf jeden der Beteiligten entfallenden Beträge der Höhe nach auch nicht existenzvernichtend.

Soweit der Beklagte zu 3. ohne Tilgungsbestimmung einen Betrag in Höhe von 5.000,-- € anerkannt hat, ist zum einen bereits unklar, auf welche Forderungen dieser verrechnet werden soll. Darüber hinaus wäre ihm aber auch sonst Prozesskostenhilfe nur dann zu bewilligen, wenn er in Höhe dieses Betrages keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hätte und die Klägerin deshalb insoweit gem. § 93 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hätte. Dies hat das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen verneint. Zwar hat sich der Beklagte zu 3. bereits vorprozessual zur Zahlung eines Betrages in dieser Höhe erboten. Hierin lag allerdings kein Anerkenntnis, sondern nur das Angebot auf Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs, das die Klägerin nicht angenommen hat. Da im Übrigen eine Zahlung nicht erfolgt ist, war die Annahme der Klägerin gerechtfertigt, dass sie auch in dieser Höhe ohne Beschreitung des Klagewegs keine Befriedigung erlangen werde.

4. Nicht zu folgen ist dem Landgericht allerdings in seiner Auffassung, der Klägerin stehe aus eigenem Recht ein Schmerzensgeld bereits deshalb zu, weil sie den schwerwiegenden Verletzungen des Sohnes bei dessen Eintreffen in der Wohnung hilflos gegenüber gestanden habe. Die Beschwerdeführer rügen insoweit zu Recht, dass ein auf den Tod eines nahen Angehörigen gestützter Schmerzensgeldanspruch nach ganz überwiegender Auffassung nur dann in Betracht kommt, wenn über den hiermit üblicher Weise einhergehenden seelischen Schmerz hinaus eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeschädigung von einigem Gewicht und einiger Dauer vorliegt (z. B. BGH NJW 1989, 2317; OLG Koblenz NJW-RR 2001, 318; KG NZV 2002, 38, 39; OLG Hamm NZV 2002, 234; OLGR Jena 2003, 495). Dies verkennt auch das Landgericht nicht, meint allerdings, dass die besondere Auffindesituation des Sohnes durch die Klägerin eine derartige Beeinträchtigung nahe lege und die Umstände mit denjenigen vergleichbar seien, die das OLG Nürnberg (NJW 1998, 2293) zur Zubilligung eines Schmerzensgeldes bewogen hätten. Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Denn auch die zitierte Entscheidung stellt nicht nur ausdrücklich darauf ab, dass es aufgrund des Todes des nahen Angehörigen zu gewichtigen psychopathologischen Ausfällen gekommen sein müsse. In dem dort entschiedenen Fall sind zudem für die 12 bzw. 15 Jahre alten, noch in der Entwicklung befindlichen Kinder der Getöteten konkrete Feststellungen zum Ausmaß der Gesundheitsbeeinträchtigungen getroffen worden (nächtliche Angst- und Schreizustände, Albträume mit Schweißausbrüchen). Derartige Umstände, auch wenn sie dem Senat vorstellbar erscheinen, hat die Klägerin bislang nicht dargetan. Statt dessen erschöpft sich ihr Vorbringen im Wesentlichen in der Darlegung, sie habe noch Monate später unter dem Eindruck der unfassbaren Tat gestanden. Soweit die Klägerin unter Berufung auf das Zeugnis ihres Hausarztes zusätzlich bis in die Gegenwart anhaltende schwere Gesundheitsbeeinträchtigungen behauptet, erscheint zweifelhaft, ob das Landgericht diesem Beweisangebot nachzugehen haben wird, so lange es an einer konkreten Darlegung der Symptome sowie des Ausmaßes einer etwaigen Behandlung nebst etwaiger Medikation fehlt. Allein der ohne weiteres nachzuempfindende Umstand, dass die Klägerin den sinnlosen Verlust ihres Sohnes als Folge der Tat seelisch noch nicht verarbeitet hat, rechtfertigt nach den dargestellten Grundsätzen kein Schmerzensgeld. Aber selbst wenn das Landgericht, weil es den Sachvortrag der Klägerin für ausreichend substantiiert hält oder er im Verlaufe des weiteren Verfahrens eine Konkretisierung erfährt, hierüber Beweis erheben sollte, kann der Rechtsverteidigung der Beklagten insoweit gegenwärtig die Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden, weil für eine Beweisantizipation kein Raum ist.

Entgegen der vom Landgericht getroffenen vorläufigen Rechtseinschätzung kann das Vorliegen der Voraussetzungen für einen eigenen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin auch nicht deshalb auf sich beruhen, weil sie nur einen einheitlichen Antrag angekündigt hat und gegebenenfalls bereits aus übergegangenem Recht ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000,-- € angemessen ist. Denn der Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits wird nicht allein durch den Antrag, sondern zugleich durch den vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt (z. B. BGH NJW 2001, 3713). Macht eine Prozesspartei wie hier die Klägerin im Wege objektiver Klagehäufung Ansprüche sowohl aus eigenem als auch aus übergegangenem Recht geltend, die sie im Antrag betragsmäßig zusammenfasst, und bleibt einem der Ansprüche der Erfolg versagt, stellt dies ein Teilunterliegen dar. Dies gilt in gleicher Weise für einen unbezifferten, auf Zahlung angemessenen Schmerzensgeldes gerichteten Antrag auch dann, wenn gegebenenfalls schon eine der Forderungen zur Zuerkennung eines Betrages führt, der die Summe der von der klagenden Partei insgesamt für angemessen gehaltenen Beträge erreicht oder übersteigt. Die Rechtsverfolgung der Klägerin stellt hinsichtlich der eigenen Schmerzensgeldforderung auch kein bloßes Hilfsvorbringen dar.

Da die Beschwerdeführer im Übrigen nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außer Stande sind, die Kosten der Prozessführung auch nur in Raten aufzubringen, ist ihnen im Umfang der Erfolgsaussichten ihrer Rechtsverteidigung Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Beiordnung der Prozessbevollmächtigten beruht auf § 121 Abs. 1 ZPO.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet. Von der Möglichkeit, gem. § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Nr. 1811 KV die Gerichtskostengebühr auf die Hälfte zu ermäßigen, hat der Senat abgesehen, weil die Rechtmittel der Beschwerdeführer überwiegend ohne Erfolg bleiben.

Ende der Entscheidung

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