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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 12 W 120/04
Rechtsgebiete: BRAGO, ZPO, BGB
Vorschriften:
BRAGO § 6 Abs. 1 Satz 2 | |
BRAGO § 26 | |
BRAGO § 28 | |
BRAGO § 31 | |
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 1 | |
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 2 | |
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 3 | |
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 4 | |
ZPO § 100 Abs. 1 | |
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1 | |
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
12 W 120/04 OLG Naumburg
In dem Kostenfestsetzungsverfahren
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg am 27. Januar 2005 durch den Richter am Landgericht Straube als Einzelrichter beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 12. November 2004 abgeändert.
Die vom Kläger zu 1. aufgrund des Urteils des Landgerichts Halle vom 16. Juni 2004 an den Beklagten zu 1. zu erstattenden Kosten werden auf 978,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. September 2004 festgesetzt.
Die vom Kläger zu 2. aufgrund des Urteils des Landgerichts Halle vom 16. Juni 2004 an den Beklagten zu 1. zu erstattenden Kosten werden auf 978,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. September 2004 festgesetzt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu 1. zu tragen.
Gründe:
I.
Die Kläger haben die Beklagten auf Schadensersatz wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen in Anspruch genommen.
Die Parteien führten ab Januar 2001 Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Mietvertrages über Kanzleiräume in einem noch zu sanierenden Geschäftshaus in S. . Der Beklagte zu 1. und die Beklagten zu 2. und 3. unterhielten zu diesem Zeitpunkt in S. separate Büros, waren jedoch damals in Sozietät verbunden und planten eine Zusammenlegung ihrer Kanzleisitze. Die Verhandlungen endeten im Spätsommer 2001 ergebnislos, wobei die Kläger den Beklagten im Wesentlichen vorgeworfen haben, sie hätten abredewidrig ihren Vertragsschluss davon abhängig gemacht, dass auch anderweitige Mieter einen Mietvertrag unterzeichneten. Im Vertrauen auf das Zustandekommen des Mietverhältnisses hätten sie erhebliche Investitionen vorgenommen, die die Beklagten zu ersetzen hätten.
Die Beklagten zeigten jeweils separat an, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen, unterzeichneten sämtlich die von ihnen auf einem Briefkopf des Beklagten zu 1. gemeinsam verfasste Klageerwiderung und erschienen aufgrund gerichtlicher Anordnung im Termin zur ersten mündlichen Verhandlung persönlich. Im nachfolgenden Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Durchführung einer Zeugenbeweisaufnahme vertrat der Beklagte zu 1. den Beklagten zu 2. Die Beklagten haben sich damit verteidigt, einen Vertragsabschluss zu keinem Zeitpunkt als sicher hingestellt zu haben. Vielmehr hätten sich die Parteien bis zuletzt über die Vertragsbedingungen nicht einigen können, weshalb letztlich die Kläger die Verhandlungen abgebrochen hätten. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf das am 16. Juni 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Halle Bezug genommen, mit dem die Klage abgewiesen worden ist.
Die Beklagten beantragen nunmehr jeweils die Festsetzung ihrer Rechtsanwaltsgebühren gem. § 31 BRAGO, die ihnen durch ihre eigene Vertretung erwachsen sind. Die Beklagten zu 2. und 3. haben dabei erklärt, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Sie vertreten die Auffassung, dass grundsätzlich jeder Streitgenosse einen eigenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung beauftragen dürfe. Von diesem auch ihnen zustehenden Recht hätten sie Gebrauch gemacht, was sich nicht zuletzt darin zeige, dass sie jeweils eigenständige Sachanträge gestellt hätten und das Landgericht jeweils gesonderte Zustellungen bewirkt habe. Im Übrigen hätten die Kläger gegen die Beklagten unterschiedliche Vorwürfe erhoben, so dass sie jeweils eine eigene Verteidigungsstrategie verfolgt hätten. Das Landgericht hat zunächst nur die Rechtsanwaltsgebühren des Beklagten zu 1. antragsgemäß auf 4.807,00 € nebst gesetzlichen Zinsen festgesetzt. Über die Kostenfestsetzungsanträge der Beklagten zu 2. und 3. ist noch keine Entscheidung ergangen.
Mit ihrer gegen die Festsetzung zu Gunsten des Beklagten zu 1. gerichteten sofortigen Beschwerde machen die Kläger geltend, dass eine getrennte Rechtsverteidigung nicht stattgefunden habe und im Übrigen auch rechtsmissbräuchlich sei, da die Voraussetzungen für eine Mandatsaufspaltung nicht vorlägen. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Sie hat zugleich in der Sache Erfolg. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss erweist sich in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.
1. Das Landgericht hat zu Gunsten des Beklagten zu 1. zu Unrecht Rechtsanwaltsgebühren in voller Höhe festgesetzt. Für die Beklagten bestand keine Notwendigkeit, sich jeweils selbst zu verteidigen. Zwar ist anerkannt, dass Streitgenossen grundsätzlich berechtigt sind, sich durch verschiedene Rechtsanwälte vertreten zu lassen (statt vieler OLG Naumburg, Beschluss vom 16. Oktober 2001, 13 W 187/01, 13 W 188/01, zit. nach juris m.w.N.) Den Beklagten ist zugleich darin beizupflichten, dass nichts anderes gelten kann, wenn sich Rechtsanwälte als Streitgenossen in eigener Sache jeweils selbst vertreten (von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert, Kostenfestsetzung im Zivilprozess, Rdn. B 551; Belz in MK-ZPO, Rdn. 30 zu § 91 jeweils für Sozietätsmitglieder). Nach den konkreten Umständen ist auch von einer getrennten Vertretung auszugehen, der nicht entgegensteht, dass der Beklagte zu 1. im Termin zur Durchführung der Beweisaufnahme zugleich für den Beklagten zu 2. aufgetreten ist. Denn die Parteien haben durch ihre übrigen Prozesshandlungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, sich jeweils nur selbst verteidigen zu wollen.
Die getrennte Vertretung sieht sich allerdings dem Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit ausgesetzt. Streitgenossen können unter Kostengesichtspunkten verpflichtet sein, einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung zu beauftragen, wenn ihre Rechtsverteidigung aufgrund der Einheitlichkeit des zugrunde liegenden Lebenssachverhaltes identisch ist, die Gefahr eines Interessenwiderstreits nicht besteht und auch keine sonstigen Gründe für die Hinzuziehung jeweils eigener Prozessbevollmächtigter sprechen (OLG Naumburg, aaO; OLG Karlsruhe MDR 2000, 235; OLG Düsseldorf, JurBüro 1998, 144; OLG Köln FamRZ 1993, 587). Der Senat vermag der vom OLG Köln vertretenen Auffassung nicht uneingeschränkt beizutreten, dass unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten eine Ausnahme dann gerechtfertigt sei, wenn Rechtsanwälte als Streitgenossen in Anspruch genommen werden, die keiner einheitlichen Sozietät angehören (JurBüro 1999, 418). Jedenfalls dann, wenn das Streitverhältnis wie hier in einer ursprünglich bestehenden gemeinsamen Sozietät wurzelt, besteht für Rechtsanwälte als Streitgenossen die kostenerstattungsrechtliche Verpflichtung, einen Anwalt aus ihrer Mitte mit ihrer gemeinsamen Vertretung zu beauftragen.
Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auf einen vorgeblichen Interessenwiderstreit, der eine separate Vertretung erforderlich gemacht habe. Dieser folgt insbesondere nicht daraus, dass sie im Zuge der vorvertraglichen Verhandlungen nicht stets gemeinsam gehandelt und Erklärungen abgegeben haben. Entscheidend ist vielmehr, dass sämtliche, nach Ansicht der Kläger haftungsbegründenden Handlungen der Beklagten mit Wirkung für und gegen die zu diesem Zeitpunkt bestehende Sozietät vorgenommen worden sind und die Beklagten deshalb im Falle des Obsiegens der Kläger als Gesamtschuldner gehaftet hätten, ohne dass Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden sind, dass im Innenverhältnis eine vom Grundsatz des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB abweichende Ausgleichungspflicht in Betracht gekommen wäre. Hierfür spricht nicht zuletzt entscheidend der Umstand, dass die Beklagten ihre Rechtsverteidigung in der Klageerwiderung auf die selben Einwendungen gestützt haben und keiner von ihnen gesonderte Verteidigungsmittel geltend gemacht hat. Damit sind die Beklagten hinsichtlich der Kostenerstattungspflicht der Kläger so zu stellen, als hätten sie einen gemeinsamen Rechtsanwalt beauftragt.
Es bedarf in diesem Zusammenhang keiner Entscheidung, ob die Beklagten im Falle einer einheitlichen Vertretung als Gesamtgläubiger zu behandeln wären, so dass der Beklagte zu 1. die gesamten Kosten für sich festsetzen lassen könnte, oder ob sie statt dessen Anteilsgläubiger wären. Denn infolge der getrennten Vertretung sind die Kosten tatsächlich jeweils nur in der Person des sich vertretenden Rechtsanwaltes entstanden, so dass für eine Gesamtgläubigerschaft von vornherein kein Raum ist. Vielmehr kann der Beklagte zu 1. nur ein Drittel derjenigen Gebühren beanspruchen, die entstanden wären, wenn die Beklagten gemeinschaftlich durch einen von ihnen vertreten worden wären.
Zu erstatten wären unter Berücksichtigung der gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 BRAGO in diesem Falle entstehenden Mehrvertretungsgebühr sowie der im Beitrittsgebiet vorzunehmenden Gebührenermäßigung nach einem Gegenstandswert von 170.695,03 € folgende Beträge:
1. Prozessgebühr - § 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (16/10): 2.504,16 € 2. Verhandlungsgebühr - § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO (10/10): 1.565,10 € 3. Beweisgebühr - § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO (10/10): 1.565,10 € 4. Post- und Telekommunikationspauschale - § 26 BRAGO: 20,00 € Gesamt: 5.654,36 €.
Auf den sich hieraus ergebenden Festsetzungsbetrag in Höhe von 1.884,78 € ist angesichts der Erklärung des Beklagten zu 1., zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, keine Umsatzsteuer anzusetzen. Der Beklagte zu 1. hat allerdings daneben - unter den gleichen Voraussetzungen wie eine sonstige Prozesspartei - einen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten für beide Termine zur mündlichen Verhandlung, weil im ersten Termin sein persönliches Erscheinen angeordnet war und im zweiten Termin eine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, an der teilzunehmen eine Prozesspartei ein grundsätzlich anzuerkennendes Interesse hat. Anders als bei einer gewöhnlichen Prozesspartei ist für die Höhe der Reisekosten allerdings nicht auf die Vorschriften des ZSEG (nunmehr JVEG), sondern nach der ausdrücklichen Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf § 28 BRAGO abzustellen, so dass entsprechend dem Antrag Reisekosten in Höhe von 71,70 € festzusetzen sind, die von den Klägern auch nicht in Zweifel gezogen werden. Hieraus ergibt sich ein festzusetzender Gesamtbetrag von 1.956,48 €.
2. Einen weiteren Rechtsfehler weist die angefochtene Entscheidung auf, soweit die Rechtspflegerin die Kosten gegen die Kläger als Gesamtschuldner festgesetzt hat. Diese haften gem. § 100 Abs. 1 ZPO statt dessen nach Kopfteilen, was seinen Ausdruck auch im Kostenfestsetzungsbeschluss zu finden hat. Dieser muss bei einer Kopfteilshaftung die einzelnen Schuldanteile der Streitgenossen ausweisen (OLG Koblenz, Rpfleger 1995, 381, 382 m.w.N.; Wolst in Musielak, ZPO, 4. Aufl., Rdn. 14 zu § 104). Der Beklagte zu 1. kann damit von jedem der Kläger nur den hälftigen Betrag in Höhe von jeweils 978,24 € beanspruchen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Obgleich die Kläger keinen ausdrücklichen Beschwerdeantrag formuliert haben, lässt sich den Beschwerdeangriffen sowie den bereits gegen die Kostenfestsetzungsanträge erhobenen Einwendungen entnehmen, dass sie die im Beschwerdeverfahren ergehende Entscheidung erstrebt haben und ihr Rechtsmittel damit in vollem Umfang Erfolg hat.
Ende der Entscheidung
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