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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 16.03.2004
Aktenzeichen: 12 W 21/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 568 Satz 1
Einem Versicherungsunternehmen ist es im Regelfall jedenfalls bei durchschnittlich gelagerten Sachverhalten zumutbar, einen Prozessbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichtes mit seiner Prozessvertretung zu beauftragen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 21/04 OLG Naumburg

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

...

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Landgericht Stroot als Einzelrichter am 16. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 11. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 629,79 Euro.

Gründe:

I.

Die Beklagte zu 1), ein in Münster/Westfalen ansässiges Versicherungsunternehmen, beauftragte mit der Durchführung des Zivilprozessverfahrens und zur Verteidigung gegen den von der Klägerin auf Grund eines Verkehrsunfalls beanspruchten Schadenersatzes in Höhe von 11.146,19 DM vor dem Landgericht Halle eine überörtliche Rechtsanwaltssozietät. Das Mandat wurde durch Partner des Büros in Hamm/Westfalen bis zum Frühjahr 2003 bearbeitet. Ausweislich des Briefpapiers der Beklagtenvertreter wechselte der zu diesem Zeitpunkt das Mandat betreuende Rechtsanwalt N. im April 2003 vom Büro in Hamm in das Münsteraner Büro, weswegen das Verfahren in der Folge von Münster aus bearbeitet wurde.

An den mündlichen Verhandlungen am 21. August 2001 und 27. August 2003 nahm für die Beklagten ein Rechtsanwalt in Untervollmacht teil.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2003 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach u. a. die Klägerin 2/3 und die Beklagten 1/3 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben.

Die Beklagten haben durch ihre Hauptbevollmächtigen bzw. ihren Unterbevollmächtigten folgende Kosten zur Festsetzung angemeldet:

Hauptbevollmächtigte:

Gegenstandswert: 5.698,96 € (11.146,20 DM) Prozessgebühr §§ 11, 31 I Nr. 1 BRAGO 13/10 442,01 € Gebührenerhöhung § 6 BRAGO um 3/10 wegen 2 Auftraggebern.

Verhandlungsgebühr §§ 11, 31 I Nr. 2 BRAGO 5/10 170,00 € Beweisgebühr §§ 11, 31 I Nr. 3 BRAGO 10/10 340,01 € Vergleichsgebühr, gerichtliches Verfahren §§ 11, 23 I 3 BRAGO 10/10 340,01 € Post- und Telekommunikation § 26 BRAGO 20,45 € Zwischensumme netto 1.312,48 € 16 % Mehrwertsteuer § 25 II BRAGO 210,00 €

Gesamtbetrag 1.522,48 € ========

Unterbevollmächtigter:

Gegenstandswert: 5.698,96 EUR 5/10 Prozessgebühr gem. §§ 11, 31 I 1 BRAGO 153,01 EUR Wert: 5.698,96 EUR 3/10 Erhöhung gem. §§ 11, 6 BRAGO (2 Auftraggeber) 45,90 EUR Wert: 5.698,96 EUR 10/10 Beweisgebühr gem. §§ 11, 31 I 3 BRAGO 306,01 EUR Wert: 5.698,96 EUR 10/10 Vergleichsgebühr gem. §§ 11, 23 I 3 BRAGO 306,01 EUR Wert: 5.698,96 EUR Post- und Telekommunikationsentgelt gem. § 26 BRAGO 20,45 EUR Zwischensumme 984,38 EUR 16 % Umsatzsteuer gem. § 25 BRAGO 157,50 EUR

Gesamtbetrag 1.141,88 EUR ===========

Die Beklagte zu 1) hat vorgetragen, dass sie zwar über Schadenssachbearbeiter verfüge, die jedoch nur in Ausnahmefällen Termine wahrnehmen und auch nicht zu den beauftragten Rechtsanwälten reisen würden. Im Übrigen sei ihre Rechtsabteilung grundsätzlich nicht mit der Abwicklung derartiger Schadensfälle befasst.

Unter Berücksichtigung der vom Kläger angemeldeten Kosten und von ihm verauslagter Gerichtskosten hat das Landgericht - Rechtspflegerin - die von den Beklagten als Gesamtschuldner an den Kläger zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 11. Dezember 2003 auf 483,18 Euro festgesetzt. Dabei hat es der Kostenausgleichung lediglich folgende Kosten der Beklagten zugrunde gelegt:

13/10 Prozessgebühr 442,01 € 10/10 Verhandlungsgebühr 340,01 € 10/10 Beweisgebühr 340,01 € 10/10 Vergleichsgebühr 340,01 € § 26 BRAGO 20,45 € 482,68 € Mehrwertsteuer 237,19 €

Gesamtbetrag 1719,68 €

Gegen diesen ihnen am 22. Januar 2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 5. Februar 2004 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten, die rügen, dass die Kosten des Unterbevollmächtigten bei der Kostenausgleichung nicht berücksichtigt worden seien. Dessen Einschaltung sei schon deswegen erforderlich gewesen, weil die Rechtsabteilung der Beklagten zu 1) grundsätzlich keine Haftpflichtfälle bearbeite. Im Übrigen greift sie die Nichtberücksichtigung von (entstandenen) Fotokopierkosten an.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle, über die gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger erlassen worden ist, ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG; §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO), aber unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht die von den Beklagten für ihren Unterbevollmächtigten geltend gemachten Kosten bei der Kostenausgleichung nicht berücksichtigt, denn die Beauftragung von Hauptbevollmächtigten mit Sitz in Hamm war für die Beklagten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung vor dem Landgericht Halle nicht notwendig, weswegen die durch die Inanspruchnahme des Unterbevollmächtigten entstandenen Kosten auch nicht teilweise erstattungsfähig sind. Den Beklagten wäre es aus der Sicht einer vernünftigen und kostenorientierten Partei zuzumuten gewesen, einen Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts in Halle mit ihrer Rechtsverteidigung zu beauftragen, weswegen sie keine (fiktiven) Reisekosten im Sinne des § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz ZPO ihres Hauptbevollmächtigten für Reisen von Hamm nach Halle und damit auch nicht die Kosten für einen Unterbevollmächtigten im Rahmen der ansonsten angefallenen Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erstattet verlangen können (vgl. hierzu BGH NJW 2003, 898, 899).

Zwar kann eine Partei, die einen Rechtsstreit zu führen beabsichtigt oder selbst verklagt ist und ihre Belange in angemessener Weise wahrgenommen haben möchte, in aller Regel einen Rechtsanwalt in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes aufsuchen, um dessen Rat in Anspruch zu nehmen. Sie wird dies wegen der räumlichen Nähe deshalb tun, weil regelmäßig zunächst ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich ist. Diese Erwartung ist berechtigt, denn für eine sachgemäße gerichtliche oder außergerichtliche Beratung und Vertretung ist der Rechtsanwalt grundsätzlich zunächst auf die erforderlichen Tatsacheninformationen durch die Parteien, die in aller Regel nur in einem persönlichen Gespräch erfolgen kann, angewiesen. Häufig wird zudem nach einer Erwiderung der Gegenseite ein weiteres Gespräch notwendig sein, in dem ergänzende Informationen erlangt werden müssen oder entstandene Missverständnisse auszuräumen sind. Weil nunmehr jeder an einem Amts- oder Landgericht zugelassene Rechtsanwalt vor jedem Landgericht postulationsfähig ist, kann und darf eine ihre Belange vernünftig und kostenbewusst wahrnehmende Partei für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt in aller Regel den für sie einfacheren und naheliegenden Weg wählen, einen an ihrem Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten zu beauftragen (BGH MDR 2003, 233 ff.). Diese Regel kennt indessen Ausnahmen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung - zur Sachverhaltsermittlung oder im Rahmen der Rechtsberatung - nicht erforderlich sein wird oder die vermeintlich notwendige Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel in zumutbarer Weise erfolgen kann. Das ist nicht ausschließlich dann der Fall, wenn es sich bei der Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine Rechtsabteilung verfügt (vgl. BGH Rpfleger 2003, 471, 471).

Nach diesen Maßstäben liegt es auf der Hand, dass die Beklagte zu 1) als Versicherungsunternehmen ebenso gut einen Rechtsanwalt in Halle mit der Prozessführung hätte beauftragen können. Ein persönliches Gespräch mit dem von ihr beauftragten Rechtsanwalt zur Erläuterung des zugrundeliegenden Sachverhalts war schon deshalb nicht erforderlich, weil auch ihr das Unfallgeschehen lediglich anhand der Aktenlage bekannt war. In rechtlicher Hinsicht bedurfte sie keiner persönlichen Beratung, weil die Schadensbearbeitung und die damit in Zusammenhang stehenden Rechtsfragen ihr durch die tägliche Bearbeitung solcher Vorgänge hinreichend bekannt sind. Zudem hat die Beklagte zu 1) im Gegenteil vorgetragen, dass ihre Schadenssachbearbeiter nicht zu den beauftragten Rechtsanwälten reisen würden. Dem kann nur entnommen werden, dass sie mit ihren Hauptbevollmächtigten auch tatsächlich kein persönliches Beratungsgespräch geführt hat.

Aus welchen Gründen es der Beklagten zu 1) nicht zuzumuten sein könnte, einen Rechtsanwalt in Halle anstatt der beauftragten Rechtsanwälte mit Sitz in Hamm auf postalischem Wege bzw. mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel zu unterrichten, erschließt sich dem Senat unter diesen Umständen nicht. Im Übrigen hätte die Beauftragung eines Rechtsanwaltes mit Sitz in Halle den Vorteil mit sich gebracht, dass dieser unschwer ein persönliches Gespräch mit dem in Halle wohnenden Beklagten zu 2), der das Unfallgeschehen aus eigener Anschauung und nicht nur auf Grund der Aktenlage kannte, zur Erhellung des Sachverhalts hätte führen können.

Es kann deshalb dahinstehen, ob (fiktive) Reisekosten auch schon deshalb nicht erstattungsfähig wären, weil die Beklagten keine an ihrem (Wohn-) Sitz in Münster bzw. Halle, sondern in Hamm ansässige Rechtsanwälte beauftragt haben (vgl. BGH NJW 2003, 901, 902).

Soweit die Beklagten die Nichtberücksichtigung von Fotokopierkosten bemängeln, ist dies nicht nachvollziehbar. Nicht sie, sondern ausschließlich die Klägerin hat solche Kosten zur Festsetzung angemeldet. Da die Klägerin sich jedoch nicht dagegen gewendet hat, dass das Landgericht diese Kosten als nicht erstattungsfähig angesehen hat, ist eine Entscheidung über diesen Aspekt bei dem Senat in der Beschwerdeinstanz nicht angefallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG; 2, 3 ZPO. Dabei ist angesichts der Kostentragungsquote der Beklagten von 1/3 auf 2/3 der Differenz zwischen den von ihnen zur Festsetzung angemeldeten Kosten (2.264,36 Euro) und den im Rahmen der Kostenausgleichung berücksichtigten Kosten (1.719,68 Euro) abzustellen (2.664,36 Euro - 1.719,68 Euro = 944,68 Euro; davon 2/3 = 629,79 Euro).

Ende der Entscheidung

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