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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 17.06.2004
Aktenzeichen: 12 W 41/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 126
ZPO § 126 Abs. 1
ZPO § 126 Abs. 2
ZPO § 126 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 568 S. 1
BGB § 242
Gegen die Forderung aus einem zugunsten der Partei erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss kann die gegnerische Partei mit den dem Gegner geschuldeten Kostenerstattungsansprüchen aufrechnen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 41/04 OLG Naumburg

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Landgericht Stroot als Einzelrichter am 17. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 4. September 2003 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt 889,49 Euro.

Gründe:

I.

Das Streitverfahren ist durch einen in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11. März 2003 geschlossenen Vergleich über die Zahlung von 2.360,43 Euro mit monatlicher Ratenzahlungsvereinbarung in Höhe von 30 Euro ab dem 5. April 2003 und Verfallsklausel beendet worden, wobei sich die Parteien auch auf eine Kostenquotelung geeinigt haben. Dem Beklagten ist unter Beiordnung von Rechtsanwältin D. Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungen bewilligt worden.

Der Beklagte ist der Ratenzahlungsvereinbarung zumindest bis zum 5. Juni 2003 nachgekommen. Auf die Kostenausgleichsanträge der Parteien hat das Landgericht die auf Grund des Vergleichs von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten mit Beschluss vom 5. Juni 2003 auf 889,49 Euro festgesetzt, der der Klägerin am 6. Juni 2003 und dessen vollstreckbare Ausfertigung dem Beklagten am 3. Juli 2003 zugestellt worden ist.

Nachdem die Beklagtenvertreterin der Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 17. Juli 2003 mitgeteilt hatte, dass sie die Kosten im eigenen Namen beitreiben wolle, hat sie unter dem 21. Juli 2003 die Umschreibung des Kostenfestsetzungsbeschlusses auf sie beantragt, wobei sie gleichzeitig die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 5. Juni 2003 zu den Akten gereicht hat. Unter dem 24. Juli 2003 hat sie sodann beantragt, unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 5. Juni 2003 einen dahingehenden Kostenfestsetzungsbeschluss gemäß § 126 Abs. 1 ZPO zu erlassen, dass die Klägerin die zu erstattenden Kosten an sie als (beigeordnete) Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu erstatten habe.

Mit Schriftsatz vom 28. August 2003 hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie mit Schreiben vom selben Tage gegenüber dem Beklagten im Hinblick auf dessen Kostenerstattungsanspruch mit ihrer den Festsetzungsbetrag übersteigenden Restforderung aus dem Vergleich die Aufrechnung erklärt habe.

Die Beklagtenvertreterin hat die Fälligkeit der Forderung, die sich nicht aus dem Titel ergebe, bestritten und sich darauf berufen, dass die Erklärung der Aufrechnung treuwidrig sei. Denn aus ihrem ursprünglichen Kostenausgleichsantrag habe sich lediglich versehentlich nicht ergeben, ob der Antrag im Namen des Beklagten oder seiner Prozessbevollmächtigten gestellt worden sei. Dem Beklagten sei Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden, so dass ihm ein Kostenerstattungsanspruch ohnehin nicht zugestanden habe. Im übrigen habe sie die Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter dem 17. Juli 2003 schriftlich darauf hingewiesen, dass sie gedenke, die Kosten im eigenen Namen gegen die Klägerin festsetzen zu lassen und ihr am 25. August 2003 telefonisch mitgeteilt, dass sie einen Antrag nach § 126 ZPO gestellt habe. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sodann die Kostenausgleichung zugesagt.

Mit Beschluss vom 4. September 2003 hat das Landgericht die von der Klägerin an die Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu erstattenden Kosten auf 889,49 Euro festgesetzt und den sich bei den Akten befindlichen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Juni 2003 für gegenstandslos erklärt.

Gegen diesen ihr am 8. September 2003 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 22. September 2003 beim Landgericht eingegangene "Beschwerde" der Klägerin, die darauf verweist, dass die Aufrechnung gegenüber der Forderung aus dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss wirksam gewesen sei, weil zu diesem Zeitpunkt der Antrag der Beklagtenvertreterin nach § 126 ZPO noch nicht beschieden gewesen sei.

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 14. April 2004 mit der Begründung nicht abgeholfen, dass die Klägerin gemäß § 126 Abs. 2 ZPO nur mit Kosten aus demselben Rechtsstreit hätte wirksam aufrechnen können und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das als sofortige Beschwerde auszulegende Rechtsmittel der Klägerin, über das gemäß § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist, ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO), aber unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht bei der Kostenfestsetzung gemäß § 126 ZPO zugunsten der Prozessbevollmächtigten des Beklagten die von der Klägerin erklärte Aufrechnung unberücksichtigt gelassen.

Der beigeordnete Anwalt kann im eigenen Namen die Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen gegen den Gegner verlangen, wozu es allerdings eines eindeutigen Antrages bedarf. Diesbezügliche Unklarheiten sind grundsätzlich durch Rückfragen zu beheben, da ein Auslegungssatz, dass ein Anwalt im Zweifel den Kostenfestsetzungsantrag namens seiner Partei stellt, nicht existiert. Parteien des Festsetzungs- und Beitreibungsverfahrens sind deshalb der Anwalt und der Gegner, gegen den sich die Festsetzung richtet. Der Mandant, dem der Anwalt beigeordnet worden war, ist aus diesem Grunde nicht Partei, zumal der Kostenerstattungsanspruch der Partei und das Beitreibungsrecht ihres Anwaltes selbstständig nebeneinander stehen. Selbst wenn die mit Prozesskostenhilfe prozessierende Partei die Kosten gegen ihren Gegner festsetzen lassen hat, hindert dies den beigeordneten Anwalt nicht daran, einen zweiten Kostenfestsetzungsbeschluss zu erwirken, durch den sein Honoraranspruch gegen den Gegner festgesetzt wird. Denn auch wenn er den ersten Kostenfestsetzungsbeschluss im Namen seiner Partei erwirkt hatte, hat er hierdurch nicht auf Beitreibung seiner Kosten nach § 126 Abs. 1 ZPO verzichtet. Allerdings muss in dem Fall, dass die Festsetzung für den Anwalt derjenigen für die Partei folgt, der Gegner davor geschützt werden, dass er dieselbe Schuld doppelt erfüllt. Mit der Festsetzung zu Gunsten des Anwalts, dessen Partei damit die Befugnis verliert, über die Kostenerstattungsansprüche zu verfügen, die der Anwalt einzieht, tritt der zu Gunsten der Partei erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss deshalb insoweit außer Kraft, was allerdings in dem (zweiten) Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten des Anwalts zum Ausdruck gebracht werden muss. In praktischer Hinsicht bestehen deshalb die Möglichkeiten, entweder den ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Partei - wie hier - zu den Akten zu nehmen, oder diesen auf den Anwalt umzuschreiben (vgl. zum Ganzen: Zöller/Philippi, Rn. 8 ff., 13 zu § 126 ZPO).

So lange der zunächst erlassene Kostenfestsetzungsbeschluss zu Gunsten der Partei nicht aufgehoben worden ist, ist es der gegnerischen Partei grundsätzlich unter Außerachtlassung der Einschränkungen des § 126 Abs. 2 ZPO möglich, diese titulierte Forderung - auch durch Aufrechnung - zu erfüllen. Denn wenn eine Partei über einen Vollstreckungstitel verfügt, der es ihr ermöglicht, im Wege der Zwangsvollstreckung eine Leistung an sich durchzusetzen, dann muss der Vollstreckungsschuldner auch in der Lage sein, durch eine freiwillige Leistung an den in dem Vollstreckungstitel genannten Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung abzuwenden, solange nicht der Tatbestand des § 242 BGB erfüllt ist (vgl. BGH NJW 1994, 3292, 3294). So liegt der Fall jedoch hier, denn die von der Klägerin erklärte Aufrechnung stellt sich als treuwidriges Verhalten dar, sodass dahinstehen kann, ob die erklärte Aufrechnung in der Sache zu Recht erfolgte und überhaupt grundsätzlich im Kostenfestsetzungsverfahren zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Beklagtenvertreterin hat der Klägerin bereits mit Schriftsatz vom 17. Juli 2003 mitgeteilt, dass sie die Kosten im eigenen Namen beitreiben wolle und unter dem 21. und 24. Juli 2003 unter Rückgabe des zu Gunsten des Beklagten erlassenen Kostenfestsetzungsbeschlusses entsprechende Anträge bei Gericht gestellt, worüber sie die Klägerin am 25. August 2003 auch telefonisch in Kenntnis setzte. Damit war für die Klägerin klar erkenntlich, dass der Beklagte eine Kostenfestsetzung im eigenen Namen nicht (mehr) anstrebte und der Beitreibungswille seiner Prozessbevollmächtigten geeignet war, eine Aufrechnung der Klägerin gegenüber dem von dem Beklagten zunächst geltend gemachten Kostenfestsetzungsanspruch mit der Forderung aus dem Vergleich zu verhindern. Ebenso war für die Klägerin ohne weiteres erkennbar, dass die Anträge der Beklagtenvertreterin vom 21. bzw. 24. Juli 2003 positiv beschieden werden würden. Unter diesen Umständen hatte sie keinen Anlass anzunehmen, der Beklagte werde nun - entgegen den Ankündigungen seiner Prozessbevollmächtigten - die Beitreibung der Kosten im eigenen Namen einleiten und aus dem zunächst (irrtümlich) erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss vollstrecken. Wenn sie in dieser Situation erst unter dem 28. August 2003 die Aufrechnung erklärt hat, dann hat sie das ersichtlich nicht getan, weil dem Beklagten auch selbst ein Kostenerstattungsanspruch zustand und sie diesen Anspruch zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung aus dem ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschluss erfüllen wollte. Die Klägerin hat vielmehr versucht, die formale Stellung, die ihr durch den Erlass des ursprünglichen Kostenfestsetzungsbeschlusses zugefallen war, bevor dieser Fehler berichtigt werden konnte, bewusst dazu auszunutzen, das in § 126 Abs. 2 Satz 1 ZPO normierte Aufrechnungsverbot zu umgehen. Dieses treuwidrige Verhalten hat zur Folge, dass sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten bzw. seiner Prozessbevollmächtigten nicht darauf berufen kann, das Beitreibungsrecht der Beklagtenvertreterin sei durch die erklärte Aufrechnung erloschen (vgl. hierzu BGH NJW 1994, 3292, 3294 f.).

Die Klägerin hätte deshalb gegen den Kostenerstattungsanspruch der Beklagtenvertreterin gemäß § 126 Abs. 2 ZPO allenfalls mit Kosten aufrechnen können, die nach der in dem selben Rechtsstreit über die Kosten erlassenen Entscheidung von der Partei zu erstatten sind. Ein solcher Fall liegt ersichtlich nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus den §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG; 2, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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