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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 18.06.2004
Aktenzeichen: 12 W 60/04
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 516 Abs. 3
ZPO § 568 Satz 1
BRAGO § 26
BRAGO § 28
BRAGO § 28 Abs. 2 Nr. 1
BRAGO § 28 Abs. 3 Satz 1, 2. Altern.
BRAGO § 31 I Nr. 1
BRAGO § 31 I Nr. 2
Die zweckentsprechende Rechtsverteidigung erfordert es nicht, bereits vor der Berufungsbegründung einen Gegenantrag anzukündigen, so dass bei einer Berufungsrücknahme vor der Begründung des Rechtsmittels nur eine 13/20-Prozessgebühr erstattungsfähig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Antrag gestellt worden ist, die mit der Berufungsrücknahme verbundenen Wirkungen im Sinne von § 516 Abs. 3 ZPO durch Beschluss auszusprechen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

12 W 60/04 OLG Naumburg

In dem Kostenfestsetzungsverfahren

hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Landgericht Stroot als Einzelrichter am 18. Juni 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Halle vom 30. Januar 2004 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die von der Beklagten an den Kläger auf Grund des Urteils des Landgerichts Halle vom 05. September 2003 und des Beschlusses des Oberlandesgerichts Naumburg vom 11. November 2003 zu erstattenden Kosten werden auf 3.939,07 EUR (anstatt 4.293,08 EUR) nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2003 festgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten trägt die Beklagte nach einem Gegenstandswert von 52,06 EUR.

Die außergerichtlichen Kosten haben der Kläger zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8 nach einem Gegenstandswert von 406,57 EUR zu tragen.

Gründe:

I.

Der in L. ansässige Kläger beauftragte mit der Durchführung des Zivilprozessverfahrens in L. ansässige Rechtsanwälte, die an der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Halle am 13. August 2003 teilnahmen.

Gegen das der Klage stattgebende Urteil legte die Beklagte unter dem 01. Oktober 2003 Berufung bei dem Oberlandesgericht Naumburg ein, ohne einen Antrag anzukündigen, die sie, nachdem der Klägervertreter bereits unter dem 09. Oktober 2003 schriftsätzlich die Vertretung des Klägers auch in II. Instanz und die Beantragung der Zurückweisung der Berufung angekündigt hatte, zurücknahm. Daraufhin auferlegte der 5. Zivilsenat der Beklagten mit Beschluss vom 11. November 2003 (auch) die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Kläger meldete zur Festsetzung gegen die Beklagte die folgenden Kosten an:

I. Instanz:

 GegenstandswertBetrag
10/10 Prozessgebühr, § 31 I Nr. 1 BRAGO136.759,50 EUR1.357,20 EUR
10/10 Verhandlungsgebühr, § 31 I Nr. 2 BRAGO136.759,50 EUR1.357,20 EUR
Zwischensumme 2.714,40 EUR
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, § 26 BRAGO 20,00 EUR
Fahrtkosten für 78 km, 0,27 EUR je km, § 28 BRAGO 21,06 EUR
Tage- und Abwesenheitsgeld, § 28 BRAGO 31,00 EUR
Endbetrag der Rechnung 2.786,46 EUR

II. Instanz

 GegenstandswertBetrag
13/10 Prozessgebühr, § 31 I Nr. 1 BRAGO18.674,09 EUR709,02 EUR
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, § 26 BRAGO 20,00 EUR
Endbetrag der Rechnung 729,02 EUR

Mit Beschluss vom 30. Januar 2004 setzte das Landgericht - unter Hinzusetzung von 777,60 EUR vom Kläger verauslagter Gerichtskosten - den von der Beklagten an den Kläger für beide Instanzen zu erstattenden Betrag (antragsgemäß) auf 4.293,08 EUR (2.786,46 EUR + 729,02 EUR + 777,60 EUR = 4.293,08 EUR) fest.

Gegen diesen ihr am 04. Februar 2004 zugestellten Beschluss wendet sich die Beklagte mit ihrem am 09. Februar 2004 beim Landgericht eingegangenen Antrag vom 06. Februar 2004 auf "Entscheidung des Gerichts".

Auf eine entsprechende Nachfrage des Landgerichts teilte die Beklagte mit, dass ihr Rechtsbehelf als sofortige Beschwerde auszulegen sei und sie sich gegen die Festsetzung der Fahrtkosten und des Tagegeldes für die I. Instanz und die Berücksichtigung einer 13/10 Gebühr für die II. Instanz wende. Insofern sei lediglich eine 13/20 Gebühr angemessen, weil die Berufung vor deren Begründung zurückgenommen worden sei.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Der offensichtlich als sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. Januar 2004 als einzig in Betracht kommender Rechtsbehelf auszulegende Antrag der Beklagten vom 06. Februar 2004, über den gemäß § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu befinden hat, weil die angefochtene Entscheidung von einer Rechtspflegerin erlassen worden ist, ist zulässig (§ 11 Abs. 1 RPflG; §§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und teilweise auch begründet, weil dem Kläger für den Berufungsrechtszug lediglich eine 13/20 Prozessgebühr in Höhe von 354,51 EUR (anstatt einer 13/10 Gebühr in Höhe von 709,02 EUR) zu erstatten ist.

Auch wenn dieser Aspekt in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist (vgl. zum Streitstand: BGH NJW 2003, 756, 757; Zöller/Herget, Rn. 13 zu § 91 ZPO, Stichwort Berufung; jeweils m. w. N.), vertritt der Senat die Ansicht, dass im Falle der Rücknahme auch einer nicht nur fristwahrend eingelegten Berufung der Berufungsbeklagte grundsätzlich nur einen Anspruch auf Erstattung der halben Prozessgebühr aus dem Streitwert des Berufungsverfahrens (13/20 Gebühr gemäß §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1, 11 BRAGO) hat, sofern der Berufungskläger bis zu diesem Zeitpunkt weder einen Berufungsantrag angekündigt, noch die Berufung begründet hat. Denn bei der Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes durch eine Partei muss gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO geprüft werden, ob die von diesem entfaltete Tätigkeit zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Danach hängt die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen des Berufungsbeklagten für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes maßgeblich von dem Verhalten des Berufungsklägers ab. Wird lediglich Berufung eingelegt, so ist der Berufungsbeklagte zwar grundsätzlich seinerseits berechtigt, sogleich einen Anwalt für die Berufungsinstanz zu beauftragen und diesen seine Vertretung gegenüber dem Berufungsgericht anzeigen zu lassen, um eventuelle Rechtsnachteile zu vermeiden. Es besteht jedoch kein Anlass zugleich - wie hier - einen Gegenantrag zu stellen bzw. anzukündigen. Denn die Stellung eines Sachantrages durch den Berufungsbeklagten, ohne dass eine Berufungsbegründung vorliegt, auf die inhaltlich eingegangen werden könnte, ist nicht geeignet, das Verfahren zu fördern und dient daher auch nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung (vgl. OLG Naumburg, JurBüro 1997, 484, 485). Die Festsetzung einer 13/10 Prozessgebühr für die Berufungsinstanz ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Kläger nach der Berufungsrücknahme beantragt hat, die mit der Berufungsrücknahme verbundenen Wirkungen im Sinne des § 516 Abs. 3 ZPO im Beschlusswege auszusprechen. Denn diese Entscheidung hat nunmehr und im Gegensatz zur Regelung des § 515 Abs. 3 ZPO (a. F.) von Amts wegen (ohne Antragstellung) zu ergehen (Zöller/Gummer, Rn. 19 zu § 516 ZPO), sodass eine entsprechende - nicht erforderliche - Antragstellung keine Gebührenfolge auszulösen vermag (Zöller/Herget, a.a.O.).

Das Landgericht hat indes zu Recht die angemeldeten Fahrtkosten und das Abwesenheitsgeld für die erste Instanz bei der Kostenfestsetzung berücksichtigt.

Denn die Mandatierung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsortes einer Partei ansässigen Rechtsanwaltes stellt im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung dar, auch wenn das Prozessgericht sich an einem anderen Ort befindet, sofern der beauftragte Rechtsanwalt dort postulationsfähig ist; also auftreten darf (BGH MDR 2003, 233 ff.). Dementsprechend sind auch die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten, die bei der Wahrnehmung von Terminen vor dem auswärtigen Prozessgericht entstehen, nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO erstattungsfähig (BGH NJW 2003, 1534), weswegen die angemeldeten Fahrtkosten in Höhe von 21,06 EUR gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 BRAGO und das angemeldete Abwesenheitsgeld in Höhe von 31,00 EUR gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1, 2. Altern. BRAGO festzusetzen waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1, 25 Abs. 2 Satz 1 GKG und den 2, 3 ZPO. Er war für die Gerichtskosten nach dem Betrag festzusetzen, in dessen Höhe das Rechtsmittel der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Bei einem Gesamtbeschwerdewert von 406,57 EUR (21,06 EUR Fahrtkosten; 31,00 EUR Abwesenheitsgeld; 354,51 EUR Differenz zwischen einer 13/10 und einer 13/20 Gebühr) und einem Teilerfolg der sofortigen Beschwerde im Wert von 354,51 EUR (ursprünglich festgesetzte 4.293,08 EUR abzüglich 354,51 EUR = nunmehr festgesetzte 3.939,07 EUR) beträgt der für die Gerichtskosten maßgebliche Teil des Unterliegens 52,06 EUR (406,57 EUR - 354,51 EUR = 52,06 EUR).

Ende der Entscheidung

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