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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: 13 W 213/01
Rechtsgebiete: RPflG, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

RPflG § 11
BRAGO § 126 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 121
ZPO § 103
ZPO § 127
ZPO § 567
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 577 Abs. 1
ZPO § 577 Abs. 2
ZPO § 122 Abs. 2
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 121 Abs. 4
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 3
1. Ob die Kosten eines Verkehrsanwaltes erstattungsfähig sind, richtet sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalles. Für eine generalisierende Betrachtungsweise besteht kein Raum.

2. Die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren entfaltet im Kostenfestsetzungsverfahren keine bindende Wirkung für die Beurteilung der Notwendigkeit der Kosten.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

13 W 213/01 OLG Naumburg 13 W 214/01 OLG Naumburg

In dem Rechtsstreit

...

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Goerke-Berzau als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Krause und die Richterin am Landgericht Lachs

am 28.11.2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortigen Beschwerden der Beklagten werden die Kostenfestsetzungsbeschlüsse des Landgerichts Stendal vom 21.3.2001 - 21 O 214/98 - teilweise dahin abgeändert,

dass die auf Grund des Urteils des Landgerichts Stendal vom 8.11.2000 von den Klägern an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf jeweils 847,94 DM nebst jeweils 4 % Zinsen seit dem 20.11.2000 festgesetzt werden. Im übrigen wird der Antrag der Kläger auf Kostenausgleichung abgewiesen.

Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.

Die von der Beklagten zu tragenden Gerichtskosten der Beschwerdeverfahren berechnen sich nach einem Wert von jeweils 54,30 DM; die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeverfahren tragen die Kläger jeweils zu 84 % und der Beklagte jeweils zu 16 %.

Wert der Beschwerde bzgl. der Klägerin zu 1. (13 W 213/01) und bzgl. des Klägers zu 2. (13 W 214/01): jeweils 329,30 DM

Gründe:

Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte dagegen, dass das Landgericht im Kostenfestsetzungsverfahren die von den Klägern geltend gemachten Kosten für einen Verkehrsanwalt in Höhe von insgesamt 2.195,30 DM einschließlich einer 3/10 Erhöhungsgebühr und Mehrwertsteuer als erstattungsfähige Kosten in Ansatz gebracht hat.

Die gem. §§ 104 Abs. 3, 567, 577 Abs. 1 und 2 ZPO, § 11 RPflG zulässigen sofortigen Beschwerden haben in der Sache weitgehend Erfolg. Das Landgericht hat zu Unrecht neben den Gebühren des Hauptbevollmächtigten die Auslagen für den Verkehrsanwalt der Kläger als erstattungsfähig angesehen. Die durch die Inanspruchnahme des Verkehrsanwalts entstandenen Kosten muss die Beklagte lediglich in Höhe der (fiktiven) Kosten einer Informationsreise erstatten.

Nach der eindeutigen Regelung in § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Anwälte, abgesehen von den in dieser Vorschrift genannten Ausnahmen, die hier nicht vorliegen, grundsätzlich nicht zu erstatten. Ausnahmsweise sind die Kosten eines Verkehrsanwalts nach § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig, wenn die Partei aus persönlichen Gründen außerstande war, ihren Hauptprozessbevollmächtigten persönlich oder schriftlich zu informieren oder wenn ihr diese Information nicht zugemutet werden konnte (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rn. 13 "Verkehrsanwalt" m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Ebensowenig kann entgegen der Ansicht der Kläger die Unzumutbarkeit einer Informationsreise festgestellt werden. Soweit in der Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten wird, ein Verkehrsanwalt dürfe mit der Folge der Erstattungsfähigkeit eingeschaltet werden, wenn die Entfernung zwischen Wohnort der Partei und dem Ort des Prozessgerichts bzw. des dort ansässigen Rechtsanwalts mehr als 40 km oder 50 km betrage, da dann mehr als ein halber Arbeitstag für die Information des Rechtsanwalts aufgewandt werden müsse (OLG Frankfurt OLGR 2000, 123; OLG Köln MDR 2000, 234), kann der Senat dem aufgrund der formalistischen und einschränkenden Betrachtungsweise nicht folgen; vielmehr ist die Entscheidung der Erstattungsfähigkeit in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, wie beispielsweise persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten der Partei, Umfang und Dauer des Rechtsstreits, zu treffen. Auch ist zu beachten, dass die Partei unter mehreren zumutbaren und gleich sicheren Möglichkeiten aufgrund der allgemeinen Pflicht, die Kosten des Verfahrens möglichst gering zu halten, die voraussichtlich billigere wählen muss.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts und der Kläger sind die Kosten des Verkehrsanwalts hier nicht deshalb erstattungsfähig, weil den Klägern mit Beschluss des Landgerichts vom 19.3.1999 im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren ein Verkehrsanwalt beigeordnet worden ist, denn diese Beiordnung entfaltet keine bindende Wirkung für die im Kostenfestsetzungsverfahren vorzunehmende Prüfung der Notwendigkeit der Kosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG Koblenz MDR 1999, 444 f. m.w.N.; OLG Hamm Rpfleger. 1983, 328; Zöller/Herget, a.a.O., § 91 Rn. 13 "Verkehrsanwalt" dort Ziff. 2 "Prozesskostenhilfe"; a.A. Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 91 Rn. 247 "Prozesskostenhilfe" und OLG Nürnberg NJW-RR 1987, 1202 f.). Die Beiordnung gem. § 121 Abs. 4 ZPO hat für den beigeordneten Rechtsanwalt lediglich zur Folge, dass er seine Auslagen von der Staatskasse ersetzt verlangen kann, wobei auch hier gem. § 126 Abs. 1 BRAGO eine Prüfung hinsichtlich der Erforderlichkeit vorzunehmen ist. Keinesfalls betrifft die Beiordnung das Verhältnis zwischen den Parteien - mit der hier nicht entscheidungserheblichen Ausnahme in § 122 Abs. 2 ZPO - und insbesondere nicht die Notwendigkeit der zu erstattenden Kosten. Dies würde eine Umgehung der Vorschrift des § 91 ZPO bewirken, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt und dem Kostenfestsetzungsverfahren zugleich die Selbständigkeit nehmen. Auch stünde einer Bindungswirkung des Beschlusses gem. § 121 ZPO der Wortlaut der Vorschrift des § 103 ZPO entgegen, wonach die Kostenfestsetzung auf der Grundlage eines "zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titels" erfolgen muss, wozu aber der Beschluss vom 19.3.1999 nicht zählt. Schließlich spricht gegen eine Bindungswirkung, dass der gegnerischen Partei in diesem Fall jegliche Möglichkeit der Überpüfung der Entscheidung über die Beiordnung des Verkehrsanwalts und damit die Erstattungsfähigkeit der Kosten genommen wäre, denn gegen den Beschluss gem. § 121 ZPO ist gem. § 127 ZPO kein Rechtsmittel möglich. Daher vermag sich der Senat der Gegenmeinung, die im übrigen nicht begründet wird, nicht anzuschließen.

Allerdings ist hier unter dem Gesichtspunkt ersparter Kosten der Partei für eine Informationsreise zu dem am Ort des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten ausnahmsweise eine teilweise Erstattungsfähigkeit der Verkehrsanwaltskosten anzunehmen, da eine solche Reise der gerichtsunerfahrenen Kläger und auch wegen des Umfangs des Prozessstoffs zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich gewesen wäre, § 91 Abs. 1 ZPO. Eine nur schriftliche oder telefonische Information eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten wäre den Klägern in Anbetracht dieser Umstände nicht zuzumuten gewesen. Der Sachverhalt dürfte allerdings bereits nach einer Informationsreise weitgehend zu klären gewesen sein, so dass es den Klägern zuzumuten sein dürfte, weitere im Verlauf des Rechtsstreits auftauchende Fragen telefonisch oder schriftlich zu beantworten. Dies gilt auch soweit der Rechtsstreit nach der erteilten Auskunft fortgesetzt worden ist, da die seitens der Kläger im Schriftsatz ohne Datum, eingegangen bei Gericht am 1.3.2000, vorgebrachten Einwendungen vorrangig dahin gingen, dass die Aktiva nicht den Stand im Zeitpunkt des Todes des Erblassers wiedergeben. Hierfür dürfte eine persönliche Besprechung nicht erforderlich gewesen sein. Weiterhin hätte es in Anbetracht der gleichlaufenden Interessen der Kläger genügt, wenn die Informationsreise von einem der Kläger durchgeführt worden wäre. Es wären demnach Kosten für eine Informationsfahrt in Höhe von insgesamt 362,00 DM entstanden. Im einzelnen:

Kosten der Bahnfahrt 2. Klasse, B. -S. -B. , § 9 ZSEG 196,00 DM

Verdienstausfall, § 2 Abs. 3 ZSEG, 8 Std. x 20,00 DM 160,00 DM

Aufwandsentschädigung, § 10 ZSEG 6,00 DM 362,00 DM

Diese Kosten sind ausnahmsweise als erstattungsfähig zugrundezulegen, so dass die außergerichtlichen Kosten der Kläger sich auf insgesamt 5.317,87 DM belaufen und unter Berücksichtigung des vorzunehmenden Kostenausgleichs der Beklagten gegen die Kläger jeweils ein Erstattungsanspruch in Höhe von 847,94 DM zusteht.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 ZPO, 1 GKG i. V. m. Nr. 1953 KostVerz. GKG.

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