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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 15.05.2001
Aktenzeichen: 14 UF 12/01
Rechtsgebiete: BGB, RpflegerG, PStG, GVG, ZPO, FGG


Vorschriften:

BGB § 1626
BGB § 1618 Satz 1
BGB § 1618 Satz 4
BGB § 1618
BGB § 1618 Satz 5
BGB § 129
BGB § 129 Abs. 2
RpflegerG § 11 Abs. 1
RpflegerG § 3 Nr. 2 lit. a
PStG § 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6
GVG § 119 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
ZPO § 176
ZPO § 187 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 2
ZPO § 516
ZPO § 187 Satz 2
ZPO § 575
FGG § 50 a Abs. 2
Auch im FGG-Verfahren ist eine Entscheidung dem Prozessbevollmächtigten (analog § 176 ZPO) zuzustellen, damit die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt wird.

Vor einer Einbennenung ist der Vater des Kindes persönlich anzuhören ( § 50a Abs. 2 FGG).


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 12/01 OLG Naumburg 13 F 3239/99 AG Magdeburg

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Wiedenlübbert und den Richter am Landgericht Materlik am

15. Mai 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Magdeburg vom 27. Juni 2000, Az.: 23 F 3239/99, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung einschließlich der über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht Magdeburg zurückverwiesen.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Dem Antragsgegner wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt D. S. , A. 36, M. zu seiner Vertretung bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist die gesetzliche Vertreterin der am 05.06.1986 geborenen L. Sch. und des am 25.09.1989 geborenen J. Sch. , die aus der geschiedenen Ehe der Antragstellerin mit dem Antragsgegner hervorgegangen sind. Die Antragstellerin hat die alleinige elterliche Sorge.

Mit Schriftsatz vom 18.06.1999 (Bl. 1 ff. d. A.) hat die Antragstellerin die Ersetzung der Einwilligung des Antragsgegners zur Namensänderung der Kinder beantragt, die zukünftig - wie die wiederverheiratete Antragstellerin - den Namen W. tragen sollen. Eine Zustimmungserklärung der Kinder zur Einbenennung liegt in der Form des von der Antragstellerin abgefassten und von den Kindern unterzeichneten Schreibens vom 19.03.1999 (Anlage K 4, Bl. 10 d. A.) sowie in Form zweier eigenhändiger privatschriftlicher Erklärungen der Kinder vom 15.11.1999 (Anlage K 1, Bl. 16 d. A.) vor.

Die gemäß § 1618 Satz 1 BGB erforderliche Einbenennungserklärung gegenüber dem Standesbeamten durch die Antragstellerin als auch durch deren Ehegatten als nicht Elternteil der Kinder liegt nicht vor.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, die Einbenennung der Kinder in die neue Familie W. diene der Integration beider Kinder, da sie mit ihrem Stiefvater ein harmonisches und vertrauensvolles Verhältnis führten. So kümmere sich der Ehemann der Antragstellerin um die schulischen Belange beider Kinder, soweit es seine Zeit zuließe. Auch verbrächten die Antragstellerin, ihr Ehemann und die Kinder die ihnen zur Verfügung stehende Freizeit gemeinsam. Demgegenüber hätten beide Kinder mit dem Antragsgegner nur noch sporadischen Umgang, wobei der Umgang mit dem Kind L. fast gänzlich eingestellt sei.

Der Antragsgegner wendet sich gegen die Namensänderung.

Er verweist darauf, dass die Ersetzung der Einwilligung des anderen Elternteils in die Einbenennung davon abhängig sei, dass die Erteilung des neuen Namens zum Wohl des Kindes "erforderlich" sein müsse.

Diese Voraussetzungen seien jedoch nicht gegeben.

Das Amtsgericht hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben und dann nach Anhörung der Kinder L. und J. am 01.02.2000 (Bl. 28 d. A.) ohne Durchführung einer mündlichen Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 27.06.2000 (Bl. 53 d. A.) die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Antragsgegners zur Namensänderung der Kinder von "Sch. " in "W. " ersetzt.

Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass sich aus der Anhörung der Kinder ergeben hätte, dass diese die Namensänderung selber wünschten, da diese namentliche Integration der Familienzugehörigkeit Ausdruck verleihe. Es sei daher im Interesse der Kinder, wie geschehen zu entscheiden.

Gegen diesen ihm am 13.07.2000 persönlich zugestellten Beschluss (Bl. 57 d. A.) hat der Antragsgegner mit am 26.07.2000 eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht nicht abgeholfen und die es erst am 01.02.2001 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig.

Das Rechtsmittel der Beschwerde ist statthaft gemäß den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1 ZPO.

Bei dem eingelegten Rechtsmittel handelt es sich um eine befristete Beschwerde, weil das Namensbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge anzusehen ist (so auch OLG Bamberg, NJW-RR 1999, 1451; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 621 Rdnr. 27; a. M. OLG Köln, FamRZ 1999, 735, einfache Beschwerde nach § 19 FGG). Gegen die hier nach § 3 Nr. 2 lit. a RpflegerG in Verb. mit § 1618 Satz 4 BGB getroffene Entscheidung des Rechtspflegers ist nach § 11 Abs. 1 RpflegerG n. F. das Rechtsmittel gegeben, welches nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist. Das ist die befristete Beschwerde nach § 621 e ZPO. Die befristete Beschwerde ist - im Ergebnis - auch form- und fristgerecht nach den §§ 621 e Abs. 3, 516, 519 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO eingelegt und begründet worden.

Wenngleich der Antragsgegner seine Beschwerde zunächst beim Amtsgericht Magdeburg am 26.07.2000 (Bl. 58 ff. d. A.) eingelegt hat, so ist diese Beschwerde doch an das zur Entscheidung berufene Beschwerdegericht gemäß § 621 e Abs. 3 Satz 1 ZPO in Verb. mit § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG, das Oberlandesgericht, gelangt.

Die Beschwerde ist auch nicht verfristet.

Gemäß §§ 621 e Abs. 3 Satz 2, 516 ZPO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Sie ist eine Notfrist (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 621 e Rdnr. 4) und beginnt grundsätzlich mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Beschlusses.

Zwar ist die Beschwerde des Antragsgegners erst am 01.02.2001 und damit mehrere Monate nach Zustellung der amtsgerichtlichen Entscheidung an den Antragsgegner vom 13.07.2000 beim Oberlandesgericht eingegangen, jedoch liegt kein Fall einer Verfristung vor.

Denn die Entscheidung des Amtsgerichts war analog § 176 ZPO an den Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zuzustellen. Wurde sie indes einem Beteiligten - wie hier dem Antragsgegner- selbst zugestellt, obwohl dieser einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt hatte, dann setzte diese Zustellung die Beschwerdefrist nicht in Lauf (Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 621 e Rdnr. 19).

Da der Antragsgegner Rechtsanwalt S. zu seinem Prozessbevollmächtigten bestellt hatte, ist danach die Beschwerdefrist durch die persönliche Zustellung an den Antragsgegner nicht in Gang gesetzt worden.

Die Beschwerdefrist hat auch im Übrigen nicht am 25.07.2000 zu laufen begonnen.

Zwar hat an diesem Tage ausweislich des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 25.07.2000 (Bl. 58 ff. d. A.) sein Prozessbevollmächtigter spätestens Kenntnis vom Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 27.06.2000 erhalten und hiergegen Beschwerde eingelegt, indes ist hierdurch der Zustellungsmangel nicht gemäß § 187 Abs. 1 Satz 1 ZPO geheilt worden.

Denn - wie bereits erwähnt - handelt es sich bei der Beschwerdefrist des § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO in Verb. mit § 516 ZPO um eine Notfrist.

Eine Heilung von Zustellungsmängeln durch Zugang des Schriftstückes an den Beteiligten, dem es hätte zugestellt werden müssen, kommt aber gemäß § 187 Satz 2 ZPO nicht in Betracht, wenn - wie hier - durch die Zustellung der Lauf einer Notfrist in Gang gesetzt werden soll.

Nach alledem ist die Beschwerde nicht verfristet.

2. Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist im Übrigen auch insoweit begründet, als sie gem. § 575 ZPO zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht führt.

Denn das Vorliegen der formellen Voraussetzungen einer wirksamen Namensänderung gemäß § 1618 BGB zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Amtsgericht kann nicht festgestellt werden.

a) So ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin als allein sorgeberechtigter Elternteil der Kinder J. und L. und der Ehegatte der Antragstellerin, der nicht Elternteil der Kinder ist, die gemäß § 1618 Satz 1 BGB erforderliche Einbenennungserklärung, d. h. die Erteilung ihres Ehenamens an die Kinder, in einer der Form des § 1618 Satz 5 BGB genügenden Form abgegeben haben.

Denn nach den vorgenannten Vorschriften hätte die Antragstellerin und deren jetziger Ehegatte, W. W. , den Kindern durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten ihren Ehenamen erteilen können. Diese Erklärungen hätten jedoch öffentlich beglaubigt sein müssen.

Es ist weder feststellbar, dass die Antragstellerin und ihr Ehegatte gegenüber dem Standesbeamten eine entsprechende Erklärung abgegeben haben, noch dass diese gemäß § 1618 Satz 5 BGB in Verb. mit § 129 BGB öffentlich beglaubigt worden wäre. Auch ist nicht feststellbar, dass die Erklärung ggfs. durch eine notarielle Beurkundung gemäß § 129 Abs. 2 BGB ersetzt worden wäre.

Es ist ferner nicht feststellbar, dass eine öffentliche Beglaubigung der Erklärung nach § 31a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 PStG durch den Standesbeamten erfolgt wäre.

Die Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form stellt aber bereits einen Verfahrensfehler dar (vgl. OLG Köln, FamRZ 1999, 735, 736).

b) Auch ist nicht ersichtlich - und damit ebenfalls verfahrensfehlerhaft - dass die beiden Kinder, die zum Zeitpunkt der Entscheidung das 5. Lebensjahr vollendeten hatten, aber noch nicht das 14. Lebensjahr, ihre Einwilligungen in die Einbenennung formgerecht erklärt hätten (vgl. OLG Köln , a.a.O. S. 736).

Die von der Antragstellerin verfasste und von den Kindern unterzeichnete Erklärung vom 19.03.1999 (Anlage K 4, Bl. 10 d. A.) genügt den gesetzlichen Anforderungen ebenso wenig wie die eigenhändigen schriftlichen Erklärungen der beiden Kinder vom 15.11.1999 (Anlage K 1, Bl. 16 d. A.).

Die zur Einbenennung notwendige Einwilligungserklärung des Kindes kann gemäß den §§ 1618 Satz 3 und Satz 5, 1617 c Abs. 1 Satz 2 der Sorgeberechtigte, also hier die Antragstellerin abgeben, aber dies muss formgerecht durch öffentlich beglaubigte Erklärung vor dem Standesbeamten (§§ 1618 S. 6, 1617 c Abs. 1 Satz 3 BGB) geschehen. Es genügt nicht, wie von der Antragstellerin mit Brief an den Antragsgegner vom 19.03.1999, Anlage K 4 (Bl. 10 d. A.) getan, privatschriftlich darzutun, dass die Kinder mit einer Einbenennung einverstanden sind und dass auch sie, die Antragstellerin, eine Einbenennung im Interesse der Kinder dem Antragsgegner vorschlage.

Gleiches gilt im Hinblick auf die schriftlichen Erklärungen der Kinder L. und J. vom 15.11.1999 (Anlage K 1, Bl. 16 d. A.). Auch hier sind die Einwilligungen nicht formgerecht erklärt.

c) Ferner nötigt weiterer folgender Verfahrensfehler zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Vor ihrer Entscheidung nach § 1618 Satz 4 BGB hätte die Rechtspflegerin nämlich den Vater der Kinder gemäß § 50 a Abs. 2 FGG persönlich anhören müssen, was nicht geschehen ist. Das Recht der Namensbestimmung gehört - wie bereits erwähnt - zur elterlichen Sorge nach § 1626 BGB, sodass schon aus diesem Grund die persönliche Anhörung auch des nicht sorgeberechtigten Vaters nach § 50 a Abs. 2 FGG zwingend geboten ist. Dies gilt umso mehr, als die Ersetzung der Einwilligung zur Einbenennung einen gravierenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters nach Artikel 6 GG und in die Beziehungen zwischen Vater und Kind darstellt, was eine persönliche Anhörung des Vaters unabweislich erforderlich macht. In diesem Zusammenhang ist weiter zu berücksichtigen, dass der gemeinsame Familienname, der aufgegeben werden soll, nach Außen hin die Zugehörigkeit und Zuordnung eines Kindes zu seinem Vater dokumentiert, sodass die Aufhebung dieser äußeren Verbindung schwerwiegende Folgen für das Zugehörigkeitsgefühl und damit die tatsächlichen Beziehungen zwischen Vater und Kind haben kann.

Im Rahmen der Aufhebung und Zurückverweisung wird daher das Amtsgericht neben der Überprüfung des Vorliegens der förmlichen Voraussetzungen für die Einbenennung eine persönliche Anhörung des Antragsgegners nachzuholen haben.

d) Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass die Ersetzung des Namens des Vaters durch Einbenennung des Kindes nach § 1618 Satz 4 BGB nur erfolgen kann, wenn dies für das Wohl des Kindes erforderlich erscheint. Es ist damit nicht ausreichend, wenn die Ersetzung lediglich dem Kindeswohl dient. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass die psychosoziale Situation des Kindes - hier der Kinder - in der Nachscheidungsfamilie und die Beziehungen der Beteiligten zueinander und zu dem Kind und ihre Bedeutung für das Kind genau zu ermitteln sind und die Entscheidung unter Beachtung des Elternrechts des Vaters ausführlich zu begründen ist.

Da aber die angefochtene Entscheidung in mehrfacher Hinsicht verfahrensfehlerhaft ergangen ist, war sie aufzuheben und das Verfahren zur erneuten Behandlung und Entscheidung gemäß § 575 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

III.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren werden in Anbetracht der unzutreffenden Behandlung der Sache durch das Amtsgericht nicht erhoben (§ 8 Abs. 1 GKG).

IV.

Dem Antragsgegner war gemäß den §§ 14 FGG, 114 ZPO ratenfreie Prozesskostenhilfe zu gewähren. Die Erfolgsaussicht seiner Beschwerde ergibt sich aus den Gründen des Beschlusses.



Ende der Entscheidung

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