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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 31.07.2001
Aktenzeichen: 14 UF 90/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, RPflG, FGG, KostO


Vorschriften:

BGB § 1818 Satz 4
BGB § 1618
BGB § 1618 Satz 4
BGB § 1618 Satz 1
BGB § 1618 Satz 3
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 e
ZPO § 621 e Abs. 3
ZPO § 516
ZPO § 519 Abs. 1 und 2
ZPO § 621 e Abs. 3 Satz 1
RPflG § 3 Nr. 2 lit. a
RPflG § 11 Abs. 1
FGG § 50 a Abs. 2
FGG § 50 a Abs. 3 Satz 1
KostO § 131 Abs. 2
KostO § 30 Abs. 2 u. 3 Satz 1
Auch wenn der Gesetzgeber mit dem Begriff der ,Erforderlichkeit" in § 1818 Satz 4 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass über die berechtigten Interessen des nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht zu leicht hinweggegangen werden darf (OLG Bamberg in NJW-RR 99, 1451) und die Eingriffsschwelle damit hoch angesetzt ist (Wagenitz in FamRZ 98, 1545 f) führt dies nicht dazu, dass eine Ersetzung der Einwilligung nur in Betracht kommt, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre (so aber OLG Bamberg aaO). Eine derart restriktive Interpretation des Tatbestandsmerkmals ist weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen noch mit dem Gesetzeszweck in Einklang zu bringen.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 UF 90/01 OLG Naumburg

In der Familiensache

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende, den Richter am Oberlandesgericht Bisping und den Richter am Landgericht Materlik am

31. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 18. Mai 2001, Aktenzeichen: F 398/00, aufgehoben und die Einwilligung des Antragsgegners zur Namensänderung der Antragsteller zu 1 und 2 , die entsprechend der Erklärung der Antragsteller zu 3 und 4 deren Ehenamen "S. " statt "K. " als Nachnamen erhalten, ersetzt.

Gerichtsgebühren und Auslagen für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die am 10.05.1985 bzw. 19.12.1989 geborenen Antragsteller zu 1 und 2 sind die ehelichen Kinder der Antragstellerin zu 3 und des Antragsgegners.

Die Ehe der Eltern wurde durch Eintragung im Jahre 1994 geschieden.

Am 7. Februar 1996 heiratete die Antragstellerin zu 3 den Antragsteller zu 4, dessen Nachnamen "S. " sie als gemeinsamen Ehenamen führen.

Aus dieser Ehe ist zwischenzeitlich die Tochter Viktoria S. hervorgegangen.

Im Jahre 1999 reiste die Antragstellerin zu 3 mit ihren beiden Kindern, den Antragstellern zu 1 und 2, aus dem Gebiet der russischen Föderation nach Deutschland aus.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Dessau vom 20. Juli 2000, Aktenzeichen F 207/00, (Bl. 9 d.A.) wurde das Ruhen der elterlichen Sorge festgestellt.

Mit Antrag vom 15. August 2000 beantragte die Antragstellerin zu 3, die Einwilligung des Kindesvaters in die Umbenennung ihrer Kinder auf den Nachnamen "S. " zu ersetzen, da der Kindesvater auf ein entsprechendes Anschreiben mit der Bitte um freiwillige Zustimmung nicht reagiert habe und sie zudem alle wollten, dass auch die Antragsteller zu 1 und 2 den neuen Familiennamen "S. " trügen.

Am 13. Oktober 2000 beantragten auch die übrigen Antragsteller, die Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung zu ersetzen.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Dessau hat die Antragsteller am 13. Oktober 2000 persönlich angehört.

Ein an den Kindesvater schriftlich gerichtetes Gesuch vom 30. Oktober 2000 (Bl. 17 d.A.) um Stellungnahme blieb unbeantwortet.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2001 (Bl. 21/22 d.A.) hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen unter Hinweis darauf, dass zwar eine Umbenennung dem Kindeswohl dienlich sei, aber keineswegs - was aber § 1618 BGB voraussetze - deren Erforderlichkeit erkennbar sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin zu 3, die Kindesmutter, am 5. Juni 2001 beim Amtsgericht Widerspruch eingelegt, der am 13 Juni 2001 beim Oberlandesgericht durch Vorlage seitens des Amtsgerichts eingegangen ist.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels trägt die Kindesmutter vor, dass eine Umbenennung der Antragsteller zu 1 und 2 auf den Namen "S. " -entgegen der Ansicht des Amtsgerichts - erforderlich sei.

So sprächen die vorliegenden Stellungnahmen des Jugendamtes und der Schule als auch das ärztliche Attest der Dr. med. U. davon, dass eine Umbenennung der Kinder in deren Interesse liege.

Im Übrigen fördere die Umbenennung ihrer Kinder auf den deutschen Namen "S. " deren Integration in Deutschland. Für die Sicherung der Zukunft ihrer Kinder sei daher die Einbenennung unabdingbar.

II.

1. Der von der Kindesmutter eingelegte Widerspruch ist als Beschwerde gemäß den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1 ZPO statthaft.

Bei dem Rechtsmittel handelt es sich um eine befristete Beschwerde, weil das Namensbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge anzusehen ist (so auch OLG Bamberg, NJW-RR 1999,1451; Zöller- Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 621 Rdnr. 27; a.M. OLG Köln, FamRZ 1999, 735: einfache Beschwerde nach § 19 FGG). Gegen die hier nach § 3 Nr. 2 lit. a RPflG in Verb. mit § 1618 Satz 4 BGB getroffene Entscheidung der Rechtspflegerin ist nach § 11 Abs. 1 RPflG n.F. das Rechtsmittel gegeben, welches nach den allgemeinen Vorschriften zulässig ist. Das ist aber die befristete Beschwerde gemäß § 621 e ZPO.

Die befristete Beschwerde der Kindesmutter ist auch in der gesetzlichen Form und Frist nach den §§ 621 e Abs. 3, 516, 519 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt und begründet worden.

Soweit das Rechtsmittel zunächst - entgegen § 621 e Abs. 3 Satz 1 ZPO - nicht beim zuständigen Beschwerdegericht, sondern beim Amtsgericht eingegangen war, ist dies vorliegend unschädlich, denn durch Verfügung des Amtsgerichts ist die Beschwerde noch innerhalb der gesetzlichen Notfrist beim Oberlandesgericht eingegangen, was aber genügt.

2. Die Beschwerde hat zudem auch in der Sache Erfolg.

Gemäß § 1618 Satz 1 BGB kann der Elternteil, dem die elterliche Sorge für ein unverheiratetes Kind allein zusteht, und sein Ehegatte, der nicht Elternteil des Kindes ist, durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten dem Kind ihren Ehenamen erteilen. Nach § 1618 Satz 3 BGB bedarf die Erteilung des Namens, wenn das Kind den Namen des anderen Elternteils führt, unter anderem der Einwilligung dieses Elternteils. Ausnahmsweise kann aber das Familiengericht gemäß § 1618 Satz 4 BGB die Einwilligung des anderen Elternteils in eine Umbenennung ersetzen, wenn die Erteilung des (neuen) Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

Die nach § 1618 Satz 3 BGB erforderliche Einwilligung des Kindesvaters, der auf eine entsprechende schriftliche Aufforderung seiner vormaligen Ehefrau, der Kindesmutter, ebenso wenig reagierte wie auf die gerichtliche Aufforderung zur Stellungnahme zum Ersetzungsantrag, konnte das Amtsgericht im hier vorliegenden Fall gemäß § 1618 Abs. 4 BGB ausnahmsweise ersetzen.

Denn das Amtsgericht hat verkannt, dass die Erteilung des Ehenamens der Kindesmutter für das Wohl der Kinder erforderlich ist.

Nach Auffassung des Senats kann hinsichtlich der Frage, ob die Namensänderung zum Wohl eines Kindes erforderlich ist, nicht schematisch darauf abgestellt werden, dass der gemeinsame Familienname das letzte Bindeglied zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil darstellt und daher schützenswert sei. Ob die Ersetzung der Einwilligung zur Namensänderung zum Wohl des Kindes erforderlich ist, bedarf vielmehr einer umfassenden Abwägung zwischen dem wohlverstandenen Interesse des Kindes an einer Namensänderung einerseits und dem Erhaltungsinteresse des nicht sorgeberechtigten Elternteils an dem gemeinsamen Namen andererseits.

Auch wenn der Gesetzgeber mit dem Begriff der "Erforderlichkeit" in § 1618 Satz 4 BGB zum Ausdruck gebracht hat, dass über die berechtigten Interessen des nicht sorgeberechtigten Elternteils nicht zu leicht hinweggegangen werden darf (OLG Bamberg, NJW-RR 1999,1451) und die Eingriffsschwelle damit hoch angesetzt ist (Wagenitz, FamRZ 1998,1545f., 1551), führt dies nicht dazu, dass eine Ersetzung der Einwilligung nur in Betracht kommt, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre (so aber OLG Bamberg, a.a.O.). Eine derart restriktive Interpretation des Tatbestandsmerkmals, d.h. des die Ersetzung der Einwilligung erfordernden Kindeswohls, ist weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen noch mit dem Gesetzeszweck, sofern überhaupt noch ein praktisch relevanter Anwendungsbereich der Norm verbleiben soll, in Einklang zu bringen.

Nach Auffassung des Senats ist die Einwilligung vielmehr dann zu ersetzen, wenn triftige - d.h. vernünftige und nachvollziehbare - Gründe des Kindeswohls für die Namensänderung und damit gleichzeitig für die Zurückstellung des Erhaltungsinteresses des nicht sorgeberechtigten Elternteils sprechen (ebenso: OLG Köln, NJW-RR 1999, 729; Wagenitz, FamRZ 1998, 1545,1551 r. Sp. u. f.).

Als Kriterien können dabei die Intensität der Beziehung zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, das Bedürfnis des Kindes nach einer stabilen familiären Beziehung, nach Geborgenheit und Integration herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist auch, ob sich der nicht sorgeberechtigte Elternteil um das Wohlergehen des Kindes gekümmert hat.

Die Würdigung der vorgenannten Kriterien führt im vorliegenden Fall dazu, dass das Interesse der Kinder an einer Namensänderung das gegenwärtige Interesse des Antragsgegners überwiegt.

Ein persönlicher Kontakt zwischen den Kindern und ihrem leiblichen Vater, dem Antragsgegner, besteht seit der Scheidung von der Kindesmutter im Jahre 1994 - wie dem erstinstanzlich eingeholten Bericht des Jugendamtes der Stadt Dessau zu entnehmen ist -nicht mehr. Bis auf zwei Briefe und ein einmaliges Geschenk hat der Antragsgegner auch im Übrigen keinerlei Interesse mehr an seinen Kindern gezeigt. Hinzukommt, dass der Kindesvater im Jahre 1999 zudem seine Zustimmung zur Ausreise seiner beiden Kinder aus den GUS-Staaten erklärt hat.

Andererseits haben die beiden Kinder, die Antragsteller zu 1 und 2, anläßlich ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht am 13.10.2000 deutlich erklärt, dass sie unbedingt so heißen wollten, wie ihre "Eltern". Gerade letzteres läßt aber nur zu deutlich erkennen, dass beide Kinder der Antragstellerin zu 3 auf das Beste in der neuen Familie integriert sind und mit dem Namen "S." die Eingliederung in den neuen Familienverband auch deutlich nach außen hin dokumentieren wollen.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass den beiden Kindern mit dem deutschen Namen "S." sicherlich die Integration innerhalb der deutschen Gesellschaft leichter fallen wird als mit dem doch sehr schwer auszusprechenden bisherigen russischen Nachnamen.

Schließlich kann auch nicht außer Acht gelassen werden, dass sich sowohl das Jugendamt und auch die Schule der Kinder für die Einbenennung der Kinder unter Hinweis auf das Kindeswohl ausgesprochen haben, wobei insbesondere die zuständige Schule darauf hingewiesen hat, dass durch die Einbenennung sich ergebende zwischenmenschliche Probleme schneller abgebaut werden könnten bzw. erst gar nicht entstünden.

Darüber hinaus wird durch die Stellungnahme der Kinderärztin Dr. I. U. vom 6.12.2000 besonders verdeutlicht, dass es für die psychische Entwicklung eines Kindes, und damit der Antragsteller zu 1 und 2, besser ist, wenn alle Kinder einer Familie denselben Familiennamen führen und sich damit gleichberechtigt fühlen können.

Danach überwiegt aber das plausible und triftig motivierte Interesse der Kinder an ihrer Namensänderung, sodass die Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung für das Kindeswohl erforderlich ist.

Ausnahmsweise steht der Ersetzung der Einwilligung in die Namensänderung auch nicht die hier fehlende Anhörung des Kindesvaters entgegen.

Dem Amtsgericht ist - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Naumburg - zuzugeben, dass grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach § 50 a Abs. 2 FGG im Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung erforderlich ist (so Beschlüsse des OLG Naumburg vom 16.10.2000, 8 UF 217/00, vom 28.06.1999, 8UF 150/99, und vom 11.10.2000, 8 UF 207/00). Indes bestimmt § 50 a Abs. 3 Satz 1 FGG weiter, dass das Gericht im Einzelfall aus schwerwiegenden Gründen von der Anhörung absehen darf. Derart schwerwiegende Gründe liegen aber bei einem Auslandsaufenthalt des anzuhörenden Elternteils von nicht absehbarer Dauer und bei sonstiger Unerreichbarkeit vor (Keidel/Kuntze/Winkler-Kuntze, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 13. Aufl., § 50 a Rdnr. 23).

Diese Gründe sind hier gegeben.

So hält sich der Kindesvater auf nicht absehbare Zeit im Gebiet der Russischen Föderation auf. Zudem ist er nicht erreichbar. So hat er weder auf ein Schreiben der Kindesmutter reagiert, noch hat er auf die an seine letzte Adresse gerichtete Verfügung des Amtsgerichts vom 30.10.2000 geantwortet, mit dem ihm Gelegenheit gegeben wurde, schriftlich zum Antrag auf Ersetzung der Einwilligung in die Namensänderung Stellung zu nehmen.

In Anbetracht der vorstehenden besonderen Umstände konnte aber gemäß § 50 a Abs. 3 Satz 1 FGG im hier vorliegenden Fall ausnahmsweise von der ansonsten regelmäßig gebotenen Anhörung des Kindesvaters abgesehen werden.

Nach alledem war der Beschluss des Amtsgerichts aufzuheben. Die fehlende Einwilligung des Antragsgegners konnte und musste ersetzt werden.

III.

Gerichtsgebühren und Auslagen für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben ( § 131 Abs. 1 Satz 2 , Abs. 3 und Abs. 5 KostO).

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus den §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 und 3 Satz 1 KostO.

Ende der Entscheidung

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