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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 29.06.2001
Aktenzeichen: 14 WF 108/01
Rechtsgebiete: ZPO, GKG


Vorschriften:

ZPO § 628 Satz 1 Nr. 4
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 252
ZPO §§ 622 ff.
ZPO § 567 Abs. 1 1. Fall
ZPO § 567 Abs. 1 2. Fall
ZPO § 628
ZPO § 628 Satz 1
ZPO § 176
ZPO § 78 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 81
ZPO § 613
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 3
GKG § 17 a Nr. 1
GKG § 14 Abs. 1 Satz 1
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
Die Nichtabtrennung des Versorgungsausgleichs im Scheidungsverbund ist anfechtbar; die Abtrennung kann vom Senat angeordnet werden.

(Anmerkung: Diese Rechtsauffassung wird vom 1. und 2. Familiensenat nicht geteilt, vgl. 3 WF 114/96 in OLG-R 1997, 69; 8 UF 209/99 in OLG-R 2000, 360; 8 UF 245/99 in FamRZ 2001, 430. Der 3. Familiensenat hat diese Rechtsprechung nicht erwähnt.)


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 108/01 OLG Naumburg F 226/99 AG Dessau

In der Familiensache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am

29. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 2. Juni 2001, Az.: F 226/99, aufgehoben und das Verfahren über die Durchführung des Versorgungsausgleichs von der Scheidungssache abgetrennt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Schriftsatz vom 27.05.1999 (Bl. 1 ff. d. A.) beantragte der Antragsteller, die zwischen den Parteien bestehende, vor dem Standesbeamten in D. am 8.09.1989 unter der Heiratsregister-Nr.: ... geschlossene Ehe zu scheiden. Der Scheidungsantrag wurde der Antragsgegnerin am 17.08.1999 zugestellt (Bl. 7 d. A.), die ihrerseits mit Schriftsatz vom 27.08.1999 (Bl. 10/11 d. A.), dem Antragsteller zugestellt am 1.09.1999 (Bl. 13 d. A.), ebenfalls die Scheidung beantragte.

Mit Schriftsatz vom 16.09.1999 reichte der Antragsteller erstmals den Fragebogen zum Versorgungsausgleich ein (Bl. 2 - 5 d. Unterakte Versorgungsausgleich, im Folgenden: UA.). Dieser war jedoch bezüglich der Dauer der vom Antragsteller geleisteten Dienste bei der NVA unvollständig ausgefüllt, sodass er mit gerichtlicher Verfügung vom 1.10.1999 (Bl. 17 d. UA.) aufgefordert wurde, die Formulare zum Versorgungsausgleich nunmehr vollständig ausgefüllt erneut bei Gericht einzureichen.

Mit Schriftsatz vom 5.10.1999 reichte der Antragsteller den neuerlich ausgefüllten Fragebogen zum Versorgungsaugleich bei Gericht ein (Bl. 18 - 21 d. UA) und teilte mit Schriftsatz vom 26.10.1999 (Bl. 23 d. UA.) die Dauer seines NVA-Dienstes mit.

Auf mehrfache Aufforderungen der Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, mit denen diese - zwecks Kontenklärung - den Antragsteller um Übersendung sämtlicher Sozialversicherungsnachweise, des Facharbeiterbriefes, des Wehrpasses etc. gebeten hatte, reagierte der Antragsteller indes nicht (vgl. Bl. 25, 28 d. UA.), sodass schließlich das Amtsgericht - nach vorheriger Androhung (Bl. 26 d. UA.) - mit Beschluss vom 21.02.2000 (Bl. 29 d. UA.) gegen den Antragsteller zur Erzwingung der Auskunftserteilung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 DM festgesetzt hat.

Mit Schreiben vom 9.05.2000 (Bl. 35 d. UA.) teilte die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt mit, dass - mangels vorliegender Unterlagen des Antragstellers - behördlicherseits nunmehr das Verfahren zum Versorgungsausgleich vorerst nicht weiter betrieben würde. Nachdem für die Antragsgegnerin die Auskunft zu ihren Versorgungsanwartschaften bei der Bahnversicherungsanstalt - Bezirksleitung C. - vom 25.05.2000 beim Amtsgericht Dessau eingegangen war (Bl. 36 ff. d. UA.), beantragte sie mit Schriftsatz vom 15.05.2001 (Bl. 50 d. UA.), das Verfahren bezogen auf den Versorgungsausgleich abzutrennen und in der Ehescheidungssache umgehend zu terminieren.

Mit Beschluss vom 2.06.2001 (Bl. 51 d. UA.) hat das Amtsgericht - Familiengericht - Dessau den Antrag auf Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, das Versorgungsausgleichsverfahren könne nicht gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO abgetrennt werden, weil nach der derzeitigen Sachlage noch nicht davon ausgegangen werden könne, dass die gleichzeitige Entscheidung über den Versorgungsausgleich den Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögere. So sei das Scheidungsverfahren erst im August 1999 rechtshängig geworden, und überdies würde ein Verhandlungstermin nicht bestimmt, da die Anschrift des Antragstellers dem Gericht derzeit nicht bekannt sei.

Hiergegen hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 14.06.2001 (Bl. 54/55 d. UA.) sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, dass das Versorgungsausgleichsverfahren von dem laufenden Ehescheidungsverfahren abgetrennt werde.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass in Anbetracht der seit Rechtshängigkeit verstrichenen Zeit von fast zwei Jahren eine weitere Verzögerung des Scheidungsverfahrens im Hinblick auf die Durchführung des Versorgungsausgleichsverfahrens für sie, die ihren Anforderungen sofort genügt habe, eine Unzumutbarkeit darstelle. Dass der Antragsteller auf Grund der langen Dauer des Scheidungsverfahrens bereits mehrfach umgezogen sei, habe sie nicht zu vertreten. Schließlich könne auch an den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt werden. Im Übrigen habe sie ihrer Verpflichtung zur Mitwirkung bei der erforderlichen Kontenklärung genügt, da sie mit Schriftsatz vom 15.05.2001 - unstreitig - dem Gericht die neue ladungsfähige Anschrift des Antragstellers mitgeteilt habe.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den die Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahren ablehnenden Beschluss des Amtsgerichts hat Erfolg.

1. Sie ist gemäß § 567 Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 252 ZPO statthaft und auch zulässig.

Die Frage, ob eine ablehnende Entscheidung über die Abtrennung einer Folgesache anfechtbar ist, ist auch heute noch höchst umstritten.

Indes ist der Senat der Auffassung, dass die den Antrag auf Abtrennung einer Folgesache abweisende Beschlussentscheidung eines Familiengerichts mit der Beschwerde angreifbar ist, sodass im hier vorliegenden Entscheidungsfall die von der Antragsgegnerin eingelegte Beschwerde auch statthaft ist.

Nach § 567 Abs. 1 ZPO findet eine Beschwerde nur in den in der Zivilprozessordnung ausdrücklich hervorgehobenen Fällen und gegen solche eine mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen wird.

Eine ausdrückliche Regelung über die Anfechtung eines die Abtrennung von Folgesachen abweisenden Beschlusses ist in den §§ 622 ff. ZPO nicht vorgesehen, sodass danach eine Beschwerde nach § 567 Abs. 1, 1. Fall ZPO gegen den ablehnenden Beschluss nicht in Betracht kommt.

Jedoch wird zum Teil in der Literatur und Rechtsprechung der Antrag, die Ehe vor einer Entscheidung über eine Folgesache zu scheiden, als ein das Verfahren betreffendes Gesuch im Sinne von § 567 Abs. 1, 2. Fall ZPO angesehen, mit der Folge, dass der eine Abtrennung der Folgesache ablehnende Beschluss nach § 567 Abs. 1 ZPO mit der (einfachen) Beschwerde anfechtbar sein soll (OLG Hamm, FamRZ 1986,1121; OLG Frankfurt, FamRZ 1979, 62; Schlosser, in: Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, Band 5/2, 21. Aufl., § 628 Rdnr. 17). Denn auch wenn in § 628 ZPO von einem Gesuch der Partei keine Rede sei - so die Vertreter dieser Ansicht -, dann handele es sich bei der ablehnenden Entscheidung des Gerichts trotzdem nicht nur um eine rein prozessleitende Maßnahme, sondern um eine solche, die unmittelbar die Rechtsposition der Partei berühre. Zudem lasse eine enge Auffassung vom Begriff des Gesuchs im Sinne von § 567 Abs. 1 ZPO den bereits im öffentlichen Recht gefestigten Grundsatz außer Acht, eine Anfechtung von Ermessensentscheidungen zuzulassen, wobei es dann lediglich eine Frage der Begründetheit sei, ob von dem Ermessen fehlerhaft Gebrauch gemacht worden sei. Aber auch die Entscheidung über die Abtrennung nach § 628 ZPO stelle sich als eine derartige Ermessensentscheidung dar, die überprüfbar sein müsse (OLG Frankfurt, FamRZ 1979, 62; OLG Hamm, FamRZ 1986, 1121).

Dagegen wenden sich jedoch große Teile der Rechtsprechung, welche die Ansicht vertreten, es handele sich bei dem Antrag auf Abtrennung der Folgesache lediglich um eine Anregung, über die das Familiengericht nach § 628 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu entscheiden habe (OLG Düsseldorf, FamRZ 1878, 123 und 807/808; OLG Koblenz, FamRZ 1991, 209; ), sodass eine Anfechtbarkeit des eine Vorabentscheidung über den Scheidungsausspruch ablehnenden Beschlusses nach § 567 Abs. 1, 2. Fall ZPO ausscheide.

Denn bereits aus dem Wortlaut des § 628 Satz 1 ZPO ( "Das Gericht kann stattgeben") folge - so die Vertreter dieser Ansicht - , dass die Abtrennung nicht auf Antrag einer Partei stattfinde, sondern dass hierüber das Gericht zu entscheiden habe, sofern die Voraussetzungen für eine Abtrennung vorlägen (OLG Düsseldorf, FamRZ 1978, 807, 808).

Nach einer anderen, dritten Auffassung soll zwar eine Beschwerde gegen die Nichtabtrennung einer Folgesache im Scheidungsverbundverfahren in der Regel unzulässig sein. Indes wird eine Beschwerde ausnahmsweise dann für statthaft erachtet, wenn die Ablehnung der Abtrennung einer Aussetzung des Verfahrens gleichkomme. Insoweit sei nämlich zu berücksichtigen, dass eine Verfahrensaussetzung grundsätzlich gemäß § 252 ZPO mit der Beschwerde anfechtbar sei (OLG Frankfurt, FamRZ 1997,1167; im Ergebnis ebenso: Finger, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl., § 628 Rdnr. 19: § 252 ZPO analog, und Zöller-Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 628 Rdnr. 11).

Der Senat ist geneigt, den Begriff des Gesuchs in § 567 Abs. 1, 2. Fall ZPO weit auszulegen, sodass damit der Antrag der Antragsgegnerin auf Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens als ein das Verfahren betreffendes Gesuch im Sinne der vorgenannten Vorschrift angesehen werden könnte, welches durch den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Juni 2001 zurückgewiesen wurde.

Denn so ist zum einen zu berücksichtigen, dass durch eine ablehnende Entscheidung über den Antrag auf Vorabentscheidung über die Scheidung massiv und in verfahrensverzögernderweise in die Rechtsposition der hierdurch benachteiligten Partei eingegriffen wird, und zum anderen ist weiter zu beachten, dass nach Art. 19 Abs. 4 GG eine umfassende Rechtsweggarantie gegen Akte hoheitlicher Gewalt zu gewährleisten ist. Danach ist § 567 Abs. 1 ZPO aber im Lichte von Art. 19 Abs. 4 GG zu interpretieren, sodass infolgedessen der Begriff des das Verfahren betreffenden Gesuchs weit auszulegen wäre.

Im Übrigen: Selbst wenn man der Ansicht wäre, dass es sich bei der Entscheidung über die Abtrennung nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO stets um eine von Amts wegen zu treffende Entscheidung handelt, dann schlösse dies keineswegs aus, dass hierdurch zugleich ein Antrag im Sinne von § 567 Abs. 1, 2. Fall ZPO zurückgewiesen werden kann (Zöller-Gummer, a.a.O., § 567 Rdnr. 31).

Im Ergebnis kann jedoch offenbleiben, ob es sich bei dem Antrag der Antragsgegnerin auf Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens um ein Gesuch im Sinne von § 567 Abs. 1, 2. Fall ZPO handelt; denn die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Dessau vom 2. Juni 2001 ist auf jeden Fall als Beschwerde nach § 252 ZPO statthaft. Insoweit folgt der Senat hier auf jeden Fall der dritten Ansicht.

§ 252 ZPO gewährt nämlich gegen eine Entscheidung, durch die ein Verfahren auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen ausgesetzt wird, die Beschwerde. Damit sind aber auch Entscheidungen mit mittelbarer Aussetzungswirkung wie die Vertagung auf unbestimmte Zeit, die Ablehnung einer Terminsanberaumung, einer Verhandlung nach Erlass eines Vorbehalts- oder Zwischenurteils oder eines Beweisbeschlusses, der einen Verfahrensstillstand verursacht, anfechtbar. Aber auch ein Beschluss, wie er hier vorliegt, durch den die Vorabentscheidung über die Scheidung abgelehnt wird, wirkt im Ergebnis wie eine (faktische) Aussetzung des Verfahrens, und er ist daher mit der Beschwerde anfechtbar, insbesondere dann, wenn wie hier erkennbar ist, dass infolge mangelnder Mitwirkung des Antragstellers es auf ungewisse Zeit nicht zu einem Fortschritt im Verfahren über den Versorgungsausgleich kommen wird.

2. Die danach statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO kann das Gericht dem Scheidungsantrag vor der Entscheidung über eine Folgesache stattgeben, soweit die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache den Scheidungsausspruch so außergewöhnlich verzögern würde, dass der Aufschub auch unter Berücksichtigung der Bedeutung der Folgesache für den Antragsteller eine unzumutbare Härte darstellen würde.

Ob das Gericht von der ihm damit eingeräumten Möglichkeit einer Vorabentscheidung gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO Gebrauch macht, steht dabei in seinem pflichtgemäßen Ermessen (BGH, FamRZ 1991, 1043, 1044).

Dass das Amtsgericht hier von dem ihm eingeräumten Ermessen in rechtsfehlerfreier Weise Gebrauch gemacht hat, kann nicht festgestellt werden. Vielmehr hat das Amtsgericht bei seiner Entscheidung wesentliche, gerade für eine Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens sprechende Umstände nicht berücksichtigt.

Der Scheidungsantrag der Antragsgegnerin - auf dessen Rechtshängigkeit es hier ankommt (Zöller-Philippi, a.a.O., § 628 Rdnr. 5 a) - ist dem Antragsteller bereits am 1.09.1999 zugestellt worden. Danach ist aber der Scheidungsantrag der Antragsgegnerin mittlerweile seit rund einem Jahr und zehn Monaten rechtshängig, sodass - im Ergebnis - eine außergewöhnliche Verzögerung des Verfahrens vorliegt.

Was unter einer außergewöhnlichen Verzögerung des Scheidungsausspruches zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht normiert.

Die Frage lässt sich daher lediglich anhand der allgemein üblichen Verfahrensdauer von Ehescheidungsverfahren beurteilen (OLG Bamberg, FamRZ 1988, 531).

Nach einer 1980 erfolgten statistischen Erhebung wurden 93,7 % aller Verbundverfahren, die mit einem Scheidungsurteil endeten, innerhalb von zwei Jahren in erster Instanz abgeschlossen, bei den abgetrennten Folgesachen und isolierten Familiensachen betrug die Quote 97,9 %. Im Jahre 1985 wurden 94,73 % aller Scheidungsverfahren, die mit einem Scheidungsurteil beendet wurden, innerhalb von zwei Jahren erledigt (vgl. Darstellung in: OLG Bamberg, FamRZ 1988, 531). Nach einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 1990 wurden gar 96,4 % aller Scheidungsverbundverfahren, die mit einem Urteil endeten, in 2 Jahren beendet. Allerdings betrug die statistische durchschnittliche Verfahrensdauer gerade einmal 9,6 Monate (vgl. Kleinwegener, FamRZ 1993, 984, 985).

In Anbetracht dessen erscheint es höchst zweifelhaft - wie zum großen Teil angenommen -, regelmäßig erst bei einer zwei Jahre übersteigenden Dauer des Scheidungsverfahrens von einer außergewöhnlichen Verzögerung im Sinne von § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO auszugehen (so aber: OLG Hamm, FamRZ 1986, 1121 m.w.N.).

Bei der hier gegebenen Verfahrensdauer von rund einem Jahr und zehn Monaten ist nach Ansicht des Senats aber auf jeden Fall bereits von einer außergewöhnlichen Verzögerung auszugehen, die in aller Regel bereit nach anderthalbjähriger Verfahrensdauer bei einer verfassungskonformen, dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung tragenden Gesetzesauslegung zu bejahen sein dürfte.

Im Übrigen ist auch sonst bei einer Verfahrensdauer zwischen einem Jahr und zwei Jahren - wie hier vorliegend - dann von einer außergewöhnlichen Verzögerung auszugehen, wenn weitere besondere Umstände hinzutreten (vgl. Zöller-Philippi, a. a. O., § 628 ZPO, Rdnr. 5).

Derartige Umstände sind hier gegeben.

So es steht fest, dass der Antragsteller, trotz wiederholter Aufforderungen und der Festsetzung eines Zwangsgeldes, seinen Auskunftspflichten zum Versorgungsausgleich bisher nicht im notwendigen Maße nachgekommen ist. Es ist daher, insbesondere auch in Anbetracht der Tatsache, dass der Antragsteller zudem während der Dauer des Scheidungsverfahrens wiederholt seinen Aufenthalt gewechselt hat, mit weiteren erheblichen Verzögerungen des Versorgungsausgleichsverfahrens zu rechnen, zumal das Verfahren seit Juli 1999 (vgl. gerichtliche Verfügung vom 29.07.1999 zur Übersendung der Auskunftsformulare zum Versorgungsaugleich, Bl. 6 d. A.) ergebnislos geblieben ist und sich derzeit im Stadium des Stillstandes befindet. Insoweit muss in Anbetracht der mangelnden Auskunftserteilung des Antragstellers gegenüber dem Rentenversicherungsträger davon ausgegangen werden, dass die gleichzeitige Entscheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich den Scheidungsausspruch weiter erheblich und damit außergewöhnlich verzögern würde.

Der Aufschub der Entscheidung über ihren Scheidungsantrag bedeutet letztlich für die Antragsgegnerin auch eine unzumutbare Härte.

Unzumutbar ist die Härte, wenn das Interesse des Antragstellers, hier der Antragsgegnerin, an einer alsbaldigen Scheidung vorrangig vor dem Interesse ist, das der andere Ehegatte daran hat, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache entschieden wird (Zöller-Philippi, a.a.O., § 628 Rdnr. 6).

Bei der vorzunehmenden Abwägung der Interessen der Parteien fällt zu Gunsten der Antragsgegnerin insbesondere die obstruktive Verfahrensverzögerung auf Seiten des Antragsteller ins Gewicht (OLG Bamberg, FamRZ 1988, 531, 532).

Zudem ist das, wenn auch nicht konkret geäußerte, so doch allgemein verständliche und gewiss vorhandene Interesse der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, nach so langer, vom Antragsteller verursachter Verzögerung und Dauer des Scheidungsverfahrens, sich nun endlich rechtlich von diesem zu trennen, sodass ihr die baldige Möglichkeit eröffnet wird, neue Lebenspläne zu fassen und gegebenenfalls erneut zu heiraten.

Demgegenüber ist nicht zu erkennen, inwieweit hier überhaupt ein Interesse des Antragstellers - abgesehen von einem allgemeinen, hier nicht besonders schwer wiegenden Interesse an einer einheitlichen Regelung aller Rechtsbeziehungen der Parteien im Scheidungsverbund - daran besteht, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich entschieden wird. Dies gilt jedenfalls umso mehr, als sich der Antragsteller ersichtlich nicht in ausreichendem Maße um die Beibringung von Unterlagen zur Klärung der Frage des Versorgungsausgleiches bemüht und bemüht hat.

Danach liegen aber die Voraussetzungen für eine Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens gemäß § 628 Satz 1 Nr. 4 ZPO vor.

Das Amtsgericht hätte somit bei pflichtgemäßer Ausübung seines Ermessens das Verfahren über die Durchführung des Versorgungsausgleichs abtrennen müssen.

Der Abtrennung des Versorgungsausgleichsverfahrens steht schließlich nicht entgegen, dass dem Gericht angeblich bislang keine ladungsfähige Anschrift des Antragstellers bekannt gemacht ist.

Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 15.05.2001 (Bl. 50 d. UA.) dem Amtsgericht die ladungsfähige Anschrift des Antragstellers mitgeteilt hat, ist weiter zu berücksichtigen, dass dieser anwaltlich vertreten ist, sodass notwendige Zustellungen gemäß § 176 ZPO an seinen Prozessbevollmächtigten erfolgen können, der den Antragsteller auch generell im Scheidungsverfahrens gemäß den §§ 78 Abs. 2 Nr. 1, 81 ZPO wirksam vertreten kann. Einer Anhörung des Antragstellers gemäß § 613 ZPO bedarf es im Hinblick auf die Ehesache im vorliegenden Fall nicht. Abgesehen davon, dass die Anhörung des Antragstellers nach vorgenannter Vorschrift nicht zwingend ist ("soll"), ist anerkannt, dass, wenn der Aufenthalt einer Partei unbekannt ist, auch ohne deren vorherige Anhörung eine Entscheidung ergehen kann (Zöller-Philippi, a.a.O., § 613 Rdnr. 4 m.w.N.). Ohnedies ist zu berücksichtigen, dass beide Parteien die Scheidung beantragt haben und dass eine Entscheidung zum Sorgerecht betreffend die gemeinsame Tochter Stefanie nicht erforderlich ist, da die Parteien - wie bisher - das Sorgerecht gemeinsam ausüben wollen.

Nach alledem war auf die Beschwerde der Antragsgegnerin der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Abtrennung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich - wie von der Antragsgegnerin begehrt - anzuordnen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verb. mit § 3 ZPO unter analoger Heranziehung des § 17 a Nr. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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