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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 22.11.2002
Aktenzeichen: 14 WF 179/02
Rechtsgebiete: BRAGO, FGG


Vorschriften:

BRAGO § 118 Abs. 1 Nr. 3
FGG § 49a Abs. 1 Nr. 3
FGG § 49a Abs. 1 Nr. 8
FGG § 49a Abs. 1 Nr. 12
Nach dem reinen Wortlaut des § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Anwalt die Beweisgebühr für "das Mitwirken bei Beweisaufnahmen, die von einem Gericht oder einer Behörde angeordnet worden sind". Die bereits gem. § 49a Abs. 1 Nr. 3, 8 - 12 FGG kraft Gesetzes vorgeschriebene Anhörung des Jugendamtes vor einer Sorgerechtsentscheidung stellt mithin keine gerichtlich angeordnete Beweisaufnahme dar ( ebenso OLG Naumburg in FamRZ 2002, 1207; a.A. OLG Brandenburg in FamRZ 2002, 477).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 179/02 OLG Naumburg

In der Vergütungssache

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am

22. November 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Kindesvaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 28. August 2002, Az.: 11 F 1671/01, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 und 2 BRAGO zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Kindesvaters gegen den seine Erinnerung - gegen den nach Maßgabe der §§ 121 ff. BRAGO ergangenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 25. März 2002 (Bl. 13 Rs. PKH-Beiheft) - zurückweisenden Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 28. August 2002 (Bl. 27 - 29 PKH-Beiheft) bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht hat es das Amtsgericht abgelehnt, entsprechend dem Vergütungsfestsetzungsgesuch des Beschwerdeführers vom 14. März 2002 (Bl. 13 PKH-Beiheft) eine 7,5/10-Beweisgebühr gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO nach einem Gegenstandswert von 5.000,--DM für die Anhörung des Jugendamtes im Ende letzten Jahres eigenständig durchgeführten Sorgerechtsabänderungsverfahren - nach Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter im Scheidungsverbundurteil vom 11. November 1999 (Bl. 8 - 10 d. A.) - festzusetzen.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift erhält der Rechtsanwalt eine Beweisaufnahmegebühr von fünf bis zehn Zehntel "für das Mitwirken bei Beweisaufnahmen, die von einem Gericht oder einer Behörde angeordnet worden sind". Die bereits gemäß § 49 a Abs. 1 Nr. 3, 8 - 12 FGG kraft Gesetzes vorgeschriebene Anhörung des Jugendamtes vor einer Sorgerechtsentscheidung, unabhängig davon, ob konkret in der Sache etwas streitig ist oder nicht, stellt mithin nicht, wie für die Erfüllung des Gebührentatbestandes geboten, eine gerichtlich angeordnete Beweisaufnahme dar. Die allgemein gesetzlich bestimmte Anhörung eines Verfahrensbeteiligten kann folgerichtig generell nicht als gebührenpflichtige Durchführung einer Beweisaufnahme gelten oder in diesem Sinne verstanden werden (ebenso: KG, FamRZ 2002, 479; OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 243; OLG Nürnberg, FamRZ 2001, 1206 für den Fall des § 613 ZPO; OLG Naumburg, 8. ZS, FamRZ 2002, 1207 für den Fall des § 50 b FGG; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., 2002, § 31 BRAGO Rdnr. 138, § 118 BRAGO Rdnr. 60 mit weiteren Nachweisen; a. A. unlängst: OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 477 m. w. N. zur Gegenansicht).

Auch in Verfahren der freiwilligen Zivilgerichtsbarkeit ist im Übrigen, ebenso wie im streitigen Zivilverfahren, zu unterscheiden zwischen der gleichsam ermittelnden Phase der allgemeinen Sachverhaltsfeststellung bzw. Stoffsammlung und der auf die Klärung konkret entscheidungserheblicher Tatsachen abzielenden Beweisaufnahme (dito KG, FamRZ 2002, 479). Dem entspricht die Differenzierung des § 12 FGG, wonach das Gericht von Amts wegen gehalten ist, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die gleichsam ungezielte, allein der gesetzlichen Verpflichtung zur Anhörung Rechnung tragende Einholung eines Jugendamt-Berichts, der sich hier inhaltlich in kaum einer Seite erschöpft (Bl. 22/23 d. A.), kann nicht, wie von der Gegenansicht vertreten (OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 477), in sachlich verfehlter Weise einem Sachverständigengutachten gleichgestellt werden, zu dem der Anwalt im Rahmen einer gerichtlich angeordneten Beweisaufnahme Stellung zu nehmen habe. Vielmehr handelt es sich bei dem Jugendamt-Bericht um den gesetzlich vorgesehenen Beitrag einer Behörde zur allgemeinen Klärung bzw. Aufhellung des für die Entscheidung maßgeblichen Lebenssachverhaltes, der weder von der Intention noch vom Inhalt oder Gewicht her einem prinzipiell definitive Verbindlichkeit beanspruchenden Sachverständigengutachten zu einer konkret umrissenen Streitfrage gleichsteht, noch je im Verlaufe des Verfahrens zu einer derartigen Bedeutung avancieren kann.

Allein die übergeordnete Frage jedes Sorgerechtsverfahrens, welche Lösung im Einzelfall dem Wohl des Kindes am besten dient oder am wenigsten schädlich ist (vgl. §§ 1666, 1671, 1672, 1697 a BGB), eröffnet prinzipiell den nachgerade klassischen, an sich zivilprozessual verpönten Bereich der sog. Ausforschung nicht hinreichend konkretisierter Umstände, die sinnvollerweise, anderenfalls käme jede, selbst noch so diffuse oder unergiebige Anhörung eines Verfahrensbeteiligten einer - zwangsläufig inflationär überhand nehmenden - Beweisaufnahme gleich, auch in Gestalt der nicht minder undifferenzierten Anhörung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit noch nicht als gebührenrechtlich hinreichendes Substrat einer Beweiserhebung Berücksichtigung finden kann.

II.

Eine Kostenentscheidung war im Hinblick auf die Regelung des § 128 Abs. 5 BRAGO, wonach das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden, nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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