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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 24.09.2003
Aktenzeichen: 14 WF 215/03
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 17 Abs. 1
1. Der Unterhalt des laufenden Monats gehört zum Rückstand.

2. Der rückständige Unterhalt ist jedoch nur bis zum Wert eines Jahresbetrages dem Wert hinzuzurechnen, was sich aus der sozialstaatlich motivierten Zielsetzung der Streitwertbegrenzung des § 17 Abs. 1 GKG ableitet.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 215/03 OLG Naumburg

In dem Familienrechtsstreit

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe - Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Oberlandesgericht Materlik am

24. September 2003

beschlossen: Tenor:

Auf die Beschwerde des Beklagten vom 19.08.2003 wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels -der im Urteil des Amtsgerichts Wittenberg vom 17. 07. 2003, Az.: 5 F 167/03, enthaltene Beschluss über die Festsetzung des Streitwertes abgeändert und der Streitwert für die erste Instanz auf 4.151,84 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Mit Urteil - richtigerweise insoweit mit Beschluss - vom 17.07.2003 hat das Amtsgericht den erstinstanzlichen Streitwert gemäß § 17 Abs. 1 und 4 GKG auf insgesamt 5.619,36 Euro festgesetzt (vgl. Seite 5 unten des Urteils, Bl. 141 d. A.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten vom 19.08.2003 (Bl. 146 bis 147 d. A.). Zur Begründung führt der Beschwerdeführer aus, der Streitwert sei zu hoch bemessen worden, dieser betrage allenfalls 3.531,00 Euro.

Das Amtsgericht habe bei der Berechnung des Streitwertes nach § 17 Abs. 1 GKG nicht berücksichtigt, dass der Beklagte nicht nur, wie vom Amtsgericht angesetzt, monatlich 352,00 DM bzw. 171,97 Euro an die Klägerin leiste, sondern - unstreitig - monatlich 354,00 Euro. Es sei daher von dem 12-fachen des Betrages von 107,00 Euro (= 461,00 Euro abzüglich 354,00 Euro) auszugehen = 1.284,00 Euro zuzüglich des vom Amtsgericht errechneten Unterhaltsrückstandes von 2.247,00 Euro, somit sei der Streitwert auf insgesamt 3.531,00 Euro festzusetzen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 10.09.2003 (Bl. 154 d. A.) nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Streitwertbeschwerde ist gemäß § 25 Abs. 3 GKG zulässig, insbesondere auch fristgerecht im Sinne des § 25 Abs. 3 Satz 3 GKG eingelegt worden.

Sie ist auch in der Sache teilweise begründet.

Das Amtsgericht hat den Streitwert mit 5.619,36 Euro zu hoch bemessen. Dieser ist nämlich gemäß § 17 Abs. 1 und 4 GKG richtigerweise auf 4.151,84 Euro festzusetzen, wobei auf den laufenden Unterhalt für 12 Monate ab dem auf die Einreichung der Klage folgenden Monat gemäß § 17 Abs. 1 GKG 3.550,08 Euro und auf den zum Zeitpunkt der Klageeinreichung im März 2003 rückständigen Unterhalt gemäß § 17 Abs. 4 GKG, mittels restriktiver Auslegung bzw. teleologischer Reduktion der Vorschrift beschränkt auf ein Jahr, 601,76 Euro entfallen. Auf die Beschwerde des Beklagten war daher eine entsprechende Korrektur der Streitwertfestsetzung vorzunehmen.

Zutreffenderweise ist das Amtsgericht zunächst davon ausgegangen, dass eine Abänderungsklage zum Streitwert den Unterschied zwischen dem bisherigen und dem geltend gemachten (Unterhalts-)Jahresbetrag hat (§ 17 Abs. 1 GKG), wobei die bei Einreichung der Klage bereits nach Maßgabe des § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB fälligen Beträge gemäß § 17 Abs. 4 GKG hinzuzurechnen sind.

Allerdings ist dem Amtsgericht bei der Ermittlung des Differenzbetrages zwischen beantragtem (= 216,1 % des Regelbetrags/Ost in der dritten Altersstufe = [ausgehend von 249,00 Euro] 538,08 Euro abzüglich des hälftigen staatlichen Kindergeldes in Höhe von 77,00 Euro = 461,08 Euro, aufgerundet nach § 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB) 462,00 Euro, und bereits tituliertem, d. h. abzuänderndem Regelunterhaltsbetrag von 325,00 DM = 166,16 Euro ein "Zahlendreher" unterlaufen. Aus diesem Grunde, und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, hat das Amtsgericht - statt richtigerweise 325,00 DM aus dem alten Titel - fälschlicherweise allerdings 352,00 DM, umgerechnet auf 171,97 Euro, bei den jeweiligen Unterhaltsbeträgen bei der Streitwertermittlung abgezogen.

Es ergibt sich demnach folgende Berechnung:

1. Laufender Unterhalt gemäß § 17 Abs. 1 GKG

Monatlicher Betrag in Höhe von 216,1 % des Regelbetrags/Ost (§ 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB) = 539,00 Euro ./. 1/2 von 154,00 Euro Kindergeld (§ 1612 b Abs. 1 und 5 BGB) - 77,00 Euro = 462,00 Euro ./. bereits titulierter Betrag von 325,00 DM bzw. - 166,16 Euro Maßgeblicher Monatsbetrag 295,84 Euro für 12 Monate ab April 2003 (gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 GKG) = 3.550,08 Euro

2. Rückständiger Unterhalt gemäß § 17 Abs. 4 GKG

Dem Streitwert hinzuzurechnen sind gemäß § 17 Abs. 4 GKG die zum Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift am 06.03.2003 fälligen, d. h. jeweils um das hälftig anzurechnende Kindergeld verringerten Beträge. Der Monat März 2003 zählt, wie aus § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB folgt, als Einreichungsmonat voll zum Rückstand gemäß § 17 Abs. 4 GKG (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 17 GKG Rdnr. 50).

Die rückständigen bzw. dem Streitwert hinzuzurechnenden fälligen Beträge sind jedoch nach Ansicht des Senats zutreffenderweise auf den Zeitraum eines Jahres, gerechnet ab dem Einreichungsmonat der Klage, hier also auf die Zeit von April 2002 bis März 2003 zu begrenzen. Die sozialstaatlich motivierte Zielsetzung der Streitwertbegrenzung nach § 17 Abs. 1 GKG ist auch bei der Bemessung der Rückstände nach § 17 Abs. 4 Satz 1 GKG zu berücksichtigen, da anderenfalls, entgegen dem - auch durch § 17 Abs. 4 Satz 2 GKG akzentuierten - Gesetzeszweck, der gesetzessystematisch stringenten Absicht des Gesetzgebers und dem Gebot verfassungskonformer, d. h. hier notwendig restriktiver Gesetzesauslegung, die streitwertrechtliche Privilegierung des Unterhaltsprozesses bei über ein Jahr hinausreichenden Rückständen nicht mehr hinreichend gewährleistet würde. Maximal ein Jahresbetrag der bis zum Ende des Monats der Klageeinreichung fälligen Unterhaltsrückstände kann deshalb nach § 17 Abs. 4 GKG, gesetzessystematisch konkordant zu Abs. 1 der Vorschrift, nur streitwerterhöhend Berücksichtigung finden (ebenso: Anders/Gehle, Handbuch des Streitwertes, 2. Aufl., S. 23, Stichwort Abänderungsklage Rdnr. 9). Der Wortlaut der Vorschrift ist folgerichtig dergestalt im Wege der verfassungskonformen Rechtsanwendung restriktiv auszulegen oder, sofern die Grenze der wortlautbezogenen Auslegung überschritten sein sollte, in gleicher Weise rechtsmethodisch teleologisch zu reduzieren (s. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage, S. 339 ff. u. S. 391 ff.).

§ 17 Abs. 1 GKG rechtfertigt demnach eine auch von Verfassungs wegen gebotene teleologische Reduktion des § 17 Abs. 4 GKG dergestalt, dass nur fällige Rückstände von 12 Monaten bis zum Ende des Monats der Klageeinreichung bzw. der Stellung des Prozesskostenhilfe-Antrages streitwerterhöhend zu berücksichtigen sind. Der atypische Ausnahmefall eines höheren Rückstandes ist, ausgehend von der sozialstaatlich motivierten Intention der Streitwertbegrenzung bei Unterhaltsprozessen und entsprechend dem auf Art. 3 GG basierenden Gebot, Ungleiches auch Ungleich zu behandeln, aus dem Regelungsbereich der Vorschrift herauszunehmen. Anderenfalls wäre der Regelungszweck der streitwertrechtlichen - und das heißt kostenrechtlichen - Privilegierung des für die Parteien nachgerade existenziell fundamentalen Unterhaltsprozesses nicht mehr in verfassungsadäquater Weise gewährleistet.

Im vorliegenden Fall ist allerdings, unabhängig von den vorstehenden grundsätzlichen Erwägungen zur Streitwertermittlung, weiterhin zu beachten, dass der Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage bis Januar 2003 einschließlich monatlich 354,00 Euro -- unstreitig - auf etwaige rückständige Ansprüche an die Klägerin gezahlt hat, sodass die monatlichen Zahlungen lediglich bei den Monaten Februar und März 2003 bei der Ermittlung des rückständigen Unterhaltes gemäß § 17 Abs. 4 GKG unbeachtlich sind.

Es ergibt sich daher die nachfolgende Berechnung für den Rückstand:

April 2002 bis März 2003: 12 x (462,00 Euro - 166,16 Euro =) 295,84 Euro = 3.550,08 Euro ./. 10 Monate x 354,00 Euro - 3.540,00 Euro = 10,08 Euro

Daraus folgt, dass bis Januar 2003 ein Rückstand von 10,08 Euro bestand, während für die Monate Februar und März 2003 noch in voller Höhe der Unterhalt ausstand, sodass sich ein streitwertrelevanter Rückstand in Höhe von (2 x 295,84 Euro) plus 10,08 Euro = 601,76 Euro ermitteln lässt.

In diesem Umfang war - wie geschehen - auf die teilweise erfolgreiche Beschwerde des Beklagten der erstinstanzlich festgesetzte Streitwert auf insgesamt 4.151,84 Euro nach unten zu korrigieren.

III.

Einer Kostenentscheidung bedarf es im Hinblick auf die Regelung des § 25 Abs. 4 GKG nicht.

Ende der Entscheidung

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