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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: 14 WF 38/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, KostO


Vorschriften:

BGB § 1618
BGB § 1618 Satz 4
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 577 Abs. 5
ZPO § 563 Abs. 3
KostO §§ 92 ff.
KostO § 91 Satz 1, letzter Halbsatz
Hat das Gericht erster Instanz ein Verfahren - hier: Einbenennung - nicht betrieben, kann nach 1 1/2 Jahren Untätigkeitsbeschwerde eingelegt werden. Der Senat ist in diesem Fall zur Sachentscheidung berufen, wenngleich keine erstinstanzliche Endentscheidung vorliegt.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 38/04 OLG Naumburg

In der Familiensache

betreffend die Ersetzung der Einwilligung des Vaters zur Namensänderung für T. W. , geboren am 31.05.1992, wohnhaft bei der Kindesmutter

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Oberlandesgericht Materlik am

19. Juli 2004

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird die Einwilligung des Antragsgegners, dem Kind T. W. den Nachnamen B. zu erteilen, ersetzt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebühren- und auslagenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin, B. B. , geschiedene W. , geborene F. , ist die sorgeberechtigte Mutter des am 31.05.1992 geborenen Jungen T. W. , welcher aus der mit dem Antragsgegner R. W. am 27.10.1984 in Bn. geschlossenen und durch Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 14.12.1999, Az.: 11 F 1458/98 (Bl. 9/10 d. A.), rechtskräftig geschiedenen Ehe hervorgegangen ist.

Am 01.12.2000 hat die Kindesmutter ihren jetzigen Ehemann D. B. geheiratet und führt seitdem den Ehenamen B. , den die Eheleute auch dem in ihrem gemeinsamen Haushalt wohnenden Jungen erteilen wollen. Sie beantragen deshalb die Ersetzung der hierzu notwendigen, indes bislang nicht erteilten Einwilligung des Kindesvaters.

Dessen Klage, festzustellen, dass er nicht der Vater von T. sei, wurde durch Urteil des Amtsgerichts Wernigerode vom 29. November 2001 (Bl. 5 - 8 d. A. = Bl. 22 ff. Beiakte 11 F 1303/01) rechtskräftig abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 02.07.2002 (Bl. 2 d. A.) stellte die Kindesmutter beim Amtsgericht Wernigerode den Antrag, den Nachnamen ihres Sohn T. W. in B. zu ändern und die fehlende Einwilligung des Vaters zu ersetzen. Nach einem inhaltlich unklaren Telefonat mit dem zuständigen Rechtspfleger beim Amtsgericht nahm sie am 26.11.2002 (Bl. 13 d. A.) ihren Antrag erst einmal zurück und bat dann mit Schreiben vom 20.01.2003 (Bl. 14 d. A.) darum, ihren Antrag jetzt zu bearbeiten. Nach einer - sachlich entbehrlichen - Verfügung des Rechtspflegers vom 28. bzw. 29.01.2003 (Bl. 14, 16 d. A.) wurde mit richterlicher Verfügung vom 24.02.2003 (Bl. 17/18 d. A.) ein - bereits mit der damaligen Neufassung des § 1618 BGB nicht übereinstimmender - Hinweis erteilt und zugleich dem Kindesvater eine Abschrift des ursprünglichen Antrages zur Stellungnahme binnen 8 Wochen übersandt.

Nachdem in der Folgezeit nichts weiter in der Angelegenheit seitens des Amtsgerichts passierte, wandte sich die Kindesmutter mit Schreiben vom 04.01.2004 (Bl. 25/26 d. A.) wegen des sich seit August 2002 ergebnislos hinziehenden Verfahrens an das Oberlandesgericht Naumburg.

Sie trägt vor, die Einbenennung des Sohnes diene seiner unerlässlichen Integration in die neue Familie, da er ein gutes Verhältnis zu seinem Stiefvater habe, während sein leiblicher Vater sogar mittels Klage die Vaterschaft abgestritten habe.

Der Kindesvater hat der Namensänderung des Jungen, dem es selbst eigentlich gleichgültig sei, wie er heiße, lediglich die Kindesmutter wolle die Einbenennung, widersprochen.

Am 15.04.2004 haben die Kindesmutter, ihr Ehemann und T. vor dem Standesbeamten der Verwaltungsgemeinschaft B. in Bn. im Harz (Bl. 40 d. A.) in öffentlich beglaubigter Form die zur Einbenennung des Kindes erforderlichen Erklärungen im Sinne des § 1618 BGB abgegeben. T. hat mit Schreiben vom 13.04.2004 (Bl. 44 d. A.) erklärt, er möchte den Namen B. deshalb tragen, weil er ein gutes Verhältnis zu seinem neuen Vater habe. Sein leiblicher Vater habe ihn hingegen verleugnet und im November 1997 sogar die Mutter mit dem Messer bedroht und ihn, als er dies bemerkt und geschrien habe, ins Gesicht geschlagen, weshalb er, T. , lange Zeit voller Angst gewesen sei und sich immer unter dem Tisch versteckt habe.

II.

Die befristete Beschwerde ist formell zulässig (1) und hat auch in der Sache Erfolg (2).

1. Das als Untätigkeitsbeschwerde zu wertende Rechtsbegehren der Kindesmutter in zweiter Instanz ist gemäß den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 e Abs. 1 ZPO statthaft und auch sonst zulässig.

Bei dem eingelegten Rechtsmittel handelt es sich um eine befristete Beschwerde, weil das Namensbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge anzusehen ist (so auch OLG Bamberg, NJW-RR 1999, 1451; Philippi, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 621 Rdnr. 27; a. M.: OLG Köln, FamRZ 1999, 735, einfache Beschwerde nach § 19 FGG).

Es bestehen auch insoweit keine Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde, als es bislang an einer erstinstanzlichen Entscheidung des Rechtspflegers oder Richters fehlt. Bei notwendiger Gewährleistung eines rechtsstaatlich effektiven Rechtsschutzes bedarf es einer derartigen Entscheidung nicht mehr In Anbetracht der ein bis anderthalb Jahre währenden Untätigkeit des Amtsgerichts bzw. Ergebnislosigkeit des erstinstanzlich anhängig gewesenen Verfahrens, das spätestens aufgrund des Schreibens der Kindesmutter vom 20. Januar 2003 forciert hätte betrieben werden müssen und nicht mit einer rechtlich ebenso desorientierten wie desorientierenden Verfügung vom 24. Februar letzten Jahres de facto in unzumutbarer Weise seinen Abschluss hätte finden dürfen.

Die dergestalt rechtsstaatlich unzumutbare Verzögerung des Verfahrensablaufs in erster Instanz eröffnet ausnahmsweise die Untätigkeitsbeschwerde an Stelle des Rechtsmittels, mit welchem eigentlich die erstinstanzliche begehrte Entscheidung zu überprüfen gewesen wäre (s. dazu, je m. w. N. zum Meinungsstand, Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl., 2003, § 567 Rdnr. 10, sowie Gummer, in: Zöller, ZPO, 24. Aufl., 2004, § 567 Rdnr. 21).

2. Die Beschwerde ist auch sachlich begründet und führt aufgrund der Endentscheidungsreife der Sache analog den §§ 577 Abs. 5, 563 Abs. 3 ZPO zu einer abschließenden Entscheidung des Beschwerdegerichts über den zu Recht gestellten Antrag, die Einwilligung des Vaters in die Einbenennung des Sohnes T. W. zu ersetzen.

Die Voraussetzungen für eine Ersetzung der Einwilligung des Kindesvaters in die Einbenennung gemäß § 1618 Satz 4 BGB liegen vor, da die gemäß Satz 1 der Vorschrift formell korrekt gegenüber dem Standesbeamten abgegebene Erklärung der sorgeberechtigten Mutter - auch eine gemeinsame Sorgeberechtigung reicht insoweit aus - und des Stiefvaters, T. , den sie in ihren gemeinsamen Haushalt aufgenommen haben, ihren Ehenamen B. zu erteilen, zum Wohle des - auch gemäß Satz 3 und 5 der Vorschrift ordnungsgemäß seine Einwilligung erklärt habenden - Kindes erforderlich ist. Daran kann nach der schriftlichen Anhörung aller Beteiligten kein Zweifel bestehen.

Der mittlerweile 12 Jahre alte Junge und die Kindesmutter haben als verständliches Motiv für die gewünschte Namensänderung das gute Verhältnis des Kindes zu seinem Stiefvater und die über einen einheitlichen Namen auch äußerlich eindeutig dokumentierte Zugehörigkeit des Kindes zur neuen Familie genannt. Darüber hinaus hat T. , in seinen Worten, sinngemäß plausibel dargelegt, dass die Beziehung zu seinem Vater einen irreparablen Schaden dadurch erlitten habe, dass dieser, wie sich herausstellte, völlig unmotiviert, aber für das Kind emotional hochgradig verletzend, die Vaterschaft für den Jungen klageweise in Abrede gestellt hat. Nimmt man hinzu, dass der Junge in der Vergangenheit lange Zeit in begründeter Angst vor dem Vater gelebt und sich regelmäßig unter dem Tisch versteckt hat, nachdem dieser Ende 1997 die Mutter mit einem Messer attackiert und ihn, darob laut schreiend, grob geschlagen hatte - ein traumatisches Erlebnis, das psychisch zu verkraften dem Jungen bis heute nicht gelungen zu sein scheint -, lässt es das Wohl des Kindes nachgerade zwingend geboten erscheinen, mit der Aufgabe des bisherigen Namens die damit jederzeit wieder präsent werdende düstere Erinnerung an den leiblichen Vater tunlichst zu löschen und mit der Annahme des neuen Ehenamens seiner Mutter und des ihm wohlvertrauten Stiefvaters nicht nur verständlicherweise seine Integration in den neuen harmonischen Familienverband nach außen hin deutlich zu machen, sondern auch und vor allem sein anderenfalls auf Dauer wenigstens latent bedrohtes psychisches Gleichgewicht zu bewahren oder wiederzuerlangen.

III.

Die Ersetzung der Einwilligung nach § 1618 Satz 4 BGB ist mangels besonderer Erfassung in den §§ 92 ff. KostO gemäß § 91 Satz 1, letzter Halbsatz KostO gebührenfrei.

Im Übrigen beruht die Gebührenfreiheit des untätigkeitshalber fingierten Beschwerdeverfahrens und die mangelnde Erstattungsfähigkeit außergerichtlich angefallener Kosten auf einer entsprechenden Anwendung des § 131 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 KostO sowie des § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG in Verb. mit den §§ 621 Abs. 1 Nr. 1, 621 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Festsetzung eines Geschäftswerts erübrigt sich damit.

Ende der Entscheidung

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