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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 05.06.2001
Aktenzeichen: 14 WF 39/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1601
BGB § 1592 Nr. 1
BGB § 1599 Abs. 1
BGB § 1607 Abs. 3 Satz 2
BGB § 1594 Abs. 2
BGB § 1592 Nr. 1
BGB § 1600 c
BGB §§ 1602 ff.
BGB § 1629 Abs. 3 Satz 1
Auch wenn es offenbar unmöglich ist, dass die Kindersmutter das Kind von dem Ehemann empfangen hat, gilt die gesetzliche Vermutung bis zur rechtskräftigen Feststellung, dass der Ehemann nicht der Vater des Kindes ist. Die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ist aus diesem Grund weder mutwillig noch ohne Aussicht auf Erfolg.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 39/01 OLG Naumburg 11 F 1343/99 AG Wernigerode

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe - Hilgenberg als Vorsitzenden, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am

05. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 15.02.2001 wird der Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 30.01.2001, Az.: 11 F 1343/99, abgeändert. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung für die erste Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwalt K. aus W. zu ihrer Vertretung bewilligt.

II. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Parteien schlossen am 18.04.1995 die Ehe. Aus dieser ist ausweislich seiner Geburtsurkunde am 29.03.1999 der Sohn Martin L. hervorgegangen. Zwischen den Parteien ist beim Amtsgericht Wernigerode seit dem 03.06.1999 ein Ehescheidungsverfahren, Az.: 11 F 1394/99, anhängig. Die am 18.04.1995 geschlossene Ehe ist noch nicht geschieden.

In einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Wernigerode, Az.: 11 F 1162/00, hat das Kind Martin, vertreten durch die Antragstellerin, Prozesskostenhilfe für eine von ihm beabsichtigte Klage beantragt, mit welcher es die Feststellung hat begehren wollen, dass er nicht das eheliche Kind des Antragsgegners sei. Zur Begründung hat das Kind vorgetragen, es sei ausgeschlossen, dass er von dem Antragsgegner abstamme, da die Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit ausschließlich mit einem Dritten geschlechtlich verkehrt habe.

In dem Verfahren 11 F 1162/00 ist dem Kind letztendlich aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg vom 03.01.2001, Az.: 14 WF 195/00, die beantragte Prozesskostenhilfe versagt geblieben. Zur Begründung hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - ausgeführt, dass die beabsichtigte Klage mangels ordnungsgemäßer Vertretung des geschäfts- und damit prozessunfähigen Kindes Martin in dem Verfahren wegen fehlender Ergänzungspflegschaft schon nicht zulässig sei. Ferner sei diese auch mutwillig, da die Kindesmutter selbst einen eigenen gleichwertigen, jedoch kostengünstigeren Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft des Antragsgegners stellen könnte, ohne dass es der Bestellung einer kostenauslösenden Ergänzungspflegschaft für das Kind Martin bedürfte.

Im vorliegenden Verfahren 11 F 1343/99 hat die Antragstellerin - nach Beendigung der vorausgegangenen Auskunftsstufe - mit Schriftsätzen vom 15.11.2000 (Bl. 86 ff. d.A.) und vom 05.01.2001 (Bl. 92 ff. d.A.) die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die von ihr beabsichtigte Klage beantragt, mit welcher sie von dem Antragsgegner die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages in Höhe von 189,00 DM für das Kind Martin ab dem 06.05.1999 bis zum 31.12.2000 und in Höhe von 324,00 DM ab dem 01.01.2001 begehren will.

Das Amtsgericht - Familiengericht - Wernigerode hat mit Beschluss vom 30.01.2001 (Bl. 99 bis 101 d.A.) den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 114 ZPO nicht erfüllt seien. Denn, so hat das Amtsgericht zur Begründung ausgeführt, die beabsichtigte Klage sei rechtsmissbräuchlich, da die Antragstellerin, wie sich in dem weiteren Verfahren gezeigt habe, selbst davon ausgehe, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes Martin sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 15.02.2001 (Bl. 105 d.A.).

Zur Begründung macht die Antragstellerin geltend, dass die beabsichtigte Klage solange nicht rechtsmissbräuchlich sein könne, als nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes feststehe.

Das Amtsgericht Wernigerode hat mit Beschluss vom 26.02.2001 (Bl. 106, 107 d.A.) der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 30.01.2001 ist auch begründet.

Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 114 ZPO, nach welchen einer Partei Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, vor. Die beabsichtigte Klage auf Zahlung des Kindesmindestunterhalts hat nämlich hinreichende Aussicht auf Erfolg und ist insbesondere nicht mutwillig.

Gemäß § 1601 BGB sind Eltern ihren minderjährigen Kindern gegenüber grundsätzlich unterhaltspflichtig. Der Antragsgegner ist im vorliegenden Fall gemäß § 1592 Nr. 1 BGB als der Vater des Kindes Martin anzusehen, weil er zum Zeitpunkt dessen Geburt am 29.03.1999 mit der Mutter des Kindes, nämlich der Antragstellerin, verheiratet gewesen ist. Solange nicht nach § 1599 Abs. 1 BGB rechtskräftig aufgrund einer Anfechtung festgestellt ist, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes Martin ist, gilt die durch die Ehe begründete gesetzliche Vermutung der Vaterschaft des Antragsgegners.

Diese Vermutung gelangt auch dann zur Anwendung, wenn es offenbar unmöglich ist, dass die Kindesmutter, wie sie selbst einräumt, das Kind von dem Ehemann empfangen hat (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1592 Rdnr. 3). Daraus folgt, dass solange nicht rechtskräftig festgestellt ist, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes Martin ist, dieses als von dem Ehemann der Mutter, somit von dem Antragsgegner, abstammend gilt und es letzterem gegenüber Unterhaltsansprüche geltend machen kann (vgl. Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1600 d, Rdnr. 18).

Erst wenn konstitutiv dem wirklichen Erzeuger die Vaterschaft zugeordnet worden ist, kann dieser von dem Kinde auf Unterhalt in Anspruch genommen werden; soweit der "Scheinvater" dem Kinde Unterhalt geleistet hat, gehen kraft Gesetzes die Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Erzeuger auf den "Scheinvater" gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB über.

Unzweifelhaft ist hier noch nicht rechtskräftig festgestellt worden, dass der Antragsgegner nicht der Vater des Kindes Martin ist (vgl. § 1599 Abs. 1 BGB). Der Antragsgegner ist daher als Vater des Kindes Martin, welches seit der Trennung der Parteien bei der Antragstellerin lebt und ausschließlich von dieser betreut wird, diesem gegenüber grundsätzlich barunterhaltspflichtig. Aus welchem Grunde daher die beabsichtigte Klage der Kindesmutter gegen den Antragsgegner auf Leistung des Mindestunterhaltes für das minderjährige Kind Martin rechtsmissbräuchlich sein soll, ist nicht nachvollziehbar, da diesem der Unterhaltsanspruch gegen den als Vater geltenden Ehemann der Kindesmutter bis zur Feststellung der Nichtvaterschaft des Antragsgegners - und gerade nicht gegenüber einem Dritten als vermeintlichem Erzeuger - zusteht.

Daran ändert - wie vorstehend dargelegt und sich unzweifelhaft aus § 1599 Abs. 1 BGB ergibt - auch nichts der Umstand, dass die Kindesmutter selbst in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Wernigerode dargelegt hat, in der gesetzlichen Empfängniszeit des Kindes Martin nicht mit dem Antragsgegner geschlechtlich verkehrt zu haben.

Auch wäre ein etwaiges Vaterschaftsanerkenntnis eines Dritten (noch) nicht bedeutsam. Denn die vorrangig zu erfolgende Feststellung der Nichtvaterschaft des Ehemanns der Kindesmutter hat wegen § 1594 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den §§ 1592 Nr. 1, 1600 c BGB auch erhebliche Auswirkungen für eine etwaige Vaterschaftsanerkennung durch einen Dritten. Denn jene ist Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Anerkennung der Vaterschaft durch einen Dritten, sodass der vermeintlich tatsächliche Vater des Kindes ohnehin jedenfalls zur Zeit in dem gegen ihn betriebenen Verfahren (Amtsgericht Wernigerode, Az.: 11 F 1555/00) die Anerkennung der Vaterschaft nicht hat wirksam erklären können.

An dem Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des beabsichtigten Unterhaltsanspruchs im Sinne der §§ 1602 ff. BGB bestehen keine Bedenken, insbesondere ist die Kindesmutter gemäß § 1629 Abs. 3 Satz 1 BGB befugt, im eigenen Namen als gesetzliche Prozessstandschafterin die Ansprüche des minderjährigen und im Übrigen im Sinne des § 114 ZPO bedürftigen Kindes geltend zu machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 11 Abs. 1 GKG, Anlage 1, KV Nr. 1952 und auf § 127 Abs. 4 ZPO.



Ende der Entscheidung

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