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Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 14 WF 87/01
Rechtsgebiete: RPflG, ZPO, GVG
Vorschriften:
RPflG § 20 Nr. 10 lit. a | |
ZPO § 652 Abs. 1 | |
ZPO § 569 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 575 | |
ZPO § 654 | |
ZPO § 652 Abs. 2 | |
ZPO § 648 Abs. 1 | |
ZPO § 648 Abs. 2 | |
ZPO § 654 | |
ZPO § 649 Abs. 3 | |
ZPO § 648 | |
GVG § 153 Abs. 3 Nr. 1 |
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS
14 WF 87/01 OLG Naumburg 5 FH 17/01 AG Wittenberg
In dem Beschwerdeverfahren
hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Deppe-Hilgenberg, die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und den Richter am Landgericht Materlik am
27. Juni 2001
beschlossen:
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittenberg vom 21. März 2001, Az.: 5 FH 17/01, einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Wittenberg zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Gründe:
I.
Mit Formularantrag vom 02. Januar 2001 (Bl. 1 d.A.) beantragte der Kindesvater als gesetzlicher Vertreter des Antragstellers gegenüber dem Amtsgericht - Familiengericht - Wittenberg, den von der Antragsgegnerin an den Antragsteller zu leistenden Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren für die Zeit ab dem 01.09.2000 auf 80 % des Regelbetrages der geltenden Altersstufe nach der Regelbetrag-Verordnung festzusetzen.
Der Antragsgegnerin wurden daraufhin durch das Amtsgericht eine Abschrift des Antrages sowie ein sogenannter Vordrucksatz "Einwendungen gegen den Antrag auf Festsetzung von Unterhalt" übersandt (Bl. 4 - 6 d.A.).
Das Amtsgericht erließ sodann durch die Rechtspflegerin am 21. März 2001 einen Unterhaltsfestsetzungsbeschluss (Bl. 7 d.A.), in dem der von der Antragsgegnerin zu leistende Unterhalt nach § 2 der Regelbetrag-Verordnung auf 80 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe ab dem 1. September 2000 festgesetzt wurde.
Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss enthielt auf der Rückseite (Bl. 7 R. d.A.) folgende Rechtsbehelfsbelehrung:
Rechtsbehelfsbelehrung
Soweit der Festsetzungsbeschluss auf einer Erklärung beruht, mit der sich der als Antragsgegner/Antragsgegnerin in Anspruch genommene Elternteil zur Zahlung des Unterhalts verpflichtet hat, führt das Amtsgericht - Familiengericht - über einen in dem Beschluß nicht festgesetzten Teil des im vereinfachten Verfahren geltend gemachten Anspruchs auf Antrag einer Partei das streitige Verfahren durch. Im übrigen gilt folgendes:
Mit der Beschwerde/Erinnerung, die binnen zwei Wochen seit der Zustellung dieses Beschlusses bei dem Gericht, das ihn erlassen hat, schriftlich oder mündliche zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden muß, kann geltend gemacht werden:
- das vereinfachte Verfahren sei nicht zulässig;
- der Zeitpunkt des Beginns der Unterhaltszahlung sei nicht richtig festgesetzt;
- der Zeitraum oder die Höhe des Unterhalts sei nicht oder nicht dem Antrag entsprechend festgesetzt;
- kindbezogene Leistungen seien nicht oder nicht richtig angerechnet;
- die Kosten seien zu Unrecht auferlegt oder nicht richtig festgesetzt;
- Einwendungen seien zu Unrecht als unzulässig behandelt worden.
Falls die Beschwerde/Erinnerung nicht bei dem Amtsgericht - Familiengericht -, das den Beschluß erlassen hat, sondern bei einem anderen Amtsgericht nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird, ist grundsätzlich zu beachten, daß das Protokoll vor Ablauf der Zweiwochenfrist dem Amtsgericht - Familiengericht - zugegangen sein muß, das den Beschluß erlassen hat.
Ab Rechtskraft dieses Beschlusses können die Parteien im Wege einer Klage auf Abänderung des Beschlusses verlangen, daß auf höheren Unterhalt oder auf Herabsetzung des Unterhalts erkannt wird. Die Klage ist auch zulässig, wenn mit ihr nur eine geringfügige Abänderung dieses Beschlusses verlangt wird. Zuständig für die Klage ist das Amtsgericht - Familiengericht, in dessen Bezirk das Kind oder der Elternteil, der es gesetzlich vertritt, seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Auf eine Klage des unterhaltsverpflichteten Elternteils, die nicht innerhalb eines Monats nach Eintritt der Rechtskraft dieses Beschlusses erhoben wird, kann der Unterhalt nur für die Zeit nach ihrer Erhebung herabgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn innerhalb der Monatsfrist eine Abänderungsklage des Kindes auf Erhöhung des Unterhalts anhängig geworden ist. Dann kann der unterhaltsverpflichtete Elternteil auch noch nach Ablauf der Monatsfrist mit Wirkung für die Vergangenheit auf Herabsetzung des Unterhaltsklagen, solange das Verfahren über die Abänderungsklage des Kindes nicht beendet ist.
Vor Durchführung eines streitigen Verfahrens oder Erhebung einer Abänderungsklage ist beiden Parteien - auch mit Blick auf die Kostenbelastung der in dem Rechtsstreit unterliegenden Partei - zu empfehlen, sich über die Möglichkeit einer gütlichen außergerichtlichen Einigung sorgfältig beraten zu lassen und um eine solche sich ernsthaft zu bemühen. Kommt eine Einigung zustande, können die Parteien den nach ihr in Abänderung dieses Beschlusses zu zahlenden Unterhalt kostenfrei bei dem Jugendamt oder jedem Amtsgericht in vollstreckbarer Form beurkunden lassen und so einen Rechtsstreit vermeiden.
Gegen diesen ihr am 27.04.2001 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schriftsatz am 10.05.2001 Beschwerde eingelegt (Bl. 11/12 d. A.).
Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beginn der Unterhaltszahlungen sei im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nicht richtig festgesetzt, da dem gesetzlichen Vertreter des Antragstellers die elterliche Sorge erst im Rahmen des im Verbund geführten Scheidungsverfahrens vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Wittenberg (Az.: 7 F 417/99) übertragen worden sei. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich jedoch der Antragsteller in ihrem Haushalt befunden, sodass eine rückwirkende Festsetzung der geforderten Unterhaltszahlungen nicht möglich sei.
Schließlich sei auch der Unterhalt der Höhe nach fehlerhaft festgesetzt worden, da ihre, zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit nicht berücksichtigt worden sei.
Zudem seien auch die eigenen Einkünfte des Antragstellers zu berücksichtigen.
Der Antragsteller verteidigt demgegenüber den angefochtenen Festsetzungsbeschluss und führt aus, dass er seit dem 28. August 2000 in der Wohnung seines Vaters lebe und dass die Antragsgegnerin bereits mit Schreiben vom 15. September 2000 zur Zahlung von Unterhalt aufgefordert worden sei.
Im Übrigen sei in Anbetracht seiner eigenen Einkünfte lediglich die Festsetzung eines Regelunterhalts in Höhe von 80 % des Regelbetrages an Stelle von möglichen 150 % des Regelsatzes verlangt worden.
II.
Die gemäß § 652 Abs. 1 ZPO in Verb. mit § 11 Abs. 1 und § 20 Nr. 10 lit. a RPflG statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wittenberg vom 21. März 2001 einschließlich des zu Grunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die Sache gemäß § 575 ZPO zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen war, weil der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nicht die nach § 649 Abs. 3 ZPO zwingend vorgeschriebenen Hinweise enthält.
Nach vorgenannter Vorschrift ist nämlich in dem Beschluss darauf hinzuweisen, welche Einwendungen mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 652 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden können und unter welchen Voraussetzungen eine Abänderung im Wege der Klage gemäß § 654 ZPO verlangt werden kann. Der Hinweis auf die zulässigen Einwendungen muss daher konkret sein und, wie aus § 652 Abs. 2 ZPO folgt, den Gesetzestext des § 648 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO umfassen und hinsichtlich der Kostenfestsetzung sich darauf erstrecken, dass auch deren Unrichtigkeit angefochten werden kann. Bezüglich der Abänderungsklage nach § 654 ZPO muss auch auf dessen Absatz 2 verwiesen werden (Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl., § 649 Rdnr. 7).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht.
Die notwendigen Hinweise nach § 649 Abs. 3 ZPO sind in der Rechtsbehelfsbelehrung nicht in ausreichender Form erteilt worden.
Die Vorschriften der §§ 648, 654 ZPO sind als solche nicht erwähnt.
Bereits dies ist bedenklich.
Die konkrete Bezeichnung dieser Vorschriften hat infolge der beschränkten Klage- und Beschwerdemöglichkeiten sachlich zwangsläufig notwendiger Bestandteil der nach § 649 Abs. 3 ZPO zu erteilenden Hinweise zu sein. Da das vereinfachte Verfahren einen Anwaltszwang nicht kennt, muss es dem Rechtsschutz Suchenden und in aller Regel juristisch ungebildeten Antragsgegner ermöglicht werden, auf Grund der Hinweise aus § 649 Abs. 3 ZPO zunächst die Erfolgsaussichten einer in Erwägung gezogenen sofortigen Beschwerde selbst zu überprüfen. Dafür ist aber gerade die konkrete Kenntnis der zu beachtenden Vorschriften und ihres gesetzlichen Standortes unabdingbare Voraussetzung.
Unbeschadet dessen wird die eher tabellarisch wirkende Aufstellung in der Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 649 Abs. 3 ZPO auch im Übrigen inhaltlich nicht gerecht.
Denn die zulässigen Einwendungen aus § 648 Abs. 2 ZPO sind nicht genannt.
Es findet sich lediglich insoweit der Passus, mit der Beschwerde könne geltend gemacht werden Einwendungen seien zu Unrecht als unzulässig behandelt worden. Diese Wendung, die sich ersichtlich auf § 652 Abs. 2, 2. Alt. ZPO bezieht und nicht, was erforderlich gewesen wäre, die maßgebliche Regelung des § 648 Abs. 2 ZPO wiedergibt, ist aus Sicht des Rechtsschutz suchenden Antragsgegners unverständlich. Weder wird mitgeteilt, welche Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO überhaupt, noch, in welcher Form sie gegen die Festsetzung des Unterhalts erhoben werden können. Gerade der Einwand eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit (§ 648 Abs. 2 Satz 3 ZPO), auf den die Belehrung nicht hinweist, dominiert - wie der hier vorliegende Entscheidungsfall ebenfalls zeigt - die Praxis gerichtlicher Verfahren in Angelegenheiten des Unterhalts.
Die Nichteinhaltung der Hinweispflicht hat zwangsläufig zur Folge, dass der angefochtene Beschluss, ebenso wie das zu Grunde liegende Verfahren, aufzuheben und die Sache gemäß § 575 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen war.
Bei der Vorschrift des § 649 Abs. 3 ZPO handelt es sich schon dem Wortlaut nach nicht nur um eine bloße Sollvorschrift, sondern um eine nicht dem Ermessen unterliegende Mussvorschrift ("ist darauf hinzuweisen"). Sie soll nach ihrem Sinn und Zweck den Antragsgegner präzise über die im Einzelnen zulässigen, aber auch eingeschränkten Möglichkeiten der Rechtsbehelfe belehren und damit vor der Erhebung unzulässiger, aber kostenträchtiger Rechtsbehelfe bewahren.
Ausgehend von diesem Zweck der Hinweis- und Belehrungspflicht des erstinstanzlichen Gerichts teilt der Senat nicht die vereinzelt ohne nähere Begründung in der Literatur vertretene Ansicht, ein Verstoß gegen die gesetzliche Hinweispflicht bleibe prozessual ohne Folgen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 649 Rdnr. 8).
Die ausdrücklich gesetzlich normierte Pflicht zur umfassenden Rechtsmittelbelehrung wird damit ad absurdum geführt und, entgegen dem Wortlaut des Gesetzes und dem gesetzessystematischem Zweck der konkordant aufeinander abgestimmten Vorschriften der §§ 649, 652 und 654 ZPO, zu einer prozessual unbeachtlichen Obliegenheit umfunktioniert. Deren Missachtung kann allerdings für den Antragsgegner gerade in Anbetracht der höchstkompliziert ausgestalteten Beschwerde- und Klagemöglichkeiten nach § 652 Abs. 2 und § 654 ZPO zu folgenschweren und kostenträchtigen Weiterungen bzw. Einschränkungen seines Rechtsschutzes in der Rechtsmittel- und Klageinstanz führen, womit auch, unter Hinwegsetzung über das übergeordnete Gebot einer verfassungskonformen Auslegung der Gesetzesvorschriften (s. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., Seite 339 ff.), in unvertretbarer Weise dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG in Verb. mit Artikel 2 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip des Artikel 20 Abs. 3 GG zuwidergehandelt würde. Schließlich kann es weder funktionell noch in der Sache Aufgabe des Rechtsmittelgerichtes sein, in der Beschwerdeinstanz Hinweise über die konkrete Ausgestaltung des Rechtsmittels und einer alternativ anzustrengenden Abänderungsklage zu erteilen. Genau darauf liefe jedoch im Endeffekt die Auffassung von der prozessual folgenlosen Verletzung der Hinweispflicht nach § 649 Abs. 3 ZPO in erster Instanz hinaus, da der unwissentlich bzw. uninformiert erfolglos Beschwerde erhebende Antragsgegner nicht über seine möglicherweise Erfolg versprechenden Rechte bzw. Einwendungen im Unklaren gelassen werden darf.
Die gleichermaßen exakte wie umfassende und verständliche Rechtsbehelfsbelehrung in dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ist demnach für den Unterhaltsschuldner, unabhängig von dessen anwaltlicher Vertretung, unverzichtbar. Dies gilt allerdings in besonderem Maße, wenn der Unterhaltsschuldner, wie hier, im so genannten vereinfachten Festsetzungsverfahren nicht anwaltlich vertreten ist.
Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung der Sache in die erste Instanz erweist sich demnach, unbeschadet der per se unerheblichen anwaltlichen Vertretung der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren, als unumgänglich.
Von der Erhebung der Gerichtskosten in zweiter Instanz ist gemäß § 8 Abs. 1 GKG abgesehen worden, denn diese wären bei richtiger Sachbehandlung durch das Amtsgericht nicht entstanden.
Ende der Entscheidung
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