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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 14 WF 91/02
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, BGB


Vorschriften:

GKG § 49 Satz 1
GKG § 11 Abs. 1
ZPO § 114
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 242
BGB § 1603 Abs. 3 Satz 1
Es ist anerkannt, dass auch das Hinauszögern einer beantragten Prozesskostenhilfeentscheidung durch das Gericht ausnahmsweise mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann, wenn die Entscheidung so verzögert wird, dass dies einer Ablehnung gleichkommt (Philippi in Zöller: ZPO, 23.Aufl, § 127 RdNR 11).
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 90/02 OLG Naumburg 14 WF 91/02 OLG Naumburg

In dem einstweiligen Anordnungsverfahren

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn als Vorsitzende und die Richter am Landgericht Lentner und Materlik am

21. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Wernigerode vom 30. Januar 2002, Az.: 11 F 1755/01, wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr die begehrte Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Wernigerode vom 30.01.2002 (Bl. 43 Rs. d. A.) ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt.

Soweit die Antragsgegnerin bereits vor Erlass des angefochtenen Beschlusses mit Schriftsatz vom 24.01.2002 eine Prozesskostenhilfebeschwerde eingelegt hat und es zu diesem Zeitpunkt noch an einer beschwerdefähigen Entscheidung fehlte, schadet dies nicht. Denn es ist anerkannt, dass auch das Herauszögern einer beantragten Prozesskostenhilfeentscheidung durch das Gericht ausnahmsweise mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann, wenn die Entscheidung so verzögert wird, dass dies einer Ablehnung gleichkommt (Philippi, in: Zöller, ZPO, 23. Aufl., § 127 Rdnr. 11). Vorliegend hat das Amtsgericht die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin erst nach der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2002 mit Erlass seiner Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren am 30.01. 2002 getroffen, sodass auf jeden Fall eine erhebliche Verzögerung gegeben war und damit die Einlegung der sofortigen Beschwerde ausnahmsweise gerechtfertigt war.

Indes hat das Amtsgericht - wenn auch verspätet - über den Prozesskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin durch seinen ablehnenden Beschluss vom 30.01.2002 in der Sache entschieden, sodass damit eine rechtsmittelfähige Entscheidung vorliegt, gegen die ausschließlich sich nunmehr die Beschwerde der Antragsgegnerin zu richten hat, was diese mit ihrem Schriftsatz vom 23.04.2002 (Bl. 61 d. A.) auch klargestellt hat.

2. Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist jedoch in der Sache unbegründet. Denn die Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin im Verfahren über die einstweilige Anordnung auf Zahlung von Kindesunterhalt bietet nicht die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO notwendige hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf den angefochtenen Beschluss vom 30.01.2002 sowie den amtsgerichtlichen Beschluss über den Erlass der einstweiligen Anordnung vom gleichen Tage (Bl. 39 - 42 d. A.) verwiesen.

Ergänzend bleibt anzumerken, dass die Antragsgegnerin gemäß § 1603 Abs. 3 Satz 1 BGB ihrem am 24.01.1986 geborenen, beim Antragsteller lebenden Sohn Ch. gegenüber gesteigert zu Erwerbsbemühungen verpflichtet ist.

Demnach kann sie sich nicht auf ihre zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit berufen, sondern sie wäre gehalten gewesen, sich verstärkt um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen. Dass dieses geschehen wäre, insbesondere mit der üblicherweise geforderten Intensität von 20 bis 30 schriftlichen Bewerbungen monatlich sowie Eigeninseraten in Zeitungen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rdnr. 617 und 620 m.w.N.), kann nicht festgestellt werden.

Dass sich die Antragsgegnerin ausnahmsweise auf Tätigkeiten vergleichbar denen der von ihr zuletzt ausgeübten Art, beispielsweise als Zimmermädchen oder Reinigungskraft, bei ihrer Arbeitsplatzsuche beschränken dürfte, da sie keine Qualifikation besäße und dies zu keinem höheren Verdienst führen könnte als dem zuletzt bezogenen monatlichen Nettoeinkommen von 1.236,30 DM inklusive Essensgeld, kann nicht festgestellt werden.

Denn ausweislich ihrer eigenen Ausführungen hat die Antragsgegnerin die 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule abgeschlossen, danach offensichtlich eine Ausbildung im Konditorengeschäft erhalten und von 1973 bis 1976 ein Studium als Ingenieur für Lebensmittelindustrie absolviert. Wenngleich dieser Abschluss nicht mit einem wirksamen Abschluss der Bundesrepublik Deutschland gleichzusetzen ist, so kann nicht verkannt werden, dass die Antragsgegnerin in ihrem Beruf erhebliche praktische Erfahrungen gesammelt hat, da sie nämlich von 1976 bis Anfang 1980 sogar als Lehrausbilder in der dortigen Branche gearbeitet hat. Ferner hat sie anschließend eine mehrjährige Tätigkeit als Büroangestellte im Schuldienst ausgeübt und von 1987 bis 1990 offensichtlich wieder eine Anstellung als Lehrkraft/Ausbilderin erhalten.

In Anbetracht dessen muss aber davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin, obgleich sie nach der Wende geringer qualifizierte Arbeiten verrichtet hat, intellektuell ohne Weiteres in der Lage ist, auch eine gehobene, größere geistige Anforderungen an sie stellende Erwerbstätigkeit auszuüben und nicht nur minderbezahlte Arbeiten wie die einer Raumpflegerin oder eines Zimmermädchens.

Auf Grund der ihr obliegenden gesteigerten Erwerbsobliegenheit hatte sie sich folglich auch um eine besser bezahlte Tätigkeit zu bemühen, was indes nicht geschehen ist.

Zudem konnte ihr auch zugemutet werden, soweit ihr Einkommen aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nicht ausreichte, den Mindestunterhalt ihres Sohnes zu sichern, einer entgeltlichen Nebenbeschäftigung nachzugehen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, a. a. O., Rdnr. 628 m.w.N.).

In Anbetracht der intellektuellen Vorbildung der Antragsgegnerin muss davon ausgegangen werden, dass, wenn diese ausreichende Erwerbsbemühungen entfaltet hätte, sie eine Anstellung, beispielsweise im Restaurantfachkraft oder als Büroangestellte, sowie einen Nebenerwerb (Zeitungsausträgerin oder Verteilerin von Werbezeitungen etc.) hätte finden können, mit denen sie ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von mindestens 2.000,00 DM hätte verdienen können (1.700,00 DM Haupterwerbseinkommen + 300,00 DM Nebenerwerbseinkommen), womit sie aber in der Lage gewesen wäre, den Unterhaltsanspruch ihres Sohnes in Höhe von monatlich 487,00 DM ab Januar 2002 zu befriedigen.

Ihr ist - mangels ausreichender Erwerbsbemühungen - dieses Einkommen fiktiv anzurechnen.

Die Antragsgegnerin kann sich im Übrigen nicht auf ihre Alkoholsucht berufen.

Dass sie hierdurch nicht in der Lage gewesen wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist nicht feststellbar. Vielmehr hat sie selbst zu erkennen gegeben, dass sie trotz ihrer Alkoholabhängigkeit in den letzten Jahren immer noch durchgängig gearbeitet hat.

Auch die Tatsache, dass sie nach Eintritt ihrer Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 23.07.2001 bis 23.10.2001 stationär im Diakonie-Krankenhaus E. zwecks Durchführung einer Alkoholentziehungskur untergebracht war, kann nicht den Einwand ihrer Leistungsunfähigkeit rechtfertigen.

Denn hätte sich die Antragsgegnerin, deren bisheriges Arbeitsverhältnis bereits mit Schreiben vom 27.01.2001 - offenbar aus betriebsbedingten Gründen - zum 4.03.2001 gekündigt worden war (Bl. 20 d. A.), rechtzeitig, also unmittelbar nach Erhalt des Kündigungsschreibens, um eine neue Erwerbstätigkeit bemüht, dann hätte sie - trotz ihrer dreimonatigen stationären Behandlung wegen ihrer Alkoholabhängigkeit - bis zum Januar 2002, dem Zeitpunkt ab dem Kindesunterhalt verlangt wird (Bl. 26 d. A.), längst eine neue Arbeitsstelle finden können, womit sie in der Lage gewesen wäre, den eingeforderten Unterhalt zu zahlen.

Schließlich kann aus dem Vorhandensein einer Alkoholabhängigkeit auch nicht zwingend und notwendig auf das Vorhandensein einer Arbeitsunfähigkeit und damit einer Leistungsunfähigkeit geschlossen werden.

Soweit die auf Zahlung des Regelbetragunterhaltes in Anspruch genommene und daher für ihre Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin hierzu die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigengutachtens bzw. die Einholung einer Stellungnahme des Diakonie-Krankenhauses E. bzw. des sie dort vormals behandelnden Arztes beantragt hat, handelt es sich hierbei um im einstweiligen Anordnungsverfahren ungeeignete Beweisantritte. Denn soweit das Gericht im einstweiligen Anordnungsverfahren Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt und in zivilprozessualen Angelegenheiten, wie hier der Forderung von Kindesunterhalt, Beweis zu erheben hat, kann es nicht präsente Beweismittel unberücksichtigt lassen (§ 294 Abs. 2 ZPO).

In Anbetracht dessen war die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens und die Erhebung der übrigen von der Antragsgegnerin angebotenen Beweise im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht veranlasst. Der Antragsgegnerin wäre es unbenommen gewesen, ihrerseits ein medizinisches Sachverständigengutachten oder ein medizinisches Gutachten des sie behandelnden Facharztes zum Termin beizubringen, was indes nicht geschehen ist.

Letzteres gilt im Übrigen auch für die von ihr behauptete Verletzung ihres linken Unterarmes, auf Grund derer sie überwiegend steife Finger haben will und diese nicht bewegen können soll. Hierzu hat die Antragsgegnerin keine geeigneten präsenten Nachweise (ärztliches Gutachten, Facharztberichte) beigebracht.

Letztlich ist im Zusammenhang mit den von der Antragsgegnerin behaupteten gesundheitlichen Einschränkungen und einer hierauf gestützten Leistungsunfähigkeit darauf hinzuweisen, dass die Antragsgegnerin nach Beendigung ihrer bisherigen Tätigkeit überwiegend dem Arbeitsmarkt zur Vermittlung durch das Arbeitsamt zur Verfügung stand, sodass sie sich auch daher unter Berücksichtigung des Grundsatzes des venire contra factum proprium gemäß § 242 BGB nicht auf eine Arbeitsunfähigkeit und damit Leistungsunfähigkeit berufen kann.

II.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens waren der Antragsgegnerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO bzw. § 49 Satz 1 GKG in Verb. mit § 11 Abs. 1 GKG, Anlage 1, Kostenverzeichnis Nr. 1956 ZPO aufzuerlegen, wobei zu Gunsten der Antragsgegnerin - nach erfolgter Klarstellung - von nur einem einheitlichen Rechtsmittel auszugehen war, sodass auch nur für ein Beschwerdeverfahren Gerichtsgebühren zu erheben sind.

Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens findet - wie aus § 127 Abs. 4 ZPO erhellt - nicht statt.

Ende der Entscheidung

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