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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Beschluss verkündet am 21.05.2002
Aktenzeichen: 14 WF 93/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 115
ZPO § 115 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 3
ZPO § 117 Abs. 4
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 115 Abs. 1 Satz 4
BGB § 1578
BGB § 1361 Abs. 1 Satz 1
GKG § 1
GKG § 11 Abs. 1
Das unvollständige Ausfüllen des Vordrucks rechtfertigt die Versagung der Prozesskostenhilfe nur dann, wenn sich das Gericht kein zuverlässiges Bild über die wirtschaftlichen Verhältnisse machen kann (im Anschluss an OLG Naumburg in DAmv 1993, 722; Zöller/Philippi, 23.Aufl., § 117 RdNr 16). Falls jedoch auch ohne Vorliegen eines vollständig ausgefüllten Vordrucks die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich ist, ist das nicht ordnungsgemäße Ausfüllen unschädlich.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG BESCHLUSS

14 WF 93/02 OLG Naumburg

In dem Prozesskostenhilfeverfahren

...

hat der 14. Zivilsenat - 3. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg durch die Richterin am Oberlandesgericht Hahn und die Richter am Landgericht Materlik und Lentner am

21. Mai 2002

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Dessau vom 25.03.2002, Az.: 3 F 52/02, abgeändert.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren in erster Instanz ohne Zahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt Wn. aus P. zu ihrer Vertretung bewilligt.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die gemäß den §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ff. ZPO (in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung, vgl. § 26 Nr. 10 EGZPO) zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihr Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts Dessau vom 25.03.2002, Az.: 3 F 52/02 (Bl. 134 d. A.), ist begründet.

Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts Dessau liegen (nunmehr) die Voraussetzungen gemäß den §§ 114, 115 ZPO, unter welchen einer Partei Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, vor. Die Antragstellerin ist einerseits bedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferechts, andererseits hat die von ihr beabsichtigte Trennungsunterhaltsklage gegen den Antragsgegner, ihren Ehemann, hinreichende Aussicht auf Erfolg.

1. Zwar hat die Antragstellerin, worauf in zutreffender Weise das Amtsgericht hingewiesen hat, den gemäß § 117 Abs. 3 und 4 ZPO zu verwendenden Vordruck für die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowohl mit Datum vom 31.01.2002 (Bl. 1 des PKH-Heftes der Antragstellerin) als auch vom 16.02.2002 (Bl. 6 des PKH-Heftes der Antragstellerin) nicht vollständig ausgefüllt, weil tatsächlich im erstgenannten die benötigten Angaben zu den Spalten G und H bzw. im zweitgenannten diejenigen der Spalten E, F und H gefehlt haben und diese auch nach entsprechender gerichtlicher Aufforderung und Fristsetzung nicht in einer neuen, ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllten Erklärung nachgeholt worden sind.

Gleichwohl kann - ausgehend von dem für die Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen nunmehr maßgeblichen Erkenntnisstand des Beschwerdegerichts zum Zeitpunkt seiner Entscheidung (vgl. hierzu Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 119, Rdnr. 44, 52) - eine Prozesskostenhilfeversagung auf diese Umstände nicht mehr gestützt werden, da diese Lücken durch zusätzliche Erklärungen der Antragstellerin im amtsgerichtlichen Termin vom 08.05.2002 einerseits und durch die zur weiteren Ergänzung zur Akte gereichten Belege andererseits geschlossen werden können. Denn das unvollständige Ausfüllen des Vordrucks rechtfertigt die Versagung der Prozesskostenhilfe nur dann, wenn sich das Gericht kein zuverlässiges Bild über die wirtschaftlichen Verhältnisse machen kann (vgl. OLG Naumburg, Der Amtsvormund 1993, S. 722; Zöller/Philippi, a.a.O., § 117, Rdnr. 16). Falls jedoch auch ohne Vorliegen eines vollständig ausgefüllten Vordrucks die Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse möglich ist, ist das nicht ordnungsgemäße Ausfüllen unschädlich.

So liegt es hier. Denn die Antragstellerin hat durch Einreichen des Bewilligungsbescheides des Arbeitsamtes W. vom 13.02.2002 (Bl. 7, 8 des PKH-Heftes der Antragstellerin) sowie durch Vorlage der Gehaltsbescheinigungen ihres neuen Arbeitgebers, der Fa. R. , eingereicht mit dem Beschwerdeschriftsatz vom 25.04.2002 (Bl. 181 bis 183 d. A.), die erforderlichen Angaben über ihre monatlichen Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit bzw. für den vorausgegangenen Zeitraum über ihre vom Arbeitsamt bezogenen staatlichen Entgeltersatzleistungen bei Arbeitslosigkeit nachgeholt. Des Weiteren hat die Antragstellerin ausweislich des gerichtlichen Protokolls vom 08.05.2002 (Bl. 200 bis 201 d. A.) an Eides statt versichert, dass sie ihr Gewerbe als Kosmetikerin nicht mehr ausübe, keine weiteren Nebeneinkünfte habe und monatlich 400,00 Euro als Beteiligung für die anfallenden Hauskosten und die allgemeinen Lebenshaltungskosten an ihren Lebensgefährten zahle. Damit hat sie nunmehr hinreichend substantiiert und glaubhaft dargelegt, dass sie seit dem 18.02.2002 ausschließlich über ein monatliches Nettoeinkommen von 617,10 Euro verfügt und daneben weitere Einkommens- und Vermögenswerte nicht vorhanden sind.

Nach Abzug der in § 115 Abs. 1 Satz 3 ZPO aufgeführten Beträge verbleibt daher jedenfalls kein zum Bestreiten der Prozesskosten einzusetzendes Einkommen im Sinne des § 115 Abs. 1 Satz 4 ZPO oder zumutbar einzusetzendes Vermögen im Sinne des § 115 Abs. 2 ZPO. Die Antragstellerin ist bedürftig im Sinne des Prozesskostenhilferechts.

2. Des Weiteren hat die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage auf Trennungsunterhalt auch in sachlicher Hinsicht die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg gemäß § 114 ZPO. Letztere liegt für die Rechtsverfolgung nämlich schon dann vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der antragstellenden Partei aufgrund ihrer Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rdnr. 19). Es muss also aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage möglich sein, dass die antragstellende Partei mit ihrem Begehren durchdringen wird, wobei die Anforderungen an die rechtlichen und tatsächlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden dürfen (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., Rdnr. 19).

Die Antragstellerin hat hier im Sinne der für die im Prozesskostenhilfeverfahren im oben näher bezeichneten Umfang erforderliche, jedoch auch ausreichende summarisch-prognostische Prüfung der Erfolgsaussichten hinreichend schlüssig dargelegt, dass ihr für die Zeit des Getrenntlebens ein Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann zusteht.

Nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Ehegatte von dem anderen, wenn sie getrennt leben, den nach den Lebensverhältnissen und Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt verlangen. Der Maßstab des Unterhaltsbedarfs entspricht dabei dem nach § 1578 BGB (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 61. Aufl., § 1361, Rdnr. 62). Die ehelichen Lebensverhältnisse markieren dementsprechend die Obergrenze des Lebenszuschnitts, der hälftige Anteil an ihnen bildet zugleich die Obergrenze für den vollen Unterhalt, d. h. den Bedarf (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1578, Rdnr. 47 m. w. N.). Maßgebender Zeitpunkt wiederum für die Bedarfsbestimmung ist der aktuelle Stand der wirtschaftlichen Verhältnisse, an deren Entwicklung die Ehegatten bis zur Scheidung teilnehmen (vgl. Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1361, Rdnr. 63).

Die ehelichen Lebensverhältnisse sind hier unzweifelhaft geprägt worden durch die beiderseitigen Einkommen der Parteien, die jeweils während der Ehezeit berufstätig gewesen sind, wobei offensichtlich der Antragsgegner stets über ein erheblich höheres Einkommen als die Antragstellerin, nämlich - jedenfalls in den letzten Ehejahren - von wenigstens monatlich durchschnittlich 2.500,00 DM (= rd. 1.300,00 Euro) netto verfügt hat. Zumindest ist von diesem Einkommen des Antragsgegners aufgrund des für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ausreichend substantiierten Vortrags der Antragstellerin auszugehen. Im Übrigen liegen aktuelle Gehaltsbescheinigungen des Antragsgegners für den Zeitraum ab April 2001 nicht vor, sodass davon auszugehen ist, dass er - zumindest (etwaige Steuererstattungen und/oder Sonderzuwendungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld seien ohnehin dahingestellt) - diese Einkünfte nach wie vor bezieht.

Die Antragstellerin wiederum hat im Zeitraum von April 2000 bis März 2001 monatlich durchschnittlich 1.070,00 DM netto erzielt, danach hat sie bis zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit Mitte Februar 2002 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 756,00 DM bezogen. Seit dem Monat Februar 2002 erhält sie nunmehr aus ihrer Erwerbstätigkeit in ihrem erlernten Beruf als Fleischereifachverkäuferin ein monatliches Nettoeinkommen von rd. 617, 00 Euro.

Unabhängig von der Wahl der Berechnungsmethode (Differenz- oder Additionsmethode, vgl. BGH, NJW 2001, S. 2254 ff.; Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1578, Rdnr. 58 und 61) ergibt sich vorliegend unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen jedenfalls ein Trennungsunterhaltsanspruch der Antragstellerin, welcher der Höhe nach im Bereich der von ihr zumindest für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ausreichend substantiiert dargelegten monatlichen Beträge liegen dürfte, und zwar auch bei Berücksichtigung eines geschätzten, auf Seiten des Ehemannes ggfs. anzurechnenden Wohnvorteils von weniger als 500,00 DM und des ihm zu belassenden Selbstbehalts.

Von welchen rechnerischen Größen bei den jeweiligen Einkommen der Parteien zur genauen Ermittlung des Unterhaltsanspruchs letztendlich auszugehen ist, wird das Amtsgericht ohnehin im Hauptverfahren - ggfs. nach Erteilung richterlicher Hinweise oder nach Durchführung einer Beweisaufnahme - aufzuklären und konkret zu prüfen haben.

Nach alledem ist der Antragstellerin gemäß den §§ 114, 115 ZPO Prozesskostenhilfe zu gewähren.

II.

Die Gerichtsgebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus den §§ 1, 11 Abs. 1 GKG, Anlage 1, KV Nr. 1956. Außergerichtliche Kosten sind, wie aus § 127 Abs. 4 ZPO folgt, im Beschwerdeverfahren wegen nicht bewilligter Prozesskostenhilfe generell nicht erstattungsfähig.

Ende der Entscheidung

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