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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.07.2001
Aktenzeichen: 2 U 3/01
Rechtsgebiete: Beteiligungsvertrag, BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

Beteiligungsvertrag § 4
Beteiligungsvertrag § 2
Beteiligungsvertrag § 6
Beteiligungsvertrag § 6 Abs. 1
Beteiligungsvertrag § 6 Abs. 3
Beteiligungsvertrag § 6 Abs. 3 S. 2
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 1 S. 1
ZPO § 850 c
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 3
ZPO § 546 Abs. 2
GKG § 14 Abs. 1
GKG § 22 Abs. 1
Abgrenzung Garantie-Bürgschaft

1. Auch eine Garantie für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten ist als so genannte Zahlungsgarantie möglich und muss nicht in jedem Fall als Bürgschaft angesehen werden.

2. Das wesentliche Abgrenzungskriterium der Garantie im Verhältnis zur Bürgschaft ist der Verzicht des Garanten auf eine Akzessorietät zur Hauptschuld.

3. Ergibt sich aus Sinn und Zweck des Vertrages unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien, dass der als "Garant" bezeichnete Vertragspartner nur eine von dem Bestand der Hauptschuld dauernd abhängige Haftung übernommen hat, kann ein Bürgschaftsvertrags selbst dann vorliegen, wenn seine Erklärung ausdrücklich als "Garantie" bezeichnet worden ist.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 3/01 OLG Naumburg

verkündet am: 19. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Richter am Oberlandesgericht Handke als Vorsitzenden, den Richter am Amtsgericht Grimm und den Richter am Landgericht Galler auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Juli 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. Dezember 2000 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die frühere Beklagte zu 1) die Hälfte der Gerichtskosten, 1/3 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie ihre eigenen Auslagen voll. Die übrigen Kosten der ersten Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche aus einer sog. Garantieerklärung.

Die Mutter der Beklagten war bis zum Jahre 1989 Betriebsleiterin der Rechtsvorgängerin der H. (im Folgenden Hauptschuldnerin). Nachdem die Hauptschuldnerin zunächst durch andere Firmengruppen geleitet worden war, beabsichtigte die Mutter der Beklagten im Jahre 1996 das Unternehmen zu erwerben. Im Rahmen der Gespräche über den Erwerb des Unternehmens vereinbarten die Beklagte und die beteiligten Kreditinstitute, dass die Mutter der Beklagten als Komplementärin und die Beklagte als Kommanditistin der Gesellschaft auftreten sollten.

Mitte 1996 nahm die Beklagte Kontakt zur M. (im Folgenden: M. ) auf, die als gemeinnütziges Unternehmen zur Stärkung der mittelstän-dischen Wirtschaft unter anderem Garantien für Kredite übernimmt. In diesem Zusammenhang sandte die Beklagte der M. unter dem Datum des 13. Juni 1996 ein Schreiben, in dem sie von einem Kapitalbedarf für den Erwerb von Kommanditanteilen von 500.000,-- DM spricht (vgl. Bd. I, Bl 73 d.A.). Als Ergebnis der Verhandlung schloss die Gemeinschuldnerin mit der M. am 10. Dezember 1996 einen Gesellschafts- und Beteiligungsvertrag. Darin verpflichtete sich die M. , eine stille Einlage von 810.000,-- DM zu leisten. Als Zweck der Einlage ist die teilweise Finanzierung des Erwerbs der bisherigen Kommanditbeteiligung in Höhe von 1.620.000,-- DM vereinbart. Im Gegenzug hatte die Gemeinschuldnerin nach § 4 des Vertrages ein Beteiligungsentgelt in Höhe von 7,75 % jährlich sowie ein gewinnabhängiges Entgelt zu entrichten. Außerdem war eine direkt an die Klägerin zu entrichtende Garantieprovision in Höhe von 0,8 % des Beteiligungsbetrages vorgesehen. Die Beteiligung erfolgte unter der Auflage, dass die Beklagte und ihre Mutter auf Tantiemezahlungen und Gewinnausschüttungen verzichteten, bis das wirtschaftliche Eigenkapital einen Anteil von mindestens 10 % der Bilanzsumme erreicht habe. Weiter hatte die M. nach § 2 ein Kündigungsrecht, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Gemeinschuldnerin gefährdet erschienen. § 6 des Vertrages lautet wörtlich:

"Frau M. D. und Frau J. Sch. garantieren der M. durch Mitunterzeichnung dieses Vertrages, dass die Einlage, rückständiges Beteiligungsentgelt sowie das Agio nach Auflösen der stillen Gesellschaft von der Firma an die M. bezahlt werden.

Die B. bank garantiert der M. gemäß besonderem Garantievertrag und gemäß ihren Garantiebestimmungen sowie einer ihrer Erklärung vom 13. Oktober 1993 die Rückzahlung der Einlage bis zum Betrag von 648.000,-- DM (80 %) sowie des Beteiligungsentgeltes bis zur Höhe von 80 % im Rahmen der Höchstbetragsgarantie.

Im Verhältnis zwischen Garantin B. bank GmbH und Frau M. D. und Frau J. Sch. sind Frau M. D. und Frau J. Sch. allein verpflichtet, Garantieleistungen zu erbringen. Soweit die B. bank auf Grund ihrer Garantiezahlungen an die M. leistet, kann sie Frau M. D. und Frau J. Sch. als Gesamtschuldner auf vollen Ersatz ihrer Garantieleistung in Anspruch nehmen."

Hinsichtlich der Einzelheiten des Vertrages wird auf B. I, Bl. 12 - 16 d. A. Bezug genommen.

Bereits am 26. November 1996 hatten die Beklagte und ihre Mutter im Beisein der Mitarbeiterin der M. B. (verheiratete R. ) einen "Zusatz zum Vertrag". Dort heißt es wörtlich:

"Garantieerklärung

Der Garant/die Garanten wurde(n) auf seine/ihre Garantieverpflichtung gemäß § 6 Abs. 1 dieses Vertrages und seine/ihre Verpflichtung gemäß § 6 Abs. 3 im Verhältnis zu der Garantin B. bank GmbH, Garantieleistungen allein und ohne Regressmöglichkeit zu erbringen, ausdrücklich hingewiesen und erklärt/erklären sich hiermit einverstanden."

Die Klägerin schloss in der Folgezeit, wie im Beteiligungsvertrag vorgesehen, mit der M. den erwähnten Garantievertrag.

Die Beklagten stellten am 24. November 1999 wegen Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerin Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Verfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 01. Januar 2000 eröffnet. Da die Masse unzulänglich ist, kann die M. mit Zahlung auf die zur Tabelle angemeldeten 870.000,-- DM nicht rechnen.

Nachdem die M. von dem Insolvenzantrag Kenntnis erlangt hatte, kündigte sie am 09. Dezember 1999 die Beteiligung fristlos und forderte die Rückzahlung der Einlage sowie der ausstehenden Entgelte. Da eine Zahlung nicht zu erlangen war, nahm sie die Klägerin aus der mit ihr abgeschlossenen Garantie in Anspruch. Die Klägerin zahlte am 05. April 2000 an die M. einen Betrag von 690.000,-- DM.

Die Beklagte ist Juristin und selbstständig als Generalrepräsentantin eines Finanz- und Versorgungsdienstes tätig. Bei den Vertragsverhandlungen, die zum Abschluss des Gesellschafts- und Beteiligungsvertrages führten, legte sie einen tabellarischen Lebenslauf vor (vgl. Bl. 72 d. A.). Darin findet sich die Zeile "Besitzverhältnisse Reihenhaus in R. ". Tatsächlich war sie zu diesem Zeitpunkt hälftige Miteigentümerin des Reihenhauses. Darüber hinaus gehören ihr Ackerflächen und ein Miteigentumsanteil an einem Mehrfamilienhaus in der R. straße in M..

Die Mutter der Beklagten, die als frühere Erstbeklagte an dem Rechtsstreit beteiligt war, ist mit inzwischen rechtskräftigem Versäumnisurteil vom 12. Juni 2000 zur Zahlung von 200.000,-- DM nebst 7,25 % Zinsen seit dem 01. Februar 2000 verurteilt worden.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass mit der Beklagten ein wirksamer Garantievertrag zustandegekommen sei. Sie nimmt sie auf Zahlung eines erstrangigen Teilbetrages von 200.000,-- DM in Anspruch. Sie behauptet dazu, dass sich die Beklagte der Risiken dieser Vereinbarung voll bewusst gewesen sei. Außerdem habe sie die Verhandlung mit der M. im Wesentlichen alleinverantwortlich geführt. Weder von Seiten der M. noch von der Klägerin sei das Risiko verharmlost worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte als Gesamtschuldnerin mit ihrer Mutter zu verurteilen, an sie 200.000,-- DM nebst 7,25 % Zinsen seit dem 01. Februar 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, dass der als Garantie bezeichnete Vertrag sittenwidrig sei. Sie habe keinerlei Eigeninteresse an der Kommanditistenstellung gehabt und sei zudem niemals in der Lage gewesen, auch nur das zinsähnliche Beteiligungsentgelt aus ihrem pfändbaren Einkommen zu bestreiten. Außerdem sei bei den Vertragsverhandlungen das Risiko verharmlost worden. Sie habe die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nur ihrer Mutter zuliebe übernommen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit am 06. Dezember 2000 verkündetem Urteil antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung ist ausgeführt, dass auf die vorliegende Garantieerklärung die Grundsätze der Rechtsprechung über die Sittenwidrigkeiten von Bürgschaften anzuwenden sei. Es sei zwar möglich, dass die Beklagte durch die Garantie finanziell krass überfordert gewesen sei. Dies führe jedoch nicht zur Sittenwidrigkeit der Vereinbarung, weil die Beklagte maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt gewesen sei. Auch aus dem Verwandtschaftsverhältnis zu ihrer Mutter ließe sich eine Sittenwidrigkeit genauso wenig herleiten wie aus einer Verharmlosung des Risikos bei Vertragsabschluss.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12. Dezember 2000 zugestellte Urteil am 12. Januar 2001 Berufung eingelegt und diese nach entsprechend gewährter Fristverlängerung am 01. März 2001 begründet. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass die "Garantieerklärung" als sittenwidrig anzusehen sei. Sie sei finanziell krass überfordert gewesen. Hierzu legt sie ihre Eigentumsverhältnisse noch einmal ausführlich dar. Weiter habe sie keine persönlichen und wirtschaftlichen Interessen an der Beteiligung als Kommanditist gehabt. Es ergebe sich daraus, dass sie keinerlei Mitwirkungs- oder Vertretungsbefugnisse bei der Gemeinschuldnerin gehabt hätte. Sie sei auch weder im Arbeitsprozess noch in betriebswirtschaftliche Abläufe eingebunden und habe keine Kontoführungsbefugnis besessen. Als Kommanditist habe sie zu keinem Zeitpunkt Vergütungen oder Gewinnausschüttungen erhalten. Schließlich habe sie die Garantie nur aus emotionalem Druck übernommen, um der Mutter eine Existenz zu erhalten. Besonders ihr Vater habe in dieser Hinsicht massiv auf sie eingewirkt.

Die Beklagte beantragt,

das am 08. Dezember 2000 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 200.000,-- DM aus dem sog. Garantieversprechen in § 6 Abs. 1, 3 des Beteiligungsvertrages in Verbindung mit der dort vereinbarten Regelung über den Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Klägerin, da diese Vereinbarung i. S. d. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist.

I.

Gemäß § 138 Abs. 1 BGB ist eine Bürgschaft insbesondere dann nichtig, wenn der aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner handelnde Bürge finanziell krass überfordert wird und die Bürgschaft sich auch aus Sicht eines vernünftig denkenden Gläubigers als wirtschaftlich sinnlos erweist (BGH NJW 2000, 1182, 1183).

1. Die in § 6 Abs. 1 des Beteiligungsvertrages geschlossene Vereinbarung stellt der Sache nach - trotz der anders lautenden Bezeichnung - eine Bürgschaft (§ 765 BGB) dar. In § 6 Abs. 3 S. 2 des genannten Vertrages haben die Vertragsparteien eine Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Klägerin getroffen (§§ 426 Abs. 1 S. 1, 328 BGB).

a) Im vorliegenden Fall ist keine Garantie im technisch-juristischen Sinne anzunehmen. Eine Garantiezusage ist das selbständige Versprechen, einem anderen dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Erfolg eintritt oder die Gefahr eines bestimmten künftigen Schadens sich nicht verwirklicht (vgl. Horn in Staudinger, 13. Bearb. 1997, vor § 765, Rdn. 194 m. z. N.).

aa) Das wesentliche Abgrenzungskriterium der Garantie im Verhältnis zur Bürgschaft ist der Verzicht des Garanten auf eine Akzessorietät zur Hauptschuld (vgl. RGZ 72, 138, 140; 83, 337, 339; 90, 415, 417; 103, 231, 237). Ein selbständiges Garantieversprechen ist dementsprechend nach einhelliger Meinung grundsätzlich anzunehmen, wenn die Haftung unabhängig vom Bestehen einer Hauptforderung begründet werden soll (vgl. BGH NJW 1996, 2569), auch wenn sie häufig einem ähnlichen Sicherungszweck dient wie die Bürgschaft. Durch Auslegung ist deshalb zu ermitteln, ob eine selbständige oder eine abhängige Schuld begründet werden soll (vgl. Horn, a. a. O. Rdn. 216 ff.).

Auch eine Garantie für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten ist als so genannte Zahlungsgarantie möglich (h. M., vgl. BGH WM 1961, 204; 1968, 680; Horn, a. a. O. Rdn. 255 m. w. N.) und muss nicht als Bürgschaft angesehen werden. Bei der Abgrenzung kommt es zunächst auf den Wortlaut an, der vor allem bei geschäftsgewandten Beteiligten von ausschlaggebender Bedeutung sein kann (vgl. BGH WM 1982, 632). Grundsätzlich ist gegen den eindeutigen Gebrauch des Wortes Garantie der Einwand nicht zulässig, der Garant habe bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung kein Interesse an einer derart weit gehenden Risikoübernahme gehabt (vgl. BGH WM 1964, 61).

Weiterer Anhaltspunkt für eine Garantie ist neben dem Wortlaut die Interessenlage und der Zweck. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Garanten an der Erfüllung der Hauptverpflichtung spricht in der Regel für den Willen, einen Garantievertrag zu schließen (vgl. BGH WM 1962, 577). Führt die Auslegung allerdings nicht zu einem klaren Ergebnis, ist im Zweifel eine Bürgschaft anzunehmen (vgl. BGH WM 1985, 1417; 1975, 346).

bb) Im vorliegenden Fall ist - anders als in anderen bereits vom Senat entschiedenen Fällen (Urteil vom 18.05.2000 2 U 114/9; Urteil vom 18.05.2000 2 U 115/; Urteil vom 09.02.2001 2 U 161/00) - die getroffene Vereinbarung als Bürgschaft anzusehen. Zwischen den Parteien ist hier unstreitig, dass die Verpflichtung der Beklagten nach der gewählten Formulierung nur akzessorisch die Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin gegenüber der M. sichern sollte. Weiter hatte die Beklagte als Kommanditistin gerade kein derart starkes eigenes wirtschaftliches Interesse, da sie an der Geschäftsführung nicht beteiligt war und zunächst auf Gewinnentnahmen vertraglich verzichtet hatte. Die Bedeutung der gewählten Formulierung "Garantie" tritt dagegen zurück.

b) In § 6 Abs. 3 S. 2 des genannten Vertrages haben die Vertragsparteien eine Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Klägerin getroffen (§§ 426 Abs. 1 S. 1, 328 BGB).

Nach dem Vertrag sollte auch die Klägerin die Rückzahlung der Einlage und die Zahlung des Beteiligungsentgeltes ebenfalls garantieren. In der Folgezeit schloss sie - wie vorgesehen - auch eine entsprechende Vereinbarung mit der M. . Für den Fall der Inanspruchnahme der Klägerin hatte die Beklagte mit der M. vereinbart, dass sie im Verhältnis zur Klägerin allein verpflichtet sein sollte. Dies ist eine Bestimmung über den Gesamtschuldnerausgleich im Sinne des § 426 Abs. 1 S. 1 BGB mit der Besonderheit, dass sie zugunsten der Klägerin getroffen wurde, obwohl nicht Partei des Beteiligungsvertrages war. In soweit handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter.

2. Die Beklagte wird durch diese übernommene Bürgschaft finanziell krass überfordert.

a) Der Bürge ist krass überfordert, wenn die Verbindlichkeit, für die er einstehen soll, so hoch ist, dass bereits bei Vertragsschluss nicht zu erwarten ist, er werde - wenn sich das Risiko verwirklicht - die Forderung des Gläubigers wenigstens zu wesentlichen Teilen tilgen können (BGHZ 125, 206, 211; BGH MW 1998, 2327 f.). Davon ist bei nicht ganz geringfügigen Hauptschulden jedenfalls dann auszugehen, wenn der Bürge voraussichtlich nicht einmal die laufenden Zinsen der Hauptschuld aufzubringen vermag (BGH NJW 2000, 1182, 1184).

aa) Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass sich aus den vertraglichen Vereinbarungen des Beteiligungsvertrages ergibt, dass für die Überlassung der stillen Beteiligung als jährliches Festentgelt und an Garantieprovision Zahlungen in Höhe von jährlich rund 70.000,-- DM anfallen. Mit Ablauf des dritten Verlustjahres steigen diese Zahlungen sogar auf 73.000,-- DM.

bb) Dem gegenüber reichte das Einkommen der Beklagten nicht aus, um die jährlichen Zinsen zu tilgen und zwar auch dann, wenn man zu Gunsten der Klägerin die sich aus der Selbstauskunft ergebenden Vermögensverhältnisse die Zahlen aus der Selbstauskunft vom 20.06.1996 oder der Gewinnermittlung für den Zeitraum vom 01. Januar 1995 bis zum 30. September 1995 zugrundelegt.

Nach der Selbstauskunft vom 20.06.1996 hatte die Beklagte ein Jahreseinkommen von 64.000,-- DM.

Die Gewinnermittlung weist für das Geschäftsjahr einen Gewinn von 73.310,86 DM aus. Dabei ergibt sich für den Senat nicht zweifelsfrei, ob sich dieser Gewinn den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 1995 oder auf ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr bezieht. Wäre der Gewinn innerhalb von 9 Monate erwirtschaftet worden, so ließe sich theoretisch ein Jahresgewinn von rund 98.000,-- DM hochrechnen. Ein solches Einkommen hätte es ermöglicht, die jährlichen Zahlungen aufzubringen. Die M. , von der die Klägerin ihre Rechte ableitet durfte jedoch von einer solchen hochgerechneten Einkommenserwartung nicht ausgehen. Die fragliche Gewinnermittlung weist auch aus, dass die Beklagte im Vorjahr lediglich 46.906,01 DM erwirtschaftet hatte. Dies zeigt, dass die Einkommensverhältnisse der Beklagten durchaus schwankend waren, wie dies bei einer selbständigen Tätigkeit nicht ungewöhnlich ist.

cc) Darüber hinaus verfügte die Beklagte zum Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung über ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, welches in dem für die Klägerin günstigsten Fall einen Wert von 300.000,-- DM hatte. Dieses Grundstück stand aber nur in Höhe ihres hälftigen Miteigentumanteils von 150.000,-- DM abzüglich der hälftigen bestehenden Grundpfandrechte in Höhe von 72.500,-- DM entsprechend einem Betrag von 77.500,-- DM für die Schuldentilgung zur Verfügung. Dieser Sachwert konnte daher ebenfalls zur Schuldentilgung eingesetzt werden.

Wenn man den Wert des Miteigentumsanteils am Reihenhaus in R. - in Anlehnung an die früheren Grundsätze des 9. Senates des Bundesgerichtshofs - für die Dauer von 5 Jahren kapitalisierte, würde sich das zugrunde zu legende Einkommen von 64.000,-- DM auf nur 79.500-- DM jährlich erhöhen. Unter der Berücksichtigung der gesetzlichen Pfändungsfreigrenzen nach § 850 c ZPO bedeutet dies, dass die Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, die jährlichen Beteiligungszinsen von 70.000,-- DM bzw. 73.000,-- DM aufzubringen.

dd) Die anderen Vermögenswerte, wie die auf den Ackerflächen belegene Kiesgrube und der Miteigentumsanteil an dem in der R. straße in M. gelegenen Grundbesitz, sind demgegenüber nicht in die Vermögensermittlung einzustellen, weil sie erst nach Abschluss des Bürgschaftsvertrages in das Vermögen der Beklagten gelangt sind und deshalb von der Klägerin nicht zur Grundlage ihrer Beurteilung der Leistungsfähigkeit gemacht werden konnte. Eine gesicherte Erwartung auf Erwerb dieser Vermögensgegenstände bestand jedenfalls zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht.

ee) Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte verpflichtet hatte, den ihr von der Firma N. gewährten zusätzlichen Kredit in Höhe von 810.000,-- DM innerhalb von acht Jahren zurückzuzahlen. Sie hatte in der fraglichen Tilgungsraten von einmal 110.000,-- DM und siebenmal 100.000,-- DM jährlich zu leisten. Damit ist die finanzielle Überforderung augenfällig.

b) Das von der Beklagten verbürgte Risiko wurde nicht durch sonstige Umstände ausgeglichen oder vermindert. Der erworbene Kommanditanteil bot gerade keine Sicherheit, da er bei Insolvenz der Gesellschaft wertlos wurde.

c) Die Klägerin muss sich die finanzielle Leistungsunfähigkeit der Beklagten als bekannt gegen sich gelten lassen.

Denn nach banküblichen Gepflogenheiten überprüfen Kreditinstitute die geforderten Sicherheiten vor der Hereinnahme grundsätzlich auf ihre Werthaltigkeit. Dementsprechend müssen sie von sich aus Ermittlungen über die Vermögens- und Einkommensverhältnisse solcher Personen anstellen, die mithaften sollen. Sieht eine Bank von derartigen Nahforschungen ab, muss sie sich in aller Regel die objektiven Tatsachen als bekannt entgegenhalten lassen (st. Rspr., zuletzt BGH, NJW 2000, 351 ff.).

Im vorliegenden Fall hätte sich die Klägerin bzw. die M. , von der die Klägerin ihre Rechte ableitet, nicht mit den in der Selbstauskunft gemachten Angaben zufrieden geben dürfen, um sich nicht dem Vorwurf der Missachtung existentieller Schuldnerbelange auszusetzen.

In dem Beteilgungsvertrag war der Erwerb der Kommanditbeteiligung zu 1.620.000,-- DM vorgesehen. Dieser Erwerbspreis war durch die Beteiligung der M. nur zur Hälfte gedeckt.

Es war daher zumindest mehr als wahrscheinlich, dass auf die Beklagte noch weitere finanzielle Belastungen in beträchtlicher Höhe zu kamen. Aus dem Vortrag der Klägerin ergibt sich nicht, dass sie in dieser Hinsicht nachgeforscht hätte.

3.

a) Die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Bürgschaft aus emotionaler Verbundenheit zu ihrer Mutter übernommen.

In der Beweisaufnahme sagte die Zeugin M. aus, dass die Beklagte bei den Vertragsverhandlungen erwähnt habe, dass die Beklagte ihrer Mutter habe helfen wollen. Es sei so gewesen, dass Frau D. Komplementärin und Geschäftsführerin des Unternehmens war und im Raume stand, dass das Unternehmen abgewickelt würde.

Da die Zeugin M. eine Mitarbeiterin der M. war, muss sich die Klägerin diese Kenntnis zurechnen lassen.

b) Die Beklagte hatte durch die Übernahme des Kommanditsanteils keinen eigenen geldwerten Vorteil, da ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermöchte.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind stets nur eigene geldwerte Vorteile des krass überforderten Bürgen aus dem verbürgten Geschäft selbst als ein Umstand angesehen worden, der ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit auszugleichen vermag (BGB NJW 2000, 1182, 1184; NJW 1999, 58, 59).

Solche eigenen geldwerten Vorteile ergeben sich im vorliegenden Fall nicht ohne Weiteres aus der Stellung, die die Beklagte als Kommanditistin erlangt hat. Auch aus ihrer Rolle, die sie bei den Verhandlungen, die zum Abschluss des Beteiligungsvertrages geführt haben, gespielt hat, lässt sich ein solcher Vorteil nicht ableiten.

aa) Der Bundesgerichtshof hat für den Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung entschieden, dass das Kreditinstitut in der Regel ein Interesse daran hat, die persönliche Haftung der Gesellschafter für Geschäftskredite zu verlangen. Die gängige Bankpraxis, die die Gewährung von Geschäftskrediten davon abhängig macht, dass die Inhaber der Gesellschaft persönlich in vollem Umfang für die entstehenden Forderungen eintreten, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Bank dürfe im Allgemeinen davon ausgehen, dass derjenige, der sich an einer Gesellschaft beteiligt, dies aus eigenen finanziellen Interessen tut und schon deshalb durch die

Haftung kein ihm unzumutbares Risiko auf sich nimmt. Für den Kreditgeber bestehe keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, aus welchen Gründen die Beteiligung an der Gesellschaft erfolge und die Haftung für deren Schulden übernommen werde (BGHZ 137, 329, 336 m.w.N.). Wird jedoch die Bank in die wirtschaftlichen Hintergründe des Kreditgeschäftes so einbezogen, dass für sie die wirklichen Motive des Bürgen, aus denen er sich auf die rechtsgeschäftliche Beteiligung einlässt, klar hervortreten, so darf er davor nicht die Augen verschließen. Erkennt die Bank infolge der ihr offenbarten Tatsachen, dass derjenige, der die Haftung übernehmen soll, wirtschaftlich nicht beteiligt wird und die Stellung eines Gesellschafters nur aus den für Verwandten- und Ehegattenbürgschaften typischen Erwägungen übernommen hat, er damit auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt, so kann die getroffene Haftungsvereinbarung sich im Einzelfall für den Gesellschafter als unzumutbare Belastung erweisen.

So liegt der Fall hier. Wie bereits ausgeführt, wusste die M. auf Grund der Vertragsverhandlungen, dass das Motiv der Beklagten die Hilfe für ihre Mutter war. Weiter erwarb die Beklagte lediglich die Stellung einer Kommanditistin. Die Beteiligung an der Geschäftsführung war nicht vorgesehen. Nach dem Beteiligungsvertrag hatte sie auf Tantieme-Zahlungen und Gewinnausschüttungen solange verzichtet, bis das wirtschaftliche Eigenkapital einen Anteil von mindestens 10 % der Bilanzsumme erreicht hatte. Aber gerade in dieser Phase war das Risiko, für das sich die Beklagte verbürgt hatte, am größten. Insgesamt wird die wirtschaftliche Nutzlosigkeit der Bürgschaft nicht dadurch beseitigt, dass die Beklagte durch auf Grund ihrer familiären Verbundenheit mit der Komplementärin und ihre Gesellschafterstellung ein Interesse am Wohlergehen der Hauptschuldnerin hatte.

bb) Schließlich besteht auch kein weiter gehendes berechtigtes Interesse der Klägerin an der Bürgschaft. Ein solches weiter gehendes Interesse kann zwar angenommen werden, wenn sich die kreditierende Bank vor Vermögensverschiebungen schützen muss. Im vorliegenden Fall sind hierfür keine Anhaltspunkte ersichtlich.

4. Durch die Unwirksamkeit der Bürgschaft entfällt auch der Gesamtschuldnerausgleich zugunsten der Klägerin.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO und die Entscheidung über den Wert der Beschwer in den §§ 14 Abs. 1, 22 Abs. 1 GKG, 3, 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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