Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 31.08.2006
Aktenzeichen: 2 U 48/06 (Lw)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 585a
Die Schriftform ist bei einem Vertrag über die Verlängerung eines Landpachtverhältnisses nicht gemäß § 585a BGB eingehalten, wenn der Pachtgegenstand in dem Verlängerungsvertrag nicht bestimmt ist, wenn nicht auf eine bestimmte Haupturkunde, sondern auf einen "zur Zeit bestehenden Pachtvertrag" Bezug genommen wird und wenn der Verlängerungsvertrag mit einem anderem Pächter als dem ursprünglichen geschlossen worden ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 48/06 (Lw) OLG Naumburg

Verkündet am: 31. August 2006

In der Landwirtschaftssache

hat der Senat für Landwirtschaftssachen des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 09. August 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Otparlik und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel sowie den Landwirt Broszeit und die Landwirtin Gühne als ehrenamtliche Richter für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 02.03.2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Halle-Saalkreis wird zurückgewiesen; die Urteilsformel des Urteils des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Halle-Saalkreis wird zugleich wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass die Beklagte statt zur Herausgabe des Flurstücks 100/13 der Flur 1 der Gemarkung R. zur Herausgabe des Flurstücks 110/13 der Flur 1 der Gemarkung R. , eingetragen im Grundbuch von R. auf Blatt 64, verurteilt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 EUR nicht.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

1. Das Landwirtschaftsgericht hat nicht gegen § 308 ZPO verstoßen; es hat nicht über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Die vom Landwirtschaftsgericht ausgeurteilte Räumung der Pachtflächen zum 31.10.2007 stellt kein aliud gegenüber dem Antrag auf Räumung nach dem 31.10.2006 dar, das Begehren auf Räumung zum 31.10.2007 ist als Minus im Antrag auf Verurteilung zur Räumung nach dem 31.10.2006 enthalten. Anders könnte ein Fall zu bewerten sein, in dem ein auf Räumung klagender Verpächter zu erkennen gibt, die Räumung ausschließlich zu einem bestimmten Termin und auch nicht hilfsweise zu einem späteren Termin zu begehren. Hierfür sind im vorliegenden Fall aber keine Anhaltspunkte ersichtlich.

2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Pachtflächen gemäß § 596 BGB. Hinsichtlich des Flurstücks 39/10 der Flur 4, eingetragen im Grundbuch von L. auf Blatt 1126, endet das Pachtverhältnis aufgrund der Kündigung vom 25.08.2004 zum 31.10.2006. Hinsichtlich der übrigen Flächen ist jedenfalls die mit Schreiben vom 30.09.2005 zum 30.07.2007, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, erklärte Kündigung als ordentliche Kündigung zum 31.10.2007 gemäß § 594a BGB wirksam. Denn gemäß § 585a BGB gelten die Pachtverträge trotz der in ihnen vorgesehenen Befristungen als für unbestimmte Zeit geschlossen, weil sie nicht der Schriftform entsprechen.

a) Bei Nachträgen und Änderungsvereinbarungen ist grundsätzlich eine feste Verbindung zu fordern, soweit auf den Hauptvertrag Bezug genommen wird. Unnötig ist dies, wenn die neue Urkunde alle wesentlichen Bestandteile des Vertrages enthält. Nach der sog. Auflockerungsrechtsprechung erübrigt sich eine feste Verbindung mit der Haupturkunde bei einem Nachtrag, der auf den Hauptvertrag Bezug nimmt, die Vertragsparteien und den Vertragsgegenstand ausweist und neben dieser Bezugnahme die wesentlichen Änderungen sowie die Klausel enthält, dass alle übrigen Bedingungen der Haupturkunde ausdrücklich aufrechterhalten werden, und der von den gleichen Parteien unterschrieben ist (Fassbender/Hötzel/ Lukanow, Landpachtrecht, 3. Auflage, § 585a Rn. 30). In der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1992, 798 ff.; NJW-RR 2000, 744 f.) findet sich zwar nicht ausdrücklich die Formulierung, dass alle übrigen Bedingungen der "Haupturkunde" ausdrücklich aufrechterhalten werden müssen; der BGH verlangt aber, dass es "unter Einbeziehung des Nachtrags bei dem verbleiben" solle, "was früher bereits formgültig niedergelegt war". "Formgültig niedergelegt" wird eine Vertragsurkunde, nicht ein Vertragsverhältnis, dessen Zustandekommen auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen kann. Beide Verträge müssen zudem von denselben Parteien unterzeichnet sein. Der BGH setzt nämlich voraus, dass die neue Urkunde "ebenfalls von beiden Parteien unterzeichnet ist" (BGH, NJW 1994,1649), also dass die Parteien, die die Haupturkunde unterschrieben haben, auch den Nachtragsvertrag unterschrieben haben.

b) Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Schriftform nicht eingehalten ist. Der Pachtgegenstand ist in den Verlängerungsverträgen nicht bestimmt. Bezug genommen wird auch nicht auf eine bestimmte Haupturkunde, sondern auf einen "zur Zeit bestehenden Pachtvertrag". Das Bestehen eines Pachtvertrages ist eine rechtliche Schlussfolgerung aus Tatsachen, die unterschiedlicher Natur sein können; diese Tatsachen sind im Verlängerungsvertrag nicht bezeichnet. Von besonderer Bedeutung ist, dass zwischen den Parteien des Verlängerungsvertrags zuvor ein formgültiger Pachtvertrag nicht geschlossen worden war. Bisherige Pächterin war nicht die Beklagte, sondern Herr St. . Allenfalls bei einer Gesamtrechtsnachfolge könnte angenommen werden, dass anstelle der ursprünglichen Partei deren Gesamtrechtsnachfolger die Nachtragsvereinbarung unterschreiben kann. Die Beklagte ist aber nicht Gesamtrechtsnachfolger des Herrn St. .

c) Der Umstand, dass dem Kläger gemäß Ziffer V. 2 des mit der Erbengemeinschaft K. geschlossenen Kaufvertrags der Pachtvertrag vollinhaltlich bekannt ist und dass er ab Besitzübergang in den Pachtvertrag eintritt, verhilft der Beklagten nicht zum Erfolg, auch nicht hinsichtlich der aus dem Pachtvertrag mit K. stammenden Flächen. Der Kläger hat den Vertrag in dem Zustand übernommen, in dem er sich befand, also mit allen Form- und sonstigen Mängeln. Eine Garantie für die Formwirksamkeit des Vertrages haben die Verkäufer nicht übernommen; eine solche könnte auch nicht dem Pächter entgegengehalten werden.

d) Der Kläger ist auch nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich auf den Formfehler zu berufen.

Die Berufung auf den Formmangel ist beiden Seiten grundsätzlich ohne Weiteres erlaubt. Nur wenn ihn ein Vertragsteil geltend macht, der ihn selbst herbeigeführt hat, kann darin ein venire contra factum proprium liegen. Gegenüber dem selbst nicht treuwidrig handelnden Erwerber kann ein Erfüllungsanspruch des Pächters nicht entstehen (Faßbender/Hötzel/ Lukanow, Landpachtrecht, 3. Auflage, § 585a Rn. 46 f.).

Nach diesen Grundsätzen beruft sich der Kläger im vorliegenden Fall nicht treuwidrig auf den Formmangel. Der Kläger hat die Entstehung des Formfehlers nicht mitverursacht. Zwar hat er die Flächen gekauft in der Absicht , diese selbst zu bewirtschaften; dies zielte jedoch nicht auf eine treuwidrigen Ausnutzung des Schriftformerfordernisses ab, sondern beruhte auf der - gemäß § 9 des Pachtvertrages nicht von vornherein abwegigen - Annahme, ihm stehe ein Sonderkündigungsrecht zu.

Es liegt auch keiner der - unter Umständen als rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Schriftformmangels zu wertenden - Fälle vor, in denen der Formmangel darin besteht, dass die Verpächter im Pachtvertrag nicht konkret bezeichnet sind und der Erwerber die Verpächter dennoch bei Abschluss des Kaufvertrages kennt.

5. Auf das vom Kläger vorprozessual in erster Linie geltend gemachte vertraglich vereinbarte Sonderkündigungsrecht für den Fall der beabsichtigten Eigenbewirtschaftung kommt es nicht an; nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 08.01.2004, Az. 2 U (Lw) 9/03) würde dem Kläger das Sonderkündigungsrecht nicht zum Erfolg verhelfen, weil es bei Fehlen konkreter Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der vertragschließenden Parteien nur für die ursprünglichen Verpächter bzw. allenfalls deren nächste Familienangehörige gilt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

IV.

Die Berichtigung der Entscheidungsformel hat ihre Grundlage in § 319 ZPO. Das Rechtsmittelgericht ist, solange der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz schwebt, zur Berichtigung zuständig (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Auflage, § 319 Rn. 22).

Die Urteilsformel des erstinstanzlichen Urteils enthält eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 319 ZPO. Sie weicht von dem vom Landwirtschaftsgericht Gewollten insofern ab, als sie das Flurstück 100/13 der Flur 1 der Gemarkung R. erfasst und nicht das Flurstück 110/13. Der Urteilsbegründung ist zu entnehmen, dass das Landwirtschaftsgericht insoweit dem Klageantrag folgen wollte. Der Wortlaut des Schriftsatzes der Klägerin vom 11.11.2005 deutet zwar darauf hin, dass die Klägerin die Verurteilung zur Herausgabe des Flurstücks 100/13 beantragt hat. Eine Auslegung des mit dem Klageantrag Gewollten unter Berücksichtigung des Sachvortrags der Klägerin ergibt jedoch, dass die Klägerin tatsächlich von vornherein die Herausgabe des Flurstücks 110/13 begehrt und dieses Flurstück lediglich aufgrund eines Schreibversehens mit 100/13 bezeichnet hat. Das Flurstück 110/13 der Flur 1 der Gemarkung R. war Gegenstand des vom Kläger vorgelegten Pachtvertrags zwischen Albrecht St. und Kurt Sch. ; der Kläger ist ausweislich des von ihm vorgelegten Grundbuchauszugs Eigentümer des Flurstücks 110/13 der Flur 1 der Gemarkung R. .

Ende der Entscheidung

Zurück