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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 23.08.2007
Aktenzeichen: 2 U 49/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 312
1. Eine Sicherungszweckerklärung unterliegt den besonderen Vorschriften über Haustürgeschäfte; bei ihr handelt es sich um einen Vertrag, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat.

2. Ein Widerrufsrecht nach § 312 BGB scheidet aus, wenn die Sicherungsgeberin zwar in ihrer Wohnung, aber ausschließlich durch ihren Sohn veranlasst worden ist, eine Sicherungszweckerklärung zugunsten der ihm Kredit gebenden Bank zu unterschreiben. Denn ein Vertrag, bei dem es nicht zu einer unmittelbaren Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer oder dessen Verhandlungsgehilfen in einer Privatwohnung gekommen ist, scheidet aus dem Anwendungsbereich des § 312 BGB aus.

3. Das gilt auch dann, wenn der Sohn der Sicherungsgeberin zuvor von einem Bankmitarbeiter in dessen Wohnung aufgesucht wurde. Denn auch dann beruht die für eine Haustürsituation typische Überrumpelungsgefahr für die Sicherungsgeberin als Verbraucherin bei der späteren Verhandlung in ihrer Wohnung nicht auf dem Verhalten des Vertragspartners - der Bank -, sondern auf den Besonderheiten eines familiären Verhältnisses. Der Familienangehörige ist in einem solchen Fall nicht Verhandlungsgehilfe der Bank.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

2 U 49/07

Verkündet am: 23. August 2007

In dem Rechtsstreit

...

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Kühlen und die Richterin am Oberlandesgericht Göbel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.03.2007 verkündete Urteil des Einzelrichters der 10. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde, die - so die Ansicht der Beklagten - nach wie vor drei dem Sohn der Klägerin gewährte Darlehen sichert.

Mit notarieller Urkunde vom 15.02.1999, UR-Nr. 52/99 des Notars P. (H. ), bestellte die Klägerin der Beklagten eine Grundschuld über 100.000, - DM an dem ihr gehörenden Grundstück B. 10 in I. , eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Wernigerode von I. , Blatt 1789. Die Grundschuld sollte, ausweislich der von der Klägerin im Mai 1999 unterzeichneten Sicherungszweckerklärung, der Sicherung der Ansprüche der Bank aus zwei Darlehensverträgen über 150.000,- DM und 250.000,- DM gegen die I. GmbH dienen; bei der I. GmbH handelte es sich um das Unternehmen des Sohnes der Klägerin, B. Sch. .

Im Jahre 2002 benötigte die I. für die Vorfinanzierung eines Auftrages ein weiteres kurzzeitiges Darlehen über 100.000, - DM. Die Beklagte erklärte sich zur Kreditgewährung bereit, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das Darlehen durch die auf dem Grundstück der Klägerin bereits eingetragene Grundschuld mit abgesichert werde. Am 04.03.2002 unterzeichnete die Klägerin daraufhin eine entsprechende Sicherungszweckerklärung, in der - ohne Bezugnahme auf die vorangegangene Zweckerklärung vom Mai 1999 - sowohl der neue Kredit über 24.000, - DM als auch die beiden früheren Darlehen über 150.000, - DM und 250.000, - DM aufgeführt wurden.

Zu der Unterzeichnung der zweiten Sicherungszweckerklärung ist es - nach dem insofern unbestrittenen Vortrag der Klägerin - wie folgt gekommen. Am 04.03.2002 suchte ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr Pk. , den Sohn der Klägerin in dessen Wohnung auf; unter anderem brachte der Mitarbeiter die bereits ausgefüllte Zweckerklärung mit. Der Sohn ging mit dem Formular in die Wohnung seiner Mutter, ließ sich dort von der Klägerin die Sicherungszweckerklärung unterzeichnen und kehrte in seine eigene Wohnung zurück, um anschließend dem wartenden Herrn Pk. die Erklärung wieder auszuhändigen.

Mit Schreiben vom 19.08.2004 kündigte die Beklagte gegenüber der I. GmbH die zur Verfügung gestellten Kredite fristlos, nachdem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft beantragt worden war. Die Beklagte betreibt nunmehr die Zwangsvollstreckung aus der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundschuld. Auf Antrag der Bank ordnete das Amtsgericht Wernigerode mit Beschluss vom 08.11.2005 die Zwangsversteigerung des Grundstücks der Klägerin in I. an.

In einem Schreiben ihrer Anwältin vom 07.03.2006 widerrief die Klägerin die von ihr unter dem Datum des 04.03.2002 abgegebene Sicherungszweckerklärung. Die Beklagte ist dem Widerruf entgegengetreten.

Mit der erhobenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde vom 15.02.1999. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Sicherungszweckerklärung vom 04.03.2002 von ihr wirksam gemäß § 1 HWiG bzw. § 312 BGB n.F. widerrufen worden sei, weil ihre Unterschrift unter der Erklärung auf einer Überrumpelung durch ihren Sohn in einer Haustürsituation beruht habe. Andererseits entfalte auch die Zweckerklärung vom Mai 1999 keine Wirkung mehr; denn diese Erklärung sei durch die spätere Zweckerklärung vom 04.03.2002, die sich ihrem Wortlaut nach auf alle drei gesicherten Darlehen beziehe, aufgehoben worden.

Die Klägerin hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars P. in H. vom 15.02.1999 - UR-Nr.: 52/99 - für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach Ansicht der Beklagten findet § 312 BGB dann, wenn eine Sicherungszweckerklärung in einer Privatwohnung auf Veranlassung eines nahen Angehörigen unterzeichnet wird, generell keine Anwendung. Außerdem fehle es hier auch an einer für den Vertragsschluss kausalen Verhandlung, denn die Geschäftsverbindung zwischen den Parteien - und damit die Vollstreckungsmöglichkeit - sei bereits durch die notarielle Grundschuldbestellung vom 15.02.1999 geschaffen worden. Die Zweckerklärung vom 04.03.2002 habe im Übrigen nicht das Ziel gehabt, die entsprechende Erklärung vom Mai 1999 aufzuheben, sondern es sei lediglich darum gegangen, den Sicherungszweck auf den neu bewilligten Kredit zu erstrecken.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 13.03.2007 abgewiesen. Es könne - so das Landgericht in der Begründung seiner Entscheidung - dahinstehen, ob die Klägerin die Sicherungszweckerklärung vom 04.03.2002 wirksam unter dem Gesichtspunkt einer Haustürsituation widerrufen habe. Denn in jedem Fall habe die erste Zweckerklärung vom Mai 1999 weiterhin Bestand, entweder weil sie überhaupt nicht aufgehoben oder aber weil die Aufhebung zusammen mit der Zweckerklärung vom 04.03.2002 durch die Klägerin wirksam widerrufen worden sei. Die Beklagte sei aber berechtigt, sich bereits wegen der ersten beiden Darlehen in voller Höhe aus der Grundschuld zu befriedigen, diese Darlehen valutierten - insofern unstreitig - noch im Umfange von etwa 122.000,- EUR.

Gegen das Urteil des Landgerichts hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie die erhobene Vollstreckungsabwehrklage weiterverfolgt. Beide Parteien wiederholen im Wesentlichen ihre bisherigen Standpunkte.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Magdeburg vom 13.03.2007 die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars P. in H. vom 15.02.1999 - UR-Nr.: 52/99 - für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Klage mit dem Ziel, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 15.02.1999 für unzulässig zu erklären, wäre begründet, wenn dem Anspruch aus der zugunsten der Beklagten eingetragenen Grundschuld (§ 1147 BGB) die Bereicherungseinrede gemäß § 822 BGB entgegenstünde. Das wäre nur dann der Fall, wenn sowohl die Sicherungszweckerklärung vom 04.03.2002 als auch die vorangegangene Sicherungszweckerklärung vom Mai 1999 unwirksam wären und die Grundschuld daher nicht für die Darlehensverbindlichkeiten des Sohnes der Klägerin, B. Sch. , haften würde. Die Sicherungszweckerklärung vom 04.03.2002 ist jedoch nicht wirksam nach dem HWiG - richtiger: § 312 BGB - widerrufen worden.

1. Allerdings unterliegt auch eine Sicherungszweckerklärung den besonderen Vorschriften über Haustürgeschäfte; es handelt sich bei ihr um einen Vertrag, der eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat. Das gilt sowohl für eine auf die Bestellung einer erst noch einzutragenden Sicherungsgrundschuld gerichtete Vereinbarung (s. BGH NJW 2006, 845; BGHZ 131, 1, 4 f.) als auch dann, wenn es um die Unterzeichnung einer neuen Sicherungsabrede für ein bereits bestehendes Grundpfandrecht geht (so der Sachverhalt in BGH NJW 1996, 191 f.). Insofern lässt es der BGH bereits genügen, wenn der Sicherungsgeber die Verpflichtung zur Grundschuldbestellung in der - dem Gegner erkennbaren - Erwartung übernimmt, ihm selbst oder einem bestimmten Dritten werde daraus irgendein Vorteil erwachsen; dieser Vorteil kann - wie hier - auch in der Gewährung eines zusätzlichen Kredites durch die Bank bestehen (s. BGHZ 131, 1, 6).

2. Ein Widerrufsrecht gemäß § 312 BGB scheidet im vorliegenden Fall jedoch deshalb aus, weil die Klägerin nicht von einem Repräsentanten der Bank (vgl. dazu BGH NJW 1996, 3414, 3415), sondern von ihrem eigenen Sohn in ihrer Privatwohnung aufgesucht und zur Unterzeichnung der Zweckerklärung bewogen worden ist.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist § 1 HWiG - entsprechend nunmehr § 312 BGB n.F. - nicht anwendbar, wenn ein Kreditnehmer seine Mutter in ihrer Wohnung veranlasst, eine Sicherungszweckerklärung zugunsten der ihm Kredit gewährenden Bank zu unterschreiben (so ausdrücklich BGH NJW 1996, 191 f.). Der vorliegende Sachverhalt weist demgegenüber nur insofern eine Besonderheit auf, als die ausgefüllte Sicherungszweckerklärung dem Sohn hier nicht - wie in dem Fall des BGH - von der Bank übersandt worden ist, sondern ein Bankmitarbeiter den Sohn der Klägerin persönlich in dessen Wohnung aufgesucht hat. Dieser Unterschied rechtfertigt aber keine abweichende Beurteilung; denn aus der Sicht des Schutzes des Verbrauchers (Klägerin) stellt sich die Lage bei Vertragsunterzeichnung in dem einen wie in dem anderen Fall gleich dar.

b) Der Senat schließt sich im Übrigen der vorstehend wiedergegebenen Auffassung des BGH an (ebenso etwa Grüneberg in Palandt, BGB, 66. Aufl., § 312 Rdn. 6 a.E.; Saenger in Erman, BGB, Bd. I, 11. Aufl., § 312 Rdn. 38). Zwar besteht auch dann, wenn ein Familienangehöriger den Betroffenen unaufgefordert in dessen Wohnung aufsucht, die für Hautürgeschäfte typische, durch das Überraschungsmoment ausgelöste Überrumpelungsgefahr (vgl. Thüsing in Staudinger, BGB, §§ 311, 311a, 312, 312a-f, Neubearb. 2005, Rdn. 65; Frings ZIP 1996, 1193 ff.). Diese Überrumpelungsgefahr hat ihre Ursache jedoch nicht in einem Verhalten der Gegenseite - also des Unternehmers - , sondern sie wird durch den eigenen Angehörigen hervorgerufen. Der Familienangehörige ist im Verhältnis zum Verbraucher nicht als Verhandlungsgehilfe der Bank anzusehen; es ist nicht Aufgabe des Haustürwiderrufsgesetzes (bzw. nunmehr des § 312 BGB), einen Angehörigen vor dem "psychologischen Druck" und den "Überredungskünsten" des anderen zu schützen (so BGH NJW 1993, 1594, 1595 für Ehegatten). Die Gegenmeinung würde zu einem weiten, in praktischer Hinsicht nicht mehr eindeutig eingrenzbaren Anwendungsbereich des Widerrufsrechts bei Hautürgeschäften führen. Da die Privatsphäre der Familie regelmäßig den Einblicken Dritter entzogen ist, ließen sich kaum je sichere Feststellungen darüber treffen, ob der Verbraucher am Tage der Vertragsunterzeichnung tatsächlich erstmals mit dem beabsichtigten Geschäft konfrontiert wurde oder ob sich die beteiligten Familienangehörigen nicht bereits zuvor in internen Gesprächen über die Angelegenheit verständigt hatten. Auch aus diesem Grund scheidet ein Vertrag, bei dem es nicht zu einer unmittelbaren Kontaktaufnahme des Verbrauchers mit dem Unternehmer oder dessen Verhandlungsgehilfen in einer Privatwohnung gekommen ist, aus dem Anwendungsbereich des § 312 BGB aus.

c) Zu Unrecht beruft die Klägerin sich demgegenüber auf die neuere Rechtsprechung des BGH, derzufolge sich ein Vertragspartner, der nicht selbst die Vertragsverhandlungen führt, die in der Person des Verhandlungsführers objektiv bestehende Haustürsituation ohne weiteres zurechnen lassen muss, ohne dass es auf die entsprechende Anwendung des § 123 Abs. 2 BGB ankommt (s. BGH WM 2006, 674, 675; BGH WM 2006, 220, 221). Diese Rechtsprechung, die auf ein Urteil des EUGH vom 25.10.2005 (WM 2005, 2086 ff.) zurückgeht, setzt nämlich zunächst voraus, dass die in der Haustürsituation auftretende Person überhaupt ein Verhandlungsgehilfe des Vertragspartners, d. h. des Unternehmers ist (vgl. auch BGH NJW 1996, 3414, 3415). So ist es im vorliegenden Fall jedoch nicht. Der Sohn der Klägerin hat seine Mutter in deren Privatwohnung zwar auf Veranlassung des Bankmitarbeiters Pk. aufgesucht, hat dies aber im eigenen (Kredit-) Interesse und jedenfalls nicht als Verhandlungsgehilfe der Beklagten getan.

3. Ob, wie das Landgericht gemeint hat, die ursprüngliche Sicherungszweckerklärung vom Mai 1999 in jedem Fall - mit und ohne Widerruf der weiteren Zweckerklärung vom 04.03.2002 - fortbestanden hat, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Die erkennbare Interessenlage der Parteien, insbesondere der Beklagten, rechtfertigt allerdings die Annahme, dass mit der Zweckerklärung vom 04.03.2002 die Absicherung der beiden älteren Darlehen nicht etwa aufgehoben und sogleich wieder begründet werden sollte, sondern dass die Zweckerklärung vom 04.03.2002 den Inhalt der früheren Zweckerklärung lediglich deklaratorisch und zusammenfassend wiederholt hat. In diesem Fall haftet die Klägerin mit der zu ihren Lasten eingetragenen Grundschuld zumindest für die ersten beiden Darlehen, die unstreitig noch in die Grundschuld übersteigender Höhe valutieren.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Senat hat nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.



Ende der Entscheidung

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