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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 25.03.2004
Aktenzeichen: 2 U 77/03
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 3
AGBG § 9
Eine Klausel in einem Formularvertrag, der zufolge die einem Bauträger von einer Bank gewährte Gewährleistungsbürgschaft nur wirksam wird, sofern die vom Auftraggeber zur Sicherheit zunächst einbehaltenen Geldbeträge auf einem bestimmt bezeichneten Konto der bürgenden Bank eingegangen sind, ist weder überraschend im Sinne von § 3 AGBG, noch benachteiligt sie den Bauträger unangemessen im Sinne von § 9 AGBG.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 77/03

verkündet am: 25.03.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel und die Richterin am Landgericht Göbel auf die mündliche Verhandlung vom 03. März 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 05. September 2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Dessau wird zurück-gewiesen.

Die Kosten der Berufung und die Kosten der Streithilfe hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung wegen der Kosten der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Klägerin kann ferner die Vollstreckung wegen der Kosten der Streithelferin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Streithelferin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,- Euro.

Gründe:

A.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch, die diese zur Sicherung der fristgerechten Erfüllung der Mängelgewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die Streithelferin aus dem Bauvertrag vom 22.07.1999 bis zu einem Höchstbetrag von 339.889,79 DM übernommen hat.

Die Klägerin sanierte als Bauträgerin in den Jahren 1999 und 2000 das in B. , R. Straße 51 belegene Mehrfamilienhaus. Mit Bauwerkvertrag vom 22.07.1999 beauftragte sie die Streithelferin als Generalunternehmerin mit der Durchführung der Bauarbeiten zu einem Festpreis von 6.264.000,00 DM. Die Beklagte war die Hausbank der Generalunternehmerin.

Gemäß § 9 des zwischen der Klägerin und der Streithelferin geschlossenen Bauvertrages war die Klägerin berechtigt, für die Dauer von fünf Jahren ab Abnahme des Bauwerkes 5 % der Auftragssumme als Gewährleistungssicherheit einzubehalten. Der Streithelferin war ferner gestattet, den Sicherheitseinbehalt gegen Übergabe der selbstschuldnerischen, unbefristeten und unwiderruflichen Gewährleistungsbürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse abzulösen.

Die Streithelferin führte die vertraglich geschuldete Werkleistungen aus, die von der Klägerin am 15.03.2000 abgenommen wurden. Unter dem 16.03.2000 legte die Streithelferin Schlussrechnung, die mit einer Rechnungsforderung in Höhe von 360.000,00 DM abschloss. In einer von den Architekten des Projekts, P. und F. , am 15.03.2000 gefertigten Aktennotiz über die Verhandlung zur Schlussrechnung der Streithelferin war unter Ziffer 3) vermerkt, dass sich der Sicherheitseinbehalt von 5 % auf insgesamt 293.008,44 DM belaufe und gegen Vorlage einer Bankbürgschaft, die den im Bauvertrag geregelten Anforderungen entspreche, ausgetauscht werden könne. Ferner ist in der Aktennotiz unter Ziffer 5) aufgeführt, dass für die Beseitigung der Mängel an der Straßenfassade Vorderhaus R. Straße sowie der Mängel an der B. -Dachkonstruktion Loftgebäude Dachgeschoss ein weiterer Betrag von 150.000,- DM bis zur mängelfreien Fertigstellung und förmlichen Abnahme einbehalten werde.

Die Streithelferin überreichte der Klägerin am 17.05.2000 eine am gleichen Tage von der Beklagten auf einem Formularvordruck ausgestellte Bankbürgschaft für Mängelgewährleistung, in der sich die Beklagte gegenüber der Klägerin für die fristgerechte Erfüllung der der Auftragnehmerin aus dem Bauvertrag obliegenden Mängelgewährleistung unter Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit, der Aufrechenbarkeit und der Vorausklage selbstschuldnerisch bis zu einem Höchstbetrag von 339.889,79 DM verbürgte. Die Bürgschaftserklärung vom 17.05.2000 enthielt unter Ziffer 4) folgende Bestimmung:

"Die Bürgschaft wird insoweit wirksam, als zur Sicherheit vom Auftraggeber einbehaltene Geldbeträge eingegangen sind

...

auf dem bei uns bestehenden Konto Nr. ... , BLZ ...

lautend auf

Volksbank W. eG."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Abschrift der Bankbürgschaft vom 17.5.2000 (Anlage K 1 des Anlagensonderbandes) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 13.06.2000 mahnte die Streithelferin im Hinblick auf die bereits am 17.05.2000 überreichte Bankbürgschaft gegenüber der Klägerin die Auszahlung des Gewährleistungseinbehaltes unter Fristsetzung bis zum 13.06.2000 an. In einem daraufhin am 13.06.2000 geführten Telefonat stimmte die Klägerin mit dem Geschäftsführer der Streithelferin ab, dass eine sofortige Teilzahlung von zunächst 100.000,- DM auf ein bei der Beklagten geführtes Geschäftskonto der Streithelferin, dessen Kontonummer und Bankleitzahl der Klägerin anlässlich des Telefonats benannt wurde, erfolgen sollte, der Restbetrag sollte sodann drei Wochen später gleichfalls auf das vorbezeichnete, auf die Streithelferin lautende Geschäftskonto eingezahlt werden.

Die Klägerin nahm am 14.06.2000 eine Teilzahlung von 100.000,- DM auf das ihr in dem Telefonat angegebene Konto vor, am 04.07.2000 veranlasste sie telegrafisch die Überweisung des Restbetrags von 239.889,79 DM.

Auf den Eigenantrag der Streithelferin vom 20.08.2000 eröffnete das Amtsgericht Dessau mit Beschluss vom 26.09.2000 über das Vermögen der Streithelferin das Insolvenzverfahren. Am 16.07.2002 beschloss das Amtsgericht Dessau, das Insolvenzverfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse einzustellen.

Mit Telefaxschreiben vom 18.05.2000 zeigte die Klägerin der Streithelferin einen Mangel des Dachflächenfensters an und forderte sie zur Nachbesserung bis zum 24.05.2000 auf.

Unter dem 29.08.2000 rügte die Klägerin weitere Mängel und verlangte unter Nachfristsetzung bis zum 04.09.2000 deren Beseitigung. Die Streithelferin verweigerte aufgrund der Insolvenz eine Nachbesserung. Die Klägerin ließ daraufhin im Wege der Ersatzvornahme die beanstandeten Baumängel durch Drittfirmen beseitigen. Die Erstattung ihrer diesbezüglichen Aufwendungen verlangte sie sodann aufgrund der Gewährleistungsbürgschaft von der Beklagten, die jedoch eine Inanspruchnahme aus der Bürgschaft ablehnte.

Mit Schreiben vom 09.04.2001 rügte die Klägerin gegenüber der Streithelferin zusätzliche Mängel des Bauwerkes und forderte deren Behebung. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Klägerin vom 09.04.2001 (Anlage K 13 des Anlagensonderbandes) verwiesen. Da der Insolvenzverwalter auf die Mängelbeseitigungsaufforderung der Klägerin nicht fristgerecht reagierte, ließ die Klägerin auch diese Mängel im Wege der Ersatzvornahme beheben.

Die Klägerin hat behauptet, dass die Werkleistungen der Streithelferin mit erheblichen Baumängeln behaftet seien, die auf eine fehlerhafte Ausführung der Streithelferin zurückzuführen seien. Für die Mängelbeseitigung habe sie zunächst Ersatzvornahmekosten in Höhe von 47.085,01 Euro aufwenden müssen. Zwischenzeitlich seien an dem Bauvorhaben noch weitere Mängel aufgetreten, die von der Streithelferin zu vertreten seien. So weise der Putz der Straßenfassade eine großflächige Rissbildung auf, der Putz löse sich und sei teilweise bereits abgefallen. Im Bereich der Balkone sei an der Zinkblechabdeckung der Gesimsbänder und der Balkonbrüstungsabdeckung ein Wasserschaden aufgetreten. Für die erforderliche Fassadeninstandsetzung seien zusätzliche Kosten in Höhe von weiteren 70.531,48 Euro zu veranschlagen.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, dass sie die Beklagte aus der Gewährleistungsbürgschaft vom 17.05.2000 in Anspruch nehmen könne, da deren Bürgschaftsverpflichtung mit Auszahlung des Bareinbehaltes auf das Geschäftskonto der Streithelferin in Kraft getreten sei. Die Vertragsklausel der Ziffer 4), der zufolge die Bürgschaft nur mit Einzahlung des einbehaltenen Geldbetrags auf das konkret bezeichnete Konto der Beklagten wirksam werde, widerstreite demgegenüber den §§ 3, 9 ff. AGBG a. F. und sei daher nichtig. Die Vertragsklausel habe schon deshalb nicht wirksamer Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Bürgschaftsvertrages werden können, weil sie sich nach Inhalt und äußerer drucktechnischer Gestaltung als überraschend im Sinne des § 3 AGBG a. F. darstelle. Da das Austauschrecht des Werkunternehmers durch Stellung einer Bankbürgschaft dazu diene, diesem zusätzliche Liquidität zu verschaffen, gehe der Gläubiger regelmäßig davon aus, den Werklohn an seinen Vertragspartner auszahlen zu müssen. Er brauche nicht damit zu rechnen, dass die Bürgschaft erst dann wirksam entstehe, wenn der Sicherheitseinbehalt an den Bürgen selbst ausgezahlt worden sei. Eine solche Verfahrensweise sei in den Verkehrskreisen der Bauwirtschaft gänzlich untypisch. Dass die Beklagte selbst Inhaberin des angegebenen Bürgschaftskontos sei, gehe aus der Urkunde auch nicht auf den ersten Blick mit der gebotenen Eindeutigkeit hervor, da der Zusatz "lautend auf" drucktechnisch unauffällig gestaltet sei. Unklarheiten und Missverständnisse würden auch dadurch gefördert, dass die Beklagte in dem Bürgschaftskonto nicht etwa die Rubrik "bei uns" angekreuzt habe, sondern vielmehr das darunter angeordnete Feld "auf dem bei uns bestehenden Konto". Die verbleibenden Zweifel bei der Auslegung der Vertragsklausel der Ziffer 4) müssten danach jedenfalls gemäß § 5 AGBG a. F. zulasten der Beklagten als Verwenderin des Bürgschaftsformulartextes gehen.

Des weiteren ist die Klägerin der Ansicht gewesen, dass die Vertragsklausel einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 AGBG a. F. nicht stand zu halten vermöge, da sie den Gläubiger unangemessen benachteilige. Durch die unklare und mehrdeutige Fassung der Vertragsbestimmung laufe der Gläubiger Gefahr, dass er sich des Gewährleistungseinbehaltes durch Auszahlung begebe, ohne sicher sein zu können, stattdessen eine wirksame Bürgschaft als Sicherheit zu erhalten.

Der Beklagten sei hier jedenfalls aber nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den Ausfall der unter Ziffer 4) des Bürgschaftsvertrages geregelten Bedingung zu berufen. Da die Beklagte selbst eingeräumt habe, dass der Sicherheitseinbehalt an die Streithelferin habe weiter geleitet werden sollen, erweise es sich als rechtsmissbräuchlich, wenn sie ihrer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gleichwohl entgegen halte, dass sie - die Klägerin - die Auszahlung sogleich unmittelbar an die Streithelferin vorgenommen habe.

Nach Erweiterung ihres ursprünglichen Klageantrages hat die Klägerin zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 117.616,49 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat das Bestehen eines Mängelgewährleistungsanspruchs der Klägerin in der geltend gemachten Höhe in Abrede gestellt. Insofern bestreitet sie, dass die Werkleistungen der Streithelferin mit den gerügten Baumängeln behaftet gewesen seien, dass diese von der Streithelferin zu vertreten seien und die Klägerin die geltend gemachten Ersatzvornahmekosten zur Beseitigung der Mängel habe aufwenden müssen.

Sie ist ferner der Meinung gewesen, dass ihre Verpflichtung aus der Bürgschaft mangels Auszahlung des einbehaltenen Werklohns auf das unter Ziffer 4) angegebene Konto nicht in Kraft getreten sei. Die Vertragsklausel stehe mit den Bestimmungen des AGB-Gesetzes in Einklang. Sie sei weder überraschend im Sinne des § 3 AGBG a. F. noch für die Klägerin unangemessen benachteiligend gemäß § 9 AGBG a. F. Die Beklagte hat hierzu behauptet, dass die Zahlungsbestimmung der Ziffer 4) des Bürgschaftsvertrages auf einer mit dem Geschäftsführer der Streithelferin getroffenen vertraglichen Absprache beruhe. Hierbei sei abgestimmt worden, dass der einbehaltene Geldbetrag zunächst an die Beklagte ausge-zahlt und dass er sodann im Folgenden an die Streithelferin weitergeleitet werde. Mit der "Eingangsklausel" habe sie - die Beklagte - das legitime Interesse verfolgt, den Beginn und den Umfang ihrer Verpflichtung in einfacher und sicherer Weise zuverlässig feststellen zu können; die Gläubigerin werde demgegenüber hierdurch in keiner Weise unzumutbar belastet. Die Vertragsbestimmung sei auch im übrigen klar verständlich formuliert und weise keine inhaltlichen Unstimmigkeiten auf.

Die Streithelferin hat vorgetragen, dass die Klägerin mit ihrem Geschäftsführer vereinbart habe, dass lediglich der am 14.06.2000 an sie in Höhe von 100.000,- DM überwiesene Betrag durch die Bürgschaft abgelöst werden solle. Unter Zugrundelegung des Schlussrechnungsbetrages und der hierzu geführten Verhandlungen sei die Klägerin berechtigt gewesen, einen Sicherheitseinbehalt in Höhe von insgesamt 443.008,44 DM vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der am 14.06.2000 und am 04.07.2000 erbrachten Zahlungen verbleibe der Klägerin ein Bareinbehalt in Höhe von 103.118,65 DM. Dieser müsse insbesondere auch im Hinblick auf die an der Straßenfassade gerügten Mängel Berücksichtigung finden. Die Streithelferin hat überdies die Mangelhaftigkeit ihrer Bauleistung bestritten und ferner in Abrede gestellt, dass die Mängelbeseitigungsarbeiten und die hierfür aufgewandten Kosten erforderlich gewesen seien, um die ihr obliegende Gewährleistungsverpflichtung zu erfüllen.

Mit dem am 05.09.2003 verkündeten Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen der tatsächlichen Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten schon deshalb ausscheide, weil die Bürgschaft nicht wirksam auf der Grundlage der Ziffer 4) des Vertrages in Kraft getreten sei. Ziffer 4) verstoße nicht gegen das AGB-Gesetz in der nach Art. 229 § 5 EGBGB fortgeltenden Fassung. Sie sei insbesondere nicht im Sinne des § 3 AGBG a. F. als überraschend zu bewerten. Da die Parteien vor der Übergabe nicht in geschäftlichem Kontakt gestanden hätten, könne die Vertragsbestimmung einen überraschenden Charakter insbesondere nicht daraus erlangt haben, dass sie von zuvor getroffenen vertraglichen Absprachen inhaltlich abweiche. Die in der Klausel vorgesehene Zahlungsbestimmung halte sich zudem im Rahmen dessen, was nach Würdigung sämtlicher Umstände bei Verträgen dieser Art typischer Weise erwartet werden könne, und sie sei daher nicht ungewöhnlich. Die streitbefangene Zahlungsklausel könne auch nach ihrer drucktechnischen Gestaltung und augenfälligen Aufmachung von einem durchschnittlich sorgfältigen Leser nicht übersehen werden. Ihr sei schließlich auch ein mehrdeutiger Erklärungsgehalt nicht beizumessen, so dass für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 5 AGBG a. F. ebenfalls kein Raum verbleibe. Darüber hinaus halte die vertragliche Regelung einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 AGBG a. F. stand. Die Vereinbarung einer Bedingung für die Wirksamkeit der Sicherheit durch Einzahlung des Gewährleistungseinbehaltes auf ein bestimmtes Konto belaste die Klägerin keineswegs unangemessen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Sie beanstandet, dass das Landgericht die formularmäßige Bedingung der Ziffer 4) der Bürgschaftserklärung zu Unrecht als rechtsgültig angesehen habe. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens trägt sie vor, dass sich die "Eingangsklausel" der Ziffer 4) bereits deshalb als überraschend darstelle und daher nicht wirksam in den Vertrag habe einbezogen werden können, weil sie entgegen der üblichen Handhabung im Bankenverkehr eine Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes unmittelbar an die Bürgin selbst vorsehe. Das von der Beklagten angeführte Kontrollinteresse rechtfertige eine solche vertragliche Gestaltung nicht. Die unklare Vertragsklausel stelle demgegenüber für sie - die Klägerin - eine Belastung dar, weil die Bestimmung es der Beklagten ermögliche, das Insolvenzrisiko ihrer Kunden auf den Bürgschaftsnehmer zu verlagern. Die Vertragsbestimmung sei überdies deshalb überraschend, weil die Gläubigerin durch eine Auszahlung an die Bank von ihrer gegenüber der Streithelferin aus dem Bauvertrag bestehenden Verpflichtung zur Werklohnzahlung gar nicht befreit worden wäre. Die drucktechnische Aufmachung der Vertragsklausel, in dem der Zusatz "lautend auf" kaum lesbar sei, verleite schließlich zu der Fehlvorstellung, dass es sich bei dem angegebenen Konto um ein solches der Schuldnerin handele. Da die Vertragsbestimmung der Ziffer 4) aufgrund ihrer unklaren und unverständlichen Fassung dem in § 9 Abs. 1 AGBG zum Ausdruck kommenden Transparenzgebot widerstreite, entbehre sie auch aus diesem Grunde der Wirksamkeit.

Im übrigen sei die vertraglich vereinbarte Bedingung durch die Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes an die Streithelferin als der eigentlichen Zahlungsempfängerin eingetreten. Denn die Beklagte habe allenfalls als Zahlstelle fungieren sollen, zumal sie selbst eingeräumt habe, dass der ausbezahlte Geldbetrag letztlich der Streithelferin habe gebühren sollen. Jedenfalls aber sei die Beklagte hier nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert, sich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Bedingungseintritt aus Ziffer 4) des Vertrages zu berufen.

Die Klägerin beantragt,

das am 05.09.2003 verkündete Urteil des Landgerichts Dessau abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 117.616,49 Euro zuzüglich 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts und vertieft und wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen. Im übrigen vertritt sie die Ansicht, dass die streitbefangene Ziffer 4) der Bürgschaftserklärung bereits nicht dem Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes unterfalle, da es sich bei der maschinenschriftlichen Ergänzung des Empfangskontos nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 AGBG a. F. handele.

Die Streithelferin trägt unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Sachvortrag ergänzend vor, dass sich die Klägerin in Ansehung der geltend gemachten Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung der gerügten Mängel an der Straßenfassade Vorderhaus R. Straße sowie für die Beseitigung der Baumängel an der B. -Dachkonstruktion Loftgebäude DG jedenfalls den zusätzlichen Bareinbehalt in Höhe von 150.000,- DM anrechnen lassen müsse. Bei diesem Sicherheitseinbehalt handele es sich nicht etwa um eine Kürzung der Gesamtvergütung wegen noch nicht fertig gestellter Arbeiten.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien sowie der Streithelferin wird auf die gewechselten Schriftsätze neben Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat in der angefochtenen Entscheidung zu Recht und mit zutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten der Mängelbeseitigung aus dem Bürgschaftsvertrag vom 17.05.2000 in Verbindung mit §§ 765, 766, 767 BGB verneint. Die Klägerin kann die beklagte Bank nicht aus der Gewährleistungsbürgschaft vom 17.05.2000 auf Erstattung der Ersatzvornahmekosten in Anspruch nehmen, weil die Bürgschaft nicht wirksam in Kraft getreten ist. Denn die Klägerin hat den Sicherheitseinbehalt nicht auf das vertraglich vorgegebene Konto der Beklagten eingezahlt, dementsprechend ist die in der Bürgschaftsurkunde unter Ziffer 4) vorgesehene aufschiebende Bedingung nicht eingetreten.

I. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist Ziffer 4) der Bürgschaftsurkunde, der zufolge die Bürgschaft nur wirksam werden sollte, sofern die zur Sicherheit von dem Auftraggeber zunächst einbehaltenen Geldbeträge auf dem bestimmt bezeichneten Konto der beklagten Bank eingegangen waren, wirksamer Bestandteil des Bürgschaftsvertrages geworden.

Die Vertragsklausel des Formularbürgschaftsvertrages widerstreitet insbesondere nicht den §§ 3, 9 ff. AGBG in der hier nach Art. 229 § 5 EGBGB fortgeltenden Fassung (im Folgenden: a. F.). Die eine aufschiebende Bedingung für die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages enthaltene Formularklausel ist weder als überraschend im Sinne des § 3 AGBG a. F. anzusehen, noch benachteiligt sie die Klägerin unangemessen (§ 9 AGBG a. F). Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn es sich - wie hier - um ein Vertragsverhältnis unter Kaufleuten handelt (vgl. OLG Karlsruhe WM 2000, 2296; Roquette/Giesen, NZBau 2003, 297, 298).

1. Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, dass die maschinenschriftliche Bezeichnung des Einzahlungskontos nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten zu werten sei und die Einfügung daher nicht dem sachlichen Anwendungsbereich des § 1 AGB a. F. unterfalle, kann dem nicht gefolgt werden.

Die streitige Vertragsbestimmung ist in einem von der Beklagten für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle vorformulierten und verwendeten Vordruck enthalten, was bereits auf ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG a. F. hinweist. Dieser AGB-Charakter bleibt auch angesichts ausfüllungsbedürftiger Leerräume unberührt, wenn das ergänzungsbedürftige Formular im Verlaufe der Vertragsverhandlungen ausgefüllt wird, sofern es sich um eine unselbständige Ergänzung handelt, die den sachlichen Gehalt der Regelung als solchen nicht beeinflusst, wie das etwa bei der Einfügung von Namen oder sonstigen Bezeichnungen in der Regel der Fall ist (vgl. BGH NJW 1998, 1066, 1067 m. w. N., Heinrichs in Palandt, BGB, 61. Aufl., § 1 AGBG Rdn. 9). Eine abweichende Beurteilung ist allein bei individuell ausgehandelten Ergänzungen, die selbst den wesentlichen Inhalt der Klausel festlegen, gerechtfertigt. So liegt es etwa, wenn das Formular eine offene Stelle enthält, die von dem Vertragspartner des Verwenders nach dessen freien Entschließung als selbständige Ergänzung auszufüllen ist, ohne dass von dem Verwender vorformulierte Entscheidungsvorschläge hinzugefügt wurden. Nur wenn die Einfügung den Regelungsgehalt des Vertrages wesentlich mitbestimmt, stellt dieser Formularteil keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar (vgl. BGH NJW 1998, 1066, 1067 m. w. N.).

Hier ist indessen die maschinenschriftliche Einfügung des Eingangskontos keineswegs der freien Entschließung der Klägerin überlassen bzw. in sonstiger Weise zwischen den Parteien individuell im Sinne des § 1 Abs. 2 AGBG a. F. ausgehandelt worden. Die Beklagte hat vielmehr auch bei Einfügung der Kontonummer von ihrer Gestaltungsmacht als Verwenderin des Formularvertragstextes Gebrauch gemacht und den maschinenschriftlich hinzugefügten Textteil der Klägerin einseitig vorgegeben. Das der Klägerin übersandte Formular enthielt nämlich keine durch sie nach freier Wahl ausfüllungsbedürftige Leerzeile, sondern wies bereits die konkrete Kontobezeichnung des Eingangskontos auf, so dass der Klägerin eine Entscheidungsfreiheit in Ansehung der Eingangsklausel gerade nicht belassen wurde.

2. Die streitige Vertragsklausel der Ziffer 4) ist in das Vertragsverhältnis der Parteien wirksam nach Maßgabe der §§ 2, 3 AGBG a. F einbezogen worden. Sie stellt insbesondere keine überraschende Klausel im Sinne des § 3 AGBG a. F. dar.

a) Dass die Vertragsklausel die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages an die Einzahlung des Sicherheitseinbehaltes auf ein bestimmt bezeichnetes Konto knüpft, ist in objektiver Hinsicht nicht als ungewöhnlich und für die betroffenen Verkehrskreise gänzlich untypisch zu bewerten.

aa) Ziffer 4) des Vertrages widerstreitet weder dem Leitbild einer Gewährleistungsbürgschaft, wie es etwa in § 17 Nr. 4 VOB/B seinen Niederschlag gefunden hat, noch weicht die Bestimmung von dem Verlauf der Vertragsverhandlungen der Parteien inhaltlich ab.

(1) Dass der Bürgschaftsvertrag unter die aufschiebende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) der Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes gestellt worden ist, stellt sich nicht als eine erhebliche und untypische Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht dar.

Die Gewährleistungsbürgschaft ist nicht bedingungsfeindlich. Auch der vertragstypische Sicherungszweck der Gewährleistungsbürgschaft steht einer formularmäßigen aufschiebenden Bedingung, die sicher stellen soll, dass die Bankbürgschaft erst dann wirksam wird, wenn der Auftraggeber den als Sicherheit einbehaltenen Betrag des Werklohns auf das von der Bank bezeichnete Konto eingezahlt hat, nicht entgegen (vgl. OLG Karlsruhe WM 2000, 2296; OLG Schleswig IBR 1996, 367; OLG Celle OLGR Celle 1999, 114; OLG Frankfurt WM 1978, 1188; Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB/B, 15. Aufl., § 17 Nr. 3 VOB/B Rdn. 18; ders. § 17 Nr. 4 VOB/B Rdn. 82; Roquette, Giesen, NZBau 2003, 297, 298; Stammkötter, BauRe 2002, 875, 876; a. A. ohne Begründung LG Bochum BauRe 2002, 330). Die Verknüpfung zwischen der Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes und dem Wirksamwerden der Bürgschaftsverpflichtung als Ersatzsicherheit stellt vielmehr eine reibungslose Ausübung des Austauschrechts des Auftragnehmers nach § 17 Nr. 3 VOB/B sicher.

In den Bauverträgen ist regelmäßig bestimmt, dass der Sicherheitseinbehalt durch die Gestellung einer Bankbürgschaft abgelöst werden kann. Bei diesem Austauschrecht handelt es sich rechtlich um die Vereinbarung einer Zug-um-Zug-Leistung. Mit Übergabe der Bürgschaftsurkunde ist der Auftraggeber unmittelbar verpflichtet, den Gewährleistungseinbehalt auszuzahlen, da anderenfalls eine unzulässige Doppelsicherung vorliegen würde. Durch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung wird jene Zug-um-Zug-Leistung im Rahmen des Austausches der Sicherungsmittel gewährleistet. Denn durch die aufschiebende Bedingung kann die Bank sicher stellen, dass ihre Bürgschaftsverpflichtung erst entsteht, wenn der Auftraggeber die eigene vertragliche Werklohnzahlungsverpflichtung erfüllt hat und sie durch die Werklohnzahlung ihrerseits eine Sicherheit erhält, wodurch zugleich verhindert wird, dass eine Bürgschaft übergeben, der Sicherheitseinbehalt jedoch absprachewidrig zurückgehalten wird. Dies entspricht gerade den üblichen Mechanismen bei der Durchführung und Abwicklung von Bauverträgen und damit den Bedürfnissen der Baupraxis (vgl.Roquette/ Giesen, NZBau 2003, 297, 298).

Im Hinblick darauf, dass dem Auftragnehmer in VOB-Bauverträgen ein Wahlrecht unter den Sicherheiten zusteht und er darüber hinaus Sicherheiten durch andere ersetzen kann (§ 17 Nr. 3 VOB/B), muss den Parteien aber auch frei stehen, die Sicherheiten über eine Bedingung miteinander zu verknüpfen (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1999,114, 115; Roquette/ Giesen, NZBau 2003, 297, 298; Stammkötter, BauRe 2002, 875, 876). Die Vertragklausel läuft damit nicht der zwischen den Parteien des Bauvertrages getroffenen Sicherungsabrede zuwider, sondern setzt sie vielmehr praktisch um, zumal der Auftraggeber die Sicherheitsleistung auch nur einmal fordern kann (vgl. Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB/B, 15. Aufl. § 17 Nr. 3 VOB/B Rdn. 18; Stammkötter, BauRe 2002, 875, 876).

(2) Die Tatsache, dass der Sicherheitseinbehalt nicht unmittelbar an die Streithelferin überwiesen, sondern auf ein auf die Beklagte selbst lautendes Konto eingezahlt werden sollte, kann gleichfalls nicht als eine derart ungewöhnliche, atypische Zahlungsbestimmung gewertet werden, dass ein Auftraggeber mit ihr etwa üblicherweise nicht zu rechnen brauchte. Dass ein Forderungsgläubiger nicht Leistung unmittelbar an sich selbst, sondern an einen Dritten verlangt, ist dem Geschäftsverkehr keineswegs fremd. Die Erfüllungswirkung einer solchen Leistung an einen zum Empfang ermächtigten Dritten sieht das Gesetz in §§ 362 Abs. 2, 185 BGB vor. Der Ermächtigung zur Leistung an den Dritten mit schuldbefreiender Wirkung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB liegen dabei regelmäßig interne Absprachen zwischen dem Forderungsgläubiger und dem Dritten zugrunde.

bb) Auch nach dem äußeren Erscheinungsbild und der drucktechnischen Gestaltung der Bürgschaftsurkunde stellt sich die hier in Rede stehende Ziffer 4) des Vertrages nicht als ungewöhnlich dar. Die Bedingung und die Voraussetzungen für den Eintritt der Bedingung sind gut lesbar in den Vertragstext eingefügt und in klar verständlicher Weise formuliert. Die Vertragsbestimmung ist in Ansehung der Kontobezeichnung durch eine Umrandung optisch hervorgehoben und insoweit in drucktechnisch augenfälliger Weise gestaltet. Sie ist also keineswegs an einer Stelle "versteckt", wo sie wegen eines fehlenden thematischen und systematischen Zusammenhanges nicht zu erwarten gewesen wäre. Nach der äußeren Gestaltung der Vertragsurkunde und der Anordnung der Bestimmung in dem Vertragstext konnte ein durchschnittlich aufmerksamer Leser die "Zahlungsklausel" nicht übersehen.

b) Ziffer 4) des Vertrages wohnt im übrigen auch kein Überraschungs- bzw. Überrumpelungseffekt als zweite normative Voraussetzung des § 3 AGBG a. F. inne.

aa) Eine Vertragsklausel ist in diesem Sinne überraschend, wenn zwischen ihrem Regelungsinhalt und den begründeten Erwartungen des Kunden eine erhebliche Diskrepanz besteht, was für den jeweiligen Einzelfall nach den Erkenntnismöglichkeiten des typischerweise zu erwartenden Durchschnittskunden zu beurteilen ist (vgl. Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 3 AGBG Rdn. 18; Heinrichs in Palandt, BGB, 61. Aufl., § 3 AGBG Rdn. 3). Als erwartungsbildprägend werden hierbei - alternativ oder kumulativ - angesehen die allfälligen individuellen Begleitumstände des Vertragsabschlusses sowie der individuelle Zuschnitt des durch die AGB zu ergänzenden Vertrages, bei gebräuchlichen Vertragstypen - wie hier der Bankbürgschaft zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche aus einem Bauvertrag - deren Typizität in Bezug auf die Rechte und Pflichten der Parteien, allgemein die Gebräuchlichkeit bestimmter Rechtsformen und Rechtsgestaltungen (vgl. Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 3 AGBG Rdn. 18).

bb) Der Senat vermag eine Diskrepanz zwischen dem AGB-Inhalt und der sich aus den Individualumständen ergebenden Kundenerwartung der Klägerin hier indessen nicht festzustellen. Wie bereits ausgeführt, widerstreitet die aufschiebende Bedingung nicht dem Sicherungszweck der Bürgschaft. Dass die Zahlungsbestimmung nicht etwa die Streithelferin als Zahlungsempfängerin ausweist, kann die Klägerin als Auftraggeberin aus der insoweit maßgeblichen objektiv-typisierenden Sicht gleichfalls nicht überrascht haben. Denn es bleibt letztlich den vertraglichen Absprachen zwischen Sicherungsgeber und Hauptschuldner vorbehalten, untereinander im einzelnen abzustimmen, an wen der Sicherungseinbehalt ausbezahlt werden soll. Dabei bleibt es ihnen unbenommen, sich darauf zu verständigen, dass im Sicherungsinteresse des Bürgen die Einzahlung des einbehaltenen Werklohns auf ein Konto des Bürgen erfolgen soll. Durch die Bestimmung des Eingangskontos werden weder der Pflichtenkreis der Klägerin in atypischer Weise erweitert noch ihre Rechte ungewöhnlich stark beschränkt.

c) Nach alledem steht § 3 AGBG a. F. einer Einbeziehung der streitbefangenen Ziffer 4) nicht entgegen. Die Vertragsbestimmung hält sich vielmehr im Rahmen dessen, was bei Würdigung aller Umstände bei Verträgen dieser Art zu erwarten ist.

3. Die Vertragsbestimmung ist zudem als Voraussetzung für das Wirksamwerden der Bürgschaft derart klar und unmissverständlich formuliert, dass sie keinen Raum für eine missverständliche Deutung eröffnet (§ 5 AGBG a. F.). Nach allen Auslegungsregeln lässt sich kein von dem Wortlaut der Bestimmung abweichender Sinngehalt feststellen. Ziffer 4) des Bürgschaftsformularvertrages kann aus objektiv verständiger Sicht nur so verstanden werden, dass erst mit Eingang der Zahlung, und zwar hier auf dem konkret bezeichneten Konto der Beklagten, alle Voraussetzungen für ein Inkrafttreten der Bürgschaft erfüllt sind. Dies war auch für die Klägerin selbst bei Aufwendung nur geringer Sorgfalt ohne weiteres erkennbar.

Auch der Umstand, dass der Formularvertrag unter Ziffer 4) zwei Regelungsalternativen für den Empfang des einbehaltenen Geldbetrages vorsah und die Beklagte nicht etwa die Rubrik "bei uns" angekreuzt hat, sondern die zweite Alternative "auf dem bei uns bestehenden Konto", welche von ihr sodann in einer hierfür drucktechnisch vorgesehenen Spalte ergänzt worden ist, führt nicht nach § 5 AGBG a. F. zu einer zu Lasten der Klägerin gehenden Unklarheit oder Missverständlichkeit der Vertragsklausel. Denn in der von der Klägerin gewählten zweiten Alternative ist das Empfangskonto nach Kontonummer, Bankleitzahl und Kontoinhaber ausdrücklich und unmissverständlich bezeichnet. Aus der Regelung geht eindeutig hervor, dass Kontoinhaberin des Empfangskontos die Beklagte ist. Die in der Vertragsbestimmung hierzu alternativ vorgesehene erste Rubrik hätte nach deren textlichen und drucktechnischen Gestaltung für die erforderliche Angabe der Kontonummer und des Kontoinhabers im übrigen auch keinen Raum belassen.

4. Die Vertragsbestimmung hält schließlich auch einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 9 Abs. 1 AGBG a. F. stand. Weder die Tatsache, dass die Wirksamkeit des Bürgschaftsvertrages formularmäßig von der aufschiebenden Bedingung der Auszahlung des Sicherheitseinbehaltes abhängig gemacht worden ist, noch der Umstand, dass die Zahlung an eine von dem Auftragnehmer verschiedene Person, nämlich an den Bürgen selbst, erfolgen sollte, begründen eine unangemessene Benachteiligung des Auftraggebers nach § 9 Abs. 1 AGBG a. F.

a) Wie bereits ausgeführt, wird durch die aufschiebende Bedingung lediglich die in dem Austauschrecht des Auftragnehmers angelegte Abwicklung Zug um Zug sicher gestellt. Der Vorbehalt schränkt die Bürgschaft jedoch nicht in ihrer Bedeutung als taugliches Sicherungsmittel ein, so dass schutzwürdige Sicherungsinteressen des Gläubigers durch die aufschiebende Bedingung nicht berührt werden (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1999, 114, 115; Stammkötter, BauRe 2002, 875, 876; Roquette/Giesen, NZBau 2003, 297, 298; Joussen in Ingenstau/Korbion, 15. Aufl., § 17 Nr. 3 VOB/B Rdn.18).

b) Eine Gefährdung der Gläubigerinteressen ist schon deshalb nicht zu befürchten, weil der Eintritt der aufschiebenden Bedingung allein von seinem Willen abhängt. Denn der Gläubiger hat es in der Hand, die Bedingung eintreten zu lassen, indem er die verlangte Sicherheit auf das bezeichnete Konto einzahlt. Die Vertragsbestimmung enthält insofern eine sog. Potestativbedingung (vgl. OLG Karlsruhe WM 2000, 2296; Stammkötter, BauRe 2002, 875, 876; Roquette/Giesen, NZBau 2003, 297, 298).

c) Auch im übrigen ist für den Senat aber nicht erkennbar, inwiefern die "Eingangsklausel" die Klägerin in unzumutbarer Weise belastet haben könnte. Denn der Klägerin, die - entgegen der in dem Bürgschaftsvertrag vorgesehenen Zahlungsbestimmung - den Werklohn tatsächlich an die Streithelferin entrichtet hat, wäre es stattdessen ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, den einbehaltenen Betrag auf das in der Bürgschaftsurkunde bezeichnete Konto einzuzahlen, um so den Bedingungseintritt herbeizuführen (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1999, 114, 115; für die sog. Anzahlungsbürgschaft: OLG Frankfurt WM 1978, 1188, 1189).

d) Entgegen der Ansicht der Klägerin barg Ziffer 4) des Bürgschaftsvertrages auch nicht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme durch die Streithelferin, der gegenüber sie als Vertragspartnerin des Bauvertrages die Auszahlung des Sicherungseinbehaltes schuldete, in sich. Die Klägerin durfte vielmehr angesichts der mit der Übergabe der Bürgschaftsurkunde verbundenen Umstände davon ausgehen, dass sie durch einen Ziffer 4) des Bürgschaftsvertrages entsprechenden Zahlungseingang auf dem Konto der Beklagten auch ihre Zahlungsverpflichtung gegenüber der Streithelferin mit schuldbefreiender Wirkung erfüllen würde (§§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB).

aa) Die Klägerin hat nämlich selbst vorgetragen, dass ihr die streitbefangene Bürgschafts-urkunde durch die Streithelferin überreicht worden ist, die auf diese Weise von ihrem Austauschrecht gemäß § 9 Ziffer 4 des Bauvertrages Gebrauch machen wollte. Insofern durfte die Klägerin aber davon ausgehen, dass die in der Bürgschaftsurkunde enthaltene Auszahlungsbestimmung auch dem Willen der Streithelferin entsprach und diese die Beklagte zu dem Empfang nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB ermächtigt hatte. Die Hauptschuldnerin hätte gegen eine Einzahlung des einbehaltenen Betrages auf das in der Bürgschaftsurkunde bezeichnete Konto der Beklagten auch redlicherweise nichts einwenden können, da sie ihrer Verpflichtung zur Übergabe einer Bankbürgschaft gerade in Gestaltung der vorliegenden Bürgschaft nachgekommen ist, diese Bürgschaft aber die Klägerin dazu veranlasste, den Sicherheitseinbehalt auf das von der Bürgin bezeichnete Konto zu überweisen. Der Streithelferin wäre es verwehrt gewesen, von der Klägerin - entgegen der unter Ziffer 4) getroffenen Zahlungsbestimmung - die Auszahlung des vollen Sicherheitseinbehaltes an sich zu verlangen, weil dies hier zur Folge gehabt hätte, dass die Klägerin die Bankbürgschaft nicht zum Entstehen bringen konnte (vgl. OLG Karlsruhe WM 2000, 2296): das Austauschrecht hätte die Auftragnehmerin in diesem Fall nicht wirksam ausgeübt.

bb) Die Beklagte ihrerseits verfolgte mit der Vertragsbestimmung, die das Wirksamwerden der Bankbürgschaft von der Einzahlung des Einbehalts auf das von ihr bezeichnete Konto abhängig machte, ein nicht zu beanstandendes Kontroll- und Sicherungsinteresse.

Mit dem Auftrag zur Erteilung einer Bankbürgschaft kommt ein Avalkreditvertrag zustande. Die Bank geht eine Eventualverbindlichkeit gegenüber ihrem Kunden ein, gewährt diesem also zusätzlichen Kredit. Durch die Bedingung unter Ziffer 4) stellte sie hier sicher, dass die Eventualverbindlichkeit wirksam erst dann entstand, wenn sie auf der anderen Seite dafür eine entsprechende Sicherheit in Gestalt des eingezahlten Sicherungseinbehaltes erhielt. Durch die Benennung eines bei der bürgenden Bank eingerichteten Empfangskontos wurde überdies erreicht, dass die mit der Hergabe der Bürgschaft einhergehende Ausweitung des Avalkredites durch den Rückfluss der Sicherungsbeträge alsbald wieder rückgängig gemacht werden konnte (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1999, 114, 115; OLG Karlsruhe WM 2000, 2296; Roquette/Giesen, NZBau 2003, 297, 298). Auch bestand für die Bank ein anerkennenswertes Interesse an einer wirtschaftlichen Absicherung ihres eigenen Rückgriffsanspruchs gegen die Hauptschuldnerin für den Fall einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft wegen etwaiger Gewährleistungsansprüche (vgl. OLG Frankfurt WM 1978, 1188, 1189).

Darüber hinaus erhielt die Beklagte durch diese Regelung die einfachere und sichere Möglichkeit, den Beginn ihrer Verpflichtung festzustellen, da diese dies ihre eigenen Buchungsunterlagen gestattet hätte. Dieses legitime Kontrollinteresse ist schützenswert. Dass sie sich auch in anderer Weise dieses Wissen hätte verschaffen können, ist demgegenüber unerheblich (vgl. OLG Frankfurt WM 1978, 1188, 1189).

Nicht zu beanstanden ist schließlich der mit der Vertragsklausel daneben verfolgte Zweck, zugleich auch gegenüber ihrem Kunden - dem Auftragnehmer und Hauptschuldner - zu gewährleisten, dass der Bürgschaftsnehmer nicht ohne Vollzahlung der Abrechnungssumme Ansprüche aus der Gewährleistungsbürgschaft geltend machen konnte.

cc) Die Klägerin meint schließlich zu Unrecht, dass die formularvertragliche Regelung in Ziffer 4) der Bürgschaftsurkunde gegen das Transparenzgebot verstoße und deshalb nach § 9 Abs. 1 AGBG a. F. nichtig sei. Die streitige Vertragsbestimmung ist weder unklar noch undurchschaubar gefasst. Ein durchschnittlich aufmerksamer und sorgfältiger Vertragspartner hätte vielmehr bei Durchsicht der Vertragsurkunde ohne weiteres erkennen können, auf welches Konto er den Sicherungseinbehalt zahlen musste (vgl. Roquette/Giesen, NZBau 2003, 297, 298; für eine sog. Anzahlungsbürgschaft: OLG Frankfurt WM 1978, 1188, 1189). Wie bereits ausgeführt, hat auch die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Regelungsalternativen nicht eine Unklarheit oder Missverständlichkeit der konkreten Zahlungsbestimmung bewirken können.

e) Nach alledem hält die Vertragsklausel einer Überprüfung auch anhand der Schutzbestimmung des § 9 Abs. 1 BGB stand.

II. Die insoweit wirksam in dem Bürgschaftsvertrag einbezogene aufschiebende Bedingung ist hier jedoch nicht eingetreten. Denn die unstreitigen Zahlungen der Klägerin auf andere bei der Beklagten geführte Konten der Hauptschuldnerin haben die in dem Bürgschaftsvertrag eindeutig formulierte Bedingung nicht erfüllen können (vgl. ebenso OLG Karlsruhe WM 2000, 2296). Diese ging nämlich ausdrücklich dahin, die Sicherheitsleistung auf das konkret bezeichnete Konto der Beklagten zu erbringen. Für eine erweiternde Auslegung der Vertragsbestimmung lässt der eindeutige und unmissverständliche Wortlaut keinen Raum.

III. Entgegen der Ansicht der Klägerin verhält sich die Beklagte schließlich auch nicht im Sinne des § 242 BGB rechtsmissbräuchlich, wenn sie sich auf den Bedingungsausfall beruft.

Bei dem in § 242 BGB statuierten Grundsatz von Treu und Glauben handelt es sich nicht um eine allgemeine Billigkeitsvorschrift, aus der sich das Recht herleiten ließe, die sich aus den Verträgen ergebenden nachteiligen Rechtsfolgen durch vermeintlich angemessenere Regelung zu ersetzen. Durch den Rechtsmissbrauchseinwand sollen vielmehr lediglich besondere unbillige Härten vermieden und solche Auswüchse beschnitten werden, die nicht mehr mit der Rechtsordnung im Einklang stehen. Die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben soll also lediglich dann möglich sein, wenn erhebliche Umstände vorliegen, die ein Festhalten an dem Wortlaut der Willenserklärung als unerträglich erscheinen lassen (vgl. ebenso OLG Frankfurt WM 1978, 1188, 1189). Solche besonderen Umstände hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin indessen weder schlüssig dargetan, noch sind diese hier ersichtlich.

Nach alledem entbehrt der Bürgschaftsvertrag vom 17.05.2000 bereits mangels Eintrittes der unter Ziffer 4) des Vertrages geregelten aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit, so dass die Klägerin hieraus auch keine Ansprüche gegen die Beklagte herleiten kann.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 1. HS ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision an den Bundesgerichtshof nicht nach § 543 Abs. 1 ZPO zugelassen gewesen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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