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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: 2 U 77/07
Rechtsgebiete: FGG, GmbHG


Vorschriften:

FGG § 141a
GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 7
GmbHG § 66 Abs. 5 Satz 1
1. Eine GmbH verliert trotz Löschung im Handelsregister ihre Rechts- und Parteifähigkeit erst mit Vollbeendigung.

2. Eine GmbH, hinsichtlich deren Vermögen ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig mangels Masse abgewiesen worden ist und die deshalb wegen Vermögenslosigkeit nach § 141a FGG im Handelsregister gelöscht worden ist, wird durch die Eintragung der Löschung nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG aufgelöst.

3. Zur Beendigung der GmbH und damit zum Verlust deren Rechts- und Parteifähigkeit führt diese Löschungseintragung jedoch erst dann, wenn die Gesellschaft tatsächlich vermögenslos ist und keine Abwicklungsmaßnahmen mehr vorzunehmen sind.

4. Stellt sich nach der Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit heraus, dass noch Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt, findet gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GmbHG die Liquidation mit der Wirkung statt, dass die Gesellschaft während der Liquidationsphase noch rechts- und parteifähig ist. Die Löschung ist in diesen Fällen nicht Beendigungs-, sondern nur Auflösungstatbestand.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 77/07 OLG Naumburg

verkündet am 19. September 2007

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Naumburg durch die Richter am Oberlandesgericht Rüge, Dr. Otparlik und Handke auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2007 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 4. Mai 2007 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau - 2 O 691/06 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Herausgabe zweier Urkunden der R. AG über Gewährleistungsbürgschaften (GA I 12, 31) in Anspruch. Diese Bürgschaften betrafen die Vertragserfüllungspflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin (nachfolgend: Klägerin) aus zwei Bauverträgen mit der Beklagten vom 16. Juni 1999 (Vertrag A; GA I 5-11) und vom 2. August 1999 (Vertrag B; GA I 27-30), in denen jeweils die Geltung der VOB verabredet wurde. Der Höhe nach belaufen sich die Bürgschaften auf 5 % der jeweiligen Auftragssumme, das sind DM 21.701 (Vertrag A) und DM 6.184,57 (Vertrag B).

Die Beklagte hat den Werkvertrag vom 16. Juni 1999 (A) vorzeitig gekündigt; die erbrachten Leistungen aus beiden Werkverträgen hat sie abgenommen. Die Forderungen der Klägerin aus deren Schlussrechnungen vom 14. Juni 2000 über DM 21.237,78 (A; GA I 13) und 14. Januar 2000 über DM 14.984,66 (B; GA I 17-25) sind von der Beklagten nicht beglichen worden; sie sind inzwischen verjährt.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe in unverjährter Zeit keine unerledigten Mängelrügen gestellt. Die Schreiben der Beklagten bezögen sich jeweils auf Restleistungen, die nicht dem Sicherungszweck der Gewährleistungsbürgschaften unterfielen.

Die Beklagte hat die Aktivlegitimation und Parteifähigkeit der Klägerin bestritten. Sie hält sich ferner für zur Zurückbehaltung der Bürgschaften berechtigt, weil sie noch offene Mängelbeseitigungsansprüche habe.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Versäumnisurteil vom 30. Januar 2007 zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunden verurteilt. Auf den Einspruch der Beklagten hat es das Versäumnisurteil aufrechterhalten und die zwischenzeitlich auf Zahlung von 807,80 € nebst Zinsen erhobene Widerklage abgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, die Klägerin sei trotz der Löschung im Handelsregister nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens parteifähig und aktivlegitimiert. Ihr stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunden gemäß § 17 Nr. 8 Abs. 2 VOB/B zu, nachdem die Mängelansprüche verjährt seien. Die Beklagte habe auch keine Mängel, auf denen die verjährten Gewährleistungsansprüche gründeten, in unverjährter Zeit gerügt. Soweit die Beklagte jedoch wegen der auf die Behebung von rechtzeitig gerügten Mängeln der klägerischen Werkleistung angefallenen Mehrkosten über DM 7.163,23 aus der Rechnung der T. GmbH vom 12. Juli 2000 ein Anspruch auf Zurückhaltung eines Teils der Bürgschaft zustehen könne, fehle es hierfür am Sicherungsinteresse, weil die Beklagte zu DM 21.237,78 die Schlussrechnung der Klägerin nicht bezahlt habe. Die Zurückhaltung der Bürgschaftsurkunden liefe auf eine Übersicherung der Beklagten hinaus.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung wendet sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung und verfolgt ihr Begehren nach Aufhebung des Versäumnisurteils und Klageabweisung weiter. Sie beanstandet, das Landgericht habe die Klägerin fehlerhaft als aktivlegitimiert angesehen, obwohl diese nach Löschung im Handelsregister rechtlich nicht mehr existiere und die Liquidation hiermit beendet sei; verfahrensfehlerhaft und unter Verletzung rechtlichen Gehörs der Beklagten habe das Landgericht hierwegen nicht die Insolvenzakte beigezogen. Zur frist- und formgerechten Mängelrüge verweist die Beklagte auf das Zeugnis ihres Architekten Lommertz, das das Landgericht übergangen habe. Schließlich erhebt die Beklagte wegen einer Bürgschaft die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung, verteidigt die Gründe des landgerichtlichen Urteils und bezieht sich dabei im Wesentlichen auf ihren bisherigen Tatsachenvortrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die in beiden Rechtszügen zur Akte gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Beklagte als zur Herausgabe der im Versäumnisurteil genannten Bürgschaftsurkunden verpflichtet erachtet. Dieser Befund begegnet auch in Betracht der Berufungsbegründung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, § 513 Abs. 1 Fall 1 ZPO; ebenso wenig rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 Abs. 1 Fall 2 ZPO.

1. Die Klägerin ist parteifähig nach § 50 ZPO. Nach dieser Bestimmung ist parteifähig, wer rechtsfähig ist.

a) Die Klägerin hat mit ihrer Eintragung im Handelsregister Rechtsfähigkeit erlangt (arg. aus § 11 Abs. 1 GmbHG) und damit die Fähigkeit, vor Gericht zu klagen, § 13 Abs. 1 GmbHG.

b) Diese Rechtsfähigkeit hat die Klägerin nicht verloren. Denn die Klägerin verliert die Rechtsfähigkeit erst mit Vollbeendigung, die bisher nicht eingetreten ist.

aa) Zwar ist nach dem von der Beklagten vorgelegten Handelsregisterauszug (GA I 88) am 10. Mai 2004 von Amts wegen der Vermerk eingetragen worden, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin durch rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts Dessau (2 IN 687/03) mangels Masse abgewiesen worden ist; ferner der Eintrag vom 28. Juli 2006, dass die Klägerin wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 141 a FGG gelöscht worden ist.

bb) Zwar bewirkt die Eintragung der Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 141 a FGG im Handelsregister einer GmbH nach § 60 Abs. 1 Nr. 7 GmbHG die Auflösung der GmbH. Zur Beendigung der Klägerin führt diese Eintragung indes erst, wenn die Gesellschaft zudem tatsächlich vermögenslos ist und keine Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen sind (vgl. Schulze-Osterloh/Fastrich in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 60 Rn. 30). Wenn sich hingegen nach der Löschung wegen Vermögenslosigkeit herausstellt, dass noch Vermögen vorhanden ist, dass der Verteilung unterliegt, findet gemäß § 66 Abs. 5 Satz 1 GmbHG die Liquidation mit der Wirkung statt, dass die Gesellschaft während der Liquidationsphase noch rechts- und parteifähig ist. Denn die Löschung ist in diesen Fällen nicht Beendigungs-, sondern nur Auflösungstatbestand (vgl. Schulze-Osterloh/Noack, aaO., § 66 Rn. 37 mwN). Davon zu unterscheiden ist der von der Beklagten angeführte Fall der Nachtragsliquidation, der die Fälle betrifft, in denen eine GmbH nach Abschluss der Liquidation im Handelsregister gelöscht worden ist und sich nunmehr herausgestellt hat, dass noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist oder noch Abwicklungsmaßnahmen durchzuführen sind (vgl. Schulze-Osterloh/Noack, aaO., Rn. 34).

cc) Im Streitfall kann die Klägerin nicht als völlig vermögenslos und damit vollständig beendet gelten. Dem steht schon der Umstand entgegen, dass sich die Klägerin mit der Klage Erfolg versprechend eines Anspruches auf Herausgabe von Bürgschaftsurkunde berühmt. Zudem hat die Klägerin unbestritten Anspruch auf Herausgabe einer hinterlegten Sicherheit über 45.000 € aus einer bei der R. AG abgeschlossenen Kautionsversicherung über 400.000 €, wenn sie sämtliche Bürgschaftsurkunden zurückgibt. Dem ist die Beklagte auch mit der Berufungsbegründung nicht entgegen getreten.

2. Die Geltendmachung der Klageforderung scheitert prozessual nicht an dem Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit. Die hierzu von der Beklagten als Anlage KS&P 27 eingereichte 1. Seite des Schriftsatzes der Rechtsanwälte W. an das Landgericht Dessau vom 7. September 2001 bezieht sich auf ein Herausgabeverlangen einer Gewährleistungsbürgschaft über 54.000 (die Währungsangabe ist unleserlich). Das ist offensichtlich keine der in diesem Rechtsstreit herausverlangten Bürgschaftsurkunden.

3. Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Herausgabe der beiden Bürgschaften der R. AG , die im Versäumnisurteil des Landgerichts vom 30. Januar 2007 angeführt sind; insofern ist sie "aktivlegitimiert". Die Beklagte hat an diesen Bürgschaftsurkunden kein Zurückbehaltungsrecht. Dafür kann dahinstehen, ob die Beklagte vor Ablauf der Verjährungsfrist Mängel gerügt hat.

a) Die Bürgschaft über DM 21.701 zum Vertrag A sichert nach ihrem Wortlaut die "Ausführung gemäß VOB, Teil B § 4", wie es § 6.3 des Bauvertrages vom 16. Juni 1999 vorsah. Dieser Sicherungszweck ist erfüllt, weil mit der unstreitig vollzogenen Abnahme der Werkleistung der Klägerin durch die Beklagte das Erfüllungsstadium des Vertrages abgeschlossen ist und das Gewährleistungsstadium begonnen hat. Eine Gewährleistungssicherheit haben die Parteien mit § 6.4 des Bauvertrages A jedoch nur durch Einbehalt von 5 % der Auftragssumme vereinbart. Daneben ist das Recht der Klägerin vorgesehen, diesen Einbehalt durch Stellung einer Bürgschaft abzulösen. Dazu, dass die Klägerin diese Ablösung durch Bürgschaft vorgenommen hat, enthält das Parteivorbringen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die herausverlangte Bürgschaft Nr. ... bezieht sich jedenfalls nicht auf die Sicherung der Gewährleistungspflicht der Klägerin. Deshalb hat die Beklagte die Bürgschaft ohne weiteres herauszugeben.

b) Die Bürgschaft über DM 6.184,57 zum Vertrag B sichert ebenfalls die "Ausführung gemäß VOB, Teil B § 4". Hierzu enthält der eingereichte Bauvertrag vom 2. August 1999 (GA I 27-30) überhaupt keine Vereinbarung. Deshalb fehlt schon der Stellung dieser Bürgschaft - und erst recht ihrem Einbehalt durch die Beklagte - der Rechtsgrund, den § 17 VOB/B ebenso wie die §§ 232 ff. BGB voraussetzen. Zwar sieht § 6.3 des Bauvertrages der Parteien während der Dauer der Gewährleistungsfrist ein Recht zum Gewährleistungseinbehalt der Beklagten in Höhe von 5 % der insgesamt zu entrichtenden Schlussrechnungssumme vor; Satz 2 dieser Bestimmung nimmt auf das Recht der Klägerin zur Ablösung dieses Einbehaltes durch Bürgschaft Bezug - wie es in § 17 Nrn. 3 und 4 VOB/B geregelt ist. Eine solche Ablösung ist indes durch die herausverlangte Bürgschaft nicht geschehen. Diese bezieht sich nur auf die Vertragserfüllung, wofür mangels vertraglicher Bestimmung der Rechtsgrund fehlt.

III.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Nebenentscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 711 und 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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