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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Naumburg
Urteil verkündet am 15.12.2005
Aktenzeichen: 2 U 84/05
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 3
Eine mit einem Kreditinstitut geschlossene Vereinbarung mit der Bezugnahme auf eine mehr als sechs Jahre zurückliegende "Negativerklärung des Grundeigentümers", in der die Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld enthalten ist, ist überraschend im Sinne von § 3 AGBG, wenn diese Verpflichtung in der Negativerklärung nicht wenigstens drucktechnisch hervorgehoben ist und wenn die Negativerklärung der Bezugnahmevereinbarung nicht angeheftet ist und auch nicht näher erläutert ist.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 84/05 OLG Naumburg

verkündet am: 15. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Naumburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Engel sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Strietzel und Dr. Otparlik auf die mündliche Verhandlung vom 09.11.2005 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 13.07.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 Euro.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Bestellung einer Grundschuld i. H. v. 100.000 Euro in Anspruch.

Am 10.11.1994 unterzeichnete die Beklagte eine "Negativerklärung", in der sie sich zur Sicherung der Forderungen der Klägerin aus einem nicht bezeichneten Darlehensvertrag u. a. verpflichtete, der Sparkasse eine Grundschuld in Höhe der dann bestehenden Forderungen an bereitester Stelle auf ihrem Grundeigentum eintragen zu lassen (Anlage K 5, Bl. 16 d. A.).

Am 05.04.2001 trafen die Parteien eine "Vereinbarung über die Änderung des Sicherungszwecks", wonach die "gestellte Sicherheit" nunmehr "ausschließlich zur Sicherung der Forderungen der Sparkasse aus Konto ... und Konto ... " gegen den Ehemann der Beklagten dienen sollte (Anlage K 6, Bl. 17 d. A.). Insoweit handelte es sich um ein Tilgungsdarlehen und einen Kontokorrentkredit, aus denen noch über 100.000 Euro offen stehen.

Die Beklagte hat eingewandt, die in der Negativerklärung vom 10.11.1994 enthaltene positive Verpflichtung zur Grundschuldbestellung sei überraschend. Die Vereinbarung vom 05.04.2001 genüge nicht dem Bestimmtheitserfordernis, denn sie enthalte weder die Höhe der Grundschuld noch den Umfang der gesicherten, teilweise künftigen Forderungen; zudem sei sie wegen anfänglicher Übersicherung und Ausnutzung der emotionalen Zwangslage der Beklagten sittenwidrig.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung verwiesen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die der Verpflichtung zur Grundschuldbestellung zu Grunde liegenden Vereinbarungen gem. § 9 AGBG unwirksam seien. Die in der irreführend und verharmlosend mit "Negativerklärung" überschriebenen Vereinbarung vom 10.11.1994 enthaltene positive Verpflichtung zur Grundschuldbestellung sei versteckt und überraschend. Die Vereinbarung vom 05.04.2001 lasse die gesicherten Forderungen nicht hinreichend erkennen; nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe die Klägerin die fehlende Transparenz auch nicht durch eine entsprechende Aufklärung hergestellt.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Klägerin trägt vor, die Verwendung von formfrei möglichen Negativ- und Positiverklärungen entspreche gängiger Bankpraxis. Die von der Beklagten eingegangene Verpflichtung zur Grundschuldbestellung sei klar und eindeutig. Die Erstreckung der Sicherungsabrede auch auf künftige Forderungen sei nicht zu beanstanden. Eine Verpflichtung zur Aufklärung über den genauen Inhalt der gesicherten Forderung sowie über die Konsequenzen der Verpflichtung zur Grundschuldbestellung habe nicht bestanden; jedenfalls aber sei eine derartige Aufklärung erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 13.07.2005 verkündeten Urteils des Landgerichts Halle die Beklagte zu verurteilen, für die Klägerin an dem Grundstück, eingetragen im Grundbuch von W. , Blatt 622, Flur 1, Flurstück Anteil an UH BBL 476, unvermessen, D. straße 37 in W. , eine Grundschuld i. H. v. 100.000 Euro zzgl. Zinsen i. H. v. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2003 zu bestellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg, denn das erstinstanzliche Urteil ist im Ergebnis richtig.

1. Die Vereinbarung vom 05.04.2001, in Verbindung mit der vorangegangenen "Negativerklärung" vom 10.11.1994, besitzt allerdings einen rechtlich eindeutig bestimmbaren Inhalt.

a) Die Vereinbarung über die Änderung des Sicherungszwecks vom 05.04.2001 setzt nach ihrem Wortlaut eine bereits bestehende Zweckvereinbarung voraus. In der "Negativerklärung" vom 10.11.1994 ist allerdings die Zeile, in der die zu sichernde Forderung näher bezeichnet werden sollte, gerade unausgefüllt geblieben. Wie in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch unstreitig geworden ist, bestanden im Jahre 1994 nur Verbindlichkeiten der GbR gegenüber der Sparkasse, die nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien mit der "Negativerklärung" der Beklagten gesichert werden sollten. Das hat auch der Zeuge K. in seiner Vernehmung bestätigt.

b) Bei der Erklärung vom 05.04.2001 (10.11.1994) handelt es sich entgegen ihrer Überschrift nicht um eine bloße Negativerklärung. Eine solche bezieht sich nämlich ausschließlich auf die Nichtbelastung des Vermögens des Sicherungsgebers (vgl. Ziff. 1 und 2 der Erklärung vom 10.11.1994). Bei der streitgegenständlichen Ziff. 4 der Erklärung vom 10.11.1994 handelt es sich vielmehr um eine sog. Positiverklärung, d. h. um einen Vorvertrag über die Bestellung einer Grundschuld und den Abschluss einer entsprechenden Zweckvereinbarung (vgl. Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rn. 6.572; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Bd II, § 90, Rn. 189, 190). Die Erklärung vom 05.04.2001 ist als eine Abänderung (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, a. a. O., § 94, Rn. 305) dieses Vorvertrages vom 10.11.1994 auszulegen (§§ 133, 157 BGB).

c) Der (geänderte) Vorvertrag ist wie die Grundschuldbestellung als solche und der spätere Sicherungsvertrag formlos gültig. Er muss lediglich den zu sichernden Kredit und den Inhalt des noch abzuschließenden Sicherungsvertrages zumindest bestimmbar bezeichnen (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, Bd II, § 90, Rn. 189, 190, § 94, Rn. 120, 302). Dies ist hier der Fall. Die gesicherten Forderungen sind durch die in der Vereinbarung vom 05.04.2001 enthaltenen Bezugnahme auf die Konto-Nummern ... und ... zumindest bestimmbar. Die in der "Negativerklärung" vom 10.11.1994 enthaltene Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld "in Höhe der dann bestehenden Forderung" ist ebenfalls hinreichend bestimmbar (vgl. Kümpel, a.a.O., Rn. 6.589), zumal die Grundschuld die Begrenzung auf eine bestimmte Haftungshöhe (den Grundstückswert) bereits in sich trägt (vgl. Staudinger-Wolfsteiner, Neubearbeitung 2003, Vorbem. § 1191 ff, Rn. 25).

d) Die in Ziff. 4 der Negativerklärung vom 10.11.1994 enthaltene Verpflichtung zur Grundschuldbestellung ist auch unabhängig davon wirksam (§ 139 BGB), ob die Ziff. 1 und 2 gegen § 1136 BGB verstoßen (vgl. hierzu Kümpel, a.a.O., Rn. 6.585 und 6.586).

2. Die Vereinbarungen vom 10.11.1994 und 05.04.2001 sind nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) unwirksam.

a) Eine anfängliche Übersicherung liegt nicht vor, da es dann, wenn wie hier ein Verbund mit anderen Sicherheiten besteht, entgegen der Ansicht der Beklagten auf die Werthaltigkeit der Sicherheiten ankommt (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, a.a.O., § 90, Rn. 350; Palandt-Bassenge, BGB, 64. Aufl., § 1191, Rn. 24).

b) Die zur Sittenwidrigkeit einer Angehörigenbürgschaft entwickelten Grundsätze sind auf die Bestellung einer Sicherungsgrundschuld ebenfalls von vornherein nicht übertragbar, weil der Sicherungsgeber hier nur beschränkt dinglich haftet (vgl. BGH, NJW 2002, 2633).

3. Die Vereinbarung vom 10.11.1994/05.04.2001 ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 3 AGBG = § 305 c Abs. 1 BGB n. F. (überraschende Klauseln) und § 9 AGBG = § 307 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. (Transparenzgebot) unwirksam.

a) § 3 AGBG hilft der Beklagten allerdings insoweit nicht weiter, als es hier um die Einbeziehung künftiger Forderungen geht. Zwar ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die formularmäßige Ausdehnung der dinglichen Haftung des Sicherungsgebers auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten eines Dritten grundsätzlich selbst dann überraschend, wenn der Dritte der Ehegatte des Sicherungsgebers ist. § 3 AGBG ist aber nicht mehr anwendbar, wenn der Sicherungsgeber im Rahmen der Verhandlungen auf die Erweiterung der dinglichen Haftung individuell hingewiesen worden ist (vgl. BGH, NJW 1997, 2676, 2677; NJW 2001, 1416, 1417). Ob dies der Fall war, kann hier offen bleiben, weil jedenfalls eine etwaige Teilunwirksamkeit der Sicherungsabrede lediglich zu einer Beschränkung der streitgegenständlichen Vereinbarungen auf die Anlasskredite führen würde (vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski, a.a.O., § 94, Rn. 304) und vorliegend keinerlei Zweifel daran bestehen, dass sich die Erklärungen der Beklagten hierauf bezogen.

b) Der Ausgang des Rechtsstreits hängt damit allein davon ab, ob die in Ziff. 4 der "Negativerklärung" vom 10.11.1994 enthaltene Verpflichtung zur Grundschuldbestellung als solche gem. § 3 AGBG = § 305 c Abs. 1 BGB n. F. (überraschende Klausel) bzw. § 9 AGBG = § 307 Abs. 1 S. 2 BGB n. F. (Transparenzgebot) nicht Vertragsbestandteil geworden ist, weil sie nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrages, so ungewöhnlich war, dass die Beklagte nicht mit ihr zu rechnen brauchte. Dies ist zu bejahen.

aa) Zwar sind Negativklauseln, Positivklauseln und Kombinationen aus beiden in der Bankpraxis gang und gäbe (vgl. Krümpel, a.a.O., Rn. 6.572 ff); auch ist die in Ziff. 4 der Vereinbarung vom 10.11.1994 als konkrete Positiverklärung enthaltene Verpflichtung zur Grundschuldbestellung inhaltlich nicht zu beanstanden. Dies ändert aber nichts daran, dass derjenige, der eine ausdrücklich (nur) mit "Negativerklärung des Grundeigentümers" überschriebene Vereinbarung unterzeichnet, nicht zwingend damit rechnen muss, dass diese auch eine konkrete Verpflichtung zur positiven Bestellung einer Grundschuld enthält, wenn letztere nicht wenigstens drucktechnisch hervorgehoben ist.

bb) Hinzu kommt, dass in der Vereinbarung vom 05.04.2001 auf die mehr als 6 Jahre zurückliegende "Negativerklärung" vom 10.11.1994 Bezug genommen wird, ohne diese anzuheften, geschweige denn näher zu erläutern. Allein aus dem Inhalt der von ihr abgegebenen Erklärungen konnte die Beklagte daher nicht erkennen, dass sie am 05.04.2001 eine unmittelbare Verpflichtung zur Grundschuldbestellung zum Zweck der Sicherung einer fremden Schuld einging.

cc) Bei dieser Sachlage hätte es eines diesbezüglichen konkreten individuellen Hinweises bedurft. Dass ein solcher mit hinreichender Deutlichkeit erfolgt ist, lässt sich (auch) der Aussage der Zeugin M. aber nicht entnehmen. Die Zeugin hat im Senatstermin vom 30.11.2005 auf ausdrückliches Befragen, ob sie der Beklagten gesagt habe, dass die Negativerklärung aus dem Jahre 1994 über die Überschrift hinaus auch eine positive Erklärung zur Bestellung einer Grundschuld enthält, und ob sie der Beklagten deutlich erklärt habe, dass im Fall des Scheiterns des Kreditengagements auf ihrem Grundstück eine Grundschuld eingetragen werden könne, womit das Grundstück "weg" gewesen wäre, lediglich auf ihre bisherige, eher allgemein gehaltene Aussage verwiesen. Nach dieser Aussage musste die Beklagte zwar davon ausgehen, dass es bei der von ihr unterzeichneten Erklärung um ihr Hausgrundstück ging und dass dieses Hausgrundstück letztlich auch für die Schulden des Ehemanns K. herangezogen werden könnte. Das ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Bewusstsein, eine unmittelbare Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts einzugehen bzw. zu ändern. Daher kann nicht ausgeschlossen werden, dass jedenfalls die Beklagte tatsächlich davon ausgegangen ist, dass das Grundstück nur zum Zweck einer späteren Besicherung lastenfrei gehalten, nicht aber eine einklagbare Verpflichtung zur Bestellung einer Grundschuld begründet werden sollte. Dies gilt umso mehr, als beide von der Beklagten unterzeichneten Erklärungen hier von der Klägerin nach Gesprächen mit dem Ehemann K. bereits vorbereitet worden waren.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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